Der BILD entnehme ich, dass die Rot-Schwarze Koalition „das Lügen verbieten“ wolle. Viel Glück damit, möchte man den Koalitionären zurufen. Verwunderlich ist allerdings die Empörung in manchen Kreisen. Mir war nicht klar, wie heilig manchen Leuten das Lügen ist. Dabei sind es oft dieselben Leute, die meinen, Deutschland müsse ein christliches Land bleiben; was ja hieße, dass hier auch das Achte Gebot gilt, Meinungsfreiheit hin oder her.
Denn um die Meinungsfreiheit geht es ja den Empörten. Wie weit geht sie? Darf ich behaupten, dass Friedrich Merz mit seinem Schuldenprogramm sein Wort gebrochen habe? Ja. Das ist nachweisbar. Darf ich sagen, Merz habe damit seine Wähler bewusst getäuscht? Ja. Das ist eine Meinungsäußerung, eine Bewertung seiner Motive, auch wenn Merz selbst geglaubt haben mag, sein Politikwechsel sei allein den veränderten Verhältnissen geschuldet, in denen er Politik treiben muss.
Darf ich behaupten, Merz sei schon bei seinem früheren Arbeitgeber Blackrock durch Lügen und Täuschereien aufgefallen? Nein. Es sei denn, ich könnte das beweisen. Darf ich behaupten, Merz habe bei Blackrock das Täuschen und Lügen gelernt, das gehöre schließlich zum Geschäft von Investmentmanagern? Ja. Das ist eine Meinungsäußerung, und ich darf eine schlechte Meinung von Leuten haben, die mit dem Geld anderer Leute umgehen, ob das Banker oder Politiker sind.
Das ist Stand der Dinge im deutschen Presse- und Persönlichkeitsrecht, wie jeder Journalist weiß.
Deshalb verwundert es, wenn sich ausgerechnet Journalisten über das Medienpapier der Schwarz-Roten Koalitionäre aufregen. Dort steht laut BILD: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.“ Stimmt. Ich darf zwar öffentlich behaupten, dass die Erde eine Scheibe oder zusammen mit dem gesamten Universum in sechs Tagen von einem übersinnlichen Wesen mit einer Abneigung gegen das Lügen – siehe oben – geschaffen wurde; das ist mein gutes Recht, weil ich eben daran glaube. Ich darf aber nicht, wie es der amerikanischer Richter Oliver Wendell Holmes schon 1919 formulierte, in einem vollen Theater „Feuer!“ rufen, wenn ich weiß, dass es nicht brennt.
Deshalb, so das Koalitionspapier, „muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.“ Es geht hier offensichtlich um die sogenannten sozialen Medien, wo Verleumdung und Verächtlichmachung ebenso allgegenwärtig sind wie das Verbreiten von Fake News und Gerüchten.
Dabei machen sich manche Leute schon jetzt strafbar, ohne es zu wissen. Bei Medienhäusern haftet der presserechtlich verantwortliche Redakteur beziehungsweise der Verlag für den Inhalt. Außerdem haben sie Rechtsabteilungen oder doch Anwälte. Diese Instanzen fehlen bei den sozialen Medien und ihren Nutzern, darunter Influencer, die viel mehr Menschen erreichen als die meisten ausgebildeten Journalisten.
Als ich in einer anderen Ära – vor 20 Jahren – Chef des „Forums“ bei der WELT war und wir eine eigene Redakteurin für die Leserbriefe hatten, rief sie vor jedem Abdruck eines Leserbriefs beim Absender an, um festzustellen, ob er wirklich existierte. Da galt nicht nur bei uns der Grundsatz: „Anonym = Papierkorb“. Heute ist derjenige der Dumme, der seinen Online-Kommentar mit Klarnamen zeichnet.
Ist das ein zivilisatorischer Fortschritt? Nein.
Man merkt das Fehlen solcher Kontroll- und Mäßigungsinstanzen auf den sozialen Medien schon am Tonfall, angefangen beim Präsidenten der USA und seinem Team bis hinunter zu jenem mit Internet-Burka, sprich Alias, versehenen Internetkrieger, der mich auf X beschimpft, eben weil ich den Ton des Präsidenten kritisiere. Ist diese Art von „Meinungsfreiheit“, die von Millionen Bots und Trolls aus Russland und China systematisch ausgenutzt wird, um das Vertrauen in die westliche Demokratie – also den Garanten der Freiheit – zu untergraben, ein zivilisatorischer Fortschritt? Nein.
Ob und wie es möglich ist, den Ungeist der Verleumdung, Beleidigung, Lüge und Hetze wieder zurück in die Flasche zu bekommen, aus der ihn die asozialen Medien geholt haben, weiß ich nicht. Aber ich bin dagegen, schon den Versuch als verwerflich zu verteufeln.
To: Alan Posener
Meine zwei verspäteten Anmerkungen zum Text.
1. Ein guter Text, weil er den Begriff der Lüge in einen presserechtlichen oder äußerungsrechtlichen Rahmen einordnet und bewertet.
2. Ohne den erwähnten BILD-Beitrag gelesen zu haben, darf und sollte man allerdings die bislang veröffentlichten Passagen des Medienpapiers der Schwarz-Roten Koalitionäre kritisieren.
Das folgende Zitat aus dem betr. Papier verdeutlich einige Probleme, die nicht nur ich damit habe:
„Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.“
Denn was genau bedeutet beispielsweise eine „staatsferne Medienaufsicht“? Wer legt diese (Mitglieder, Satzung o. ä.), wie genau fest?
BTW: Man ist geneigt zu fragen: Wie kann überhaupt eine Medienaufsicht zugleich staatsfern und legitimiert sein?
Gut, ist halt eine Angelegenheit, die sich irgendwie auf der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsebene regeln lässt, könnte man sich leicht denken. Und die wird dann vermutlich so staatsfern sein, wie es die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten aktuell sind, oder…?
Für mich als Nicht-Juristen gibt es das viel größere Problem mit den Begriffen „Hass“ und „Hetze“. Wer legt fest, was das jeweils ist? M. E. können das letztlich nur Gerichte beurteilen, denn ansonsten würde es nicht zu solchen Sätzen aus dem Urteile eines obersten deutschen Gerichts wie folgt kommen:
„Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften müssen die zuständigen Gerichte die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 ; 85, 1, ; stRspr). Die Zivilgerichte verstehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung voraussetzt (vgl. BGHZ 45, 296 ; 50, 133 ; 73, 120 ). In Fällen der vorliegenden Art ist eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits vorzunehmen. Im Zuge der Abwägung sind die grundrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen.“, s. Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98)
Und so etwas soll eine „staatsferne Medienaufsicht“ beurteilen?
Lieber Armin Bollmann, Sie stellen die richtigen Fragen. Ich behaupte nicht, eine Antwort darauf zu haben. Aber: Wir haben zum Beispiel eine staatsferne Geldmengenaufsicht in Gestalt der Zentralbanken. Wir hatten bis vor einigen Jahren eine staatsferne Aufsicht des internationalen Handelns in Gestalt der WTO. Wir haben die Monopolkommission und die Netzgesellschaft, wir haben die Selbstregelung und Aufsicht durch Ärzte-, Industrie- und Handwerkskammern, kurzum viele Aspekte unseres täglichen Lebens werden von mehr oder weniger staatsfernen Agenturen geregelt, deren Legitimität gerade aus der Tatsache stammt, dass sie nicht politisiert sind. Diese, wenn man so will, Selbstentmachtung des Souveräns ist ein wichtiges Kennzeichen des liberalen Staats, das ihn vom totalitären Staat unterscheidet, der alles gleichschaltet und dem angeblichen Souverän – in Wahrheit der Partei, die sich zum Vertreter des Souveräns erklärt – unterstellt.
Ich denke, eine staatsferne Medienaufsicht für die „sozialen“ Medien ist wünschenswert und machbar. Über die Ausgestaltung wäre natürlich zu streiten. Übrigens gibt es heute einen Presserat, der allerdings ohne Exekutivbefugnisse eine Art Selbstregelung der herkömmlichen Medien betreibt.
Letztlich aber, da haben Sie Recht, müssen Gerichte über Hass und Hetze entscheiden, und das tun sie auch heute täglich. Nur: da geht es darum, dass Hass und Hetze – oder Falschbehauptungen und Persönlichkeitsverletzungen – von den Medien – etwa den Boulevardmedien – ausgehen. Was ist aber, wenn Horst S. und Mustafa K. über bereitgestellte Plattformen Hass und Hetze betreiben, Shitstorms organisieren usw.? Wer haftet dafür? Wer unterbindet das ggf.?
