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Ozzy: „No more Tears!“ – Phönix aus der Flasche  

Foto: Official Promo-Picture

Ozzy, der König ist tot. Es lebe der König. Ulf Kubanke mit einer ebenso persönlichen wie verstândigen Einordnung des Black Sabbath Sängers.

Hamburg den 22. Juli 2025.

Nun sitze ich da heute Nacht, Tränen laufen mir über das Gesicht. Es kommt mir so surreal vor, was gerade geschehen ist. Und doch ist es real, bar süren Ebene.

Der „motherfuckin‘ Prince of Darkness“ hat die Lichtung am Ende seines Pfades erreicht.

Ich vermute, es ist ohnehin immer etwas anderes, für die meisten von uns, die sich in einem Alter befinden, in welchem Ozzy immer da war, ein bisschen wie die Queen oder Mick, Keith, Ringo oder Pete.

Ozzy und der makabre Sinn für das Timing

Und natürlich ist eine Sache mal wieder typisch: Diese Engländer haben einen unfassbaren Sinn für Timing.

Klar, danke, passt ja super.

Als uns, meine Frau, Zizino und mich die Nachricht ereilte, befanden wir uns mitten in den Feierlichkeiten unseres 22. Hochzeitstages.

What else, fuckin‘ hell….

Der überschattete Hochzeitstag

Das allein wäre schon Grund genug, um den Abend, sagen wir, schlussendlich dann doch als ein wenig überschattet zu empfinden.

Die Besonderheit bei uns:

Da Zizino, meine Frau, aus Tbilisi stammend, dieser Tage mehr über den Kosmos von BLACK SABBATH erfahren wollte, beschäftigen wir uns exakt in diesem Moment partylike gerade mit Ozzy und Co, als die Nachricht seines Todes eintrifft. Na Hallelu…ähem… nein.

Tja…bämm!

Da sage niemand, der Mann aus Birmingham hätte kein Händchen für die richtige Pointe gehabt. Ja, genau

Ach Süßer, komm gut von Bord,

wie schön, dass Du

dich nie entmutigen ließest,

ein goldenes Herz hattest,

deine Schwächen zur Stärke wandeltest,

den Traum lebstest,

die Frau deines Lebens, eine großartige Gefährtin, an deiner Seite hattest

&

dein Happy End samt Grande Finale bekamst in aller parkinsonschen Agonie des Grand Guignol unseres Lebens.

Machs gut, Ozzy.

kiss ya.

Thanx for motherfuckin‘ Just having existed.

From Hamburg with Love

Ulf

Fukkin‘ Cut:

Birmingham am 16. Oktober 1969: langsam wie Lava, zäh, wie Teer, bleischwer und misanthrop fräst sich Tony Iommis Gitarre in die Ohrmuschel.

Kein Hippiekram.

Kein Sixties Rock.

Kein Mädchenpop

Keine Laubsäge am Küchentisch,

dafür gefährlich mit der Kettensäge ins Hirn, ganz bedächtig.

Black Sabbath, die Gottväter des Heavy Metal schmieden mit „Black Sabbath“ ihr archaisches Eisen für die Welt.

Ihr Sänger?

Ha!

On Stage eine begnadete Rampensau erster Garnitur.

“What is this that stands before me?“ fragt Ozzy Osbourne an der Eingangstür zum dunklen Turm. Besucher, die diese Höllenpforte durchschreiten, verfallen augenblicklich dem Fluch dieses schwefligen Suds.

Gut so!

Doch was passiert hier?

Ozzy verrät es uns vielleicht.

„Figure in black which points at me.

Turn around quick, and start to run.

Find out I’m the chosen one.

Oh nooo!….“

Krieg?

Kreuzigung?

Weit gefehlt.

Pechschwarzer Sabbath, blut’ger Sabbath, Baby!

Nicht drängeln und jeder bitte nur ein umgedrehtes Kreuz!

Weiter geht es mit der Frage, was zur Hölle ist denn das ab 1969 für eine Stimme in der Musikwelt?

Quietschgesang zwischen Dämon, Psychopath und niedlichem Hundespielzeug

Mit unnachahmlichem Quietschgesang zwischen Dämon, Psychopath und niedlichem Hundespielzeug brennt der hochsympathische „motherfucking Prince of Darkness“ jeder einzelnen Note ihr Zeichen ein.

Für knapp sechs folgende Dekaden.

Satanisten?

Okkultisten?

Saat des Bösen?

Achwas, Iommi und Oz‘ etwa sind bereits in jungen Jahren gläubige Christen.

