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of Wolf & Men – Der Liebe eine Kolumne 

Ein Text von Wölfen und Menschen. Von Ulf Kubanke. 

„To look into the eyes of a wolf is to see your own soul. I hope you like what you see.“ ~ Aldo Leopold

Sakartvelo 1983

Das kleine Mädchen mit den blauschwarzen Haaren tänzelt leichtfüßig durch den Sommergarten. Sie ist 5 Jahre alt, am rechten Arm ein kleines, gelbes Körbchen. Eine Melodie auf ihren Lippen versprüht alle Freude dieser Welt. Die Sonne scheint mild, Bienen summen. Vögel zwitschern. Halb verträumt, halb konzentriert auf allerlei leuchtende Blumen um sie herum hüpft die Kleine in beseelt eigenem Rhythmus durch ihre fast ebenso winzige, bunte Welt.

Idyllisch, nicht wahr?

Doch weiten wir den Fokus einmal. Ein ausschließlich verengter Blickwinkel führt all zu oft zum Ruin des Gesamtbildes.

Wir erblicken eine kleine Hütte. Die Haustür steht sperrangelweit offen. Ein Gewehr steht achtlos an der Wand. Niemand zu Hause?

Hinter der Hütte liegt ein Garten mit allerlei Pflanzen, üppigen Feigenbäumen und Quewrebi, Gefäße zur Herstellung und Reifung des georgischen Weines und Schnapses. Allesamt antiken Ursprungs.

Drumherum liegt pure Wildnis.

Unbewohnt von Menschen.

Unbefleckt dazu.

Flora und Fauna.

Es ist ihr Land.

Zumindest im Zeitraum der Gegenwart dieser Geschichte.

Zwischen beiden Arealen befindet sich ein Zaun. Dieser ist ein typisch georgischer Zaun. Bedeutet, er hat ein beträchtlichen Loch.

Selbstverständlich an genau jener Stelle, wo das kleine Mädchen mit den blauschwarzen Haaren samt Körbchen umhertollt.

Was meint ihr?

Welche in derlei Geschichten zuverlässig auftauchende Spezies fehlt noch?

Wölfe?

Wind kommt auf. Nicht zu stark, kein Sturm wohlgemerkt, doch intensiv genug, das sprichwörtliche Rauschen im Walde zu verstärken.

Jetzt erst naht das Rudel. Zweige knacken, morsches Gebälk bricht. Unhörbar jetzt. Die Kleine schaut kurz in die Sonne, muss blinzeln, erblickt aus den Augenwinkeln eine Bewegung.

Das Leittier bricht durch – eine Wölfin

Das Leittier bricht als erstes durch. Es ist eine grimmige, alte Wölfin, zäh und viel zu mager. Sie wirkt hellwach, doch ihr Hauch ist fiebrig. Elegant auf allen Vieren landend, befindet sie sich nun im Garten.

Jetzt heult der letzte Wolf von außen. Es klingt, als wolle er den Sack zumachen, den Zugang versiegeln. Und nicht gerade beruhigend. Ungefähr ein halbes Dutzend schwarzgrauer Wölfe springt behende in den Garten.

Allesamt Rüden, jeder von ihnen dem Ruf des Blutes gefolgt, den Tod im Blick. Binnen Sekunden umringen sie die Kleine.

Die Anführerin refft die Lefzen, knurrt, duckt sich angriffsbereit zum Sprung.

Cut

Auf der Vorderseite des Hauses trifft ein massiger Mann aus Tbilisi ein – der Vater des kleinen Mädchens

Auf der Vorderseite des Häuschens trifft ein massiger Mann mit ebensolchem Schnurrbart ein. Für georgische Verhältnisse ist der Enddreissiger mit ca 1,80m recht hoch gewachsen. Er hat die gleichen blauschwarzen Haare wie die Kleine, ebenso die Form der Brauen.

Es handelt sich um den Vater des Mädchens. Nun betritt er stirnrunzelnd den Innenraum. Nicht etwa seiner Hütte. Das Häuschen gehört den Großeltern der Kleinen, seinen Schwiegereltern. Gern und oft verbringt sie mit diesen hier den Sommer oder einzelne Wochen. Nun eilt der Hauptstadt gestresste Vater aus Tbilisi herbei. Nach seiner Tochter zu schauen.

Im winzigen Vorraum erblickt er die verwaiste Schusswaffe. Daneben eine erloschene Petroleumlampe.

„Hm.“

Sein Seufzer klingt ebenso tief wie missbilligend.

Die Persönlichkeit?

Kennt ihr Gerard Depardieu Anfang der 80er, ungeduldig, resolut, polternd und entnervt mit Umwelt im Allgemeinen und Pierre Richard im Besonderen?

„La Chevre“ und „Les Comperes“?

Das exakt ist ihr Vater.

Kein übertriebener Freund subtiler Kommunikation. Dabei hochgesellig und im Kern seines Wesens nicht minder sensibel. Selbstverständlich regelmäßig überfordert, beide Seiten kommunikativ in Einklang zu bringen.

Er betritt die Stube.

Dort sitzt ein kleiner, drahtiger Mann, ca Mitte 50 an einem hölzernen Tisch. Darauf ein Aschenbecher, eine Flasche samt Becher sowie eine karmesinrote, brennende Kerze. Er lächelt versunken. Die Lachfalten um seine Augen treten deutlich hervor.