Geben Sie bei einer Plattform wie X das Stichwort #Israel ein. Da ploppen als erste Stichworte zum Übernehmen auf: „IsraelTerroristState“, und „IsraelEnemyOfHumanity“; ja, das sind legitime Meinungen, kann man sagen, aber muss das wirklich sein? Hat unsere Meinungsfreiheit in Deutschland wirklich gewonnen, wenn Millionen Menschen lesen können, der jüdische Staat sei der Feind der Menschheit? Mir fällt es schwer, das einzusehen.
Lieber Alan Posener,
Ihre Antwort hat mich zum Nachdenken darüber angeregt, was wir allein in Deutschland für eine Vielfalt und Menge staatsferner Aufsichtsinstitutionen haben.
Beim Thema Medienaufsicht und staatsfern klingeln deshalb mehr oder weniger laut die Alarmglocken, weil die aktuelle Entwicklung des ÖRR und einiger MSM zeigt, wie wirkmächtig inzwischen bestimmte Narrative sind. Und natürlich stimmt das Beispiel mit X und dem Stichwort #Israel. Das Thema Israel ist in Deutschland ohnehin brisant und nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 ist es noch brisanter. Selbst unsere (Noch-)Außenministerin bewegt sich hier auf sehr dünnem Eis.
Ich habe mich, als erfahrener Internetnutzer, erstmals vor ziemlich genau einem Jahr bei einem sozialen Medium wie X, und das übrigens bewusst mit Pseudonym aber realem Bild von mir und einigen konkreten Personenangaben, angemeldet und gleich in den ersten Wochen (nach dem ersten Attentat in Mannheim iirc) einen offensichtlich islamistischen Beitrag gemeldet, der kurze Zeit später auch gesperrt wurde. Kurz vorher hatte ich auf X bewusst experimentiert, indem ich mehrmals in ziemlich engagierten Diskussionen dem Mitdiskutanten nach Anwürfen mir ggü. letztlich ein „Geh sterben!“ antwortete. Beim zweiten oder dritten Mal wurde ich deswegen nach einiger Zeit von X gesperrt und aufgefordert, meinen betr. Beitrag zu löschen, was ich auch tat. Warum erwähne ich das?
Ich wollte testen, ob das provokante „Geh sterben!“ nach einem möglichen Melden zur Sperrung führt, und tatsächlich, dem war so. Anschließend recherchierte ich und stellte fest, dass (ausgerechnet!) die Antonio Amadeu Stiftung eine Schrift mit dem Titel „Geh sterben! – Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet“ herausgegeben hatte. Danach war mir klar, dass wir auch bei ziemlich eindeutigen Aufforderungen wie dem besagten „Geh sterben!“ bereits eine Diskursverschiebung haben.
Klar, für die Plattform-Betreiber ist es bei der Menge an Kommentaren und Beschwerden im Einzelfall einfacher, Beiträge zu sperren als sich auf semantische Diskussionen etc. mit den Verfassern einzulassen.
Hier ein ziemlich alter Beitrag auf SZ-Online.de zum Thema Nutzerkommentare, der die Probleme zum Thema imho gut beschreibt:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/meinung-im-internet-vom-elend-der-nutzerkommentare-1.1147168
Danke für den Erfahrungsbericht. Er bestätigt aber – oder lese ich Sie falsch? -, dass eine zugleich staats- wie plattformferne Instanz zur Moderierung von X und Co. nicht schlecht wäre. Dass „Correctiv“ und andere NGOs daraus ein Geschäftsmodell gemacht haben, mag nachträglich kritisierenswert erscheinen, schien aber im Zeitalter des Outsourcing vielleicht eine gute Idee zu sein. Wichtig ist: die entsprechende Agentur muss transparent arbeiten, erreichbar sein, ihre Entscheidungen muss man anfechten können, und sie muss dem Parlament rechenschaftspflichtig sein. Jedenfalls denke ich mir das so. Noch einmal: Ich habe keine endgültige Antwort auf das Problem, mein Beitrag wendet sich nur gegen die demagogische Vorverurteilung des Lösungsversuchs.
Apropos April.
Doch, die Aprilscherze gehen noch:
https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2025/afd-abgeordnete-duerfen-im-bundestag-keine-reden-mehr-halten/
Fand ich super: Ein als ‚rechts‘, ‚AfD-Nah‘ und was sonst in den einschlägigen Kreisen noch als iiihhh baaaahh pfuiii – Zuweisung gilt, gebrandmarktes Magazin nimmt die eigene Leserschaft hoch. Sympathisch. Ich glaube das schafft sonst bisweilen nur die TAZ. Ansonsten in dieser Republik niemand mehr.
Ja, das ist ziemlich gelungen. Aber man muss auch die völlig humorfreien Kommentare lesen, um zu begreifen, wie es bei vielen AfD-Sympathisanten tickt.
..ich weiß das, AP. Glauben Sie’s mir.
Ja, ich bin grundsätzlich für eine stärkere Regulierung der Desinformation. Aber es braucht auch mehr Klarheit darüber, wie „bewusste Lüge“ überhaupt definiert wird, wer das feststellt und anhand welcher Kriterien. Ohne transparente, unabhängige Instanzen droht evtl. politische Instrumentalisierung. Auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe bleibt offen: Muss der Staat alles regulieren, oder wären (verpflichtende) dezentrale, technologische und medienpädagogische Ansätze in manchen Fällen nicht sinnvoller?
Hinzu kommt die AI. Sie ist beeindruckend, aber auch extrem beängstigend. Die kann nicht nur Desinformation erstellen und verbreiten (z. B. durch Deepfakes, Botnetzwerke, Falschmeldungen), sondern auch für andere gefährliche Zwecke missbraucht werden, etwa für Massenüberwachung, automatisierte Repression, psychologische Kriegsführung, biometrische Zielverfolgung etc (ich weiß, wovon ich spreche, ich leite gerade wieder ein AI-Safety-Trainingsprojekt für die deutschsprachigen Länder, für ein großes Sprachmodell). Staaten und autoritäre Akteure setzen diese Technologien bereits ein. Und Musk sitzt nicht wegen Tesla, sonden u.a. wegen Grok und Starlink in der Regierung.
Richtig. Gute Fragen. Die „bewusste Lüge“ ist nicht das Leugnen der Evolutionstheorie oder des Klimawandels oder des Holocausts, OK? Schon jetzt nicht. Sondern „das Rufen von ‚Feuer!“ in einem vollen Theater“, wie es Oliver Wendell Holmes formulierte.
Die Creme de la Creme der Wissenschaftsexperten, 106 Bischöfe, versammelten sich zwischen dem 5. und 31. Oktober 649 in Rom. Im so genannten Lateran, dem Papstsitz im römischen Stadtteil Monti fanden sie EINSTIMMIG heraus, dass Maria eine Jungfrau war, als sie Jesus empfing und gebar. Mit ÜBERWÄLTIGENDER Mehrheit fanden die Experten auch heraus, dass Maria danach Jungfrau blieb. Drei Bischöfe in Anatolien wurden aus dem Verein ausgeschlossen, weil sie das leugneten.
Schon Martin Luther wies darauf hin, dass die Jungfrauengeburts-Leugner, ähnlich wie die Klimaleugner oder die Corona-Leugner, alle einen an der Waffel und von Wissenschaft keine Ahnung haben.
Und das hat genau womit zu tun?
Übrigens hat schon Josef Ratzinger festgestellt, dass die immerwährende Jungfrauschaft Mariens eine ontologische, keine biologische Wahrheit ist. Leute aus der DDR verwechseln ständig ontologische und wissenschaftliche Aussagen, wie denn auch Nikita Chruschtschow spottete, Sputnik sei keinen Engeln begegnet – als hätte das irgendein Christ erwartet.
Lieber Alan Posener,
die „Leugnung des Klimawandels“ betrifft ebensowenig wissenschaftlich überprüfbare Tatsachen wie die Leugnung jungfräulicher Geburten.
Zum Ersten ist Klima ein Begriff für das Durchschnittswetter über Jahrtausende. Die Regentropfen im Jahres-Niederschlag in Markranstädt in 2.000 Jahren können Sie aber ebensowenig zählen wie die Anzahl der Engel im Himmel.
