Journalismus ist im Grunde ein unglaublich spannendes Berufsfeld. Grob gesagt hinterfragt man, stellvertretend für seine Leser, Hörer, Zuschauer Dinge, deckt Widersprüche auf und holt Informationen dort ein, wo sie zu finden sein sollten: bei denen, die sie haben. Das wird allerdings immer schwieriger. Nicht etwa, weil es keine Informationen mehr gäbe. Sondern weil man in den Pressestellen vieler Unternehmen und Institutionen offenbar glaubt, dass „Öffentlichkeitsarbeit“ vor allem bedeutet, möglichst wenig Öffentlichkeit zuzulassen.
Man kennt das: Man schreibt eine Presseanfrage. Sachlich, freundlich, begründet. Es geht nicht um Skandale, sondern um Erklärungen. Um Einordnung. Um den Versuch, auch einmal die andere Seite zu beleuchten. Antwort kommt, ja – aber leider nicht auf die Fragen. Sondern auf ein internes Bedürfnis nach Ruhe, Schutz und möglichst geringer Reibung.
Möglichst viel reden, ohne auch nur irgend etwas zu sagen.
Jüngstes Beispiel: DHL. Ich frage nach einer Auslagepauschale in Höhe von 7,50 Euro für eine Zollabwicklung, bei der der Zoll selbst gerade einmal einen Euro Einfuhrabgabe kassiert hat – für einen Warenwert von umgerechnet 5,34 Euro. Ich frage höflich,nüchtern, verständnisvoll. Ich erkläre sogar, dass ich weiß, dass formaljuristisch alles korrekt ist. Ich will nur wissen: Warum ist das so? Gibt es Überlegungen, das zu ändern? Was sagt DHL dazu?
Antwort: Wikipedia-Zitate, Verweise auf die eigene Website, der Hinweis, dass sich der Kunde ja vorher hätte informieren können. Und dann das Bonbon: „Wir freuen uns, dass Sie Ihre Leser mit Ihrem Beispiel über die Einfuhrabgaben und Auslagepauschalen informieren wollen.“ Aha. Ich hätte mich über eine Antwort gefreut. Eine echte.
§4 Presserecht!
Noch absurder wird es, wenn man bei kommunalen Betrieben anfragt. Eine Krankenhausgesellschaft zum Beispiel. Ich möchte ein paar Zahlen zur Notfallversorgung. Es geht um Kapazitäten, Entwicklungen, Perspektiven. Die Antwort kommt nach drei Erinnerungen und dem Hinweis auf §4 des Presserechts (Auskunftsanspruch): Die Fragen seien zu unpräzise, das könne man so nicht beantworten. Kurze Zeit später tauchen genau diese Zahlen bei einer internen Veranstaltung auf. Ein Schelm, wer Böses denkt.
Und dann war da noch das Deichbrand Festival. Der Line-up-Skandal, viele offene Fragen. Der Veranstalter antwortet mit einem Pressetext, der so nichtssagend ist, dass er sich selbst demontiert. Beck’s empfiehlt mir, mich doch an den Veranstalter zu wenden – also an den, der gerade keine Fragen beantworten will. Nur die EWE beweist Haltung, Distanz und Klarheit: Sponsoring beendet, Statement geliefert, Nachfragen erlaubt. So einfach geht es, wenn man will.
Was für Gestalten sitzen da bloß in den Pressestellen?
Was ist nur los in den Pressestellen dieses Landes? Sitzen da eigentlich noch Menschen, die irgendwann einmal eine Redaktion von innen gesehen haben? Oder ist das inzwischen ein Biotop für Kommunikationsverweigerer mit PR-Abschluss und Angst vor echten Inhalten? Oder Juristen, die mit einer Antwort vor allem eines verhindern wollen: Relevanz?
Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass gute Pressearbeit nicht mehr als Brücke zwischen Öffentlichkeit und Institution gedacht wird – sondern als Bollwerk gegen alles, was von draußen kommt. Das ist nicht nur armselig, es ist gefährlich. Denn es zerstört Vertrauen, wo Kommunikation Vertrauen schaffen sollte. Und es nährt Verschwörungserzählungen, wo doch eigentlich Transparenz angebracht wäre.
Nur wer kommuniziert, kann die Diskussion beeinflussen.
Dabei ist die Sache so einfach: Wer nichts zu verbergen hat, kann auch antworten. Und wer antwortet, kann auch beeinflussen, wie berichtet wird. Wer sich aber verweigert, der überlässt das Bild anderen – und darf sich später nicht wundern, wenn es verzerrt aussieht. Was sich vor allem in der Krise böse rächen kann und oft auch wird.
Pressearbeit ist kein Selbstzweck. Sie ist Teil der demokratischen Öffentlichkeit. Und das sollte man wissen, wenn man in einer Pressestelle sitzt. Oder besser: wenn man da arbeitet. Sitzen können schließlich auch Steine.
