Die Entrüstung kam heute von Amts wegen: Zum ersten Mal in Deutschland sei ein ehemaliger Stasi-Mann Minister geworden, sagt Thüringens Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Einer, der beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ war. Etwas über zwei Jahre. Dann war die DDR bankrott. „Er verpflichtete sich freiwillig!“ Weiß die BILD-Zeitung.
Beworben habe er sich dort nicht, sagt der von Mario Voigt (CDU) ernannte neue Thüringer Umweltminister Tilo Kummer vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Es ist längst aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängt, dass dem wohl so gewesen sein wird.
Wer in der DDR auf die Erweiterte Oberschule wollte, also die gymnasiale Oberstufe besuchen und das Abitur erwerben wollte, der wurde bedrängt: Verpflichtung als Zeitsoldat zu den „Bewaffneten Organen“ ? Drei Jahre ?
Nein, Zeitsoldaten konnten sich in der DDR weder zum Wachregiment noch zu den Grenztruppen bewerben. Sie hatten einen Blanko-Scheck unterschrieben und wurden gezogen. Wohin gezogen, das war keineswegs nur Zufall. Das Ministerium für Staatssicherheit, MfS, suchte genau aus, wen es zog.
Tilo Kummer erfuhr also 1987, dass er seinen 3-jährigen Freiwilligendienst beim Wachregiment „Feliks Dzierzhinsky“ abzuleisten habe. Und dieses Regiment sei einem ausgesuchten, gewissermaßen elitärem Ministerium unterstellt: Dem Ministerium, zuständig für die Sicherheit des Staates.
Tilo Kummer unterschrieb: „Ja ich will.“
Dass solche Wachsoldaten unter anderem auch Untersuchungsgefängnisse des Ministeriums zu bewachen, Gefängniszellen auf- und zuzuschließen hatten, das weiß der ehemalige wissenschaftliche Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe.
Heute.
Ich wusste das noch nicht, als ich 1980 und mit 19 Jahren im Untersuchungsgefängnis des Ministeriums in Halle an der Saale einsaß. Ich stutze nur darüber, dass die Wachhabenden Uniformen der Nationalen Volksarmee trugen.
Und ich wage zu behaupten: Tilo Kummer wusste das zunächst auch nicht, als er die Verpflichtung unterschrieb.
Den Dienstgraden meiner damaligen Kerkermeister nach zu urteilen, müssen sie allenfalls ab dem zweiten Dienstjahr in den Untersuchungsgefängnissen eingesetzt worden sein. Und sie wechselten in sehr kurzen Abständen.
Gewiß: Es war NICHT in Zufall oder Willkür begründet, ob jemand in der DDR letztendlich hinter einer Gefängnistür stand oder vor ihr.
Der „Fall Kummer“ wäre aber geeignet, um differenzierter aufzuzeigen, wie Diktatur funktioniert.
Wird er nicht sein.
Zu hysterisch ist die Diskussion.
Wie funktioniert Diktatur?
… keine NAZI-Vergleich, aber gruseln tu ich mich doch.