Nun erblickt er den Neuankömmling. Lachfalten um den Mund treten sofort hinzu.

„Surabi, Du kommst früher als erwartet.“

„Hm.“

Wie schön. Setz dich doch. Du weißt mein Feigenschnaps ist dieses Jahr vorzüglich.“

„Hm. Das sagst du jedes Jahr, Wachtangi.“

Dieser rudert beschwingt mit den Armen.

„Und du weißt, dass es stimmt, hier nimm.“

„Hm. Nicht so klein. Gaumadschos!“

„Gaumadschos! Der ist gut, sag?“

„Warum steht die Tür offen und das Gewehr achtlos herum?“

(verschmitzt) „Wozu haben wir einen Zaun?“

„Hm. Deine Frau?“

„Ach, die schläft ausnahmsweise mal länger, noch einen?“

Wo ist die kleine Zizi?

„Zizi?“

„Schlafen beide noch. Ich sagte dir, du seist früh dran, mein Lieber, nun nimm doch erstmal noch einen.“

(entspannter) „Na gut, na gern, lass mich nur rasch einen Blick auf Zizi werfen…“

Er geht durch den Raum öffnet die Tür zur Schlafkammer.

„Ihr Gott verdammten Hinterwäldler! Wo zum Teufel ist meine TOCHTER?“

„Deine…“

„Wenn Du jetzt „deine was?“ sagst, bring ich dich um. Wo ist Z i z i n o? “

Wachtangi weitet die Augen erschrocken.

„Surabi, eben…“

„Wenn du jetzt sagst „eben war sie noch da.“ reiss ich dir den Kopf ab.“

„Aber eben war sie wirklich…“

Surabis Blick lässt den Satz verdient ersterben.

Weckt gleichwohl den Stahl in Wachtangi.

Er schnappt sich das Gewehr im Laufschritt. Lad durch, bevor sie die Behausung verlassen.

Cut

Zizino dreht sich zur Wölfin

Zizino dreht sich direkt zur Wölfin. Hebt beide Arme waagerecht. Das gelbe Körbchen fällt ins Gras. Alle gepflückten Blümchen fallen heraus.

Stille.

Dann öffnet sie kurz dreimal die ausgebreiteten Hände. Nur acht Finger. Ganz sanft. Der eingebettete Wink nur angedeutet.

Der Blick der Wölfin bricht.

Ihr Sprung erstirbt im Ansatz.

Sie wift sich vor die Füße des viel kleineren Geschöpfs. Beginnt diese zu lecken.

Jetzt erst lässt Zizino beide Arme sinken. Krault Hals und Ohr des mächtigen Tieres.

Hier gibt es kein Gemetzel.

Keine Feinde.

Keinen Kampf.

Keine Beute.

Hier gibt es nur….

Cut

Unterdessen im Haus

„Idioten! Allesamt! Bei allen Teufeln und dem verhurten Kreml. Wie konnte ich nur solchen Landeiern vertrauen?“

„Jeder macht mal Fehler, Surabi. Und Du kommst auch nur aus Redscha nach Tbilisi. Selbst der größte Hinterwäldler von allen.“

„Ich habe mich im Gegensatz zu euch nach vorn entwickelt, Herr Wachtangi. Hm.“

„Wenn du das sagst. Los weiter. Ich hab den Zaun noch nicht geflickt, weißt du….“

Surabi bleibt abrubt stehen.

„Du hast was bitte noch nicht?“

„Ja der Zaun, Suri. Der soll noch drankommen die Tage.“

brüllend „Du hast was noch nicht? Ich fasse es nicht. Du lockst meine Tochter zum Arsch der Welt und hast den besch***en Zaun noch nicht geflickt?“

Sie gelangen zur Rückseite.

Wachtangi zuerst. Erstarrt im Laufschrott. Surabi folgt atemlos keuchend, den Blick nach hinten gewandt, noch immer brüllend.

„Was, feiner Herr Wachtangi soll meine Tochter bitte machen, falls ein verf***es Rudel dieser Bestien eindringt, du……????“

Seltsam,

aber so steht es geschrieben. Tatsächlich verbirgt ist die Geschichte innerhalb der Familie und selbstredend in jener entlegenen Gegend weit hinter den sieben….

Was kann ich sagen?

Nun, nicht viel. ‚Zeihung.

Dabei war ich nicht.

Ich war 12, saß in Deutschland. Im letzten knappen Vierteljahrhundert jedoch wurde ich an ihrer Seite mehr als einmal Zeuge ähnlicher Ereignisse.

Doch immer, wenn ich sie frage,

„Mein Süßes, hat es sich wirklich genau so zugetragen?“

Tja, dann antwortet sie stets mit „Musik, Musik, Musik.“

Hier kommt Zizino, 42 Jahre später mit „City of Love“ (Sakartvelo Strings), einer Hommage an ihre Heimatstadt Tbilisi.

All Music © by Zizino

https://youtu.be/lGT7wwX_EsI?si=w0foGgV4BLev1glS

PS by Liane: Der Vorname des Autors, der diesen Text geschrieben hat, ist Ulf. Das ist der nordische Name für „Wolf“.

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