Welch dunkle Figuren sind es denn in Wahrheit, die solche Jungs der Arbeiterklasse aussortieren, blockieren, unterschätzen schlussendlich gar quasi opfern?

Welch schicke Allegorie und subversiver Nebeneffekt, dass exakt jene Teile der britischen Class System-Gesellschaft, die sich für fromm und normal hielten, unfreiwillig Teil der Pointe werden, sobald sie jenen jungen Künstlern Satanismus vorwerfen, ohne die Eulenspiegelung Sabbaths auch nur zu bemerken.

Doch wer sich nun – und ich mache gern mit – lauthals über solche Rückstandigkeit im damaligen GB amüsiere,

bedenke daneben:

In unserem Staat klinkten sich noch in den 80ern die christsozial besetzten Provinzen aus der Fernsehübertragung eines Alice Cooper Gigs aus.

Tja…

Leerer Bildschirm, leerer Kopf. Aber super für die Kunst.

So auch hier.

Kann man der musikhistorische Bedeutung des Ozman entkommen?

Nun, große Teile der Welt immerhin versuchten es über viele Jahre. Anerkennungsverweigerung, Spott und Reduktion hatte der gebürtige John Michael Osbourne zu viele Jahre am kreuzbehängten Halse, etliche Krankheiten inklusive.

Lassen wir diesen Teil samt des ganzen Yellow Press Schmands somit einfach unbemerkt am Wegesrand zurück.

Werfen wir stattdessen lieber einen lohnenden Blick auf die Gesamtchemie, deren Zentrum der Blizzard of Ozz verkörpert.

Wenn eine derart musikhistorische bedeutende Band endet, lohnt es sich, einen Blick auf all jene geschichtsträchtige Musik zu werfen, die Black Sabbath hervorbrachte.

Ihr auf den ersten Blick recht unübersichtliches Wirken spaltet sich im wesentlichen in vier große Blöcke auf, deren einzig konstantes Mitglied Tony Iommi war.

Es gibt den Beginn und das Ende mit Ozzy als Leadsänger, die nicht minder großartige Ära der Dio-Jahre und die Zwischenschübe einiger Alben mit nahmhaften Gasttsängern (Ian Gillan, Glenn Hughes oder Tony Martin). Alle Kapitel bieten große Augenblicke des Rock.

Heute interessiert uns gleichwohl mithin nur die goldene Ära des Oz bis 1979, sowie das Comeback „13“ anno 2016.

Die Sabbath-Jahre mit Osbourne am Mikrofon als Wiege des Heavy Metal

Hierbei macht es großen Spaß, sich auf Spurensuche zu begeben und zu versuchen, allem aus der Zeit heraus betrachtet, zu lauschen.

Die Sabbath-Jahre mit Osbourne am Mikrofon darf man nämlich getrost als Wiege des Heavy Metal bezeichnen.

Sie endete vorerst 1979 mit dem Ausstieg Ozzys, der kurz darauf eine beeindruckende Solokarriere startet.

Vorher jedoch sind Black Sabbath Pioniere einer sich bis heute entwickelnden Musikrichtung. Alles baut auf Ozzy & Ko auf. Mit dem obig beschriebenen gleichnamigen Song des ebenfalls gleichnamigen Debütalbums erfinden sie bereits Ende 1969 die angedunkelte Zeitlupenvariante des Doom.

Was für ein Nachtbrecher, nicht wahr?

Daneben wirken sogar zeitgenössische Rockpioniere wie Rolling Stones oder The Who auf Vinyl in etwa so gefährlich wie Laurel & Hardy.

Was für ein Machtbrecher, nicht wahr?

Man glaubt es kaum: Die bahnbrechende Debüt LP nahmen sie tatsächlich innerhalb eines halben Tages auf. Mehr als lässige 12 Stunden brauchte es nicht, diesen Meilenstein zu erschaffen.

So eilen sie sechs famose Alben lang von Innovation zu Innovation. Das aus damaliger Sicht ultraschnelle – „Symptom Of The Universe“ („Sabotage“ 1975) etwa gilt musikgeschichtlich heute als Urknall des später aufkommenden Speed- und Thrashmetal-Genres.

An der Balladenfront machen sie mit dem brillanten „Solitude“ („Master Of Reality“, dem psychedelischen „Planet Caravan,“ (1971) und dem höchst erfolgreichen Evergreen „Changes“ („Vol. 4“ 1972) ebenfalls eine gute Figur.

