Keine Heavy Metal-Band aus der DDR hat es jemals zu einer ähnlichen Bekanntheit im Westen geschafft wie Rock- und Popbands vom Schlage Puhdys, Karat oder City. Das mag zum einen daran liegen, dass selbst die bekanntesten Bands des Genres, wie Formel 1 oder Babylon im Gegensatz zu den vorher genannten Konzerte im Westen nicht erlaubt wurden. Aber in ihrer Heimat trafen sie au eine große Zahl eingeschworener Fans, die ähnlich wie die Bluesfraeks des Ostens ständig in der ganze Republik unterwegs waren, um ihre Bands live zu erleben. Dabei verbreiten sich die Nachrichten über Konzerte – offizielle wie priate – oft durch Mundpropaganda.
Die ganze Vielfalt dieser sehr lebendigen Szene breitet Nikolai Okunew in dem Buch aus, das auf seiner Doktorarbeit zum Thema beruht, die er 2020 an der Philosophischen Fakultät der Universtät Potsdam einreichte.
Das macht die Lektüre streckenweise etwas sperrig, weil Okunew sich wissenschaftlich -systematisch seinem Untersuchungsgegenstand nähert. Auf der anderen Seite wird das Buch sehr lebendig durch die zahlreichen, authentisch wiedergegebenen Zitate von Musikern, Fans und Radiomoderatoren. Okunew beschreibt den Kleidungstil der »Heavys« als ästhetischen Ungehorsam, er untersucht die Kommunikation der Fans untereinander, die Organisation von Konzerten und die Anreise dorthin. Er analysiert Sprache und Inhalte der Metal-Songs. Zwar fand Metal nach und nach den Weg ins DDR-Radio, aber – so zitiert Okunew den Moderator einer einschlägigen Sendung: »Diese Politlinie, die damals existierte, die war so: Es sollte alles bloß schön, sanft, nett, liedhaft sein.« Der Staat versuchte zwar auch in diese Szene hineinzuwirken, aber hatte weniger Argumente als gegen andere Jugendkulturen. Denn die Fans erschienen in der Mehrzahl pünktlich zur Arbeit und malochten. Ihre Vorlieben lebten sie als unpolitisches Freizeitvergnügen aus. Politisch wurden die Bands meist nur in Andeutungen: »So’n kaputtes Haus, in dem er nicht leben will. Da gibt’s nicht viel, was ihn hält. Da ist es kalt, er will raus«, texteten Formel 1 1985. Das Lektorat war not amused. Fast schon komisch lesen sich die Berichte der MfS-Informanten: »Während des Auftritts der Gruppe Nobody in Erlbach sprangen die Jugendlichen durch die Musik aufgeputscht auf den Tischen hereum und waren nicht mehr zu beruhigen, schreit der unbekannte Spitzel, und weiter sollen sich dort Jugendliche »überdimensionale bis zu 50 cm lange Knochen, verbunden als Kette um den Hals gehängt« haben.
Letztlich, so ein anderer Informant, sei das alles aber doch ungefährlich. In der Tat, es ging nicht um Revolution. Ohne das auch vorhandene gesellschaftskritische Potenzial der Szene kleinreden zu wollen: Die zahlreichen Fotos belegen, dass es hüben wie drüben um möglichst viele Amps und Schlagzeuge groß wie Ritterburgen ging.