Die „Vorhautkriege“ habe auch ihr Gutes. So sortiert sich unter den philosemitischen und prozionistischen Islamophoben derzeit einiges. Die einen begreifen, dass ihre Islamophobie sich eigentlich doch ganz gut durch Antisemitismus ergänzt. Die anderen opfern ihre Islamophobie ihrem Philosemitismus.
Natürlich spült die gegenwärtige Diskussion um die Beschneidung eine Menge an Antisemitismus hoch. Wie zwischen legitimer Kritik an Israels Politik und antisemitischer „Israelkritik“ besteht zwischen legitimer, ja notwendiger Kritik an Bräuchen, Texten oder Glaubensinhalten des Judentums und Antijudaismus ein großer Unterschied. Darauf hinzuweisen, ist gerade inmitten der „Vorhautkriege“ nicht unwichtig. Und zwar nach beiden Seiten.
Eine Kritik der frühkindlichen Zirkumzision etwa ist nicht notwendig antijüdisch, wie manche Verteidiger dieses Brauchs behaupten; so auf der „Achse des Guten“ die Überschrift „ein Volk, ein Reich, eine Forrhaut!“ Aber manche Kritik ist es sehr wohl. Oft macht der Ton die Musik. Aber es gibt auch klarere Kriterien.
Das wichtigste Kriterium ist die Schlussfolgerung von der Kritik der Religion auf die Kritik der Gläubigen. (Dies gilt übrigens mutatis mutandis für den Unterschied zwischen Kritik am Islam und Islamophobie, oder wie man das Phänomen auch immer nennen will, zwischen Kritik am Christentum und Christenfeindlichkeit.) Die Kollektivhaftung der Gläubigen für wirkliche oder angebliche Inhalte ihrer Religion, die Gleichsetzung von negativen Inhalten der Religion und negativen Eigenschaften aller – oder der meisten – Angehörigen der Religion bildet die Brücke zwischen Religionskritik und Antijudaismus sowie zwischen den angeblich so grundverschiedenen Phänomenen Antijudaismus und Antisemitismus.
So schreibt Martin Luther: „Wenn nicht mehr da wäre als das Alte Testament, so wollte ich schließen … dass die jetzigen Juden müssen sein eine Grundsuppe aller losen, bösen Buben, aus aller Welt zusammengeschlossen, die sich gerottet und die Länder hin und her zerstreut hätten, wie die Tartaren und Zigeuner und dergleichen, die Leute zu beschweren mit Wucher, die Länder auszukundschaften und zu verraten, Wasser zu vergiften, zu prellen, Kinder zu stehlen und allerlei Meuchelschaden zu tun.“ Hier gilt das „Alte“ Testament als zeugnis für die Schlechtigkeit der Juden, so wie sich der Islamophobe mit ein paar angelesenen Koran-Suren bewaffnet, um die Muslime kollektiv als Gefahr zu bezeichnen.
Noch einmal Luther: „Die Juden begehren nicht mehr von ihrem Messias, als dass er ein weltlicher König sein solle, der uns Christen totschlage, die Welt unter den Juden austeile und sie zu Herren mache.“ Wieder wird vom religiösen Messiasglauben der Juden auf ein politisches Programm aller Juden in der Gegenwart geschlossen. Johann Wolfgang von Goethe meinte: „Sie haben einen Glauben, der sie berechtigt, die Fremden zu berauben.“ Ludwig Feuerbach wusste: „Ihr Prinzip, ihr Gott ist das praktischste Prinzip von der Welt – der Egoismus, und zwar der Egoismus in der Form der Religion. Der Egoismus ist der Gott, der seine Diener nicht zuschanden werden lässt.“ Für Josef Goebbels, der sich als „Christussozialist“ versteht, bildet Jesus als „das Genie der Liebe“ den „diametrale(n) Gegenpol zum Judentum, das die Inkarnation des Hasses darstellt“.