Zum Zweiten werden als „Leugner des Klimawandels“ in der Regel Menschen bezeichnet, die bezweifeln, dass der Mensch auf Trocken- und Regenzeiten, auf Warm- und Kaltzeiten in dem Ablauf von Jahrzehntausenden irgendeinen Einfluss hat.
Einen Einfluß hat der Mensch sicher auf die Vergrünung oder Versteppung einer Landschaft. Das ist allerdings nicht unbedingt Klima.
Nein, lieber Bodo Walther. Die Erwärmung der Erde ist eine Tatsache und wissenschaftlich durch zig Studien belegt. Auch der Treibhauseffekt ist wissenschaftlich nachgewiesen und damit die Tatsache, dass es einen menschengemachten Anteil an dieser Erwärmung geben muss. Was nicht belegt ist, und das ist sehr wichtig: Welcher Anteil ist natürlich, welcher ist menschengemacht? Und: wie lange hält die natürliche Erwärmung an? Es gibt auch weitere Unsicherheiten hinsichtlich Tempo, Rückkopplungseffekte, Auswirkungen auf das Wetter regional, Auswirkungen auf die Wirtschaft. Es gibt weitere Unklarheiten hinsichtlich der Effektivität und der Kosten-Nutzen-Analyse verschiedener Mittel zum Schutz der Menschen vor dem Klimawandel und/oder ihren Folgen. Kurzum, es gibt viele Unklarheiten, und das kommt daher, dass wir es mit einem völlig anderen Gebiet zu tun als der religiösen Dogmatik, nämlich mit der Naturwissenschaft. Ihr Versuch, das miteinander zu vermengen, ist so demagogisch wie schlicht uninformiert. Ein Buch, das den ungeklärten Stand der Wissenschaft schildert, ist „Unsettled“ von Steven Koonin. Unterhalb dieses wissenschaftlichen Standards lohnt sich eine Diskussion nicht: https://energyregulationquarterly.ca/book-reviews/review-of-steven-koonins-unsettled1#sthash.lv0GH3uR.dpbs
Lieber Herr Walther, Sie behaupten:
1. „Die „Leugnung des Klimawandels“ betrifft ebensowenig wissenschaftlich überprüfbare Tatsachen wie die Leugnung jungfräulicher Geburten.“
Das stimmt nicht. Die Erwärmung der Erde seit dem Ende der „Kleinen Eiszeit“ und die Beschleunigung dieser Erwärmung sind, anders als die jungfräuliche Geburt Jesu wissenschaftlich gemessene Tatsachen.
2. „Zum Ersten ist Klima ein Begriff für das Durchschnittswetter über Jahrtausende. Die Regentropfen im Jahres-Niederschlag in Markranstädt in 2.000 Jahren können Sie aber ebensowenig zählen wie die Anzahl der Engel im Himmel.“
Ich bin sicher, dass man die Regentropfen pro Quadratmeter mithilfe von Computern schätzen könnte. Aber wie Sie sagen, darum geht es nicht, sondern um den Durchschnitt von Niederschlägen, Temperaturen usw. über Jahrtausende, Jahrhunderte und Jahrzehnte. All das ist rekonstruierbar, wenn auch nicht vollständig.
3. „Zum Zweiten werden als „Leugner des Klimawandels“ in der Regel Menschen bezeichnet, die bezweifeln, dass der Mensch auf Trocken- und Regenzeiten, auf Warm- und Kaltzeiten in dem Ablauf von Jahrzehntausenden irgendeinen Einfluss hat.“
Keineswegs. Ich persönlich finde den Begriff unschön, aus verschiedenen Gründen. Aber einen menschengemachten Klimawandel kann es erst geben, sei der Mensch in nennenswertem Umfang Treibhausgase in die Atmosphäre stößt, also seit der industriellen Revolution, die vor etwa 200 Jahren anfing. Die Frage ist: welchen Anteil hat der Mensch an der gegenwärtig festzustellenden Erderwärmung? Und der ist nicht klar. Es gibt weitere Fragen, die abgeleitet von dieser Unklarheit vor allem die Kosten-Nutzen-Rechnung gegenwärtiger Klimapolitik betreffen. Eine gute Übersicht über den Stand der Wissenschaft und vor allem unserer Unsicherheit gibt Steve Koonin: https://energyregulationquarterly.ca/book-reviews/review-of-steven-koonins-unsettled1#sthash.lv0GH3uR.dpbs
Unterhalb dieser wissenschaftlichen Ebene halte ich jede Diskussion für sinnlos, ob mit Klimaschützern oder deren Gegnern.
Studien, Computersimulationen und Schriften, auch Heilige Schriften, sind manchmal einfach nur zum Recht haben gut, lieber Alan Posener:
https://starke-meinungen.de/blog/2025/03/31/1984-als-ich-unter-die-bibelforscher-ging/
@Bodo Walther
Damit haben Sie völlig Recht und der Sammlung für die Ursachen für den teilweise entgleisten Ton in den Sozialen Medien einen exemplarischen Punkt hinzugefügt:
„Zum Zweiten werden als „Leugner des Klimawandels“ in der Regel Menschen bezeichnet, die bezweifeln, dass der Mensch auf Trocken- und Regenzeiten, auf Warm- und Kaltzeiten in dem Ablauf von Jahrzehntausenden irgendeinen Einfluss hat.“
Geologen können aufgrund der Bohrkerne für große Zeiträume wissen, wie das Klimasystem auf Störgrößen wie z.B. Eintrag von fossilem Kohlenstoff als CO2 reagiert. Die Computermodelle der Klimatologen können aber die Vorgänge in der Atmosphäre deswegen nur mit mit der Zeit schnell wachsender Fehlerspannbreite vorhersagen, weil sich die Ausgangsbedingungen der Berechnungen ständig verändern. Es gleicht im Prinzip durchaus der Vorhersage von Börsenkursen. Das wäre alles nicht so ein Aufreger, wenn nicht national, wie international Ansprüche, Entschädingungszahlungen usw. im politischen Raum (‚Klimagerechtigkeit‘) daraus abgeleitet würden. Hier liegt das Konfliktpotential: Da wo Geld zu holen ist, wird dramatisiert, skandalisiert usw. Unter kräftiger Mithilfe von Wissenschaftsaktivisten (ein Widerspruch in sich), der der Glaubwürdigkeit von Aussagen aus der Naturwissenschaften nicht gerade genützt haben.
Auch ist anzumerken, gerade weil dieser Punkt von Nichtnaturwissenschaftlern selten verstanden wird: Dass es eine gravierenden erkenntnistheoretischen Unterschied zwischen exakten und empirischen Naturwissenschaften gibt: Z.b. können große Teile der Physik als exakt gelten, weil sie Experimente mathematisch fasst bzw. beschreibt. Z.B. die Newton’schen Bewegungsgleichungen (das mit dem fallenden Apfel). Da liegen die Ausgangsbedingungen fest (Fallhöhe, Luftwiderstand, Massen bzw. Gravitationskonstante). Einstein hat das sozusagen für das Weltall erweitert und mit seiner ‚Relativitäts‘-Theorie bleibt auch da alles exakt. In meinem (ehemaligen) Bereich oder der Klimaforschung (Atmosphärenphysik) ist erstmal gar nichts exakt, da wird erstmal gemessen, dann der Messfehler statistisch gefasst, dann eine Theorie aufgestellt, mathematisch modelliert (meist was mit Exponentialfunktionen über Differentialgleichungen) und dann geguckt, ob das irgendwie passt. Mit Computern lassen sich diese Berechnungen x-fach wiederholen und die Ergebnisse jeweils neu in die Berechnungen einbringen (interaktives Verfahren). Früher freuten sich Forscher über die kritische Kenntnisnahme dieser Arbeitshypothesen und man schraubte gemeinsam an den Differentialgleichungen. Heute wird das sofort als neue ‚Wahrheit‘ in die Welt trompetet (citation index, Karriere, Karriere..) und da haben Sie vollkommen Recht wenn Sie da religösen Wahn vermuten. Da wird geglaubt weil es der Karriere oder den ableitbaren Ansprüchen dient.
Das in den Medien darzustellen wäre eine Aufgabe von Leuten, die das wissen, wie z.B. Harald Lesch, die das aber nicht tun. Nebenbei: Ich habe kurz nach der Wende einiges in Leipzig, Dresden und Berlin zu tun gehabt und ich habe dabei Forscher aus der Ex-DDR kennengelernt, die i.d.R. den detailverliebten West-Kollegen sprachlich, intellektuell und erkenntnistheoretisch um Größenordnungen überlegen waren und die man dennoch ‚abgesägt‘ hat und durch Denglisch sprechende West-Doktoranden ersetzt hat. Es gibt wohl nicht nur eine Siegerjustiz, sondern auch eine Siegerwissenschaft..
