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Es ist wieder soweit: Berlinale der Schande

Im Oktober 2000 ging ein Bild um die Welt, bei dem mit von Blut besudelten, roten Händen die Ermordung zweier Israelis gefeiert wurde. Beim Lynchmord von Ramallah ermordete eine Menschenmenge brutal zwei junge Israelis als „Racheakt“ für einen arabischen Jungen, der zwei Tage zuvor vom israelischen Militär getötet wurde. Die beiden Israelis wurden am 12. Oktober 2000 wegen eines Verkehrsdelikts von der Polizei festgenommen.

Eine bewaffnete Gruppe stürmte, als das bekannt wurde, das Polizeirevier und ermordete die beiden Juden. Einer der Mörder reckte der fanatisierten Menge vor dem Polizeirevier triumphierend seine blutigen Hände entgegen. Das Foto ging um die Welt und rote Hände wurden zum Symbol für die Ermordung der Juden und zu einem Aufruf zu Gewalt.

Oscars goes jewhating

Bei der Oscarverleihung 2024 trugen zahlreiche Menschen dieses in diesem Zusammenhang antisemitische Symbol am Revers. Billy Eilish, Mark Ruffalo, Jonathan Glazer, Ava Du Vernay, Ramy Youssef und Sandra Hüller. Man hatte die rote Hand als Signet für die Bewegung „Artists4Ceasefire“ auserkoren. Mir dieser Kampagne sollte ein Waffenstillstand im Gaza-Krieg unterstützt werden. Noch weiter gingen Milo Machado-Graner und Swann Arlaud – zwei der Hauptdarsteller des existenzialistischen Films über Wohlstandsverwahrlosung „Anatomie eines Falls“ – als sie sich zu diesem Anlass die palästinensische Flagge anhefteten.

Schauspieler Ramy Yousseff: „Wir fordern einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand in Gaza. Wir fordern Frieden und dauerhafte Gerechtigkeit für die Menschen in Palästina. Es ist eine universelle Botschaft: ‚Lasst uns aufhören, Kinder zu töten. Lasst uns nicht mehr Teil des Krieges sein.‘ Niemand hat jemals auf einen Krieg zurückgeblickt und gedacht, dass eine Bombenkampagne eine gute Idee war. Ich bin von so vielen Künstlern umgeben, die bereit sind, ihre Stimme zu erheben – die Liste wird immer länger. Viele Menschen werden heute Abend diese Anstecknadeln tragen.“

Die Geschichtsvergessenheit dieser Leute ist beschämend. Noch beschämender allerdings ist, wie mit dieser Geschichtsvergessenheit den Opfern des Hamas-Überfalls, den zu Tode vergewaltigten Frauen und Mädchen, den geköpften Kindern und den nach Gaza entführten Geiseln ins Gesicht gespuckt wurde.

Berlinale goes jewhating

Die Liste antisemitischer Ausfälle durch die deutsche Politik ist lang. Die Kulturstaatsministerin konnte beispielsweise keinen Judenhass auf der documenta15 erkennen, als auf einem überdimensionalen Wimmelbild Juden in „Stürmer“-Manier abgebildet wurden. Julius Streicher hätte das gefallen. Ebenso hätte dem Herausgeber des Stürmer gefallen, wenn eine Bundestagsvizepräsidentin antisemitische Tweets teilt oder die Außenministerin bekennende Judenhasser zum Diner einlädt.

Bereits letztes Jahr trugen Preisträger bei der Preisverleihung der Berlinale demontsrativ das sogenannte Palästinensertuch als Zeichen der „Solidarität mit Palästina“ und als Bekenntnis zur Propagandalüge der Hamas, Israel würde in Gaza einen Genozid vollziehen. Anstatt ein Ort der kulturellen Vielfalt und der Wahrheit zu sein, wurde die Bühne für Bekenntnisse zum Judenhass missbraucht. Dieser Missbrauch war schon vor einem Jahr schändlich und ist es heute immer noch. Kein Wort über die Opfer des Hamas-Pogroms, kein Mitleid mit den Geiseln.