Fernab jeglichen Kitsches verarbeitet letzteres Lied die schmerzlichen Erfahrungen Bill Wards, dessen erste Ehe ihm in dieser Phase um die Ohren flog, wie seine Drumsticks.

Neben Iommis prägnantem Piano beeindruckt hier vor allem Ozzy mit inbrünstig gesungener Emotion.

Mit „Sweet Leaf“ („Master Of Realitiy“ 1971) legen sie nebenbei den Grundstein zum späteren Stoner-Rock und werden u.A. von Acts wie Red Hot Chili Peppers oder Queens Of The Stone Age als wichtiger Einfluss verehrt.

Erstere nutzen das Kernriff in ihrem Hit „Give It Away“. Das geloopte Husten ist übrigens kein künstlicher Effekt. Ozzy reichte Tony während der Aufnahmen einen Joint. Iommi verschluckte sich, und man entschied, das Geräusch in den Song einzubauen.

Diese überbordende Kreativität ist kein Zufall. Iommi haut den Hörern seine Gitarrensalven meist ohne erkennbare Emotion punktgenau um die Ohren.

Ozzys Stimme, eine Sebstironie und das Kultalbum „13“

Der privat unfassbar komische, sehr selbstironische Ozzy erfindet und modelliert per Stimme seine jeweilige Rolle.

Bassist Geezer Butler sorgt als Haupttexter für Ozzys Vorlagen, ebenfalls dafür, dass BS nie Gefahr laufen, zum Metal-Klischee zu verkommen. „N.I.B.“ (Black Sabbath 1970) etwa spielt gekonnt mit den Vorwürfen, sie seien Okkultisten und Satanisten. Der Teufel selbst verliebt sich in diesem Lied und mutiert vom ewigen Antagonisten kurzerhand zum freundlichen Menschenfreund und Romantiker. Ozzy verkörpert die Rolle brillant.

Butler spielt ihm zur Einleitung ein musikhistorisch bedeutendes Bass-Solo. Vor 1970 etwa war es alles andere als üblich, ein Rockstück dergestalt zu eröffnen.

Und später?

Alles beginnt mit Ozzy. Es dürfte nicht ohne ihn enden.

Er allein bedeutet das Alpha und das Ozzmega.

Abgesehen vom 1998er Livekonzert „Reunion“ kehren BS nämlich erst 2013 wieder in der Urformation Iommi/Osbourne/Butler zurück, allerdings ohne den damals mit ihnen im Clinch liegenden Trommler Bill Ward. „13“ erweist sich als perfektes letztes Werk.

Ein dunkler Monolith, wahrhaftig.

Der Sauertopf am Sechssaiter macht keinerlei Gefangenen.

Seine schroffen Riffattacken klingen nicht einen Deut freundlicher als Iommis typisch zerklüfteter Gesichtsausdruck. Endlich vereinen sich die Axt und die Stimme wieder zu einer einzelnen Bestie.

Die Produktion rangiert in punkto Sound endlich auf angemessen hohem Niveau.

Kultproducer Rick Rubin reißt sich zum Glück meist zusammen, so es darauf ankommt. Obgleich er sich zwischendurch mit bedenklich limitiertem Luschenkram wie Kid Rock verschwendet, macht er hier alles richtig.

Als Produzent ist der Amerikaner immer dann am besten, so er sich darauf beschränkt, vorhandene Stärken und Eigenarten der Musiker zu unterstreichen. (Remember seine Johnny Cash Albenreihe oder Danzigs Debüt).

Exakt das klappt hier wieder wunderbar, weil diese chatmrismatischen Engländer davon auch ne fette Kelle mit bringen.

Das Album – immerhin nicht gerade eingängig klingend – beeindruckt ebenso auf der kommerziellen Seite. Weltweit entert die Scheibe die Top 10 und schießt u.A. in Großbrittannien, den USA und Deutschland sofort auf die erste Position. Verdiente Anerkennung allemal

Berühmt ist Ozzys Bonmot: „Ich wusste, dass es ein verdammt gutes Album war, aber als mir jemand erzählte, dass es in fünfzig Ländern an die Spitze der Charts ging – ich wusste ja nicht einmal, dass es fünfzig Länder gibt – und ich bin dort überall die Nummer eins? Das macht mich ganz fertig.“

Der Clou: Die stets zum Sprung bereite, leicht aggressive Energie zwischen den beiden ehemaligen Streithähnen Tony und Ozzy erzeugt hier einmal mehr explizit faszinierende Augenblicke.