…err. „interaktives“ -> iteratives
Der Bürger als Nicht-Fachmann (er ist immer auch Nicht-Fachmann) kann nur vertrauen oder nicht vertrauen, auch der Wissenschaft. Der Bürger weiß wenig, prinzipiell. Dennoch entscheidet er (mit). Unter den gegebene Umständen (des Nicht-Wissens) kann er das, wenn seine Entscheidung kein bloßer Lottotip sein soll, nur unter moralischen Auspizien tun: Welche Entscheidung ist verantwortbar?
Die „unwissende“ Tatsachen-Entscheidung – ja, es gibt menschengemachten Klimawandel; nein, menschengemachten Klimawandel gibt es nicht – negiert die verantwortungsethische Diskussion. Mit welchem Ziel eigentlich? Die Frage stellt sich gleichermaßen an beide Seiten.
Lieber EJ, eine verantwortungsethische Diskussion müsste die Rolle von Wissenschaftlern beleuchten, die den vor einigen Jahrzehnten noch üblichen Berufsethos der Distanz zu Politik und Macht durch politischen Aktivismus ersetzt haben. Aus welchen Gründen auch immer.
Die Frage, welchen Einfluss der Mansch auf das über Jahrtausende währende Klima hat, wird nicht zwischen Ost- und Westwissenschaftlern diskutiert, lieber Klaus J. Nick. Also so stehen die Gegensätze nicht. Richtig, @Edmund Jestädt, muß es um die Frage gehen: Welche Handlung folgt für den Nicht-Experten daraus?
Von der Regierung wird empfohlen, auf das Verbrennen fossiler Rohstoffe zu verzichten und auf „erneuerbare Enerien“ zu setzen.
Aber jeder 10-Klassen-Schüler müßte eigentlich wissen, dass es „erneuerbare Energien“ gar nicht gibt. Energie kann „nur“ von einer Energieform in eine andere umgewandelt werden. Energieerhaltungssatz.
Sonnenenergie z.B. kann mit Hilfe von Pflanzen, auch Bäumen mittels Chlorophyll das aufgenommene CO2 in Kohlenstoffverbindungen „umwandeln“. In energiereiche Kost oder energiereiches Holz.
Sonnenenergie kann mit Hilfe von Photovoltaik – Anlagen in Elektrizität umgewandelt werden.
An einem Ort kann nur das eine oder das andere sein.
Richtig mag sein, dass nach Wegen zu suchen ist, Elektrizität aus anderen Quellen zu „erzeugen“ als aus dem Verbrennen von Kohle oder Öl oder Gas.
Aber die Hintergründe dafür sind nicht in der Sorge ums „Klima“ begründet. Klima setze ich mal in Anführungsstriche, ich würde „erst mal nur“ von Wetter sprechen.
Hier wissen wir wiederum nicht, welchen Einfluss ein riesiges Photovoltaik-Feld auf des Wetter hat. Oder ein Windpark auf den Windfluß.
@Alan Posener: Das Bild mit dem „Feuer!“ im vollen Theater trifft es gut. Wer dabei so frei ist, den Rauch der Irreführung für einen legitimen Beitrag zur Meinungsvielfalt zu halten, zündelt am Haus, das eigentlich sein Ort der Freiheit ist.
–
Diskussionen über theologische Wahrheiten, die Klimafrage, erkenntnistheoretische Grundsatzdebatten und persönliche Weltanschauungskämpfe mögen zwar interessant und unterhaltsam sein, beantworten jedoch nicht nicht die Frage, wie wir gezielter Desinformation, manipulativer Kommunikation und dem Missbrauch neuer technologischer Mittel begegnen, ohne dabei die offene Gesellschaft selbst zu beschädigen.
Genau darum geht es, lieber @Ben Frick, und alles andere sind Nebelkerzen – die man übrigens besser auch nicht in einem vollen Theater werfen sollte.
1) @Bodo Walther
Dass Ost- Forscher und West- Forscher beim Thema Klimawandel sich in konträren Lagern befinden würden, haben Sie gefolgert, ich aber nicht gesagt. Es ging mir um den Berufsethos in der Wissenschaft. Es geht beim Thema auch nicht nur das Thema Klimawandel und ‚die‘ Wissenschaft, das sind nur Beispiele. Offensichtlich ist es mir Ihnen und auch bei anderen hier nicht gelungen, meine etwas kompliziertere Sicht deutlich zu machen.
2) Überhaupt kann ich an die Politingenieure, die jetzt Angst vor den Sozialen Medien bekommen, weil sie das, was sie für die Mitte halten, schwinden sehen, nur appellieren, den ist-Zustand auch sauber und frei von politischen Vorlieben zu analysieren, statt „Meldestellen für Delikte unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ zu fordern.
Es ist ja richtig, dass wir alle ’nur‘ Schöffen. und Geschworene sind und ich finde das genau gut und richtig so, sonst verkommen wir zur Expertendiktatur, die sich ja schon allzuviele wünschen, weil ihnen die Religion abhanden gekommen ist und sie mit den Unsicherheiten des Lebens ohne sie anscheinend nicht zurecht kommen.
Für mich ist jeder suspekt, der seine Alternativlosigkeiten mit Schüren von Angst vor irgendetwas durchsetzen will, also der machiavellistische Manipulator. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal der Sozialen Medien, die im Übrigen soviel mehr beinhalten, wie z.B. Foren für Handwerk, Wissenschaft, Kunst, Haushalt usw. usf.
So kann auch der Paniker bezüglich ‚Hass & Hetze‘ schnell selber zum ‚Feuer‘-Rufer im vollen Kino werden.
Auch wenn das einige für wohlfeil halten mögen, das beste gegen entgleiste Diskurse ist immer noch der Ethos der Wahrhaftigkeit. Und zwar (wichtig!) jenseits von Agenden und Programmatik en nach dem Motto: Depolitisiert Euch!
..“Fakten und Meinungen“ .. davon spricht das Imperium Romanum und unser Staat? Der Staat und seine Experten scheidet also „Faktum“ von „Meinung“? Man muss nicht Jurist sein oder Erkenntnistheorie bemühen, um zu erkennen, dass die meisten „Fakten“ Arbeitshypothesen sind. Wer das nicht berücksichtigt, für den wird Staat und Wissenschaft ziemlich schnell Religion.
Lieber KJN, lassen Sie mal das Imperium Romanum weg. Das jetzige Presse- und Persönlichkeitsrecht unterscheidet zwischen Fakten und Meinungen. Ich habe ein paar Beispiele genannt. Es wäre hilfreich, wenn Sie sich damit auseinandersetzen würden. Das müssen die Richter in den zuständigen Kammern – etwa wenn Leute gegen die Berichterstattung bei BILD – täglich tun. Seien Sie froh, dass der Staat Ihre Persönlichkeit und Ehre schützt, so dass Sie nicht, wie Heinrich Bölls Katarina Blum, zur Selbsthilfe greifen müssen.
Lieber AP, der Persönlichkeitsschutz ist die eine Seite. Die andere ist, wem der Schutz gelten soll, dem privaten Individuum, den staatlichen Institutionen oder den Politikern (‚Majestätsbeleidigung‘, der Paragraf dazu ist bekanntlich recht neu). Das mag alles bis zu einem gewissen Grade seine Berechtigung haben. Und nach meinem Rechtsempfinden sollte es – besonders wenn Sie beispielsweise die literrarische Figur Katharina Blum anführen – um Schutz der Privatsphäre gehen. Und nicht um Lüge oder Wahrheit. Dass bei ‚Bild‘ diese Dinge provokativ verkürzt oder verdreht werden, ist nun nichts neues. Dass bei mir bei allen Gesetzesvorhaben unserer letzten Regierungen, die ‚Hass und Hetze‘ betreffen insbesondere aufgrund der Mitwirkung einschlägiger NGOs und Firmen (Campact, Correctiv) gewisse Bedenken gewachsen sind, ist ebenfalls nichts neues. Für mich war und ist es Ehrensache, unter Klarnamen zu posten, aber auch da hoffe ich, dass ich nicht irgendwann zur „Selbsthilfe“ greifen muss bzw. aufgrund irgendwelcher harmloser Witzchen morgentlichen polizeilichen Besuch bekomme. Oder weil ich nicht die richtige ‚Wahrheit‘ verkünde und z.B. irgendwas ‚leugne‘, was von anderer Stelle (NGOs? Correctiv?) so bewertet wird, als würde ich im Kino ‚Feuer, Feuer‘ rufen, um die öffentliche Ordnung zu stören. Es geht immer um das Maß der Dinge und da scheint mir doch einiges aus dem Ruder gelaufen zu sein.
