avatar

Musk und die fehlende Debattenkultur

Im tiefsten Winter greift eine Hitzewelle in Deutschland um sich. Die Gemüter sind jedoch nicht wetterbedingt erhitzt. Was ist passiert? Eine Zeitung hat sich erlaubt Journalismus zu betreiben. Für etliche Menschen ist das anscheinend too much. Die Welt hat sowohl einen Gastbeitrag von Elon Musk als auch eine hervorragende Kritik daran von Jan Philipp Burgard, designierter Chefredakteur, veröffentlicht. Musk redet die AfD schön und Burgard beschreibt tiefgründig, warum Musk irrt.

Der Kommentar von Musk verdeutlicht auch, dass ein Unternehmer sehr erfolgreich und visionär und gleichzeitig politisch nicht die hellste Kerze auf der Torte sein kann. Elon Musk zeigt wie wenig er dieses Land kennt, wie wenig er die AfD versteht, die eine rechtsextreme und antideutsche Partei ist, und wie wenig Empathie er besitzt.

Um meine persönliche Meinung nicht zu verstecken: ich halte Elon Musk für gefährlich, dogmatisch, demagogisch und ohne irgendein aufrichtiges Interesse an Menschen. Würde mir so jemand in meinem persönlichen Leben begegnen würde ich innerhalb kürzester Zeit kilometerweiten Abstand halten.

Warum nun finde ich die Veröffentlichung seines Kommentars richtig? Weil Debattenkultur unterschiedliche Meinungen braucht. Weil aufklären über lesen läuft. Musk hat sich hier mit einer vollständigen politischen Dummheit entblößt und mehr Entzauberung und mehr Aufklärung einer in Teilen rechtsextremen Partei geht nicht. Die Aufklärung passiert natürlich ungewollt, weil Musk die AfD eigentlich in den Himmel loben wollte. Aber wer fällt darauf rein, wenn die Alternative der „Alternative für Deutschland“ darin besteht, in Wirklichkeit Rückständigkeit zu fordern? Man muss der Welt dankbar sein für diesen Mut und die Offenheit vielen Lesern eigenständiges Denken zuzutrauen, mit den Werten des Verlages verbunden auch eine kritische Replik zu integrieren und damit Leben in die Bude gebracht zu haben. Ich bin stolz darauf, früher mal als politische Journalistin für diese Zeitung geschrieben zu haben.

Es fehlt an Zivilcourage

Fassungslos macht mich der Mangel an Debattenkultur in dieser Gesellschaft oder noch etwas deutlicher: Geht’s noch, Deutschland? In einer Mentalität, die gedanklich näher an Nordkorea dran ist, wird die Auseinandersetzung mit kontroversen Themen verteufelt und ein Bashing gegen den Axel Springer Verlag betrieben, der oft von Neid erfüllt ist. Gleichzeitig fehlt es an Zivilcourage, die AfD politisch zu stellen und ihrem reaktionären Gedankengut entgegenzuwirken. Massendemonstrationen gegen Rassismus, die gleichzeitig die Errungenschaften der Marktwirtschaft ablehnen, sind Aktionen zum Wohlfühlen und zur Selbstbestätigung, aber keine Akte der Zivilcourage. Schon mal gar nicht, wenn man es nicht schafft, zu Hunderttausenden gegen Antisemitismus und Antizionismus auf die Straße zu gehen.

Was tun für mehr Rückgrat

Was also sollen wir in dieser politischen und gesellschaftlichen Temperatur unseres lieben Landes tun? Es ist tatsächlich sehr einfach: nicht aufgeben! Nicht aufgeben, die Marktwirtschaft und ihre Errungenschaften und ihren Wert für unsere Demokratie zu verteidigen. Nicht aufhören die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Nicht aufhören, politisch dummes Zeug als das zu benennen, was es ist. Nicht aufhören, unsere politische und menschliche Freundschaft mit Israel zu verteidigen und dabei noch viel lauter werden. Und last, but never the least: Mitstreiter finden.

Saba Farzan ist deutsch-iranische Autorin. Sie hat auch politische Beiträge für die „Welt“ geschrieben.

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top