Auch für Adolf Hitler spielte trotz seiner Behauptung, das Judentum sei „Rasse und nicht Religionsgemeinschaft“, die Religion „die entscheidende Rolle, wenn es um den Kernpunkt seiner ganzen Weltanschauung ging: um die Judenfrage“, wie Raphael Gross in seinem exzellenten Buch „Anständig geblieben: Nationalsozialistische Moral“ nachweist. Und zwar kritisiert der katholisch erzogene Hitler „die Juden“, gerade weil sie angeblich keine echte Religion hätten: „Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen“, schreibt Hitler in dem frühesten politischen Dokument, das wir von ihm besitzen, dem Brief an Adolf Gemlich vom September 1919, „so noch mehr sein Denken und Streben.
Der Tanz ums Goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf“ um materielle Güter, die „nach unserem inneren Gefühl nicht die höchsten … sein sollen.“ (Auch hier eine biblische Anspielung, falsch verstanden natürlich, denn der in Exodus geschilderte Tanz um das Goldene Kalb war ein aus Ägypten mitgebrachter Ritus, keine Anbetung des Geldes oder der Güter.) In „Mein Kampf“ heißt es, aus dem „ursprünglichen eigenen Wesen kann der Jude eine religiöse Einrichtung schon deshalb nicht besitzen, da ihm der Idealismus in jeder Form fehlt und damit auch der Glaube an ein Jenseits völlig fremd ist.“ Aus der Tatsache (so sie eine Tatsache ist), dass es im „Alten“ Testament keine Ausführungen über ein Leben nach dem Tod gibt, schließt Hitler auf das rein materialistische, also unmoralische „Wesen des Juden“.
Das ist eine religiöse Kritik, wie sie noch heute etwa von den Kirchen am Atheismus geübt wird: Wer nicht an ein jenseits glaube, verfolge dem Materialismus und verliere jeden moralischen Maßstab. Gross fasst zusammen. „Dass Hitler das Judentum immer religiös, das heißt durch den Mangel an Religiosität, bestimmte, spielte später eine entscheidende Rolle in der NS-Judengesetzgebung. Es findet sich in ihr – und das ist ebenso bemerkenswert wie weithin unbekannt – kein einziges Gesetz, das letztlich auf einer biologischen und nicht auf einer religiösen Definition des Judentums und des Jüdischen basieren würde.“
Im Antisemitismus und Antizionismus unserer Tage spielen solche Kurzschlüsse – als gebe das, was man von der Tora zu wissen glaubt, irgendwie das Wesen „des Juden“ oder „der Israelis“ her – immer noch eine Rolle: Man beachte, wie Israels Antiterrorpolitik immer wieder mit dem „alttestamentarischen“ Rachegrundsatz „Aug um Auge, Zahn um Zahn“ in Verbindung gebracht wird, so als würde Israel aus „alttestamentarischen Hass“ handeln, wie es Goebbels den Juden unterstellt – und als würden christliche Nationen ganz anders mit ihren Feinden umgehen, etwa in Afghanistan.
Die Vorstellung, Christus habe als „Genie der Liebe“ mit einer Religion des Hasses gebrochen, ist bis heute trotz der unzähligen Verbrechen, die im Namen des Christentums begangen wurden, unausrottbar. Und wenn man solche Apologeten des Christentums darauf hinweist, dass die Juden im Gegensatz zu den Christen (und Muslimen) weder Proselyten machen noch im Namen ihrer Religion Kreuzzüge oder Dschihads, Zwangsbekehrungen oder Pogrome vorgenommen haben, von den blutigen Kämpfen zwischen Schiiten und Sunniten, Protestanten und Katholiken ganz abgesehen, so heißt es, all das sei eine bedauerliche Abweichung vom Pfad jenes Genies der Liebe, während – so die implizite Argumentation – Israels angebliche Härte von Moses stamme.
