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Leiden an der Kirche

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Oh ja, wir Katholiken leiden an der Kirche. Das liegt daran, dass wir uns nicht als unterdrückte Masse einer entrückten purpurgewandeten Hierarchie verstehen, sondern uns als Teil dieser Kirche erleben. Ich kenne keinen – ausnahmslos keinen – Katholiken, der sich im Moment nicht die Frage stellt, was in unserer Kirche los ist.

In der öffentlichen Diskussion zu den Missbrauchsfällen läuft einiges durcheinander.

1.) Schläge in der Schule: Frage ich meine Eltern, so erzählen sie, dass in der Schule früher immer und ausnahmslos geschlagen wurde: Das war die Sprache der Erziehung. Das ist heute nicht mehr so – Gott sei Dank. Eine ganze Gesellschaft hat ihre Kinder gezüchtigt. Arbeiten wir als das als Gemeinschaft auf? Haben das unsere Eltern individuell für sich aufgearbeitet? Ob Domkapellmeister Ratzinger oder Bischof Mixa in einer Zeit, in der Züchtigung normal war, auch gezüchtigt haben, kann eine eigene Betrachtung verdienen – unter die Rubrik sexueller Missbrauch fällt das nicht.

2.) Worte der Entschuldigung: Johannes Paul II hat im Jahr 2000 Gott um die Vergebung der Sünden gebeten, die die Kirche im Lauf ihrer Geschichte begangen hat. Im Jahr 2002 wurden unter Kurienkardinal Ratzinger strenge Richtlinien im Umgang mit Pädophilen getroffen. Benedikt XVI. hat in den USA Missbrauchsopfer getroffen. Er hat an der Kirche von Irland ein deutliches Wort geschrieben. Wenn wir ein Bild über das haben, was in Deutschland an Schaden durch Priester und Ordensleute entstanden ist, wird der Papst auch hierzu nicht schweigen.

3.) Ach ja, der Papst: Peter Wensierski hat auf Spiegel Online (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,685682,00.html) ein paar Agenturen zusammengeschrieben und in dem Text die Frage gestellt, wann der Papst nun zurücktreten müsse. Es war ruhig geworden um die Kirche, die in den vergangenen Jahren der Lieblingsfeind von Rudolf Augstein, dem notorischen Katholikenhasser, war. Jetzt entwickelt der Spiegel im Netz wieder Kampagnenkraft. Matthias Matussek durfte als Replik seine, unsere, Kirche verteidigen (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,686008,00.html) und sich erklären, warum er noch nicht aus ih ausgetreten sei.

4.) Die politischen Kirchenfeinde Leutheusser-Schnarrenberger, Claudia Roth und Renate Künast werden nicht müde, (http://theeuropean.de/alexander-kissler/2758-kuenast-und-die-humanistische-union) die Kirche zu kritisieren. Dabei gehören sie alle drei dem Beirat der Humanistischen Union an, die sich für straffreien Sex mit Kindern stark gemacht (http://theeuropean.de/jan-fleischhauer/2451-die-gruenen-der-sex-und-die-kinder) hat. An Bigotterie kann die sicher nicht um Raffinessen verlegene katholische Kirche hier noch etwas lernen.

Das Schlimme daran ist doch, dass es dem Auch dem politischen Personal nicht um die Opfer geht, sondern um ihre persönliche Abrechnung mit der Kirche. Sie wollen Kapital aus der Situation schlagen, um bei den Verbänden, denen sie sich verpflichten, wohl gelitten zu sein. Wer macht sich für die Opfer stark? Ein runder Tisch unter der Leitung von Frau Vollmer? Volker Zastrow erhebt gegen die Eignung dieser Politikerin Zweifel (http://www.faz.net/s/Rub79FAD9952A1B4879AD8823449B4BB367/Doc~EB940BDD69EE44FE6A3BDA8ED624CFA41~ATpl~Ecommon~Scontent.html)in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Aber zurück zur Kirche und unseren, der Katholiken, Leiden daran: Die Kirche war nicht perfekt, sie wird nie perfekt und sie hat auch nie behauptet, dass sie perfekt ist. Dennoch: Kindermissbrauch in ihren Reihen hat nichts mit fehlender Perfektion zu tun! Man möchte als Gläubiger kotzen, wenn man liest und hört, was sich mancher Kirchenmann im Schutz des Kreuzes alles erlaubt hat.

