avatar

Birgit Kelle nennt eine Studie zum Reiseverhalten von Lesben „fast so gut wie ein Jodeldiplom“

Die katholische Publizistin Birgit Kelle setzte kürzlich einen Tweet ab, in dem Folgendes zu lesen war: „Einen Master über das Reiseverhalten deutscher Lesben. Fast so gut wie ein Jodeldiplom. #holderididudeldö.“ Sich derart über eine Studie lustig zu machen, zeugt von wenig Kenntnis und von wenig Sensibilität. Homosexuelle Frauen stehen bei der Reiseplanung durchaus vor Problemen, vornehmlich, was muslimische Länder angeht. Seltsamerweise bringt Birgit Kelle sich an anderer Stelle als Schutzherrin Homosexueller gegen den Islam in Stellung. Ein Kommentar.

Birgit Kelle twitterte vor wenigen Tagen Folgendes: „Einen Master über das Reiseverhalten deutscher Lesben. Fast so gut wie ein Jodeldiplom. #holderididudeldö.“ Ihrem Tweet hatte Kelle ein Foto aus einer Zeitung angehängt. Zu sehen ist der folgende Text: „Von wegen Outdoor-Lesben! Eine Masterarbeit im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialgeographie an der Uni Trier zum Reiseverhalten von Lesben in Deutschland ergab, dass Lesben am liebsten in Städte reisen. Befragt wurden 1.003 lesbische Frauen. Die beliebtesten Städte sind die Homo-Hochburgen Berlin, Hamburg und Köln. Außerhalb von Deutschland liegen Amsterdam, Paris und London an der Spitze.“ Die Studie hat Katja Schumacher gerade als Master-Arbeit an der Universität Trier veröffentlicht.

Die Haltung der Katholischen Kirche zur Homosexualität

Nun kann man als katholischer Christ Homosexualität kritisch sehen, immerhin ist der Katechismus insoweit recht eindeutig: Wörtlich heißt es unter Ziffer 2358:

„Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tiefsitzende homosexuelle Neigungen. Diese Neigung, die objektiv ungeordnet ist, stellt für die meisten von ihnen eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen.“

Seit langem gibt es indes eine Diskussion, ob man die Bibelverse, auf denen diese Einordnung beruht, historisch-kritisch sehen muss. Immerhin hat die Katholische Kirche auch lange gebraucht, um die Allverbindlichkeit der Menschenrechte anzuerkennen. Das geschah erst im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Papst Franziskus jedenfalls ist bei dem Thema Homosexualität nachdenklich und offener. 2013 sagte er:

„In Buenos Aires habe ich Briefe von homosexuellen Personen erhalten, die ’soziale Wunden‘ sind, denn sie fühlten sich immer von der Kirche verurteilt. Aber das will die Kirche nicht (…). Wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott sucht, dann bin ich keiner, der sie verurteilt (…). Einmal hat mich jemand provozierend gefragt, ob ich Homosexualität billige. Ich habe ihm mit einer anderen Frage geantwortet: ‚Sag mir: Wenn Gott eine homosexuelle Person sieht, schaut er die Tatsache mit Liebe an oder verurteilt er sie und weist sie zurück?'“

Das ist keine allgemeine Verurteilung mehr. Umgekehrt gilt aber auch, dass es eine legitime Haltung ist, aus katholischer Haltung heraus die Homo-Ehe und das Adoptionsrecht für Homosexuelle abzulehnen. Wer das als „rechts“ verunglimpft, irrt. Eines aber muss auch strikten Bekämpfern der Homo-Ehe klar sein: sie sind eine Stimme im politischen Diskurs, haben diesen also nicht zu bestimmen. Und anders als manche muslimische Länder ist Deutschland eben kein Gottesstaat.

Zugleich ist es so, dass der Katechismus, und kirchliche Befehle sollte man als Christ ja ernst nehmen, im Umgang mit Homosexuellen – wie oben zitiert – Folgendes befiehlt: „Ihnen ist mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen“. Alles zusammen würde, wenn man als streng gläubiger Katholik wirklich beharrlich sein will, bedeuten, praktizierte Homosexualität abzulehnen, sich aber Homosexuellen gegenüber respektvoll zu verhalten. Birgit Kelle hingegen fährt hingegen einen Schlingerkurs. Sie weist zwar jeden Vorwurf der Homophobie von sich, macht aber zugleich eine Studie zu den ganz praktischen Problemen, die bei der Planung von Reisen mit der Homosexualität einhergehen, als „fast so gut wie ein Jodeldiplom“ lächerlich.

