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Auf den Kanzler kommt es an

Die Ministerriege von CDU und CSU ist nicht prächtig, aber kann sich sehen lassen. Ob die SPD da mithalten wird? Entscheidend ist allerdings, ob Merz die Politikwende mit ihr oder gegen sie gelingt, und dass er Europa auch ohne USA verteidigungsfähig macht.

Nach dem farblosen schwarz- und mehr roten Koalitionsvertrag war man im Berliner Politik- und Medienbetrieb gespannt, wen der CDU-Vorsitzende und in wenigen Tagen Kanzler als seine Ministerinnen und Minister und die der CSU präsentieren würde. Denn mehr als auf die vielen Spiegelstriche auf geduldigem Papier kommt es auf die Personen an, die die neue, hoffentlich andere, bessere Politik um- und durchsetzen sollen. Einige Überraschungen sind dabei, allerdings keine wirklich überraschenden und wenige sofort überzeugenden Persönlichkeiten.

Kanzleramtschef und damit nach Friedrich Merz und neben dem künftigen SPD-Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil wichtigster Mann im Kabinett wird Thorsten Frei, bisher schon als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion sein engster Berater und Unterstützer. Seine Aufgabe wird es sein, die Regierungsgeschäfte zu koordinieren, politische Entscheidungen vorzubereiten, die Fäden zu den anderen europäischen Regierungen und auch international zu halten, und dafür zu sorgen, dass nicht wie in der unseligen Ampelregierung ständig die Ressorts und deren Chefs querschießen.

Merz‘ rechte Hand – in jeder Hinsicht

Frei bekommt Ministerrang, ist damit den anderen Ministern gleichgestellt. In Wahrheit jedoch als rechte Hand von Merz ihnen vorgesetzt. Die SPD-Minister werden das hoffentlich noch lernen müssen, aber auch die der CSU und der CDU. Denn die Merz-Regierung wird nur funktionieren und die ohnehin geringen Erwartungen an sie erfüllen können, wenn sie anders als von Scholz mit starker Hand geführt wird. Nicht wie der rot-grün-gelbe Hühnerhaufen.

Der baden-württembergische Jurist hat einen eigenen politischen Kopf. Das hat er z.B. bewiesen, als er die Abschaffung des Individualrechts auf Asyl foderte. Er wird sich nicht darauf beschränken, Erfüllungsgehilfe von Merz zu sein wie etwa Steinmeier bei Schröder. Aber auch kein Bollerkopp wie Schröders erster Kanzleramtschef Bodo Hombach. Von Frei jedenfalls wird viel abhängen.

Außenminister wird der Schleswig-Holsteiner Johann Wadephul, als erster Unionspolitker seit 1966. Allerdings hat das Amt, wie man bei Baerbock und ihren Vorgängern sehen konnte, anders als mit Willy Brandt, Walter Scheel oder Joschka Fischer, keine herausgebobene Bedeutung mehr. Die Außen-, Sicherheits- und Europapolitik wird im Wesentlichen vom Kanzler gemacht. Zumal nun bei ihm auch der neue Bundesicherheitsrat angesiedelt wird.

Deshalb ist es gut, dass das Auswärtige Amt in die selben Parteihand kommt und es keine Ressort- und Parteireibereien mehr gibt. Aber auch von seiner ruhigen Art her wird Wadephul gar nicht erst wie Baerbock versuchen, sich ständig gegen den Kanzler in Stellung zu bringen und aus egoistischen und parteitaktischen Gründen ihr eigenes feministisches Süppchen zu kochen.

Die CDU steuert die Außen- und Sicherheitspolitik

Merz wird es zusammen mit Wadephul obliegen, angesichts der Bedrohungen durch Putin-Russland und auch Trump nach den verlorenen Scholz-Jahren Deutschland endlich wieder außen- und verteidigungspolitisches Gewicht zu geben und als Führungsmacht in Europa neben und mit Frankreich, Großbritannien und Polen die Ukraine in ihrem Abwehrkampf eigenständig zu unterstützen, wenn die USA ausfallen. Als Bollwerk gegen einen Angriff Putins auf die baltischen oder andere Nato-Staaten. Und damit einen ganz großen Krieg. Das beherrschende Thema.

Der neue Außenminister hat sich da klar postioniert. Als Fachpolitiker in der Fraktion bringt er genügend Erfahrungen mit, und er hat in den vergangenen Wochen schon Kontakte zu den wichtigsten Partner und Verbündeten geknüpft. Auch mit seinem US-Kollegen Rubio muss und wird er klarkommen.