Wir Katholiken müssen zusammenrücken und dürfen uns in dieser schweren Zeit nicht auseinander dividieren lassen! Denn es geht um nichts weniger als der Fortbestand der Kirche als gesellschaftlicher Prägekraft. Macht man die Kirche mundtot – so wie sich das die Leutheussers, Roths und Künasts dieses Landes wünschen  – dann haben wir Katholiken keinen Interessensvertreter mehr, sind unsere Aussagen schon belacht bevor sie geäußert werden.

Die kritische Öffentlichkeit muss genau hin schauen: Sie darf uns, den Katholiken, nichts durchgehen lassen, was sie anderen auch nicht durchgehen lassen würde. Aber: Mittlerweile werden Kirchen entweiht, Scheiben eingeworfen und Wegkreuze geschändet. Geht’s noch? Nicht jeder Priester ist ein Kinderschänder und nicht alles, was im Spiegel steht, stimmt.

Was machen wir Katholiken jetzt? Der Schriftsteller Honoré de Balzac beschreibt nach den Wirren der französischen Revolution in seinen „Mystischen Geschichten“ einen großen erleuchteten und mit dem Himmel vereinigten Kathedralraum vor sich. Die gotischen Gotteshäuser Frankreichs, die als Abbild des himmlischen Jerusalems errichtet wurden, wird Balzac in ihrer vollen Pracht nie gesehen haben: Zu seiner Zeit waren die meisten Buntglasfenster eingeworfen, die Orgeln zerstört, die liturgischen Geräte weggeschleppt und die Altäre entweiht. Die Revolution hatte die Kirche beseitigt.

Am Ende der Geschichte sagt Balzac: „Man muss die Kirche verteidigen“. Ja, das müssen wir, weil wir die Kirche lieben, an der wir leiden.

zuerst erschienen in www.theeuropean.de

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11 Gedanken zu “Leiden an der Kirche;”

  1. avatar

    Es ist ein wenig schade, daß die Tragödie in Polen hier bei SM keine Thematisierung erfährt.
    Nun egal, bei „ach so Unguten“ hat Herr Wagner sich zumindest mit dem Leben und Tod von Anna Walentinovicz beschäftigt, der kleinen Kranführerin bei der Danziger Werft, die zu den Mitbegründern von Solidarnocz gehörte, der kleinen Frau, die dem großen Lech den Vortritt gab.
    Die wenigsten Deutschen dürften mitbekommen haben, daß auch sie zu den Toten von Katyn gehört.

    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....ntynowicz/

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    Nicht zum Thema – aber zu Katyn

    Ein Volk hat beinahe seine ganze Regierung verloren, bei einem furchtbaren Flugzeugunglück.

    Das Polnische Volk, das gerade auf dem Weg der Aussöhnung war, mit den einen Besatzern, hat Katyn nochmals erreicht.
    Wir haben eine gemeinsame, blutige Geschichte, die Polen Freundschaft und Versöhnung nicht sehr einfach macht. Doch in den Kommentaren, zu dem Besuch von Donald Tusk und Herrn Putin, wurde sehr präzise formuliert, Polen sei der wichtigste Nachbar Deutschlands.

    In diesem Geiste von Nachbarschft und Freundschaft sollten wir aufrichtig, und ich tue das, mit den Polen trauern, denen nicht einfach Zeiten bevorstehen.

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    @68er: Absolut cool, was Sie da kommentieren!!
    Erstaunlich, daß ein so „junger 68er“, so altachutunsechzigartig empfindet.
    Endlich habe ich auch einmal wieder den Hirten erwähnt gefunden, den Hirten der seinen Stab dazu hatte die Wölfe abzuwehren, von der ihm anvertrauten Herde. Zu seiner Unterstützung hatte er die Hirtenhunde – von denen sich einige zu Wölfen rückentwickelt haben, die die eigenen Lämmer anfallen.