Warum die Reiseplanung lesbische Frauen vor Probleme stellen kann

Die Studie zum Reiseverhalten ist auf lesbische Frauen zugeschnitten, aber wer zusätzlich auch nur eine Handvoll schwuler Freunde hat, weiß, dass das Ganze kein „Gendergaga“ (so der Titel von Kelles letztem Buch), Pardon, „Jodeldiplom“-Thema ist. Banalitäten, die für Heterosexuelle ein Nicht-Thema sind, haben für Homosexuelle durchaus Brisanz. Dazu gehören auch Reiseziele. So kommen etwa viele muslimische Länder als Urlaubsorte nicht in Betracht, weil man dort ohne Ächtung oder schlimmere Folgen noch nicht mal offen die Hand des Partners halten kann. Das bestätigt auch Katja Schumachers Studie, deren Ergebnisse das „L-Mag- Das Magazin für Lesben“ hier zusammengefasst hat. Danach lehnen 30 % der Befragten Länder, in denen Homosexualität unter Strafe steht, als Reiseziel „ohne Wenn und Aber ab“, während die anderen ihre Entscheidung „kontext- und situationsabhängig“ treffen, unter gewissen Umständen also ihren Urlaub dort verbringen würden. Der Großteil der Befragten möchte die „sexuelle Orientierung (auch) im Urlaub nicht verstecken“, andere hingegen sind „doch dazu bereit, sich anzupassen und sich öffentlich nicht als Frauenpaar zu erkennen zu geben.“

In diesem Punkt wird es nun wirklich peinlich für Birgit Kelle. Wie auch andere im rechtskatholischen Umfeld brachte sie sich nach der Kölner Silvesternacht als Verteidigerin von Homosexuellen in Spiel und schrieb auf dem privat betriebenen und nicht mit dem offiziellen Auftritt der Deutschen Bischofskonferenz zu verwechselndem Medium („katholisch.de“) „kath.net“ unter dem Titel „Warum spricht keiner über die islamische Homophobie?“ im Juni 2016 Folgendes:

„Wenn der Islam, wie wir ihn gerade weltweit kennen lernen dürfen, aber jemals tatsächlich in Deutschland etwas zu melden hat, dann müssten wir Katholiken irgendwann in Deutschland auf die Straße gehen, um die Rechte der Homosexuellen zu verteidigen. Und, dass ich dann selbst Vorne in der ersten Reihe mitlaufen würde, weil es mein christlich-katholischer Glaube gebietet, sich schützend vor andere Menschen zu stellen. Das war im Januar 2013, ich habe diese Aufforderung an verschiedene Redaktionen seither vielfach wiederholt.“

Mag sein, aber so ist das eben, wenn man die Feindbilder von Rechtskatholiken bedient und diese wie den Islam und die Homosexualität gegeneinander in Stellung bringt. Irgendwann verheddert man sich. Birgit Kelle, die Homosexuelle angeblich vor dem Islam schützen will, macht sich lustig über eine Studie, die davon handelt, dass lesbische Frauen eben nicht einfach so wie Heteros in islamische Länder reisen und sich dort als Paar zeigen können.

Zwar unterscheidet sich die Wichtigkeit vieler Faktoren bei der Auswahl des Urlaubsorts bei homosexuellen Frauen nicht sonderlich von der von heterosexuellen Menschen. Aber es gibt eben auch Unterschiede. Eine „gay-friendly“-Atmosphäre ist laut der Studie der Hälfte der befragten Lesben enorm wichtig. Circa ein Viertel „hat sich schon einmal aus diesem Grund für eine Unterkunft entschieden, und knapp die Hälfte ist bereit, dafür auch mehr zu bezahlen“. Was genau ist mit „gay-friendly“ gemeint? Hier steht an erster Stelle, dass sich das Personal „respektvoll, tolerant und nicht ignorant“ verhält.

Was eine Redakteurin des „L-Mag“ zum Thema sagt

Dana Müller, Redakteurin beim „L-Mag“, sagt auf Anfrage Folgendes zu Birgit Kelles Tweet:

„Birgit Kelle behauptet mit ihrem Kommentar, dass eine Studie zum Verhalten von Lesben gesellschaftlich irrelevant sei. Das zeugt schlicht von mangelnden Wissen und Ignoranz. Sozialwissenschaftliche Studien beschäftigen sich nun mal im Allgemeinen mit dem Verhalten von Menschen. Diese Studie war eine Masterarbeit zum Thema Tourismus im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialgeografie. Was daran komisch oder albern sein soll, erschließt sich mir nicht!“

