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Agenten, Agenten, Agenten …

Heute hat der Rußländische Präsident das Gesetz zur Eindämmung der Aktivitäten ausländischer Agenten verschärft.

Habe ich Ihnen schon erzählt, dass ich auch mal so ein Agent war?

Aufgedeckt wurde das vom Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik genau heute vor 41 Jahren. Mit einem so genannten „Operativen Vorgang“, kurz „OV“.

Für eine Feindorganisation, kurz „FO“ namens „Hilferufe von drüben“ um den ZDF-Journalisten Gerhard Löwenthal hätte ich agiert.

Für mich waren es einfach nur Freunde, mit denen ich Informationen austauschte. Ihnen hatte ich auch mitgeteilt, dass eine Bekannte verhaftet worden sei und in welchem Kinderheim sich ihre Mädchen befinden. Auf anderem als auf dem Postweg, vorsichtshalber.

Aber Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Und so ward ich verhaftet.

Dass meine Brieffreunde Feinde seien, hätte ich doch erkennen müssen, donnerte die Frau Staatsanwältin im darauffolgenden Juli in der Gerichtsverhandlung vor dem Bezirksgericht.

Nun heißen Agenten allerdings so, weil sie agieren. Für den Feind agieren.

Meist versuchen sich Agenten dann in Ausflüchte. Auch ich. Über gar nichts hätte ich informiert, so log ich das hohe Gericht an. Hätte gar nicht agiert.

Ja und dieser Brief, den sie bei der Haussuchung gefunden hatten. Betreffend meine Schwester, Startläuferin in der 4 x 100-Meter-Staffel der DDR-Olympiaauswahl der Damen. …

Ob die denn zu den Olympischen Sommerspielen in Los Angeles 1984 starte, hatte der Briefeschreiber von der Feindorganisation wissen wollen. Und dass sie da was unternehmen werden, falls ich, wie nun geschehen, wieder in einer Untersuchungshaftanstalt des MfS einsitze.

„Was wird diese Feindorganisation tun?“ Das hatte mich der Leutnant Zahn schon tagelang in der Untersuchungshaft gefragt. „Welche Angriffe der Feindorganisation auf unsere DDR-Olympiaauswahl sind geplant?“

„Nichts werden sie tun, gar nichts.“ Hatte ich ihm entgegnet. Und dessen war ich mir leider sehr sicher. Die DDR-Olympiaauswahl würde ja gar nicht hinfliegen nach Los Angeles.

Nein, so richtig konnten sie mir nicht nachweisen, womit ich agiert hätte. Agenten wie ich versuchen sich ja immer rauszuwinden.

Deshalb war in der DDR schon der Kontakt zu solchen ausländischen Feindorganisationen strafbar. Haftstrafe bis zu zwei Jahren sah der dafür gemachte § 219 des Strafgesetzbuches der DDR vor. Und deshalb richtete sich die Anklage in dem Haus in Halle nun darauf.

„Angeklagter!“ donnerte die Staatsanwältin an jenem 18. Juli 1984 nun erneut. „In einem der bei Ihnen beschlagnahmten Briefe steht:

Am Wochenende war ich zum 112. Jahrestag der Reichsgründung am Hamburger Bismarck-Denkmal und hatte eine schöne schwarz-weiß-rote Fahne in der Hand.

Angeklagter, was habe sie danach mit dem Briefkontakt gemacht ?“

„Was hätte ich denn machen sollen, Frau Staatsanwältin ?“

„Sie hätte den Kontakt sofort abbrechen müssen!“

„Wieso?“

„Tun sie nicht so, als wüssten Sie nicht, was eine schwarz-weiß-rote Fahne ist!“

 

Ich tat tatsächlich so, aber mit so was kam ich natürlich nicht durch.

2 Jahre Haft lautete das Urteil. Das Oberste Gericht befand dann noch noch in der Berufung, dass 18 Monate eigentlich auch als Erziehungsmaßnahme reichten. Strafe müsse aber sein.

Heute hat der Rußländische Präsident das Gesetz zur Eindämmung der Aktivitäten ausländischer Agenten verschärft.

Nein, diese Zeilen sind kein Russen-Bashing.

Auch Deutsche sind fähig zu solchen Gesetzen. Waren es und könnten es wieder sein.