Die von mir – und nicht nur von mir – oft betonte Verwandtschaft von Islamophobie und Antisemitismus macht sich auch anderswo bemerkbar. Auf der offen moslemfeindlichen – und angeblich pro-israelischen – Website „Politically Incorrect“ schrieb das frühere CSU-Mitlied, Sprecher der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier und heutiger Vorsitzender der – ebenfalls angeblich israelfreundlichen – Geert-Wilders-Sympathisantenpartei „Die Freiheit“ in Bayern: „Dem Christentum steht es gut zu Gesicht, durch Jesus einen ‚neuen Bund’ geschlossen zu haben, was zu einer Relativierung des Alten Testamentes geführt hat.
Dem Judentum kann man zubilligen, dass seine Schriften heutzutage meist nicht mehr wörtlich genommen werden, was auch zu der einzigen Demokratie im Nahen Osten, dem modernen Israel, geführt hat. Wenn sich aber jüdische Verbände und Organisationen beispielsweise so an die uralte Vorschrift der Beschneidung klammern, zeigen sie damit, dass sie sich in diesem Punkt nicht vom Islam unterscheiden. So etwas hat nach meiner festen Überzeugung in unserem Land nichts zu suchen.“
Israel ist dieser Lesart in dem Maße zu unterstützen, wie es sich vom Judentum distanziert; die alte Mär vom „neuen Bund“ wird wiederholt, als sei das Judentum der Ära nach Zerstörung des Tempels identisch mit dem Tempelbrauchtum zu Zeiten des Herodes. Mit solchen Freunden, das habe ich immer gesagt, braucht Israel, brauchen die deutschen Juden keine Feinde. Mit der Formulierung „so etwas“ lässt dieser Freiheitsfreund bewusst offen, ob der Brauch „in Deutschland nichts zu suchen hat“ (wobei Bräuche ja nicht „suchen“), oder nicht vielmehr die Menschen, die ihn praktizieren, zu deportieren seien.
Gegenüber dem Antisemitismus und der Islamophobie, die unterschwellig die Diskussion um die Beschneidung infizieren, gilt es festzuhalten:
Das Kölner Urteil hat lediglich festgestellt, dass die Entfernung der Vorhaut bei einem religionsunmündigen Kind ohne zwingende medizinische Indikation objektiv den Tatbestand der Körperverletzung darstellt, definiert als eine Verletzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit. Das Grundrecht der Eltern auf freie Religionsausübung kann nach Meinung der Kölner Richter dieses Grundrecht des Kindes nicht aufheben.
Ich halte die Logik der Richter für unanfechtbar, trotz der Resolution des Bundestages zugunsten der Beschneidung. Im Mittelpunkt aller Überlegungen sollten nicht die Religionen stehen, sondern die Kinder. Das Kölner Urteil stellt das Kindeswohl über die religiösen Empfindungen der Eltern, die es nicht beurteilt. Ich halte den Brauch der Beschneidung für falsch, das habe ich deutlich geschrieben und begründet. Von der Beschneidung auf das Wesen von Judentum und Islam zu schließen, und zumal dem Christentum, weil es aus rein opportunistischen Gründen – lest in der Apostelgeschichte nach! – darauf verzichtet hat, eine irgendwie geartete höhere Moral zuzuschreiben, ist absurd und rassistisch.
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Aus aktuellem Anlass – Besuch des Rabbi Metzger/Empfehlungen des Ethikrates – möchte ich auf einen Erfahrungsbericht eines muslimischen Mannes in der taz hinweisen:
http://www.taz.de/Religioese-R.....is/!96617/
Wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen hat, könnte es sein, dass er
a) an einer Phimose leidet?
b) Probleme mit der Reinlichkeit hat?
c) wenigstens in einem Punkt göttlich-einzigartig bleiben witt?
d) ein Sadist ist?
and now the really important stuff:
He had to ask – and so, as delicately as possible, I’ll try and recount Jesse Bering’s thoughts on the styling and functionality of the human penis. First off, it is pretty big, at least compared to the privates of other apes. Even more curious is the indented cuff below the penis head. Why is the human penis so big, with such ornate features, Bering wonders?