Zum Glück sind viele deutsche Unis dann doch schon ein paar Schritte weiter, als einzelne Publizistinnen und erkennen Lesben als eine relevante Zielgruppe mit spezifischen Bedürfnissen in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen an. Im Bereich Tourismus bedeutet das ganz konkret, dass homosexuelle Frauen bei der Urlaubsplanung berücksichtigen, wie homofreundlich ein Land ist und wo sie die nächsten lesbischen Events finden. Genau das ergab übrigens auch die besagte Studie. Denn für 93,6 Prozent der Befragten ist  ein „Gefühl der Sicherheit im Allgemeinen“ ein ,sehr wichtiges“ oder ,wichtiges‘ Reisemotiv. 13 Prozent haben schon Diskriminierung im Urlaub oder bei der Buchung erlebt. Allein die Frage nach einem Doppelbett im Hotelzimmer kann für ein lesbisches Paar im Urlaub zum Hindernis werden. Ferner gaben 62,6 Prozent an, im Urlaub schon einen Christopher Street Day besucht zu haben.

Witze über Studien zu Lesben zu machen, ist genauso überholt wie der althergebrachte sexistische Herrenwitz.

Es ist nicht das erste Mal, dass Birgit Kelle mit einer schrillen Äußerung auffällt. So schrieb sie im Herbst 2015 wörtlich im „FOCUS“: „Denn wer nicht wenigstens bisexuell ist, gerät angesichts der Gender-Offensive demnächst mit seinem traditionellen heterosexuellen Geschlechtstrieb unter Rechtfertigungsdruck.“ Man fragt sich, wie man ernsthaft so etwas behaupten kann. Bekanntlich wurde noch nie ein heterosexuelles Paar von einem Hotel zurückgewiesen, wenn es ein Doppelzimmer buchen wollte. Und auch von sonstigen negativen Reaktionen oder Repressalien ist wenig bekannt.

Die Probleme, vor denen lesbische Frauen bei der Reiseplanung stehen, sind jedoch sehr real. Gerade in Zeiten, in denen Homosexuelle wieder häufiger Ressentiments und Anfeindungen ausgesetzt sind, sollte eine christliche Autorin wie Birgit Kelle mehr Sensibilität zeigen, wenn sie sich schon als Schutzerrin Homosexueller vor dem Islam in Szene setzt.

 

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

9 Gedanken zu “Birgit Kelle nennt eine Studie zum Reiseverhalten von Lesben „fast so gut wie ein Jodeldiplom“;”

  1. avatar

    Offen gestanden finde ich eine Studie über das Reiseverhalten homosexueller Paare vielleicht wichtig für homosexuelle Paare und auch Hotellerie, finde aber eine solche Studie viel zu leicht für einen Mastersdegree. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass man für einen Masters schon einiges Hochkarätige präsentieren muss, aber das scheint zumindest in Deutschland nicht der Fall zu sein. Reiseverhalten von jedweder Gruppe könnten ebenso gut und Problemlos Oberstufenschüler untersuchen, und als Juristein, die ein hartes und exzellentes Studium hinter sich hat, wissen Sie das an sich.

    Insofern hat Birgit Kelle Recht, die mit dem Jodeldiplom nur das Mittel der Übertreibung nutzt.
    Solchen Leuten einen Mastersdegree zu verleihen ist eine Irreführung von zukünftigen Arbeitgebern und der Allgemeinheit.
    Birgit Kelle hat eine pragmatische Intelligenz, deren Auswirkungen Ihnen nicht gefallen mögen, aber eine Spinnerin ist sie nicht, auch hier nicht.
    Es stinkt mir, dass unsereins sich krummlegen musste für Abschlüsse, während heute reihenweise Leute Abitur, Studienplatz, Abschlüsse und Auszeichnungen nachgeworfen kriegen, zum Beispiel für eine so simple Studie.

    Und nochwas: Egal wer Sie sind, gehen Sie ins falsche Hotel oder an den falschen Ort, fühlen Sie sich unwohl. Urlaubsplanung ist eine Wissenschaft für sich. Will man glücklich sein, hilft nur das Zelt. Fragen Sie mal Familien mit kleinen Kindern, die noch, nebenbei bemerkt, ausgebeutet werden in den Ferienzeiten.

  2. avatar

    Die gender-studies an vielen Fachhochschulen sind schlecht, zugegeben, aber das spricht nicht gegen den theoretischen Ansatz, was etwa bei dem Soziologen Hirschauer gezeigt werden kann, sondern gegen einzelne Personen. Ich mag deren Textf nicht, aber deswegen muss man nicht den gedanklichen Ansatz – wie die ebenfalls ideologischen Anti/Genderisten- abhaken. Auch die AfD ist antigenderistisch.

