Ein Gastbeitrag von Bruno Heidlberger
„Die urbane Akademikerklasse ist der neue Lieblingsfeind der Gegenwart“, notierte Adam Soboczysnki in der Zeit vom 15. November 2018. Die Dämonisierung der an der Globalisierung partizipierenden urbanen, akademischen und nicht mehr nationalgebundenen Mittelschicht hat Anhänger links wie rechts. Der Vorwurf: Der linksliberale Moralismus sei weltfremd. Er vergifte in seiner Hysterie die politische Diskussion. „Realismus“, sei so der Grundsatzreferent der SPD und Autor Nils Heisterhagen, „in Teilen der Linken, genauer in Teilen der Linksliberalen, nicht gewünscht“. Für die Darmstädter Soziologin Cornelia Koppetsch, bezeichnet die akademische Mittelschicht, also das Wählermilieu der Grünen, gar als „Mittäter“ des Neoliberalismus und setzt sich mit Alexander Gauland und Sahra Wagenknecht ungewollt in ein Boot, wenn sie „die“ Kosmopoliten en passant als Hypermoralisten verurteilt und zu Sündenböcken für die neoliberale Entwicklung und damit zu Wegbereitern für die Rechtsnationalisten erklärt. Robert Habeck, ein weltfremder Hypermoralist und abgehobener Kosmopolit? Ist da was dran?
Robert Habeck ein „Hypermoralist“, ein Realist oder jemand, der uns an die Werte der EU erinnert?
Robert Habeck und die Menschenrechtsbeauftrage der Bundesregierung, Bärbel Kofler, wollen nicht mehr wegschauen. Sie schlagen kurz vor Weihnachten vor, 4000 unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche aus völlig überfüllten griechischen Flüchtlingslagern nach Deutschland zu holen. Da sei schnelle Hilfe ein „Gebot der Humanität“. Statt sachlich konstruktiv über Habecks Vorschlag zu diskutieren folgt eine Empörungswelle gepaart von einer heuchlerischen propagandistischen Kraftmeierei vom rechten Rand. So wurde Habeck seine Intervention als „PR-Aktion kurz vor Weihnachten“ (FDP-Generalsekretärin Teuteberg), als „ein nicht hilfreicher Vorschlag zu einem durchschaubaren Zeitpunkt“ und als „unredliche Politik“ (Horst Seehofer) vorgehalten und von CDU/CSU und FDP schroff abgelehnt. Das ist gehässig und wenig kultiviert. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries sagte, Habecks Forderungen würden „weder europäischem Recht noch der gesellschaftlichen Stimmung in Deutschland gerecht“. Das Problem müsse auf europäischer Eben gelöst werden, wohl wissend, dass das in absehbarer Zeit unmöglich ist. FDP und Union lenken mit ihrer Forderung nach gesamteuropäischen Lösungen eher von der Realität ab. Markus Frohnmaier (AfD), wirf Habeck vor, sein Vorschlag provoziere „eine Wiederholung des Migrantenansturms von 2015“.
Die „Zustände in den griechischen Lagern“, berichtet Pro Asyl, seien nun „seit über vier Jahren unverändert katastrophal“. Sie ähnelten einem Gefängnis unter freiem Himmel. Gewalt gehört zum Alltag, besonders gegen Frauen und Kinder. Zudem gebe es „offensichtlich die Anweisung aus dem Bundesinnenministerium (BMI) an das BAMF, die gestellten Übernahmeersuchen zunehmend restriktiv zu prüfen“. Die humanitäre Notsituation in den Massenlagern ist „weder neu“, noch kommt sie „überraschend: Sie ist hausgemacht und politisch offenbar gewollt“, kommentiert Pro Asyl. Ärzte ohne Grenzen erklärte mit Blick auf die Zustände in Moria auf Twitter: “Keiner dieser Menschen sollte hier sein – vor allem die Kinder.“ Ein Viertel der Kinder seien suizidgefährdet. Seit Jahren wird zur Bearbeitung der Asylanträge mehr Personal gefordert.