..um bezüglich Ihrer Beispiele noch zu präzisieren: Die Lüge/Verleumdung ist auch jetzt schon justiziabel, wenn es einen Geschädigten gibt, der auch einen Schaden nachweisen kann. Über den Schaden befindet ein Gericht. In den USA wird die NGO Greenpeace zu einem Schadensersatz aufgrund von Protestaktionen verurteilt, der an einen Pipeline-Betreiber zu zahlen ist. ‚Rechtsstaat‘ von ‚rechts‘ sozusagen. Real. Ich bin gespannt, wann der erste Klima-, Corona-, usw.- ‚Leugner‘ verurteilt wird, weil er Klima-, Seuchenschutz usw. behindert hat. Der linke ‚Rechtsstaat‘ wird da nicht lange auf sich warten lassen. Wir bewegen uns da auf ganz dünnem Eis. Interpretationssache.
Lieber KJN, Greenpeace (ich war mal Mitglied) nimmt es seit jeher in Kauf, wegen ihrer Protestaktionen juristisch belangt zu werden. Freilich hat es der französische Staat 1985 bei der Versenkung von „Rainbow Warrior“ nicht bei juristischen Mitteln bewenden lassen. Also: auch der demokratische Staat wehrt sich gegen Proteste, und er wehrt sich nicht immer mit feinen Mitteln. Wer das nicht aushält, sollte Anarchist werden.
Die Vorstellung aber, dass es heute illiberaler zugehe als etwa zur Zeit der Anti-RAF-Kampagne, als mit Rasterfahndungen und dergleichen Millionen in den Bereich polizeilicher Maßnahmen gerieten und als Franz Josef Strauß im Notstandskabinett offen über das Erschießen von Geiseln nachdachte – diese Vorstellung ist nicht zutreffend. Wir bewegen uns immer „auf dünnem Eis“, und die Freiheit ist immer gefährdet. Zuweilen aber am meisten durch die Leute, die am lautesten nach Freiheit rufen.
Nochmal: Unsere jetzige Staatsgewalt delegiert die Entscheidung, was im Netz für Wahrheit gehalten und erlaubt werden soll, an NGOs und Firmen, die in überhaupt keiner Weise durch irgendetwas vom Souverän legitimiert wurden und dennoch vom Steuergeld aller finanziert werden und überdies i.d.R. steuerlich privilegiert werden. Das ist etwas anderes, als ein Staat, der sich gegen Terrorismus zur Wehr setzt oder robust gegen wild gewordene NGOs wie Greenpeace vorgeht. Da hat offensichtlich ein Marsch durch die Institutionen stattgefunden, der zu einem Staat im Staate außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle geführt hat und der soviel Macht bekommen hat, dass er sie in absehbarer Zeit ergreift. Weswegen J.D.Vance vollkommen Recht hat, wenn er sagt, dass in Deutschland sich die Politik gegen die Bürger, ich würde ergänzen, gegen die Demokratie gewandt hat. Die politische Klasse will sich und ihre NGO-Gehilfen vor dem Volk schützen. Das scheint die bittere Wahrheit zu sein.
Das ist Verschwörungstheorie, lieber KJN. Jahrzehnte hindurch gab es in der Bundesrepublik neben den öffentlich-rechtlichen Medien nur einige große Medienkonzerne (Springer, Bertelsmann, Bauer …), die alle recht eng mit der politischen Klasse verbandelt waren. Da brüllte niemand außer ein paar wildgewordenen Linken, die Politik wende sich gegen die Bürger. Seitdem hat sich durch die sozialen Medien eine neue Situation ergeben. Das Monopol der etablierten Medien, ob privat oder öffentlich-rechtlich, ist Geschichte. Gut so. Aber es ergeben sich mit den neuen Möglichkeiten neue Probleme: Desinformation und Diffamierung, Trolls und Bots aus totalitären und autoritären Staaten usw. usf. Ich denke, damit muss sich die Gesellschaft auseinandersetzen. Das hat mit der Frage gewählt / nicht gewählt wenig zu tun. Niemand hat Springer gewählt. Niemand hat Bertelsmann gewählt. Niemand hat Zuckerberg gewählt. Niemand hat Musk gewählt. Niemand hat die Richter gewählt, die über Verletzungen der Privatsphäre und des Presserechts urteilen. Die Frage ist, wie man eine vernünftige und akzeptierte Kontrolle der sozialen Medien zum Schutz der Demokratie hinbekommt, damit es möglichst wenige Fälle gibt, die vor dem Kadi landen. Oder meinen Sie ernsthaft, sie sei nicht nötig, alles regele sich von selbst? Ich bin auf Ihre Vorschläge gespannt.
Verschwörungstheorie? Lieber AP, wohl eher Verschwörungspraxis.. Nur ohne intelligentes Master Mind in einer Verschwörungsclique sondern wie eigentlich immer aus Bequemlichkeit, Opportunismus, Dazugehörenwollen und dem alles überragenden Wunsch, seinen Selbstwert mit etwas edler Gesinnung aufzupolieren. Und natürlich gegen Trump – sowieso.. Und Sie weichen aus: Redaktionen in Medien entscheiden darüber, was in ihrem Medium erscheint und nicht anmaßend über das, was andere verlautbaren. Im Idealfall prüfen sie die Plausibilität und zwar aus Eigeninteresse. Siehe z.B. die Illustrierte ‚Stern‘ mit ihren gefälschten Hitlertagebüchern und dem folgenden Umsatzeinbruch des Blattes. Und seitdem die politische Agenda der deutschen ÖRR -Anstalten viele ‚Moderator*innen‘ und Experten für alles zu oft so selbstgewiss wie schematisch plappern lassen, wird auch deren Seriösität zunehmend angezweifelt. Ja, gut so. Hier handelt es sich um einen Regelkreis: Mangelnde Qualität wird bestraft. Bei den staatlich eingesetzten und zwangsweise von uns allen finanziert werden sollenden Kontroll-NGOs, die jetzt ‚Hass & Hetze‘ (wer bestimmt was das sein soll?) eliminieren sollen, haben ihre eigene politische Agenda. Und da geht es um Macht, wie immer in der Politik, nur hier um nicht legitimierte. Das ist nicht Verschwörungstheorie, sondern klar. Warum wollen Sie das unklar machen? Ein Rechtsstaat macht das klar, was man darf und was nicht. ‚Hass & Hetze‘ ist – wahrscheinlich bewusst – schwammig und gefühlsselig formuliert und damit frei skalierbar und damit Anti-Rechtsstaatlich, Antidemokratisch und befördert eine totalitäres Regime. Erst wenn das klar ist, kann ich mich zu ‚Abhilfemaßnahmen gegen Falschinformationen‘ in sozialen Medien (zählt dazu eigentlich auch der Gartenzaun, über den ich mit meinen Nachbarn Verschwörungstheorien austausche?) äußern. Eine Arbeit für die es eigentlich hochbezahlte, aber offensichtlich weitestgehend inkompetente Leute gibt.
