Ulf Kubanke mit seinen Gedanken zur „Stadtbild“-Debatte.
„Ich bin enttäuscht!“ (Otto (Kevin Kline) vor dem leeren Tresor in „Ein Fisch namens Wanda“ 1987)
Stadtbild, Stadtbild und kein Ende. Beim gesamten Diskussionsverlauf dieser Tage geht es mir ein wenig wie obig Otto vor dem gähnenden Geldschrank.
Alle Ebenen verschwimmen und auf einmal entsteht ein großes Durcheinander, vor allem ein großes Gegeneinander.
Auf einmal hat das gesamte Land diese erbärmlich verkürzende Snowflakes versus Cordhutträger-Nummer am Hals.
Gescheiterte Kommunikation.
Doch das ist offenkundig nicht die Ebene, auf der es interessant wird. Vergessen wir doch mal die Stereotypen beiderseits. Unternehmen wir zumindest mal den Versuch, okay?
Kein Wunder, dass alle gebotene Kommunikation miteinander an diesem Kanzler zerschellt, wie die Titanic am Eisberg. Von Anfang an wurde die Botschaft von ihm schief auf die Schiene gesetzt. Und dann reagiert er auchoch genervt?
Weil der Souverän (aus seiner Sicht: eher der freche Pöbel) Klarheit einfordert?
Wo also soll denn bzgl Merz der Respekt zumindest in Spurenelementen herkommen, wenn der mächtigste Mann unseres Staates – selbst nicht gerade verlegen um eine robuste Ansprache an uns alle – sich auch im Amt erkennbar noch immer der Rhetorik eines grobmotorischen, von sich selbst besoffenen Bauern bedient. a eines Bauern! Und ich meine sicher nicht die Landwirte.
Das empfinde ich als konstantes politisches Verhaltensmuster nicht überzeugend. Warum nicht?
Der rhetorische Töchter-Trick als Sophismus
Folgendes: Rein methodisch ist dieser Töchter-Trick nichts anderes als rhetorischer Giftschrank für ganz Arme: „Die Töchter“ hier sind dieselbe Nebelkerze, wie rhetorisch betrachtet der „deine Muddah“ Ruf im Weißen Haus vor einigen Tagen.
Er nimmt eine heterogene Gruppe. Homogenisiert, entindividualisiert, entmündigt diese irgendwie, lediglich, um sie als eigene Kronzeugen, eigene Waffe zu instrumentalisieren. Mit sich selbst als ins Bild gerücktem patriarchalischen Heilsbringer. So ein bisschen John Wayne meets The Three Stooges.
Das ist charakterlich richtig finster und auf der inhaltlichen Ebene sogar weniger als 0. Es wird im Ergebnis nicht lediglich Demagogie. Es ist verflucht nah dran an Trumps MAGA Demagogie.
In der Rhetorik nennt man dies den Sophismus vom Verhüllen.
Wikipedia dazu:
„Sophismus vom Verhüllten (lat. velatus) bezeichnet man eine der Paradoxien von Eubulides:
„Erkennst Du diesen Verhüllten?“
„Nein!“
„Es ist Dein Vater! Daraus folgt: Du erkennst Deinen Vater nicht.“
Dieser Fehlschluss (Sophismus) beruht auf einer unklaren Verwendung des Wortes erkennen. Die Schwierigkeit entsteht, da der Verhüllte den betreffenden Personen zwar von früher her bekannt ist, aber nicht sofort erkannt wird.“ Das also bleibt übrig von des Merzens Töchtern. Ein Bitch move. Erbärmlich schlicht vorgetragen.
Echt jetzt?
Das ist definitiv nicht das Niveau, auf dem ich regiert werden möchte?- Adenauer of Death, nur schlechter formuliert wegen einer Panikattacke vor der AFD, unser sauertöpfi….hust… sauerländischer Frauenversteher.
Die Suggestion von Kompetenz
Und wie nur schafft er diese Groteske seit Jahren?
Folgendes Mittel: Seine dominante Stringenz im Tonfall suggeriert Rhethorik und Kompetenz, die inhaltliche in Wahrheit gar nicht existiert. Es existiert lediglich die konstante Breitbeinigkeit des Vortragenden. Das ist wie bei schlechten Songwritern, welche dem Publikum konstante Tiefgründigkeit vorgaukeln, die nicht vorhanden ist.
Da muss ich mich, Du dich, Sie sich Ihr euch einfach jeden Tag immer viel zu weit nach unten orientieren. Das ist ganz schön anstrengend.