Nun hat sich die Berlinale im Vorfeld ihrer diesjährigen Ausgabe offiziell von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages distanziert. Auf der Website der Berlinale findet sich dazu folgendes Statement: „Die ‚Antisemitismus-Resolution‘ ist kein rechtsverbindliches Dokument und hat daher keinen Einfluss auf die Durchführung der Berlinale. Sie enthält wichtige Aspekte im Hinblick auf die Warnung vor wachsendem Antisemitismus in Deutschland und international. Wir teilen mit anderen Menschen in Deutschland die Meinung, dass andere Aspekte der Resolution, würden sie rechtlich durchgesetzt, in die Grundrechte der Kunst- und Meinungsfreiheit eingriffen. Wir sind auch nicht einverstanden mit der pauschalen Einstufung der Berlinale 2024 in der Resolution als ‚antisemitisch‘. Die Berlinale hat keinerlei Toleranz für Antisemitismus.“ https://www.berlinale.de/de/programm/faqs-dialogue-exchange.html

Wieder wird mit diesem Text bewiesen, dass die kognitive Dissonanz ein weit verbreitetes Phänomen ist, wenn es um Juden und ihr Recht auf Selbstverteidigung geht. Und, doch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Berlinale bietet dem Judenhass eine tolerante Bühne. Hass und Dämonisierung haben nichts mit Meinungs- oder Kunstfreiheit zu tun.

Juden unerwünscht

Die Berlinale ist eine mit Steuergeldern, übrigens auch mit Steuergeldern von Juden, geförderte Veranstaltung. Und während bei Rassismus, Sexismus und gruppenbezogner Menschenfeindlichkeit sehr schnell und unmissverständlich Konsequenzen gezogen werden, wird in Bezug auf Juden und Israel mal wieder mit Doppelstandards operiert. Neben israelbezogenem Antisemitismus, NS-vergleichende Israelkritik, die die israelische Palästinenserpolitik mit der Vernichtung der Juden im Nationalsozialismus gleichsetzt, gehört dazu auch die Täter-Opfer-Umkehr als ein Merkmal des Antisemitismus.

Wenn die Berlinale unter ihrer Direktorin Tanja Meissner jetzt wieder beschließt, das Palästinensertuch als „Zeichen der Solidarität Palästina“ zuzulassen, dann ist das nichts anderes als die klare Ansage an Juden, dass sie auf der Berlinale unerwünscht sind.

(Fotos: Nicole Kubelka/Geisler-Fotopress, AFP, JC Olivera/Getty Images)

Daniel Anderson: Berufsausbildung zum Flugzeugmechaniker. Regiestudium an HFF „Konrad Wolf“ in Babelsberg. Berufsverbot als Filmregisseur in der DDR. Oberspielleiter, Autor und Schauspieler am Theater Senftenberg. Nach dem Mauerfall freier Regisseur, Autor (TV-Serie, Theater, Synchron), Schriftsteller und Musiker. Studium Vergleichende Religionswissenschaften in Bonn. Gründer und Leiter der „Theaterbrigade Berlin.“ Anderson lebt in Berlin und immer mal wieder in Tel Aviv.

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6 Gedanken zu “Es ist wieder soweit: Berlinale der Schande;”