Lieber KJN, was Sie an Bequemlichkeit und Opportunismus schildern, gab’s schon immer und wird’s immer geben, das ist eine gruppenpsychologische Konstante und findet sich auf der Rechten und auf der Linken und natürlich erst recht in der Mitte. Das Problem, mit dem wir es heute zu tun haben, ist aber ein anderes: Es ist das Anwachsen von Hass und Hetze, von Falschmeldungen und Irreführung im Netz und anderswo, das Erstarken der radikalen Ränder über Desinformation und Propaganda, ob von radikalen islamischen Hasspredigern, radikalen Klimaaktivisten, radikalen linken Kapitalismusgegnern, radikalen rechten Gegnern der Einwanderung und der grünen Agenda oder wem auch immer. Gut, und natürlich hat die Kritik dieser Leute – immer! – einen richtigen Kern. Lesen Sie, was Hitler in „Mein Kampf“ über den Parteienstaat schreibt. Da ist vieles richtig. Und natürlich war vieles, was die Kommunisten damals über die Lage der Arbeiter schrieben, richtig. So auch heute. Der Punkt aber ist: Wenn die radikalen Ränder wachsen, ist es auch zu bequem, „die politische Klasse“ dafür verantwortlich zu machen. Wenn sie einen strengeren Kurs gegen Einwanderung und Islamismus verfolgt, werden die Islamisten und Linken rebellieren. Wenn sie die Auswüchse der Klimapolitik abstellt, wird die Letzte Generation zusammen mit der Grünen Jugend auf die Barrikaden gehen. Und so weiter. Will man Platz in der Mitte schaffen, muss man die politischen Ränder bekämpfen, auch und gerade die Verbreitungskanäle. Es ist schon irre, dass dies heute drei oder vier Netzwerke sind, die von US-Konzernen (und zwei oder drei, die von russischen oder chinesischen Oligarchen) kontrolliert werden. Glauben Sie ehrlich, glauben Sie wirklich, dass diese Kanäle dem Zwecke dienen, die Wahrheit, nein sagen wir es neutraler: die Fakten zu transportieren? Ihre Algorithmen leben davon, Emotionen zu generieren, vor allem negative. Und davon leben Parasitenorgane wie NIUS oder Tichy, die fast gar keine eigene Recherche betreiben, aber die von seriösen Journalisten berichteten und in den sozialen Medien verbreiteten Fakten ihrerseits skandalisieren in einer Weise, die BILD als ultraseriös dastehen lässt. Dies ist eine neue Lage. Die Mitte ist unter Beschuss. Wie soll sie sich wehren? Ich frage ernsthaft.
Alan Posener; ‚Die Frage ist, wie man eine vernünftige und akzeptierte Kontrolle der sozialen Medien zum Schutz der Demokratie hinbekommt, damit es möglichst wenige Fälle gibt, die vor dem Kadi landen. Oder meinen Sie ernsthaft, sie sei nicht nötig, alles regele sich von selbst? Ich bin auf Ihre Vorschläge gespant.‘
Nix einfacher als das; Art 56 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Die religiöse Beteuerung ist Firlefanz. Kann weg.
Keine Vernunft wird widersprechen oder anderes fordern.
Seufz. Und wenn alle Politiker einvernehmlich zum Wohl des deutschen Volkes arbeiten, wird es keine Islamisten, keine Russenbots, keine radikalen Klima-Aktivisten, keine Rassisten, keine Antideutschen, keine Antisemiten, keine Schwulenhasser, keine Irren im Netz geben? In welcher Welt leben Sie?
Ich habe geschrieben; ‚Keine Vernunft wird widersprechen oder anderes fordern.‘
Ich lebe in einer Welt in der die Vernunft mehrheitsfähig ist. Wenn aber der Fisch vom Kopf her stinkt, hat es die ‚mehrheitsfähige Vernunft‘ schwer.
Eine andere Lösung gibt es nicht.
Dann leben Sie weiter in Ihrer Welt. Zur realen Welt haben Sie offensichtlich nichts beizutragen. Jeder, der behauptet, etwas sei „ganz einfach“, lügt, ob bewusst oder weil er zu blöd ist, Komplexität zu begreifen.
Lieber AP, ich weiß, dass Sie ernsthaft diskutieren. Erstens: Klar, die Pandorabüchse in den Sozialen Medien ist offen aber die Analyse hat immer noch nicht begonnen, was den Deckel weg gesprengt hat. Seit Sie mich aus meinen damals noch reichlich naiven Zeiten hier auf SM kennen, beobachte ich zunehmend genauer: Auch ich habe damals nachgeplappert und ich denke die Frau Wagenknecht hat vollkommen recht damit, dass aus diesem Nachplappern linker Wolkenwunschthesen eine Selbstgewissheit entwachsen ist, die jede Hemmung hat fallen lassen, wenn man nur den Gegner möglichst wirksam moralisch blamieren kann. Dass die (rechte) Gegenseite sich dieser effektiven Methode bedient, sollte nicht überraschen. Und tatsächlich – auch wenn Sie seufzen – ‚Ernst‘ dürfte Recht haben: Eine Politik mit gesundem Menschenverstand, die nicht z.B. Überregilierung mit Überregulierung, Schulden mit Schulden, Unübersichtlichkeit mit Komplexität, teuere Energie mit Verknappung des Angebotes usw. beantwortet, würde zumindest der ‚rechten‘ Kulturkämpfern (..auch so eine Zuschreibung) den Wind aus den Segeln nehmen. Was beklagen Sie sich über Roland Tichy? Die Analysen sind doch notwendig.. auch die z.B. der TAZ sind oft hilfreich.. nicht weil die bisweilen beabsichtigten Schlussfolgerungen beim Leser richtig sind, sondern weil woanders gar nicht mehr nachgedacht wird. Also: Bei der Bewertung Trennung von Analyse und Abhilfemaßnahmen. Durch ‚Correctiv‘, ‚Campact‘ oder ‚Amadeo Antonio Stiftung‘? Ich bitte Sie..
Zweitens: ‚Hass & Hetze“ ist Quatsch: Wenn noch nicht mal das Pflichtenheft sorgfältig ausgefüllt wird, wie soll dann jemand seriös danach arbeiten. Also: Um welche ‚Delikte‘ soll es denn wirklich gehen? Warum wird nicht präzisiert. Absichtlich? Weil es mehr arbeitslose Politologen und Sozialwissenschaftler gibt, als Juristen?
Drittens: Die Tugend der Zukunft wird neben der präzisen Analyse die Verantwortbarkeit von Aussagen sein. Beispiel: Jemand aus meiner Familie schrieb mir vorgestern, der Bauer der das Nachbargrundstück bewirtschaftet, würde „Maulwürfe vergiften“. Die Nachbarn hätten gesehen, dass er „Gift in einen Graben“ geschüttet hätte. Nun ist der Maulwurf ein Nützling und „Gift“ nicht von weitem erkennbar und statt Raunen kann man den Menschen auch mal ansprechen und fragen und… Das, was im tatsächlichen Leben, in Schulklassen, Gemeinden usw. gilt, sollte auch für die ’sozialen‘ Medien Pflicht sein.. also ‚Nius‘ ist keine Quelle, sondern ein Geschäftsmodell, wie auch NGOs das sind und – ich muss es leider nochmal sagen: Auch ‚die Wissenschaft‘ hat sich durch den Aktivismus von ‚Feuer‘ bzw. ‚die Erde brennt‘ rufenden, nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wen wundert also wirklich noch die Explosion der Emotionen im virtuellen Raum.
Viertens gehört wahrscheinlich ‚gated communities‘ auch in den Sozialen Medien die Zukunft.
Fünftens rechne ich in Zukunft mit der einen oder anderen illiberalen Politik von ‚rechter‘ (konservativer) Seite, um die westliche Gesellschaft wieder widerstandsfähig zu machen.
Fünftens habe ich ‚Mein Kampf‘ weitgehend gelesen und ja, es ist ein wenig wie bei Marx: Die Analyse ist gar nicht so verkehrt, aber die Schlussfolgerungen.. Umso mehr brauchen wir Leute mit gesundem Menschenverstand und keine Ideologen welcher Provinienz auch immer, die den gesunden Menschenverstand (angemessen reagieren) durch programmatisches Handeln ersetzen wollen.
6., 7. und 8.. habe ich auch noch, aber ich denke, wenn es gelänge, das Prinzip Verantwortbarkeit, jeder kehre vor der eigenen Tür usw. höher zu bewerten als die eigene Unfehlbarkeit in der Gesinnung und des ‚moralischen Kompasses‘. Ich glaube die Leute sitzen auch zuviel am Rechner….
Ja. wir alle sitzen zu viel am Rechner.
Herr Alan Posener,
Sie leben in derselbenr Welt, in der Vernunft mehrheitsfähig ist. Sie wollen, können oder dürfen aber nicht Teil dieser Welt sein. Sie gehören faktisch zu den von Ihnen aufgezählten Islamisten, den Russenbots, den radikalen Klima-Aktivisten, den Rassisten, den Antideutschen, den Antisemiten, den Schwulenhasser, den Irren. Ich tippe auf letzteres. (… ähm, nicht jammern jetzt, Sie haben mit Unsachlichkeit angefangen.)
Zu der Radikalisierung jenseits des gesunden Menschenverstandes gibt es die unterschiedlichsten Beiträge:
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus251878482/Strack-Zimmermann-Wenn-Deutschlands-lauteste-Politikerin-ploetzlich-ganz-leise-wird.html
https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus255793728/Klima-Angst-Feuertod-Ertrinken-wenn-Aktivisten-und-Paedagogen-Kinder-verunsichern.html?source=puerto-reco-2_ABC-V45.3.A_control
Vielleicht sollte man erst mal die in Verantwortung nehmen, die vorgeben, sie unbedingt haben zu wollen..