Aber hey, letzten Endes zumindest konsequent. Der Chef hat anscheinend das gleiche Niveau, wie jene Figuren die mich bereits am Wahlstand tumb als Satanisten angesprochen haben. Insofern ist das dann ja doch eine beeindruckende Homogenität in dem Verein vom strengen Scheitel bis zur Sohle.
Dafür dann auch ohne schuldhaftes Zögern mein Kompliment der gelebten Authentizität. Das war mein Senf dazu.
Das heißt, nein, das war es noch nicht ganz.
Das war immerhin eine harte und heftige Kritik. Und wer sich auf so ein hohes Ross setzt, wie ich, der sollte doch auch eventuell eine eigene Impression des Stadtbildes mitbringen. So zumindest fühlt es sich für mich an. Hier also meine ganz und gar unmaßgebliche und höchst subjektive Wahrnehmung in…
Sie in der Hamburger Sternschanze
Hamburg: Wind, Nieselregen, Sternschanze: Ich verlasse die Unterführung. Kalter Wind, wildes Geklampfe, heulender Gesang. Ah, sie ist bereits an Deck. Sie sitzt samt Gitarre zumeist direkt gegenüber Melzers „Bullerei“.
„Hi Wolf. Wanna hear my new Song?“
„Hi Jenny. sure“
Sie legt los. Sehr enthusiastisch. 2 Minuten. Gefühlt zehn. Stoppt. Schaut auf mich und ihren Koffer, drei Mal 2 Euro darin.
„Tja….“
„Doncha like it?“
„Well, forcibly loud indeed. Gonna give ya two bucks, If you never play it again, Jen.“
„Fuck you. I know it’s trash. Hey Wolf, I’m from California but a mothafuckin‘ 72 Years old. My best Songs I did ‚tween ’68 and ’72 on Malibu Beach.“
„Probably you should play that stuff.“
Sie grinst breit Vergangenheit: Schillernd, welterfahren, semiprofessionell. Gegenwart: Nun ja.
Er kam hierher.
Sie blieb.
Tauft sich Jennifer
Ein Drittel Blumenkind-Urviech, eines Rockveteran, der Rest ein Filou.
So kaputt wie Marianne Faithfull und Chet Baker zusammen.
Spielt hier oder auf St. Pauli.
Hebt nun an zu einem uralten Lied ihrer Jugend.
Große Melodie, großes Talent – zu Staub zerronnen…doch nicht ganz.
Gänsehaut.
Mir kommt eine Träne. Indiskutabel. Schon des Make-ups wegen. Ich fische hastig in der Jeans nach Münzen.
Präzise, formvollendet werfe ich einfach alle in ihren Koffer.
Grinse sie an.
Sie stoppt abrupt. Fischt drei Münzen zurück.
„Man, you crazy or what?“
„?“
„No Pennies, fuck. Never. People see and will give just mothafuckin‘ Pennies.“
„So sorry. I thought they were all cool. blind as a bat, you know.“
„I like ye shades, man, but the glasses are too small for hiding ye tear. Yeah, those days I had been fukkin‘ amazing.“
„Not a complete disaster.“
„Will play it around Reeperbahn. Headin‘ of, Wolf.“
„Echt jetzt? Um diese Uhrzeit? Bist du bescheuert? So früh ist da doch niemand. Oder lecker im Handschuh aufs Maul kriegen?“
„Oh Fuck, is noch damn early. War den zu viel von dem ganze Stoff gestern.“
„Well, as long as you at least can tell coins from Pennies I wouldn’t worry that much.“
„My Super Power.“
Sie lächelt verschmitzt und warm.
„You’d like some „Ziggy Stardust“ before ye leave?“
Sie sinkt
in den Stuhl,
in den Song,
in sich
– Trance.
Ich schlendere langsam davon. Ihr Echo begleitet mich,
verblasst allmählich,
erstirbt.
Doch ihre Klangfarbe begleitet meinen Tag….und natürlich David.
Epilog:
Das Erlebnis ist einige Monate her. Ich habe sie seitdem kein einziges Mal mehr gesehen, an keinem ihrer Stammplätze. So etwas passiert niemals zufällig. Doch was erzähle ich da, der Zufall existiert ohnehin nicht. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sie noch lebt. Vielleicht hat man sie auch einfach abgeschoben. In jedem Fall befindet sie sich jetzt nicht mehr im….. Stadtbild.
für Jenny: David mit seiner abgerocktesten Version des „Rock n‘ Roll Suicide“ – live 1974.
Foto by Ulf Kubanke 2025
Adenauer Of Death- großes Kino. Kommt in meinen aktiven Wortschatz.