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    Lieber 68er, nee, (leider) nichts mit APO, der Gesinnung nach war ich vermutlich eher ein“jüdischer Rosenkranz-Marxist“, falls es so etwas geben sollte, in der Realität. Wobei weder Rosenkranz noch jüdisch Aufschluß über meine Lebensrealität geben.

    Tatsächlich aber habe ich in einer „ambulanten Einrichtung“, der katholische Kirche, einem kath. Gymnasium, die „angstfreie Gedankenfreiheit“ einüben können, und für diese, heute nicht gerade opportune „Macke“, bin ich ihr zu größter Dankbarkeit verpflichtet.

    Wie man nicht vermuten sollte – in vielen Frauenorden findet man die wahren Anarchisten der kath. Kirche. Sie sind die wirklichen Interessenvertreter der Kirche, die Herr Görlach so vermisst, ganz anders, als die“Gewerkschaftler“ in Rom.

    Das mit dem Medien-Fasten klappt bei mir auch immer nur so lange, bis Herr Posener unser Lieblingsthema neu thematisiert. Sorry, auch ich bin nicht perfekt!!!

    Herzliche Grüße
    Ihre Rita

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    Liebe Frau Groda,

    ich bin manchmal auch „blond“, denn ich dachte, Sie meinten mit „Ihrem Blog“ die ach(so)gut-en APo-Freunde.

    Ich selbst blogge fast immer anonym als „68er“ oder, wenn ein übereifriger SPD-Moderator fiktive Namen schön findet, nenne ich mich auch mal „Rudi Achtundsechziger“, „Bruno Tiches“ oder „Anton Roselieb“.

    http://blog.nrwspd.de/2010/03/15/der-bohnenmann/

    Vom „echten“ Bruno Tiches gibt es sogar Bilder im Internet:

    http://i2.tvspielfilm.de/imedi.....cEfQ==.jpg

    (Der Herr in Uniform)

    Dass Sie über meinen Link keine Kommentare vom „68er“ gefunden haben, lag daran, dass ich einen falschen Link angegeben hatte. Hier noch einmal der richtige:

    http://theeuropean.de/alexande.....und-leiden

    Dort habe ich gerade noch einen längeren Kommentar geschrieben und versuche dann für ein paar Wochen ein nachösterliches Blog-Fasten einzulegen.

    Herzliche Grüße

    Ihr 68er

  6. avatar

    Entspannungsübung:

    Das Thema Missbrauch ist kein Thema für Polemik, ganz bestimmt nicht, und ich möchte mit diesem Betrag den Opfern gegenüber ganz bestimmt nicht respektlos erscheinen.
    Der „Angst“ von Herr Görlach aber möchte ich ein wenig entgegenwirken, mit Tucholsky und seinem „Brief an eine Katholikin“.
    Wie meinte er so schön: „Die katholische Kirche rollt der neuen Zeit entgegen, wie ein rohes Ei……“.

    http://www.textlog.de/tucholsk.....likin.html

  7. avatar

    Lieber Herr Görlach,
    Ihren interessanten Beitrag habe ich mir jetzt nochmals aufmerksam durchgelesen.
    Ich unterstelle Ihnen wirklich sehr viel guten Willen. Was aber auch bei Ihnen zu erkennen ist, ist eine gewisse Angst, was sich etwar ausdrückt in den Worten zusammenrücken usw. Dazu besteht nicht der geringste Anlass.
    Die kath. Kirche hat gerade jetzt eine historische Chance ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Nämlich eine offene Diskussion über die Wertigkeit des Menschen in Staat und Kirche.
    Die Kirchenführung ist nur leider viel zu borniert um sich des allerbesten katholischen Instrumentariums zu bedienen. Das da wäre das Gedankengut der Barmherzigkeit und der Vergebung. Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung – darauf baute sich die Botschaft Jesu auf.