Auf „Damaged Soul“ impfen sie ihrem schwerblütig mäandernden Strom den Blues – samt Mundharmonika – und keine Sekunde lang mutiert es zu altbackenem Rockismus.

Die Ballade „Zeitgeist“ eliminiert alles, was der eine oder andere bei „Changes“ eventuell als übertrieben empfinden mag. Ihr wunderschön perkussives Arrangement samt filigraner Gitarre und noblem Viersaiter, wundervolles Kabinett Stückchen.

Darüber gießt Ozzy eine Melodie so betörend, man mag sie getrost als „Solitude“ Part II bezeichnen.

Die Texte betrachtend ist das hier vertretene „God Is Dead?“ eines der außergewöhnlichsten BS-Stücke.

Am Pranger stehen kirchliche Korruption, Herrschsucht und Hang zum Missbrauch als philosophische Auseinandersetzung, schön lecker eingebettet in eine Handlung, deren Ende der bluttriefende Priester womöglich nicht überleben wird. Black Shabbis Go Hitchcock.

Zum Fade Out schließen sie elegant den eigenen Teufelskreis. Samt Gewitter und Kapellenglocke klingt das Album dort aus, wo einst die Fahrt mit ihrem Übersong „Black Sabbath“ begann.

Es scheint mithin so lange, als gäbe es bei Ihnen weder Anfang noch Ende. Alles bleibt immer Gegenwart. Schönes Bild, finde ich.

Und dennoch fehlt hier noch etwas, oder?

Ozzys Solokarriere haben wir nicht beleuchtet. Das geht nicht.

Aber warum nur verhält es sich allgemein so, dass Ozzis solo Erfolge meist deutlich im Hintergrund stehen, gegenüber jener Beachtung, welchedie Band Sachen erfährt?

Die Antwort fällt erstaunlich einfach aus. Es ist leider auch ne durchwachsene Angelegenheit musikalisch, dabei voller Tragödien wie Anekdoten.

Wer das Fass aufmacht, benötigt ein Buch.

Da wäre das erste Kapitel mit Randy Rhoads. Tolle Neuerfindung mit Nummern wie ‚Crazy Train“ oder „Mr Crowley.“

Beide super füreinander. Doch Rhoads verstarb tragisch. checkt nach, wie….kein Wunder, was Oz‘ hernach passierte.

Es gibt den Werwolf Ozzy für lykanthrope Zeitgenossen wie mich („Bark at the Moon“ 1983).

Den Hardrock/ Hairmetal Ozzy mit „Shot in the Dark“ (1984) etc.

Daneben jedoch etliche Filler Songs auf vielen Platten.

Eine Ausnahme bildet das großartige Album „No More Tears“ von 1991. Platte wir Titelsong symbolisieren den anscheinend endlich überwundenen Kampf mit den eigenen Dämonen.

Link:

https://youtu.be/CprfjfN5PRs?si=q5nox3IbmUdOJNAn

Als Solo Ballade empfehle ich das Duett „close my eyes forever“ mit Lita Ford aus dem Jahr 1988. Große Melodie sehr schickes Duett leidenschaftlich intoniert.

Und nun soll das alles zu Ende sein? Alle Kreuze umgedreht, alle Vorhänge gefallen?

Wohl kaum. Die Kunst bleibt ebenso wie der Stempel der herausragenden Persönlichkeit.

Und der bereits im Jahr 2009 vorausgegangene Ronny James dio erwartet ihn bereits mit ausgestreckter Mano cornuto und den Worten:

„Hi Ozzy, so it goes on and on and on. It’s Heaven and Hell…Farewell!“

Epilog

Epilog: Renaissance Buckingham Palace Weniger Tage später. Der Urvater des Heavy Metal ist von uns gegangen. Das große Herz, es schlägt nicht mehr. Was jedoch so richtig losschlägt, ist die Kapelle des Königs. Die Kapelle der Beefeater vor dem Tor des Buckingham Palace. Spielen dürfen sie seit Jahrhunderten eigentlich nur für den König selbst oder im Rahmen des Anlasses eines royalen Protokolls für das Volk. Wohl kaum jedoch für einen Bürgerlichen, der vor nicht allzu vielen Jahrzehnten noch verfemt war, noch nahezu als Staatsfeind galt, doch mindestens als unchristlicher Narr. Dieses Unrecht wurde nunmehr getilgt. Mit großer Würde sendete King Charles „Paranoid“ gen Herren. Mehr geht nicht. Weniger indes wäre beleidigend gewesen. Ruhe sanft, süßer Prinz!.

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Foto: Official promotional Pic Ozzy Osbourne

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