Eine Jüdin im Kabinett

Ein Glanzpunkt in der Regierung kann Bildungs- und Familienministerin Karin Prien werden, nebenbei eine Jüdin im Kabinett. Als Kieler Bildungsministerin hat sie gezeigt, dass sie mehr kann als Schulen bloß verwalten, und sich gleichzeitig bundesweit mit liberalen Ansichten zu Wort gemeldet, auch gegen Merz. Bildung betrachtet sie als Gesellschaftspolitik. Deshalb passt es, dass das Ressort, auch wenn der Bund da wenig zu sagen hat, mit Familie, Frauen, Jugend und Senioren kombiniert wird. Sie wird das Alles hoffentlich vom identitär-queeren grün-roten Gedöns befreien. Schlechter als die vorher zuständigen FDP-und Grünen-Ministerinnen kann sie auf keinen Fall sein.

Das um Klimaschutz abgespeckte, im Wesentlichen auf die wichtige Ernergiepolitik reduzierte Wirtschaftsressort übernimmt als einzige Frau aus dem Osten Katherina Reiche. Sie hat als frühere Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin sowohl politische als auch wie Merz Erfahrungen in der Wirtschaft. Anders als ihr Vorgänger Habeck. Das kann, muss aber kein Vorteil sein. Ohnehin hat das Ressort keine große Bedeutung, weshalb es der eigentlich dafür prädestinierte Karsten Linnemann ablehnte.

Das neue Digitalministerium bekommt der Chef der Elektrohandelskette Ceconomy (Saturn/Mediamarkt) Karsten Wildberger. Ob das als Qualifikation reicht, um Deutschland auf diesem wichtigen Feld endlich anschlussfähig zu machen, wird man sehen. Merz‘ Vor-Vor-Vorgänger Schröder hatte mir der geplanten Berufung des Unternehmers Stollmann keine glückliche Hand.

Weniger Gedöns, strikte Migrationspolitik

Für Nina Warken als Gesundheitsministerin spricht, wie die FAZ schreibt, eher der Proporz nach Geschlechtern und Landesverbänden als ihre fachliche Prägung. Ähnliches gilt für Verkehrsminister Patrick Schnieder. Auf Fachkompetenz, gar das Geschlecht, kommt es allerdings ohnehin nicht an, anders als viele glauben. Sondern darauf, ob die Ministerinnen und Minister sich schnell in ihr Fachgebiet einarbeiten, sich gute Berater und Führungsleute holen und politische Ideen haben und verwirklichen. Und natürlich hängt es vom Geld ab, das sie zur Verfügung haben oder sich holen, mit genügend Rückendeckung beim Kanzler, Finanzminister, ihrer Fraktion und im Parlament.

Für die CSU, die ihre Ressorts wie die SPD selbst besetzt, wird Innenminister Alexander Dobrindt der entscheidende starke Mann. Seine Aufgabe ist es, die von Merz, Söder und ihm angekündigte Migrationswende gegen Widerstände der SPD und europäischer Partner durchzuboxen. Nur wenn die neue Regierung hier rasch Erfolge vorweisen kann, wird sie die AfD eindämmen können. Neben der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, für die außer Merz auch Boris Pistorius weiter Verantwortung tragen wird, und der Stärkung der Wirtschaft incl. einer vernünftigeren und günstigeren Energieversorgung, ist die Migration das wichtigste Feld der kommenden Jahre.

Um Forschung, Technologie und Söders Steckenpferd Raumfahrt darf sich das Postergirl der CSU Dorothee Bär kümmern. Viel falsch machen kann sie da wahrscheinlich nicht. Landwirtschafsminister wird nach dem Vegetarier Cem Özdemir von den Grünen Metzgermeister Günther Felßner, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands. Der wird wohl wieder wie früher Bauernpolitik für die Bauern machen – Agrarwende rückwärts. Doch die wichtigen Entscheidungen werden da ohnehin in Brüssel getroffen.

Wohl bekommt’s.

Wer Quoten liebt: 4 Frauen und 6 Männer auf Unionsseite – fast Parität. Eine aus dem Osten – ein bisschen wenig. Migrant/in, trans: keine/r. Aber wie geschrieben: nicht wichtig.

Ach ja: Dass Merz Jens Spahn zu seinem Nachfolger als Fraktionschef machen will, ist ein kluger, geschickter Schachzug. Denn der wird genug damit zu tun haben, Mehrheiten für seinen Chef zu organisieren, Widerstrebende einzunorden und sich mit der AfD als stärkster Oppositionsfraktion herumzuplagen, die er „normal“ behandeln will, statt dem Kanzler in die Suppe zu spucken und sich als (noch) konservativerer Wunsch-Nachfolger aufzubauen. Frag nach bei Mützenich.

Ludwig Greven war langjähriger Beobachter des Bonner und Berliner Politikbetriebs. Er hat viele Minister kommen und gehen sehen. Nur wenige markante sind ihm in Erinnerung. Wie wahrscheinlcih auch den meisten Bürgern.

 

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