„Die Frage ist, wie man eine vernünftige und akzeptierte Kontrolle der sozialen Medien zum Schutz der Demokratie hinbekommt, damit es möglichst wenige Fälle gibt, die vor dem Kadi landen. Oder meinen Sie ernsthaft, sie sei nicht nötig, alles regele sich von selbst? Ich bin auf Ihre Vorschläge gespant.“
Lieber @Alan Posener,
„Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken,
Das nicht die Vorwelt schon gedacht? (Goethe, Faust II, 2. Akt)“
Vor 205 Jahren fassten die (mittel-)europäischen Innenminister vom 6. bis 31. August 1819 im tschechischen Karlovy Vary die so genannten „Karlsbader Beschlüsse“.
Die Maßnahmen der europäischen Innenminister waren konsequent.
– Alles unter 320 Druckseiten, musste VORHER von unabhängigen Faktenprüfern auf Lügen hin eingeschätzt werden.
– Alles über 320 Druckseiten wurde, NACHDEM es über Drucker gegangen war, von unabhängigen Faktenprüfern eingeschätzt.
Das mit den 320 Seiten war von der (richtigen) Einschätzung getragen, dass Bücher über 320 Seiten sowieso keiner liest.
Faktenprüfer waren die vertrauenswürdigen Kollegen von der Mainzer Zentraluntersuchungskommission.
Die unabhängigen Faktenprüfer schätzten die Texte ein, was auf Latein „censere“ heißt, weshalb man das Verfahren auch als „Zensur“ bezeichnet.
Das Verfahren
– für Druckwerke unter 320 Seiten heißt VORZENSUR, das
– für Druckwerke über 320 Seiten heißt NACHZENSUR.
Das Verfahren ist etwas in Verruf geraten und die Zensur sei auch abgeschafft.
Das könnte sich natürlich mal wieder ändern.
Ich denke, die Mainzer Zensurbehörde, der es schon damals nicht gelang, die Flut revolutionärer Pamphlete einzudämmen, wäre überfordert, wollte sie X und Co. zensieren. Vielleicht haben Sie aber etwas Sachliches zur Diskussion beizutragen?
Ernst:“Wenn aber der Fisch vom Kopf her stinkt, hat es die ‚mehrheitsfähige Vernunft‘ schwer.“
Allerdings!
Zur Meinungsfreiheit gehört auch, einen Politiker Schwachkopf nennen zu dürfen, ohne Angst haben zu müssen, daß ein Rollkommando mir früh am Morgen die Tür eintritt.
Mit solchen Lappalien hat sich in der DDR noch nicht mal die Stasi beschäftigt.
Deshalb müssen wir keine Angst haben vor Plänen, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
Sie ist es bereits.
Lieber Gerhard Wissler, ich empfehle diesen Essay der ehemaligen Verfassungsrichterin Gabriele Britz:
https://www.faz.net/einspruch/schutz-der-offenen-auseinandersetzung-19876446.html
sie dürfte Ihnen (wie mir) in Vielem aus dem Herzen sprechen. Aber gegen Schluss des Essays diskutiert sie den „neuralgischen Punkt der Machtkritik. Natürlich steht deren Schutz im freiheitlichen Verfassungsstaat nicht zur Disposition. Es deutet sich aber eine differenzierende Abwägungsleitlinie an: „Insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch „soziale Netzwerke“ im Internet liegt ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgern und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus auch im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist“. (BVerfG) Diese Verbindung zwischen innen und außen ist seit der „Tonbandentscheidung“ und seit dem Volkszählungsurteil bekannt. Beide werden hier vom Datenschutz zum Schutz vor Hassrede weitergeführt. Das kann nicht beim Schutz von Politikern stehen bleiben, sondern muss auch den Mitgliedern der Zivilgesellschaft zugutekommen. Äußerungen sind schon bislang nicht von der Meinungsfreiheit geschützt, wenn sie als Schmähkritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person in den Vordergrund stellen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Seite geht dann absolut vor. Wenn aber ein Sachbezug – trotz völlig überzogener, gar ausfälliger Kritik – besteht, ist das keine Schmähkritik, sondern findet eine Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Äußerungsfreiheit statt. In dieser Abwägung sollte die Gefahr etwaiger Silencing-Effekte, die hetzende Äußerungen vor allem via Internet haben können, als wichtiger Gesichtspunkt gegen die Meinungsäußerung regelmäßig berücksichtigt werden.“
Lieber Alan Posener,
vielen Dank für den Link, aber leider ist er hinter der Bezahlschranke.
Schade, denn das schreckt wahrscheinlich auch den einen oder anderen Richter und Staatsanwalt, dem ein bißchen Weiterbildung nicht geschadet hätte.
Das von mir gewählte Beispiel mit dem „Schwachkopf Professionell“ ist allerdings keine Beleidigung oder Schmähkritik, sondern einfach nur ein Witz, wie ihn Politiker schon aushalten sollten.
Vergleichbares wird in vielen Faschingsveranstaltungen verbreitet, soll da auch in Zukunft immer mitgehört und mitgeschrieben werden. Wie einst bei Werner Finck, der die Spitzel während seines Kabarett-Vortrags fragte „Kommen Sie mit? Oder muss ich mitkommen?“.
Auch Ihr Kollege Don Alphonso wurde vom gleichen Minister schon vor Gericht gezerrt. Erschreckenderweise fand er einen willfährigen Staatsanwalt, der Anklage erhob und einen willfährigen Amtsrichter, der ihn verurteilte für die sinngemäße Aussage, daß der Minister (anläßlich eines inszenierten Foto-Shootings) mit seinem Outfit in einer Gruppe von Bahnhofspennern nicht weiter auffallen würde.
Erst das Landgericht machte in der Berufung dem Spuk ein Ende. Wobei ich nicht weiß, ob der Staatsanwalt sich damit zufrieden gab. Denn der Rechtsweg kostet ja die Staatsjuristen nichts, und wird gerne genommen, auch zur Einschüchterung und Zermürbung. Jan Fleischhauer schildert hier anschaulich einen aktuellen Fall:
https://www.focus.de/politik/deutschland/anabel-schunke-wie-die-staatsanwaltschaft-eine-journalistin-zermuerben-will_8a51bf6b-b2aa-48ca-9cf7-b01d6d569de4.html
Es ist bestimmt kein Zufall, daß die dafür verantwortliche Staatsanwältin die gleiche ist, die im US-Fernsehen feixend ihr seltsames Rechtsverständnis entlarvt hat.
Dabei können Staatsanwaltschaften auch ganz anders. Als Alice Weisel im gebührenfinanzierten Fernsehen als „Nazi-Schlampe“ beleidigt wurde, hat die Staatsanwaltschaft die Anzeige noch nicht mal angenommen, das wäre Satire und damit Kunst. Interessant, ein definitiv künstlerisch bearbeitetes Bild des grünen Ministers dagegen ist ein Fall für eine Hausdurchsuchen.
Lieber Gerald Wissler: Wer sich als konservativ empfindet, sollte ein FAZ-Abo haben. Spiegel usw. hingegen muss nicht sein. Aber wenn es Ihnen wichtig ist, schicke ich Ihnen den Artikel als PDF. Er enthält mehrere Beispiele für Kritik und Parolen, die ich nur schwer ertragen kann, die aber höchstrichterlich als zulässig beurteilt wurden.
Der Artikel sagt aber auch, dass die sozialen Medien eine Situation geschaffen haben, in der immerhin überlegt werden muss, ob der Schutz der Persönlichkeit durch die bestehenden Gesetze ausreichend garantiert ist. Das gilt für Politiker wie auch für einfache Bürger. Ich glaube, man macht es sich zu einfach, wenn man die Lage in der Bundesrepublik – siehe Verweis auf Werner Fink – mit der Situation im 3. Reich gleichsetzt. Was Anabel Schunke betrifft: Wenn sie Journalistin ist, bin ich Literaturnobelpreisträger. Aber möglicherweise geschieht ihr Unrecht. Das kommt vor. Und dann wird das angeprangert. Und vielleicht abgestellt.
Lieber Alan Posener,
Ich habe mal in einem Wahlbeamtenverhältnis eine Kommunalverwaltung geleitet und sage es jedem, der ein BESOLDETES politisches Amt bekleidet:
„Betrachten Sie mal 60 % Ihrer fürstlichen Besoldung als Schmerzensgeld.“
Doch, die Besoldung, vor allem aber die Versorgung nach Ausscheiden aus dem Amt ist FÜRSTLICH.
