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Occuypy Kinderzimmer

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Der verkackte Bahnhof taugt nicht mehr für Protest. Die anständigen Baden-Württemberger haben eine grüne Regierung gewählt. Gebaut wird der Bahnhof trotzdem. Geschenkt. Denn jetzt geht es ums große Ganze. Occupy! Nicht nur den Schlosspark, sondern den ganzen Planeten!

Der Wutbürger ist wieder am Start, er hat die da oben im Blick: in den Regierungen, in den Hochhäusern der Banken. Der Mob möchte ernst genommen werden und weiß dabei nicht, wie eigentlich alles besser gehen sollte.

Es ist wieder Zeit für Utopien, ertönt es aus Zeltstädten. Die Bewegung einiger weniger Tausend wird zu einer Revolution stilisiert. Es geht den Demonstranten, grob gesprochen, um die ehrbare Forderung nach einer besseren Welt. Bis zur Occupy-Bewegung war noch nicht erahnbar, was Bushido und Joachim Gauck verbindet. Dank der Protestierer wissen wir es: Beide lehnen den Firlefanz ab. Der eine fragt sich, was „die Penner eigentlich wollen“, der andere nennt sie, etwas höflicher als der eine, Romantiker.

Weitere seltene Allianzen kommen dieser Tage zustande: Die Bundeskanzlerin und die Grünen-Suse Claudia Roth stehen Seite an Seite, gemeinsam mit dem designierten EZB-Chef Mario Draghi und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Sie alle geben zu Protokoll, dass sie großes Verständnis für die Protestierer haben. Geht’s noch!? Als echter Occupier würde ich mir diese Sympathie-Bekundungen verbitten! Nehmen sie dem Ganzen doch die Würze und den Hauch der Oktoberrevolution, bei der die Paläste, die Bankenhochhäuser und Kanzlerämter unserer Zeit gestürmt werden.

Die Motive der Politiker sind klar: Indem sie die Occupy-Bewegung in ihrer Haltung gegen die Banken stärken, lenken sie von sich, den Staaten und Regierungen als den Verursachern der gegenwärtigen Schuldenkrise, ab. Zudem erhöhen sie den Druck auf die Bankhäuser und hoffen, dass sie den so in die Zwickmühle Geratenen größere Zugeständnisse abringen können. Dabei ist unbestreitbar, dass die Regierungen durch ihre Schuldenpolitik die Bonität der Staatsanleihen über die Klinge haben springen lassen.

Die Banken haben darauf vertraut, dass die Staatsanleihen die sicherste Form aller Anlagen ist. Nicht umsonst mussten sie dafür kein Eigenkapital vorhalten. Jetzt in der Schuldenkrise ex post mehr Eigenkapital als Rücklage zu fordern, ist daher böse. Für die Risiko-Kasino-Fantasie-Produkte-Nummer vor drei Jahren hätte man dieses erhöhte Eigenkapital brauchen können. Jetzt haben wir aber keine Immobilien-Krise, sondern eine Krise der Staaten.

Aber zurück zu den Protestierern: Gegen was sind sie eigentlich? Gegen die Banken. Gegen den Kapitalismus. Gegen Ungerechtigkeit. Für Umverteilung. Das eine Prozent soll den 99 Prozent etwas zurückgeben. Wie soll das geschehen? Die Schwarmintelligenz wird eine Antwort herausmäandern. Ist die EZB wirklich der richtige Schauplatz, um diese Forderung ins Bild zu setzen? Wohl kaum. Auch wenn es die Regierung ungern hört: Das Kanzleramt oder der Reichstag sind die richtigen Orte dafür, denn hier sitzen die Verantwortlichen der Schuldenmisere.

Und dennoch: Auf Facebook konnte man am Wochenende lesen, wie die Angehörigen der urbanen Mittelschicht (in Deutschland deutlich mehr als 1 Prozent!) ganz aufgeregt schrieben, dass sie jetzt von der Polizei eingekeilt seien und dass es jetzt ganz brenzlig werde. Nein, wie spannend! Es wäre auch sonst ein echt langweiliger Samstag geworden, so mit dem Hund im Tiergarten oder den Bälgern auf dem Kollwitzplatz-Spielplatz.

Die jetzige Protestbewegung muss von den 68ern lernen. Sie propagierten den Marsch durch die Institutionen. Nur in den etablierten Institutionen kann Wandel nachhaltig angeschoben werden. Vor lauter Protestieren sind die Occupier nicht dazu gekommen, die Nachrichtenlage zu verfolgen: China, Indien und Brasilien möchten über den IWF den Euro stützen. Dafür wollen sie natürlich mehr Einfluss in der Institution. Damit verändert sich die Machtkonstellation nachhaltig. Die neuen Mächte möchten mehr Gewicht, der Westen wird Macht abgeben müssen. Der Wandel hat begonnen!