    Die kath. Kirche ist in der misslichen Lage, daß einige
    Protagonisten der kirchlichen Moral, gerade diese straflich missbraucht haben. Und diese Protagonisten müssen sich jetzt an ihren eigenen Ansprüchen messen lassen. Aus dieser Nummer kommen die kirchlichen Funktionäre nicht mehr raus. Sie müssen sich einer völlig neuen Situation stellen – bisher hat immer nur die kath. Kirche das Recht zur Verurteilung sich herausgenommen, jetzt steht sie selber am Pranger.
    Wer Geschiedenen die Sakramente verweigert, und gleichzeitig Missbrauch von Schutzbefohlenen versucht unter den Teppich zu kehrern, hat wahrlich keine Chance auf eine faire Beurteilung.
    Eine kath. Kirch aber, die sich ihrer Verantwortung stellt, ihren eigenen Mitgliedern gegenüber, aber hauptsächlich den Opfern gegenüber, wird auf Dauer wieder Respektabilität und Ansehen gewinnen.

    Angst und zusammenrücken dürfte der falsche Weg sein.
    Eine kontroverse Debatte, innerhalb der Kirche, und eine vorbildliche Aufarbeitung aller Probleme, halte ich für vernünftiger. Und – ein bißchen weniger Moral, aber dafür mehr Achtung vor der Schöpfung, was Mensch, Tier und gesamte Natur einschließt, wäre hilfreich und ehrlicher.

  8. avatar

    Lieber 68er,

    bin gerade ein wenig „blond“. Ihre Kommentare zu Herr Gerlach würden mich ja brennend interessieren, aber da ich nur den „68er“ kenne, keinen anderen Namen – was mache ich jetzt nur?

    Liebe gemischt katholische Grüße
    Ihre R.

  9. avatar

    @Lieber Herr Gerlach, auch Sie haben sehr lange gebraucht, um zu erkennen, daß die Morlaisten unter den Kirchenkritikern mehr Unheil angerichtet haben, als vertretbar.
    Nein – nicht jeder Priester ist ein Kinderschänder, und ja – die kath. Kirche ist gestern und heute nicht halb so schlecht, wie manche sie darstellen, zumindest ihre obersten Repräsentanten.

    Falsche Loyalität wäre aber die schlechteste Strategie.
    Ehrliche Auseinandersetzung eine zumindest vernünftigere.

    Gerade weil es in unserem Lande immer noch bestimmt so viele „Katholikenfresser“, wie „Judenfresser“ gibt, wären die Katholiken angehalten es besser zu machen, als ihre Chefstrategen.
    Wenn Sie jetzt aber den Lesern aber schon „katholische Reichskristallnachtszustände“ vorgaukeln wollen, dann ist das nicht nur abenteuerlich übertrieben. Sie sollten einmal darüber nachdenken! Auch der Opfer wegen.

    Die katholische Kirche hat Luther und Napoleon überlebt, sie wird auch die „Schande der Kiderschänder“ überleben.
    Fragt sich nur, wie?

  10. avatar

    Sehr geehrter Herr Görlach,

    da es sich ja hier um eine Drittverwertung handelt, möchte ich anstatt mich zu wiederholen, auf die von mir abgegebenen Kommentare auf

    http://www.theeuropean.de/419-.....-nachwuchs

    verweisen.

    Interessant sind auch die Kommentare im Stern:

    http://www.stern.de/blog/67_al.....irche.html

    Vielleicht interessiert den einen oder anderen auch, was Herr Mosebach auf:

    http://www.theeuropean.de/mart.....che-kirche

    zur Nähe der katholischen Liturgiereform des 2. Vatikanums zur Kulturrevolution in China geschrieben hat.

    Originalzitat Mosebach:

    „Ich bin aber davon überzeugt, dass man eines Tages, wenn erst genügend Abstand da ist, die chinesische Kulturrevolution und die römische Liturgiereform in einem engen Zusammenhang begreifen wird.“

    Mit freundlichem Gruß

    Ihr 68er

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