„Das können wir nur europäisch lösen“, hört man immer öfter von denen, die sonst, was die EU betrifft, eher zurückhaltend bis ablehnend waren. Nun geschieht erstmal nichts, weil offenbar nichts geschehen soll, ganz im Sinne von Alexander Gaulands Motto „Wir wollen es gar nicht schaffen“, und dies, obgleich drei Ministerpräsidenten Hilfsbereitschaft signalisierten. Unterstützung erhielt Habeck auch vom Staatsminister im Auswärtigen Amts, Michael Roth (SPD), der bereits seit einem Jahr für eine solche humanitäre Lösung plädierte, von Pro Asyl, dem niedersächsische Innenminister Boris Pistorius von der SPD; auch die Kirchen stimmten zu. Ja, in der Migrationspolitik braucht es eine europäische Lösung, wir dürfen aber Griechenland und die Kinder, nicht alleine lassen. Anzustreben wäre eine Koalition der Willigen, wie dies auch Habeck fordert, und nur solche Kinder nach Deutschland zu holen, die einen begründeten Anspruch auf Familienzusammenführung haben. Außerdem müssten die Lebensbedingungen vor Ort umgehend verbessert werden. Ist das so schwer?
Statt ehrlicher lösungsorientierter Debatte wurde, insbesondere von rechtskonservativer und neurechter Seite, wie so oft, die Gelegenheit genutzt, die Grünen in die hypermoralische Ecke zu stellen. Für den Chefreporter der Welt, Ansgar Graw, ist „Habecks Hypermoral antieuropäisch“. Sein Vorschlag berge „wirtschaftliche wie ethische Risiken“ und folge „zudem einer gesinnungsnationalistischen Logik“. Es dauerte nicht lange und Grawe, der in den frühen 1990er Jahren sich als Referent beim rechtskonservativen Studienzentrum Weikersheim engagierte und sich als Autor im neurechten Milieu tummelt, bekam am 23.12. auf Twitter umgehend Applaus von dem Landesvorsitzenden der AfD Rheinland-Pfalz Uwe Junge. “Robert Habecks hypermoralischer Anspruch hat eine gesinnungsnationalistische Logik“. Besser konnte es für die AfD nicht laufen. Der kontaminierte Begriff wurde aus der neurechten Mottenkiste herausgekramt, aufgewärmt und mal wieder von einem Vertreter der „bürgerlichen Presse“ in die Debatte eingeschleust und salonfähig gemacht.
Die Vorgabe des Chefreporters der Welt, Ansgar Graw, wurde von Cicero, dem „Magazin mit konservativer Ausrichtung“, dankend aufgenommen . Es kommentierte Habecks Vorstoß als „Traumtänzerei mit Traumatisierten“, während die Junge Freiheit, dem „Sprachrohr der Neuen Rechten“, ihm „politischer Kindesmissbrauch“ in „moralischer Superhelden-Attitüde“ unterstellte. Und weiter: „Wer Bilder von leidenden Kindern benutzt, um den moralischen Reflex anderen aufzuzwingen und die Allgemeinheit dafür in Haftung zu nehmen, handelt hypermoralisch.“ Habeck sei ein „Hypermoralist in Reinkultur“. Es bleibe ja „nicht bei den Kindern, die als moralischer Rammbock herhalten“ müssten, vielmehr sollten die europäischen Nachbarn „vom deutschen Moralimperialismus überrollt werden“. Dabei wollte die JF das intellektuelle Niveau des Rechtsextremismus heben. Statt dessen versucht sie die Polarisierung der Gesellschaft zu fördern und hetzt gegen ihren Lieblingsfeind. „Die finanziellen noch die gesellschaftlichen Folgekosten seiner moralischen Großspurigkeit“ müssten die „andere tragen, nicht Habeck selbst und auch nicht die typische grüne Besserverdiener-Klientel“, heißt es bei Miachel Paulwitz von der Jungen Freiheit um gleich die Oper-Rolle für sich zu reklamieren: Und wenn die „ungefragt in Haftung Genommenen“ murrten oder „aufmucken“, dann seien „sie eben finstere und herzlose ‘Rassisten‘“. „Habecks Hypermoral und sein schamloser politischer Kindesmissbrauch“ seien „unanständig und unappetitlich. Gerade vor Weihnachten“. Nun fordert die EU-Kommission kurz darauf „Deutschland sowie weitere Staaten der EU dazu auf, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus überfüllten Aufnahmelagern in Griechenland aufzunehmen“. Die Kommission sei „besorgt über die schwierige Lage vor Ort (…)“. Man habe die anderen Mitgliedstaaten bereits mehrfach aufgefordert, weiter auf freiwilliger Basis unbegleitete Minderjährige umzusiedeln.
