avatar

„Ohne Bauern kein Brot“ – Die Proteste sind vorbei, die Sorgen bleiben

Kuhle Aktion zum Bauernprotest. Foto: Till Oliver Becker

Eineinhalb Jahre nach den großen Bauernprotesten in Deutschland ist es ruhiger geworden auf den Straßen – aber auf den Höfen ist die Lage nach wie vor angespannt, vielleicht sogar schwieriger als zuvor. Ein Blick auf eine Branche, die viel leistet, wenig verdient und immer wieder um Verständnis kämpfen muss – in der Politik, aber auch in der Bevölkerung.

Die Lage ist nach wie vor dramatisch

Deutschland, im Juni 2025 – Traktoren blockieren keine Innenstädte mehr, die Mahnfeuer sind erloschen. Doch der Eindruck, dass sich damit auch die Probleme der Landwirte in Luft aufgelöst hätten, wäre ein gefährlicher Trugschluss. Denn die Lage vieler Betriebe ist nach wie vor dramatisch. Steigende Betriebskosten, wachsende Bürokratie und ein urbanes gesellschaftliches Klima, das zwischen Anspruch und Realität nicht unterscheiden kann, machen vielen Bauern schwer zu schaffen.

Die zentrale Botschaft: Gehört werden! Foto: Till Oliver Becker
Die zentrale Botschaft: Gehört werden! Foto: Till Oliver Becker

Im Januar 2024 gingen Zehntausende Landwirte bundesweit auf die Straße. Der Auslöser: Die Bundesregierung wollte die Agrardiesel-Beihilfe streichen und auch die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge kippen – Maßnahmen, die aus Sicht der Bauern existenzbedrohend waren. Die Regierung nahm einige Vorhaben zurück oder setzte sie erst später in Kraft, doch das Vertrauen ist angeschlagen. Vor allem, weil diese Punkte lediglich die Spitze des Eisbergs sind. Den Landwirten geht es um viel mehr. Verständnis, Akzeptanz. Und letztlich tatsächlich um ihre Existenz.

Ein Beruf ohne Pause

„Die Leute wissen gar nicht, wie hart wir arbeiten“, sagt ein Landwirt aus Ostfriesland, der seinen Hof in dritter Generation führt. „Sie sehen die Traktoren, aber nicht die 70-Stunden-Wochen, die vielen Feiertage, an denen wir trotzdem rausmüssen – und dass richtiger Urlaub für viele von uns kaum möglich ist.“ In der öffentlichen Wahrnehmung, so schildern es viele Bauern, werde ihr Beruf häufig romantisiert oder pauschal kritisiert – etwa wegen Umweltfragen oder Tierhaltung –, ohne die ökonomische Realität dahinter zu kennen.

Wie hier in Emden haben sich auch andere Branchen den Protesten angeschlossen - zum Beispiel die Nordsee-Krabbenfischer. Denen will bekanntlich die EU an den Kragen. Foto: Till Oliver Becker
Wie hier in Emden haben sich auch andere Branchen den Protesten angeschlossen – zum Beispiel die Nordsee-Krabbenfischer. Denen will bekanntlich die EU an den Kragen. Foto: Till Oliver Becker

Hinzu kommt der Preisdruck durch Handelsketten und Zwischenhändler. „Wenn ich für mein Produkt weniger bekomme als die Herstellung kostet, dann ist das kein Marktversagen – das ist systemische Vernachlässigung einer ganzen Berufsgruppe“, so ein Milchbauer aus dem nördlichen Emsland. Viele kleine Höfe stehen kurz vor der Aufgabe oder haben bereits geschlossen.

Mehr Respekt, weniger Bürokratie

Die Proteste des vergangenen Jahres hatten auch symbolischen Charakter. Sie erinnerten daran, dass eine Gesellschaft ohne Landwirtschaft nicht funktioniert. Dass Versorgungssicherheit keine Selbstverständlichkeit ist. Und dass der Weg zu mehr Nachhaltigkeit nicht auf dem Rücken einzelner Berufsgruppen ausgetragen werden kann.

Die Bauernproteste sind jetzt eineinhalb Jahre her - außer großer Worte ist aber kaum etwas passiert. Foto: Till Oliver Becker
Die Bauernproteste sind jetzt eineinhalb Jahre her – außer großer Worte ist aber kaum etwas passiert. Foto: Till Oliver Becker

Die Politik hat reagiert – ein wenig. Es gibt einen Agrardialog mit Verbänden, und auch von Bürokratieabbau ist gelegentlich die Rede. Doch in der Fläche ist davon bislang wenig zu spüren. Viele Bauern fühlen sich weiterhin alleingelassen.

Nicht nur fordern, sondern zuhören

Es braucht keinen neuen Protest, um zu verstehen, was auf dem Spiel steht. Es reicht ein Blick auf die Teller in unseren Küchen. Jeder Apfel, jedes Brötchen, jedes Stück Fleisch ist das Ergebnis harter, täglicher Arbeit. Wenn wir von regionaler Ernährung und Nachhaltigkeit sprechen, dann beginnt das auf unseren Höfen – nicht in der Kühltheke des Supermarktes.

Die Forderung der Landwirte ist deshalb so schlicht wie fundamental: Anerkennung. Nicht nur für ihre harte Arbeit, auch für einfachste Zusammenhänge. Und das nicht nur mit warmen Worten, sondern durch faire Preise, verlässliche Politik und einen respektvollen gesellschaftlichen Diskurs.

Denn eines ist klar: Ohne Bauern geht es schlicht nicht.

Kuhle Aktion zum Bauernprotest. Foto: Till Oliver Becker
Kuhle Aktion zum Bauernprotest. Foto: Till Oliver Becker

 

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384
avatar

Über Till Becker

Langjähriger Journalist mit breiten Interessen. Aufgewachsen in Hildesheim, Zeitsoldat bei der Marine, seit einigen Jahren heimisch in der ostfriesischen Idylle. Lokalredakteur mit Leidenschaft, aufmerksamer Beobachter. Hat eine starke Vorliebe für Musik, die andere als Krach bezeichnen könnten. War Jugend-Fußballtrainer und versteht nicht, warum man einen SUV fahren sollte. Liebt Fischbrötchen!

Ein Gedanke zu “„Ohne Bauern kein Brot“ – Die Proteste sind vorbei, die Sorgen bleiben

  1. avatar

    So ist es wohl. Der ganze Regulierungsüberbau, incl. den durch keinerlei gesicherte toxikologische Erkenntnisse begründbare Grenzwert-Wahnsinn für Glyphosat, Nitrat/Nitrit usw. usf wird als erstes wegfallen müssen, wenn die Menschen wieder mal wegen falscher Prioritäten setzender Regierungen und Meta-Regierungen (EU, WHO usw.) schlecht ernährt sein werden. Das diesbezügliche’Vorsorge-Prinzip‘ mit seinen veralteten Sichtweisen muss prinzipiell in Frage gestellt werden. Die Risiken völlig neu bewertet und gelistet werden. Milei und Trump zeigen da durchaus den richtigen Weg: Man muss diese ganzen hyperhysterischen Umwelt-NGOs und Bio-Zertifikate wirklich nicht verbieten, aber derartig nachrangige Partikulärinteressen dürfen nicht mehr mit Steuergeldern gefördert werden. Dann könnten auch die Subventionen für den Agrar-Diesel wegfallen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top