  1. avatar

    Lieber Daniel Anderson, von Schauspielerei und der Filmkunst habe ich ehrlich gesagt überhaupt keine Ahnung, aber das allzu bereitwillige politische Bekenntnis im Kunstbetrieb verwundert mich schon länger. Kurz gesagt scheint es mir ein Teil der Show zu sein. Vielleicht entstammt es einer gewissen kulturellen Aneignung der Attitüde des (schwarzen) Jazzmusikers (was ich nichts Schlimmes finde) und damit logischerweise einem Antirassismus. Nur ist es da wohl anschlussfähig an einen aggressiven Postkolonialismus und da ist der Hass auf Israel (und damit auf Juden) bekanntlich nicht mehr weit. Wer da als Musiker bei seinem Instrument, seiner Stimme usw. bleibt, kann sich wohl dem politischen Bekenntniszwang, den das Publikum bzw. der Markt ja bisweilen zu fordern scheint, weitestgehend entziehen. Mit Ausnahmen (z.B. Anna Netrebko). Ich halte mittlerweile derartige Vermischungen von Politik und Kunst für ebenso merkwürdig, ja schäbig, wie eine diesbezügliche Erwartungshaltung beim Publikum. Einige Künstler (die ich früher aufgrund ihrer Originalität und ihrer excellenten Bands durchaus bewunderte), scheinen mit dem ‚virtue signalling‘ bzw. ihrer eindeutigen links-politischen Positionierung über die Jahrzehnte hinweg sehr gewinnträchtig zu gedeihen (Wolfgang Niedecken, Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg). Alle diese Künstler hatten irgendwann mal einen glaubwürdigen politischen Punkt erwischt – nur mittlerweile moralisch, analytisch, intellektuell sowie auch von der inhaltlichen Integrität her längst verloren. Aber warum Aktien abstoßen, wenn sie noch laufen (?). It‘s the economy stupid. „Keinen Millimeter den Rechten!“ brüllte vor einigen Jahren Herbert Grönemeyer in Wien ins Mikrofon, dass man unweigerlich stramm stand und es schien sich zu lohnen. Die Liebe zu der „palästinensischen Sache“ wohl auch (bei Lindenbergs glitzernder Pseudomoral schon lange). Und Niedecken will halt mit den ‚Grünen‘ koste es was es wolle die Welt vor dem Klima retten. Wo man hobelt fallen Späne. Und dieses Erfolgmodell wird kopiert. Bis weitestgehend in den pseudointellektuellen Amateurbereich hinein, aus dem ich etwas berichten kann. Man sollte bei politischen Bekenntnissen aus dem Künstlerbereich die 99% Attitüden erstmal aussortieren. Zur Schonung des Blutdrucks.

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      Vielen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar zu dem Vorgang.
      „Man sollte bei politischen Bekenntnissen aus dem Künstlerbereich die 99% Attitüden erstmal aussortieren. Zur Schonung des Blutdrucks.“ Absolut richtig.

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    „Hass und Dämonisierung haben nichts mit Meinungs- oder Kunstfreiheit zu tun.“ Doch, das haben sie. Aber niemand ist gezwungen, sie deshalb bei einem Filmfestival oder einer Kunstausstellung zu dulden, wenn der Begriff des Kuratierens und also der Auswahl einen Sinn haben soll. Ich bin dafür, dass Leute ihren Judenhass herausschreien dürfen. und dass sie dann die Folgen tragen müssen, zum Beispiel, dass zivilisierte Menschen mit ihnen keinen Umgang haben wollen. Die Frage ist also, ob die Leitung der Berlinale aus zivilisierten Menschen besteht. Und ihre Ablehnung der sehr maßvollen Resolution des Bundestags gegen Antisemitismus lässt die Antwort auf diese Frage erahnen.

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      Danke, Alan Posener, für Ihren Kommentar. Angesichts der Gräueltaten der Hamas und des quasi Applauses des romantisierenden Linkdralls so vieler meiner Kollegen ist die Frage nach dem Level der Zivilisation durchaus berechtigt.

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    danke für das Gedächtnis für die linke Kulturszene Berlins und global und den unverzeihlichen Mangel an Solidarität mit Juden und Israel gegen die Hamas und den Iran oder
    rechte kräfte im eigenen Land oder in Deutschland
    uebrigens ist der Film zu dem Schauspieler, der immer noch Geisel ist und leidet
    irgednwo in ner Ecke versteckt und kein einziger grosser FIlm zur Ukraine,
    als ginge die die globale ach so diverse und queere Kulturszene, die viel Geld hat und kriegt
    nichts an
    Fragen nicht nur an die Berlinale chefin und Frau Roth,
    Herr Tykwer? viele andere?
    Eva Quistorp, lange Mitglied der Friedensfilmpreis jury,Berlin

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      Vielen Dank, Eva Quistorp, für Ihren Kommentar zu meinem Text. Die Berlinaleleitung und die Kolleginnen und Kollegen agieren mit ihrem romantischen Moralgetue wie eine Vorfeldorganisation der Hamas. Und, ja, die Frage nach DEM Film über die Ukraine ist mehr als berechtigt. Alles Gute für Sie.

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