Vom Westen in der Vergangenheit das eine oder andere Mal belächelt, sind die neuen Mächte nun in der Mitte des Geschehens und werden die Geschicke der Welt prägen. Sie werden Verantwortung übernehmen. Auch für die verfehlte Schuldenpolitik des Westens. Sie tun dies, indem sie sich in der etablierten Institution IWF einbringen. Der Protest der Occupier wird verschwinden. Gegen etwas zu sein, bringt noch längst keinen Wandel. Es geht jetzt nicht um Umverteilung, sondern um die Übernahme von Verantwortung.

Noch hat keiner am Zaun des Kanzleramts gerüttelt. Warum denn auch? Das kommt den Occupiern nicht in den Sinn. Sie wollen lieber redend die Welt verbessern und sich gegenseitig die Gesichter anmalen. Zurück ins Kinderzimmer mit Euch! In der Humboldt-Universität, der New York University, der Sorbonne und der Sapienza sitzen die jungen Frauen und Männer jetzt in den Bibliotheken, die in wenigen Jahren den Marsch durch die Institutionen beginnen werden. Sie werden einflussreiche Positionen besetzen und keine Plätze. Echte Occupier!

P.S.: Bevor das große Rennen auf mich losgeht: Meine Meinung zur Regulierung von Banken können Sie hier lesen. Meine Meinung zur linken Kapitalismuskritik steht hier. Meine Meinung zum Atomausstieg hier, die zu Stuttgart 21 hier. Und: Zur Krise des Parlamentarismus geht’s hier lang. Nur so vorweg für die Krakeeler, die mich als Vasallen des Kapitals und der Herrschenden einordnen möchten.

Zuerst erschienen auf www.theeuropean. de. Alexander Görlach ist Herausgeber und Chefredakteur des Debatten-Magazins The European.

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8 Gedanken zu “Occuypy Kinderzimmer;”

  1. avatar

    „Unromantische“ Nachricht von der Gewerkschafts-Pensionkassen – in USA: „Our pension fund is in Critical Status…“ – dann folgt Erklaerung welche Kuerzungen an der monatlichen Rentenueberweisung notwendig werden koennten! Deshalb bin ich milde gestimmt ueber die Bezeichungen der OCCUPY Demonstraten von dem „Chefredakteur“ des grandiosen „The European“: Vielleicht sind die Demonstranten in der BRD tatsaechlich ein kindischer Mob von Utopisten, aus Zeltstaedten, „Penner“ wie bezeichnet von einem „Bushido“ (neue Hundrasse von Ostasien ?), oder „Romantiker“ wie vom NATO- politischen Agenten dem „Pfarrer“ Gauck. 25 Millionen Arbeitslose, oder Teilzeitbeschaeftigte -darunter zahlreiche gebildete Jugend- und viele Millionen von besorgten aelteren Rentenempfaengern – sind jedoch in USA weder „Penner“ noch „Romantiker“ sondern wenn auch nicht 99% so doch eine grosse Anzahl der 310 Millionen in USA. Zumindest in USA hat OCCUPY wenig Verwandtschaft mit „68“ (auch wenn etwas Zirkus gezeigt wird), oder der Oktoberrevolution (die Diktatur des „Proletariats“ ist vollkommen aus der Mode: Sogar Hugo Chavez hat erklaert: „Kommt mir nicht mit dem Marxismus-Leninismus!“). Die „Counter-Culture“ und spaeter „Anti-Vietnam Movement“ in USA waren Lebensstielaufstaende und Anti-Kriegsdientsbewegungen vor 40 Jahren: Ohne den Wirtschafts-und-Finanztsunami in unserer Zeit. You get the difference ? Die Bankiers haben nicht ihr „Eigenkapital“ riskiert – sondern das Kapital der Anleger! Die Regierungen in USA und NATO-Europa sind nur die Statthalder der Finanzherrscher in New Yaaark (und London). Der Larry Summers, Neffe des Milton Freedman „Partner“ Paul Samuelson hat 2008 gegen Obamas ausdrueckliche Richtlinien die „Rettung der Investmentbanks“ instrumentiert gegen sofortige staatliche Intervention. (Auch in der Ausenpolitik hat Obama keine wirkliche „Executive-Power“!!!) Ich habe gerade heute persoenliche beobachtet – in einer mittleren Stadt der USA, wie jetzt die Gewerkschaften die OCCUPY Bewerung stabilisieren: Die Gewerkschaften von heute sind ueberlebenden Opfer von vier Jahrzehnten Verstuemmelung durch Reagan und spaeter die Neocons (Perle, Wolfowitz, Kristol…) und sind nicht die Gewerkschaften von 1960-1980 unter der Kontrolle von „antikommunistischen“ CIA Agenten wie George Meany und Lane Kirkland – welche die Gewerkschaften fuer den Vietnamkrieg moblisierten. Die Gefahr des „Kommunismus“ 2011 ist kein geopolitisches Problem – weltweit. Der neue geopolitische Krieg ist geostrategisch – der „Westen“ (USA und NATO-Europa) gegen die sich entwickelnden „unabhaengigen“ geopolitische Pole im „Sueden“ (Brasilien, Lateinamerika -CELAC im Dezember! Suedafrika und lusophones Afrika, China, Russland, vielleicht in der Zukunft eine Konstellation von arabischen Nationen -plus Tuerkei): THAT IS THE BIG GAME NOW!

