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10.000 km ostwärts – eine Reise durch das beginnende 1989 (1)

PRAG, 27. und 28. Januar 1989

Schirnding in Bayern… noch ein letzter Blick zurück und dann bin ich auch schon hinter der Grenze in der Tschechoslowakei . In Cheb, den Namen spreche man „Kheb“ aus, mit einem „ACH „- Laut am Anfang und keineswegs „Tscheb“, denn das versteht keiner. Wem das zu kompliziert wird, der verwende lieber den deutschen Namen der Stadt: „Eger“.

Eine geschlagene Stunde stehen wir auf dem Bahnhof, wie immer.
Erst muß die Paßkontrolle durch den Zug, dann die Zollkontrolle, dannnnoch eine Kontrolle, dann noch eine … ein Grenzbahnhof. Im Zug warten Passagiere darauf, aussteigen zu dürfen, in der Bahnhofshalle warten die Passagiere nach Prag.

Dort stehen auch meine Schwester (*) und Frank (*) und draußen vor dem Bahnhof steht ihr „Trabbi“, mit dem es nach Prag gehen soll.
Endlich darf ich aussteigen und dann ist auch schon alles umgepackt und weiter kann die Reise gehen. Bei Vaclav (*) und Zdenka (*) in Prag ist das Bett für uns schon fast gerichtet. Ach, ist das bequem.

Es gibt viel zu erzählen, sowohl von den beiden, als auch von unseren tschechischen Gastgebern. 14 Tage sind es ja erst her, daß eine Reihe von Demonstranten auf dem Wenzelsplatz verhaftet wurde.

Der Anlaß war ein Nichtiger. Es ging um eine uralte Geschichte. Sie ereignete sich vor 20 Jahren. Damals, nach dem Ende des „Prager Frühlings“, hatte sich ein junger Philosophiestudent namens Jan Pallach auf dem Wenzelsplatz verbrannt. Junge Leute wiederum wollten im Gedenken daran jetzt einen Kranz niederlegen und eine Mahnwache von einer halben Stunde halten. Kaum jemand hätte das zur Kenntnis genommen, wenn nicht die Miliz durch ihr Eingreifen darauf aufmerksam gemacht hätte. Passanten blieben stehen, weitere eilten hinzu. Im Handumdrehen war aus dem kleinen Dutzend eine gewaltige Menschenmenge geworden.

Die Miliz wurde unsicher und schlug drauflos… Nasenbeinbrüche, ausgerenkte Glieder, Quetschungen… Doch damit nicht genug. Sofort startete die Prager Presse eine wüste Hetzkampagne gegen alle unbequemen Intellektuellen, namentlich gegen die, die sich in der „Charta 77″ zusammengeschlossen haben und gegen den, den sie für alle Unruhe im Land verantwortich macht: Vaclav Havel.

Und wer in Böhmen von diesem Mann noch nichts wußte, der weiß es jezt: Vaclav Havel ist ein Mann, der die jetzige Ordnung nicht gut findet, der für die Tschechoslowakei eine Gesellschaftsordnung ähnlich der im Westen empfehle. Ein ganz toller Kerl also.

Unser Gastgeber Vaclav (*), der mir mal sagte, dass er halt heißt, wie ein tschechischer Mann eben heißen muss, unser Gastgeber Vaclav schüttelt den Kopf über soviel politische Dummheit und er ärgert sich auch, über den heutigen Beitrag in der „Prager Abendzeitung“ zum Beispiel: Da wird berichtet, im Polizeipräsidium Prags hätte ein Zigeuner angerufen. Der habe erklärt, er würde regelmäßig die Nachrichten der „Stimme Amerikas“ hören und bekäme auch regelmäßig die Untergrundberichte der „Charta 77″. Und die hätten ihn unter psychischen Druck gesetzt.

Er solle sich auf dem Wenzelsplatz verbrennen. Und jetzt sei er ganz verzweifelt und wisse nicht mehr weiter. Vaclav (*) knallt wütend die Zeitung auf den Tisch: „Für wie blöd halten die uns denn ?“

Es herrscht wohl eine gespannte Stimmung in Prag und irgendwelche Leute haben für morgen zu einer Großdemonstration auf dem „Platz des Friedens“ aufgerufen. „Bitte geht da nicht hin morgen !“ Natürlich gehen wir hin.

Eine Menschenansammlung gibt es dort allerdings nicht. Der Platz ist menschenleer.

Schade, dass meine Schwester und Frank (*) schon wieder heim müssen.
Wir verabschieden uns voneinander und danach hatte ich mir vorgenommen, noch eine ganze Reihe von Bekannten zu besuchen.
Zuerst zu Alexander (*) …

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Über Bodo Walther

Bodo Walther, geboren 1960 in Weißenfels im heutigen Sachsen-Anhalt, studierte 1985 bis 1991 Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn. Er war aktiver Landes- und Kommunalbeamter in Sachsen-Anhalt, ist heute im Ruhestand und Anwalt in der Nähe von Leipzig.

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