Bescheidener fällt die Aufwandsentschädigung des wirklich Ehrenamtlichen, also z.B. eines Mitgliedes eines Kreistages aus.
Gerade um dessen Ehre geht es aber in all diesen Ehrpusseleien eben NICHT.
Nicht einmal die Leugnung oder Verharmlosung des Holocausts ist lediglich eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern nur strafbar, wenn die Äußerung geeignet ist den „öffentlichen Frieden“ und damit die Sicherheit der diskriminierten Gruppe zu beeinträchtigen. Es ist also ein Straftatbestand, der eine Gefährdung ohnehin gefährdeter Gruppen schon im Vorfeld minimieren soll.
Leider gibt es Ermittlungs- und einige Strafverfahren, die dieses Prinzip verkennen.
Stimmt. Eben „Feuer!“ rufen im vollen Theater. Im leeren Theater wäre es bloß eine Dummheit.
Jein. Die Leugnung oder Verharmlosung des Holocausts ist auch grundsätzlich nach §189 StGB (Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) strafbar. Berechtigt, einen Strafantrag nach §189 StGB zu stellen, sind allerdings nur Hinterbliebene des jeweiligen Opfers bis in die Enkelgeneration (§77 StGB). Für Leugnung und Verharmlosung des Holocausts stellt dies dahingehend ein Problem dar, dass das NS-Regime nicht selten ganze Familien ausgelöscht hat, so dass es keine Hinterbliebenen gibt, die eine Verunglimpfung des Andenkens der Ermordeten anzeigen können.
Nicht zuletzt deshalb ist der Tatbestand der Holocaustleugnung zum Offizialdelikt gemacht worden.
Das mit dem Strafantrag ist so nicht richtig, lieber Jens Breitenbach, mit § 194 Absatz 1 StGB ist
„… ein Antrag nicht erforderlich, wenn der Verletzte als Angehöriger einer Gruppe unter der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verfolgt wurde, diese Gruppe Teil der Bevölkerung ist und die Beleidigung mit dieser Verfolgung zusammenhängt.“
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__194.html
Übrigens hat die Strafbarkeit einer Holocaustleugnung rechtshistorisch mal so begonnen: Als ein Offizialdelikt zum Schutz Beleidigter.
Noch übrigens halte ich die Norm des § 194 StGB als jemand, der in der DDR 3 Jahre in Haft war, 14 Monate davon in Untersuchungshaft des Ministeriums für Staatssicherheit und der ja durch diese Norm auch geschützt werden soll, …
Noch übrigens halte ich diese Norm nicht für „gerecht“.
Die Auffassungen der bundesdeutschen DDR-Aufarbeitungsindustrie über „in einer Willkürherrschaft verfolgt“ und meine Auffassungen und auch die Auffassungen der Rehabilitierungssenate zu DDR-Strafurteilen unterscheiden sich gewaltig.
Ich war 2 Jahre in Leipzig Rehabilitierungsbehörde nach dem so genannten „Zweiten SED-Unrechtsbereiniugungsgesetz“. Im Prinzip jeder Antragsteller, dem ich mal beschieden hatte, sein Sachvortrag habe nichts mit politischer Verfolgung und auch nichts mit Willkür im Einzelfall zu tun, …
Im Prinzip jeder dieser Zeitgenossen empfindet das als eine „Beleidigung, (die) mit dieser Verfolgung zusammenhängt“.
Solche Zeitgenossen finden dann auch Beauftragte aus dem Beauftragtenwesen, die das genauso sehen: https://www.mitmischen.de/wissen/mitmischende-dein-podcast-aus-dem-deutschen-bundestag/folge-6-fuer-anerkennung-und-wuerdigung-kaempfen-mit-der-sed-opferbeauftragten-evelyn-zupke
„Üble Nachrede“ ist das Verbreiten EHRENRÜHRIGER Tatsachen-Behauptungen die nicht nachweisbar richtig sind.
„Verleumdung“ ist dieses EHRENRÜHRIGE Verbreiten im Wissen, dass die Tatsachen-Behauptung nachweisbar falsch ist.
Eine Lüge wäre zum Beispiel, wenn ich erzählte, dass ich mal einem Ihrer Konzerte beigewohnt hätte. Das würde aber weder Ihre Ehre noch meine berühren.
Und deshalb ist es nicht justiziabel und sollte es auch bleiben.
Das soll es auch, da kann ich Sie beruhigen.
Als Jurist interessiert Sie sicher dieser Artikel:
https://www.faz.net/einspruch/schutz-der-offenen-auseinandersetzung-19876446.html
Der Mensch ist das Schutzobjekt des Strafrechts.
– sein Leben
– seine Unversehrtheit
– seine Ehre …
Dann ist auch noch die Staatsgewalt, die POLIS, ein Schutzobjekt des Strafrechts.
– der öffentliche Friede
– die öffentliche Ordnung
– das staatliche Gewaltmonopol
Wo der Staat darin überzieht, sprechen wir von politischer Verfolgung.
„Die Wahrheit“ darf in einer offenen Gesellschaft ebensowenig ein Schutzobjekt des Strafrechts sein wie „Gott“.
Wer „lästert Gott“, wer lästert „der Wahrheit“ ?
Was ist das überhaupt, „die Wahrheit“ ?
Wo hat das Wahrheitsministerium seinen Sitz ?
Lieber Herr Walther, „Was ist Wahrheit?“ fragte Pontius Pilatus, bevor er Jesus den Schergen zur Kreuzigung übergab. Zu Recht. Das Imperium Romanum war diesbezüglich pluralistisch, die Juden – und nach ihnen die Christen – eher nicht. Unser Staat, obwohl er Gott in der Präambel seiner Verfassung nennt, steht wohl eher in der Tradition des Imperium Romanum und spricht nicht von Wahrheit, sondern von Fakten und Meinungen. Aber das wissen Sie alles, warum stellen Sie also solche rhetorischen Fragen?
Ich stimme Bodo Walter zu.
Das moderne Recht fußt auf die Schriften des Juden- und Christentums. Die religiösen Rechtstraditionen wirken bis heute.
Rom ist die ‚Ewige Stadt‘. Das Römische Reich, das Imperium Romanum, aber, gab es vom 8. Jahrhundert v. Chr. bis 7. Jahrhundert n. Chr.. Also etwa 1’500 Jahre.
Das Imperium Romanum gibt es gibt es nur noch auf Leinwand und in den Träumen ‚Ewiger Sozialisten und Imperialisten‘. Das sind Fakten.
Juden- und Christentum haben eine Historie von etwa 3’000 Jahren. Und das ist die ‚Ewige Wahrheit‘.
P.S.:
Die Strafbarkeit einer „Leugnung des Holocoust“, die in dem postmortalen Schutz der Ehre der 5 bis 6 Millionen Ermordeten noch gerade so begründbar ist ….
Diese wird heute leider sogar von gestandenen Rechts-Professoren als eine Strafbarkeit der Leugnung historischer Tatsachen verstanden und propagiert.
Und das ist eben gestapelter Unsinn.
Die Geschichtswissenschaft lebt davon, dass „historische Tatsachen“ verkündet oder abgestritten werden.
Noch einmal: Wem sagen Sie das und warum?
https://www.pro-medienmagazin.de/holocaust-leugnen-verbot-aufheben/
Lieber Alan Posener,
Danke für den Link. Ich kenne einfach nicht alle Ihrer Veröffentlichungen. Sicher ein Manko (zwinker zwinker).
Das über den „kriminellen Holocaustleugner“ schrieb ich, weil das dazu verführt hat, auf weitere „kriminelle Leugner“ einzuprügeln.
– den Klimaleugner
– den Wahlleugner
– den Coronaleugner
Und dabei
– Muss es erlaubt sein, den CO2-Einfluss auf das Wetter zu bezweifeln
– Muss es erlaubt sein, die korrekte Auszählung einer Wahl anzuzweifeln. Selbst wenn z.B. das BSW alle Rechtsmittel der Anfechtung des Bundestags-Wahlergebnisses ausgeschöpft hätte (was es noch gar nicht hat), dürfte es immer noch behaupten: „War ne Fehlentscheidung des Bundesverfassungsgerichts.“
– Muss es erlaubt sein, die Notwendigkeit der staatlichen Maßnahmen zum Infektionsschutz anzuzweifeln