Einen schwarzen Politiker als „Hofnarren“ und „Feigenblatt“ herabzuwürdigen, ist rassistisch. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Und übler als Laschets Lacher 2021. Dass Scholz sein Opfer nichts sofort um Entschuldigung bat, sondern es abtat, unterstreicht, dass er dem Amt auch charakterlich nicht gewachsen war.
Ich habe Joe Chialo Ende 2020 für „Politik & Kultur“, die Zeitung des Deutschen Kulturrats, porträtiert, als er für den Bundestag kandidierte und politisch noch völlig unbekannt und nicht Berliner Kultursenator war. Das Gespräch mit ihm via Zoom hatte etwas Komisches, weil er in einem dunklen Raum saß und auch wegen seiner Hautfarbe kaum zu erkennen war. Hätte ich einen Witz darüber gemacht, hätte er sicher gelacht. Denn er hat Humor. Habe ich aber nicht. Ihn zu beleidigen, wäre mir erst recht niemals in den Sinn gekommen. Ich weiß, was sich gehört. Olaf Scholz offensichtlich nicht.
Die Überschrift über meinem Porträt lautete „Ein Schwarzer für den Bundestag“. Das war legitim. Denn Chialo, der sich als Sohn eines tansanianischen Diplomaten und Manager eines großen Plattenlabels für Musiker aus Afrika stark gemacht hat, legte in unserem Gespräch ausdrücklich Wert darauf, so und nicht „People of Color“ genannt zu werden. Und es war natürlich doppeldeutig gemeint, weil er ja für die CDU antrat.
Arrogant und persönlich verletzend
Scholz rühmt sich ebenfalls, Humor zu besitzen. Öffentlich merkt man davon jedoch nichts. Da wirkt er gerade jetzt im Wahlkampf, wo es um seine minimalen Chancen geht im Amt zu bleiben, arrogant, verbissen, herablassend. Und auch zunehmend persönlich verletzend, schon nach dem Rauswurf von Christian Lindner aus dem Kabinett und auch, als er ihm im Bundestag jetzt die „persönliche Reife“ absprach. Noch etwas ganz Anderes ist es allerdings, einen schwarzen Politiker im persönlichen Gespräch auf die geschilderte Weise verächtlich zu machen. Dabei spielt überhaupt keine Rolle, dass sich das im halb-privaten Rahmen einer Prominenten-Geburtagsfeier zutrug, es sich im Eifer eines politischen Schlagabtausches ereignete und er es womöglich so auch gegenüber einem Politiker anderer Hautfarbe gesagt hätte.
Denn erstens machte es das keinen Deut besser. Zweitens ist Chialo nun mal Schwarzer. Auf ihn mussten die bösen Worte des Kanzlers deshalb erst recht abwertend wirken, weil Schwarze schon immer von vielen Weißen als unterwertig behandelt wurden und werden. Chialo fasste das nach eigener Schilderung auch genauso auf und versuchte, es mit Scholz zu klären. Der aber lehnte das ab, auch als „Focus“ den Vorfall nun bekannt machte. Stattdessen schaltete er einen Medienanwalt gegen das Magazin ein, weil er sich „falsch verstanden“ fühlte. Auch das bezeichnend. Denn da war und ist nichts falsch zu verstehen. Rassistisch sind Äußerungen auch dann, wenn sie angeblich nicht so gemeint waren. Und wenn sich jemand selbst bescheinigt und andere ihm bestätigen, kein Rassist zu sein, bedeutet das ja nicht, dass er nicht Ressentiments hegt, die sich in einem solchen Moment offenbaren.
Klassische Doppelmoral
Strafverschärfend kommt hinzu, dass Scholz‘ rassistische Beleidigung sich auf die Auseinandersetzung um die Asyl- und Migrationspolitik bezog, in der er und andere Politiker seiner SPD wie der Linken und Grünen nicht müde werden, den Unions-Herausforderer Friedrich Merz als Helfer der „Faschisten“ der AfD und in einem Atemzug mit denen als Fremdenfeind zu kritisieren. Als Kinder riefen wir in solchen Fällen: „War man sagt, das ist man selber, rufen alle dummen Kälber, und das dümmste Kalb bist Du.“ Etwas vornehmer ausgedrückt ein klassischen Fall von Doppelmoral.
Nun könnte man sagen, es ist keiner großen Aufregung mehr wert, weil Scholz immerhin inzwischen in einem Telefonat mit Chialo ausgeräumt haben soll. Und weil er am Abend des 23. Februar sowieso Geschichte sein dürfte. Aber es zeigt einmal mehr, welche mediokren Gestalten bei uns bis ins höchste Regierungsamt gelangen können.
Ludwig Greven ist feier Autor und Christenmensch. Er schreibt für verschiedene Medien und in diesem Blog.
Wieder mal auf den Punkt, Ludwig Greven. Danke.