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Über Bodo Walther

Bodo Walther, geboren 1960 in Weißenfels im heutigen Sachsen-Anhalt, studierte 1985 bis 1991 Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn. Er war aktiver Landes- und Kommunalbeamter in Sachsen-Anhalt, ist heute im Ruhestand und Anwalt in der Nähe von Leipzig.

4 Gedanken zu “Agenten, Agenten, Agenten …;”

  1. avatar

    Das Wort „REHABILITIERUNG“, @Hans, war bis 1992 dem westdeutschen Standard-Nachschlagewerk, dem „Großen Brockhaus“ fremd.

    Rehabilitation ist die Maßnahme, die einen gesundheitlich Angeschlagen wieder zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhelfen soll (§§ 43, 51, 258 SGB V, §§ 9-32, 116, 235, 301 SGB VI).

    Aber Rehabilitierung ?

    In der Sprache der SED war das Wort zum ersten mal in den Dokumenten der Zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK) aufgetaucht. Das Protokoll der 137. Sitzung vom 13. Oktober 1956 z.B. vermerkt:

    „Die ZPKK schlägt vor, den Parteiausschluss nachfolgender Genossen aufzuheben und sie nach ihrem mutmaßlichen Tod zu rehabilitieren.“

    Dass die Genossen tot waren, lag tatsächlich nahe. Sie waren 1936 im Moskauer Exil aus der Kommunistischen Partei (KPD) ausgeschlossen worden. So etwas überlebte in der Regel niemand.

    Entstanden war das Wort aus der Chruschtschowschen „Реабилитация“.

    Es meinte genau das: Die Wiederaufnahme der aus der Kommunistischen Partei der Sowjetunion ausgeschlossenen Renegaten in die Vorhut der Arbeiterklasse.

    „Rehabilitierung“ ist heute die Wiederaufnahme in die Reihen der Schönen und Guten.

    Wollen Sie aber überhaupt in diesen Reihen sein ?

    1. avatar

      @Bodo Walther

      … so richtig weiß ich nicht was Sie meinen. Ein RA sollte auch wissen; Rehabilitierung steht in meiner Sache und nach dem was Sie geschrieben haben, zählen Sie wohl auch zu diesem Personenkreis, für individuell erlittenes Unrecht.

      Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz, für Opfer der ehemaligen DDR und der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone. 1992 – 2021.

      Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz, Gesetz zum Ausgleich des SED-Unrechts; 1994 – 2024.

      Berufliches Rehabilitierungsgesetz, Gesetz zum Ausgleich des SED-Unrechts; 1. Juli 2021.

      … aaaber, nix ist schöner, als das die Historie mich rehabilitiert hat. 😉

      1. avatar

        Berufliches und Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz habe ich 1994/95 als Landesbediensteter in Leipzig „gemacht“, @Hans.

        Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz führt zu einer Änderung in den Rentenpunkten, die in 85 % der Fälle nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden.

        Klar bin ich auch nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz „rehabilitiert“.

        Klar genieße ich auch seit meiner Pension die Zuwendung nach 17a StrRehG.

        Zuvor war ich dafür zu reich.

        95 % aller vormaligen Gefangenen des MfS 1963 bis 1989 wurden aus der Haft freigekauft, meisterten in der Regel ihren Beruf und sind für diese Zuwendung bis zur Rente (die dann nicht als Einkommen zählt) einfach zu reich.

        Und glauben Sie mir: Selbst diese Zwendung nach 17a StrRehag, diese 330 Euro monatlich für „meine“ drei Jahre Haft hat noch ihre Neider. Jeden Monat findet die SED-Opferbeauftragte neue SED-Unrechtsopfer, die das viel nötiger bräuchten.

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    @Bodo Walther: ‚Auch Deutsche sind fähig zu solchen Gesetzen. Waren es und könnten es wieder sein.‘

    … bei mir war ’s der § 99 StGB der ‚DDR‘. (sinngemäß Nachrichtenübermittlung, die nicht der Geheimhaltung unterliegt.) 3 Verteidiger, tatsächlich, Vogel, Hartmann und Starkulla. Urteil: 2 Jahre und 10 Monate. Schwerverbrecher.

    ‚Meine‘ Staatsanwältin und Richterin, sind beide nach der Wende wegen Rechtsbeugung rechtskräftig verurteilt. Ich wurde strafrechtlich, verwaltungsrechtlich und berufsrechtlich rehabilitiert.

    Und ja, die Deutschen die ‚BRD‘-Sozialisten sind wieder so weit.

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