Als ich Beth Hart zum ersten Mal treffen sollte, hatte ich richtig Schiss. Ich bin doch nur der kleine Thomas aus der Provinz und kenne mich nicht so aus in der Welt der amerikanischen Stars, dachte es in mir. Ich kannte nur ein paar Videos aus ihren wilden Zeiten, in denen sie sich schreiend auf der Bühne wälzt …. und ich wusste: Die Frau hat so einiges an Drogen eingepfiffen früher. So ereilte mich denn 2012 der Auftrag, ich möge die wilde Sängerin im Hotel gleich um die Ecke am Mendelssohn-Platz in meiner Stadt treffen auf ein Plauderhalbstündchen.
Ich nahm mein Blöckchen und meinen Foto-Apparat, ging zitternden Hirns los und traf diese hier von mir handfotografierte Frau. Allerliebst schien sie mir zu meinem Erstaunen, bekleidet mit einem Strickpullover gar gelblich. Also weder mit einem Stahlpanzer noch nackig. Sie umschlang mich gar herzlich, sprach zu mir von Gott, Liebe und Frieden, erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden und ich schmolz dahin.
In den Jahren darauf gab es das eine oder andere Telefoninterview, und dann war das nächste Treffen in einer Art Abstellkammer im Frankfurter Hauptbahnhof. Ja, wirklich! Wer auch immer sich diesen Ort ausgesucht hatte – ich fand es etwas spooky. Oder sagt man creepy? Sie war auch ziemlich jetlagged und nicht besonders gesprächig, und sie lah mir auch mehr gegenüber als dass sie saß. Aber bei der Gelegenheit traf ich auch ihren wunderbaren Ehemann, der geschätzt drei Meter hoch wie ein Fels in der Brandung hinter ihr stand und steht. Und – gut – wer hat schon Beth Hart in einem muffigen Rumpelkammer des Frankfurter Hauptbahnhofs interviewt? Da will man nicht klagen.
Das schönste Interview aber lief vor wohl etwas über einem Jahr, und es ging um das aktuelle Led Zeppelin Covers-Album. Wir zoomten, dass es nur so seine Bewandtnis hatte und sich die Balken bogen. Als sie meiner angesichtig wurde, spruch sie unvermittelt Lobendes über mein silberglänzendes Haupthaar. „So great you’re still wearin’ your hair like that…“ karfunkelte sie in ihr Endgerät. Ich säuselte höflich und auch ein wenig größenwahnsinnig zurück: „I’m trying to look like an old movie director…“ Worauf ihr juchzend entfuhr: „Oh… but I think you should be conducting an orchestra.“ Seitdem denke ich darüber nach.
Thomas Zimmer schreibt seit 1980 über Rock, Pop und Folk. Er war Rundfunk-Musikredakteur, Dozent für Pop- und Rockgeschichte an der Musikhochschule Karlsruhe. Er hat u.a. die Biografie des BAP-Drummers Jürgen Zöller und ein Buch mit Konzertkritiken aus 20 Jahren veröffentlicht. Er hat Rock-Größen wie Phil Collins, Ian Gillan, Beth Hart und viele mehr interviewt. Er moderiert eine regelmässige musikalische Live-Talkshow im Jazzclub Bruchsal und betreibt den Interview-Podcast „Das Ohr hört mit“ – https://open.spotify.com/show/4FuFLyd1w66aRSnYYdCkOY mit Musikern und anderen Kulturmenschen.