    1. avatar

      Klar ist sie das, einfach weil die sog. Genderforschung als Pseudowissenschaft zu betrachten ist, wie Ihnen jeder halbwegs vernünftige Mensch mitteilen kann. Deshalb sind die „Antigenderisten“ wohl eher nicht als Ideologen, sondern als deren Gegenteil, als Realisten, zu betrachten 🙂
      Ein pragmatischer Blick in die Geschichte dürfte ebenso klarstellen, daß die Frau stets das Geschlecht war, das es leichter hatte. Welches Geschlecht mußte denn die harte Arbeit erledigen, von der Jagd bis zum Ackerbau und dem Krieg? Welches Geschlecht wird bis heute strenger bestraft als das andere? Ich könnte noch viel mehr sagen… 🙁

  3. avatar

    Vermutlich sind „lesbische Paare“ nur besonders gut definierbar. Allein Lebende haben auch Probleme beim Reisen und dürften sich mit Freundinnen (oder Freunden) eher in den genannten Städten wohl fühlen, da es dort eben offene Angebote gibt.
    Frau Kelle macht sich leider zur tragischen „Gender-Gaga“-Komikerin. Die Verurteilung von Homosexualität ist doch in jeder Hinsicht überholt, da wir mittlerweile – empirisch gesichert – sehr genau wissen, dass die sexuelle Orientierung in der Pubertät fixiert wird und sozusagen „Natur“ wird. Das kann man messen.
    Was nu die Homo-Ehe angeht, so ist das eine andere Problematik. „Eingetragene Partnerschaften“ haben staatliche und soziale Anerkennung. Wieso soll das Ehegatten-Splittin allen zugute kommen. Es sollte an die „Sorge für Kinder und/Pflegebedürftige“ gebunden werden, dann erledigt sich der Unterschied. Aber auch ohne Reform erscheint mir die dt. Rechtslage angemessen zu sein. Lesbische Paare haben ein Adoptionsrecht zugunsten der Kinder der Partnerin, können also eine Familie mit Kindern gründen. Wieso sollen männliche Homosexuelle „gleich“ behandelt werden? Sie sind ungleich, da sie (wenn nicht früheren in einer heterosexuellen Beziehung ein Kind entstanden ist) nur mit Eizellspende und einer Leihmutter zu einem Kind kommen. Das eröffnet Märkte für Eizellen (kann eine Gesellschaft dies wollten?) und schafft mit der Leihmutterschaft außerdem unlösbare Probleme. Es gibt gute Gründe für ein Verbot dieser Märkte, was Deutschland ja auch getan hat. Dass dennoch die Samenspende erlaubt ist, hängt damit zusammen, dass diese Technik ziemlich harmlos ist.Außerdem gab es in allen Kulturen sog.
    „Kuckucks-kinder“, was soll’s also.
    Frau Kelle sollte einfach aufhören zu polemisieren und sich mit den vielfältigen Problemen sinnvoll befassen.

  4. avatar

    Nichts gegen das Jodeldiplom, da hat man was eigenes.

    Deutschland leistet sich gut 250 Lehrstühle für Gender-Studies, mehr als für Pharmazie. Wenn es keinen einzigen geben würde käme niemand auf die Idee, daß etwas wichtiges fehlen würde.
    Frau Kelle hat es erkannt, diesem pseudo-wissenschaftlichem Quatsch kann man nur noch mit Humor begegnen.

    1. avatar

      Lieber Don, da mögen Sie Recht haben. Aber Deutschland leistet sich beispielsweise auch 7 Wirtschafts“weise“, Professoren wie Herrn Sinn oder Herrn Dudenhöffer. Warum, wird auch nicht recht ersichtlich.

    2. avatar

      Würden sie auch dasselbe sagen, wenn es sich um eine Studie handeln würde, die das Reiseverhalten von bekennenden Christen untersucht? Immerhin können diese nicht mit einer Bibel in Saudi-Arabien einreisen und müssten überlegen, ob sie sich offen zeigen oder das Land meiden?
      Oder wäre das auch nur pseudowissenschaftlich?

      1. avatar

        Bei dieser Studie geht es eben nicht um Reisewarnungen für gefährdete Gruppen sondern um das Reiseverhalten einer kleinen Gruppe, deren Mitglieder eigentlich wissen sollten, welche Länder sie besser meiden sollten.
        Was die Reisewarnungen betrifft, warnt unser Außenministerium eigentlich vor der Reise in islamische Länder bei dort illegaler religiöser und sexueller Disposition ?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top