Bering’s mentor, Gordon Gallup, came up with an explanation after experimenting with a polyurethane vagina bought from a sex shop, a collection of facsimile penises and a bowl of cornflour batter designed to simulate sperm. Working feverishly, Gallup proved that if used as a plunger, a human penis is capable of cleaning out more than 90 per cent of sperm deposited inside the vaginal canal by a previous partner, far more than any other penis design. Gallup speculates that the penis evolved its shape because it lessened the chances of one becoming the unwitting surrogate father to another man’s kid.
http://www.telegraph.co.uk/cul.....eview.html
So here the real explanation: Moses started the practice to make sure the broom worked. Have fun, everybody.
Mein allerletzter Beitrag zur Debatte hier ein Video einer Beschneidung bei einem Säugnling:
http://video.google.com/videop.....#038;hl=de
Wer schwache Nerven hat, sollte sich das Video nicht ansehen!
Wer eine Beschneidung für einen harmlosen Eingriff hält, sollte sich undbedingt das Video mit Ton ab ca. Minute 3:50 anschauen und anschließend hier posten, ob sie/er ihre/seine Meinung geändert hat.
Da nun schon einige Wochen vergangen sind, zeigt sich:
– Die Aufregung legt sich bereits wieder
– Es handelt sich um einen Grenzfall des Rechts, klar dass dabei im Detail diskutiert werden muß und nicht mit der groben Keule.
Wir können uns also wieder beruhigen und uns um anderes kümmern – z.B. um den größeren Zusammenhang.
Die Religionsgemeinschaften, die sich vom Kölner Urteil angegriffen fühlten, haben sich vielleicht keinen Gefallen getan, als sie so heftig reagierten. Erinnert sich noch jemand, daß kürzlich bekannt wurde, daß Evangelikale am häufigsten ihre Kinder schlagen und es dort sogar Erziehungsratgeber gibt, die das biblisch rechtfertigen? Das Thema wurde weitgehend ignoriert und nun ist es wahrscheinlich ausgestanden und man macht weiter wie vorher. Schade um die Kinder.
Kulturkämpfe um Fragen, die Glaubensgemeinschaften ans Herz gewachsen sind, gab es schon oft. Es war aber nicht das Ende des …tums oder …ismus in Deutschland, wenn die weltliche Macht siegte. Auch mit Ehescheidung gibt es noch Katholizismus in Deutschland. Kirchliche Arbeitnehmer dürfen sich sogar so krankenversichern, daß eine Abtreibung bezahlt wird (in den USA tobte darüber gerade ein erbitterter Streit). Das jüngste große Thema für christliche Richtungen war die PID.
Ein ungeeignetes Argument ist die „jahrtausendealte Tradition“ einer Sitte. Diese Tradition hatten die Sklaverei, der Krieg, die Todesstrafe usw. auch. Achten muß man dafür nichts davon. Ebensowenig muß man die jahrtausendealte Tradition der Beschneidung achten. Unsere heutigen Vorstellungen von Menschenrechten, von Kindheit oder Mutterschaft haben keine so lange Tradition. Aber wenn sie uns überzeugen, sollten wir sie nicht zugunsten der nicht überzeugenden jahrtausendealten Traditionen aufgeben.
Ich hoffe doch sehr, daß man auch zur Beschneidung eine ähnliche Diskussionsqualität wie z.B. zur PID finden kann, mit Pro- und Contra-Beiträgen quer durch religiöse und politische Gruppierungen. Der plötzliche Bundestagsbeschluß war leider kein Ruhmesblatt. Wie man inzwischen erfahren konnte, fühlten sich manche überrumpelt, vor allem die Laizisten in der SPD. Neben Afghanistaneinsatz und Eurorettung wäre das das dritte Thema, bei dem die gemischten Einstellungen in der Bevölkerung und den Parteien nicht adäquat im Parlament dargestellt würden. Aber vielleicht kommt man noch zur Einsicht und demonstriert, daß man doch gelegentlich kontrovers und persönlich auf hohem Niveau diskutieren kann. Gerade an „religiösen“ Themen wie PID hat man das bisher immer gern bewiesen.