Was ist an Habecks bescheidenem Nothilfe-Vorschlag, 4000 Kinder aufzunehmen, hypermoralisch? Ich kann mich gut an die hysterische Schlammschlacht über die Obergrenze erinnern, auch sie befeuert durch die Untergangsfantasien der AFD. Und heute? Ist Habecks „Hypermoral“ antieuropäisch? Im Gegenteil, sie entspricht der Charta der Grundrechte der EU, dem Völkerrecht und der Genfer-Flüchtlingskonvention. Kinder, die ein Recht auf Asyl haben, müssen zu ihren Eltern, das garantiert auch die UN-Kinderrechtskonvention. Viele der Flüchtlingskinder haben Angehörige in Deutschland, die im Asylverfahren sind. Ihre Aufnahme ist kein moralischer Gnadenakt. Sie beruht auf einem Rechtsanspruch aus der Dublin-Verordnung auf Familienzusammenführung und dem Selbsteintrittsrecht der Staaten nach Artikel 17. Aber wer im Dreck von Moria ohne Beistand festsitzt hat es schwer, den erforderliche Antrag zu stellen und 3-Monats-Fristen einzuhalten. Habeck erinnert mit seinem Vorschlag an das, wofür die Europäische Union steht und daran, dass wir uns mit Zuständen, wie in Moria, nicht abfinden sollten. Das halte ich für realistisch. Mit Hypermoral hat das nichts zu tun. Auch ist die Situation heute nicht mit der von 2015 zu vergleichen. Die Balkanroute ist geschlossen. Obgleich die Flüchtlingszahlen in der Ägäis seit einiger Zeit zu nimmt, sind sie nicht ansatzweise so hoch wie vor vier Jahren. Habecks Intervention ist weder „unredlich“ noch eine „PR-Aktion“, sondern, sagen wir es deutlich, nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.
Ist die Hypermoral die Leitideologie unserer Zeit oder ein trojanisches Pferd der Neuen Rechten die liberale Demokratie zu zerstören?
Auf den „Moralismus“ oder auf die „Hypermoral“ der Linksliberalen zu schimpfen, gehört seit eh und je zur Metapolitik der konservativen Kulturkritik. Das Verwirrspiel zielt auf die Delegitimierung und auf den Rückbau der liberalen Demokratie. Stichwortgeber sind neben Arnold Gehlen, Friedrich Nietzsche, Botho Strauß, Alexander Gauland oder Thilo Sarrazin. Der deutsche Philosoph und Cicero Kolumnist Alexander Grau und Mitunterzeichner der Erklärung 2018 diagnostizierte in seinem Bestseller Hypermoral (2017), das er am 10. Januar 2018 auf Einladung der Bibliothek des Konservatismus in Berlin vorstellte, einen „Moralismus mit totalitären Zügen“: „Die Hypermoral sei die Leitideologie unserer Zeit“, diagnostiziert Grau. In einem kürzlich veröffentlichten Gastbeitrag im Tagesspiegel So weltoffen, so borniert charakterisiert Grau, die „herrschende Klasse“ als dezidiert progressiv, die ihre Weltsicht, ihren Lebensstil und ihre Werte so eindeutig als die allein‚ vernünftigen, allgemein gültigen‘ propagiere. Dies sei „eine Kulturrevolution ungeahnten Aufmaßes“. Der Habitus dieser neuen Elite werde nicht mehr bestimmt durch Heimat, sondern durch „den Lifestyle ihrer global präsenten Klasse“. „Diversität, Pluralismus und Kosmopolitismus“ würden „zu Meta-Werten dieser Hyperkultur“. In einer mächtigen, geradezu allmächtigen Mesalliance“, spielten sich so die „akademisch geprägte emanzipatorische neue Linke und die Erfordernisse des spätmodernen Kapitalismus gegenseitig in die Karten“. Eine Behauptung, wie wir sie von Gauland und Wagenknecht kennen. Die kulturell dominante Elite verfalle in den Irrtum, „das eigene Leben sei der normale Goldstandard“. Mit Verachtung schaue man auf jene, die „an diesem Projekt nicht teilhaben“ könnten oder wollten. Beide Wertesysteme und Sprachwelten seien unvereinbar.