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    2011 ist nicht 1968: „What a difference fourty-two years make“ – klingt wie eine „Pop melody“: Aber da ist schon ein Unterschied – seit Reagan 1980 ist es in USA „enger“ geworden fuer die „People“, durch die Abmagerungskur von Milton Friedman’s „Chicago Boys“ und his compadre Paul Samuelson. Und seit „dot com bust“ 2001 ist die „middle-class“ mit ihren „American Dream“ im Abrutsch durch den „ideological flaw“ (Billig-Zins) – mit dem sich Alan Greenspan selbst entschuldigt. Nach dem Inmobilienbeben 2007 – und die „financial innovations“ von Goldman-Sachs, und die Phantasie-Scheine von Lehman Brothers, dann noch die Rettung der Wall Street Banken durch Samuelsons Neffe Larry Summers, welcher bis vor einigen Wochen noch fuer Obama das Finanzdenken vollzog. In USA hat man ein verlorenes Jahrzehnt :Dow und Nasdac an der selben Stelle heute wie 2001 – minus zehn Jahre Inflationsverlust – also 1/3 weniger in zehn Jahren. Und 30% Inmobilienwertverlust seit 2007. Das alle diese verantwortlichen „Denker“ solche komische fast-deutsche Namen haben – ist eine Tatsache und nicht politisch gemeint. Aber der Chavez or Morales hatten nichts damit zu tun! Die Situation ist mehr wie nach 1929 fuer viele Menschen, besonders junge – denn 1968 gab es weder in USA noch in Europa eine ratlose Wirtschaftskrise. Deutschland kam durch die Nazis aus der Krise, und die USA, gemaess Larry Summers, durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges. In USA kommt ein grimmiges Jahrzehnt und in „old Europe“ noch mehr geriatrische Demenz mit Rueckkehr ins Mittelalter unter dem Segen des Heiligen Vaters, und noch weiter zurueck zu den Pfahldoerfen der schoenen natuerheilen Neolitik mit „Greenpeace“… Zumindest sind die Leute – junge und alte – mit OCCUPY auf einer Suche nach neuen Gedanken. In USA beteiligen sich auch – in ueber 100 Staedten – viele aeltere und alte Menschen an den Demonstrationen. See you at the demo!

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    Schöner Artikel. Man vergesse außerdem nicht die unzähligen Antisemiten, die Verschwörungstheoretiker und die vielen Rechten, welche einen großen Teil der „Occupy“-Bewegung ausmachen.

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    Es gibt zuviel Geld auf der Welt. Durch Bankenpleiten könnte es vernichtet werden.
    China soll seine wertlosen Dollar lieber behalten und nicht in wertvollere Währungen umtauschen.

    Die Banken haben von Griechenland höhere Zinsen genommen und sich mit CDS (Versicherungen auf Kreditausfälle) eine goldene Nase verdient.
    2008 wollte niemand über die Rolle der Zweckgesellschaften reden und jetzt werden sie wenigstens im SPIEGEL erwähnt. Über CDS will jetzt auch keiner reden aber es stinkt zum Himmel: Erst Versicherungen abschließen und sich dann noch auf Kosten des Steuerzahlers sanieren.

    Wenn diese im Raum stehenden Verpflichtungen wirklich fällig werden dann gibt es ernste Auseinandersetzungen. Selbst in der BILD werden diese Demonstrationen positiv dargestellt.
    Ein von der Mehrheit und großen Teilen der Elite unterstützter Protest kann etwas bewirken . Anders als bei den Protesten gegen Aufrüstung und Atom stehen nicht nur 50% sondern wirklich über 90% hinter den Protesten.

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    „Der Mob möchte ernst genommen werden und weiß dabei nicht, wie eigentlich alles besser gehen sollte.“

    Bodenlose Arroganz, Herr Gerlach!

    Was nichts an der Richtigkeit Ihrer Analyse ändert, dass die Verantwortlichen die Politiker sind, die sich jetzt verständnisvoll an die Protestierer ranschmeißen.

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    „Dabei ist unbestreitbar, dass die Regierungen durch ihre Schuldenpolitik die Bonität der Staatsanleihen über die Klinge haben springen lassen.“

    Schlimmer: Die Regierungen haben durch ihre Schuldenpolitik die Bürger in die Schuldknechtschaft an die Banken verkauft.

    „Schuldknechtschaft (Obnoxiation) ist eine „Rechtsstellung oder Lage, die dadurch entsteht, dass ein Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine persönlichen Dienstleistungen oder diejenigen einer unter seiner Kontrolle stehenden Person verpfändet …“

    http://de.wikipedia.org/wiki/Schuldknechtschaft

    Im übrigen bin ich der Meinung, dass Politik auf Pump ein Straftatbestand werden sollte.

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