Die Umwertung der liberaler Werte durch sprachliche Verwirrspiele
Unehrliche Politik beginnt immer mit der Sprache und verwandelt sich dann in Propaganda. Verbale Tarnung, sprachliche Verwirrspiele und Design sind Teil des neurechten strategischen Ziels, die „kulturelle Hegemonie“ im Anschluss an Antonio Gramsci zu erlangen. Götz Kubitschek notierte dazu in der Sezession vom Februar 2009: Nicht ohne Grund stellt unsere Zeitschrift ihre Begriffsdefinitionen auf der letzten Seite unter ein Motto von Konfuzius: „Zuerst verwirren sich die Worte, dann verwirren sich die Begriffe und zuletzt verwirren sich die Sachen“. Man kann dieses Motto auch als eine unbeabsichtigte Offenbarung und Selbstbeschreibung der neurechten Metapolitik verstehen, der sich inzwischen auch Linke, Christdemokraten, freie Demokraten, zuweilen auch Sozialdemokraten bedienen, ohne offenbar zu wissen, auf welchem Tiger sie da reiten. Oder nimmt man das „bisschen Populismus“ gar bewusst in Kauf? Letztendlich begibt man sich in die Gespenstergesellschaft neurechter Vordenker und treibt sich und die Gesellschaft weiter nach rechts. „Der ,liberale‘ Westen“, meint der 29-jährige Student der Philosophie und Rechtswissenschaft Martin Sellner, Ziehsohn von Götz Kubitschek und Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich, bilde sich „viel darauf ein, die Ideologien des 20. Jahrhunderts überwunden […] zu haben“. Doch das sei „ein Betrug“. Die „Ursprünge des Totalitarismus“ würden „ungebrochen“ fortwirken. „Die Kernelemente des totalitären Denkens, der rückhaltlose Zugriff auf die gesamte Welt, die messianische Utopie der Überwindung des Bösen, der Errichtung einer neuen Gesellschaft und des Fortschritts in eine strahlende Zukunft“ sei „nach wie vor das Fundament für die herrschende Hypermoral“. Letztendlich gehe es den Liberalen „um die Etablierung einer geeinten Menschheit, die sich durch ‚Nebensächlichkeiten‘ wie nationale oder religiöse Zugehörigkeiten nicht mehr ‚spalten‘ lasse.“ […] Sellner kommt zum Kern seines Gedankens , wenn er schreibt: „Die Hypermoral erweist sich als eigentliches Wesen des Totalitarismus.“
Ludwig Wittgenstein zeigt uns, Wörter sind keine Fenster zur Welt, Wörter machen die Welt, sie strukturieren unsere Gefühle, unsere Sinne, unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung. Mit der Sprache können wir unser und das Leben der Anderen gestalten. Wörter können ermutigen und Angst machen. Die humane Sprache droht nicht, grenzt nicht aus und diskriminiert nicht, sondern verbindet, ist großherzig; auch gegenüber denjenigen, die in Not sind. Die Sprache der Neuen Rechten ist eine Sprache der Verängstigung, Aufhetzung und Ausgrenzung gegen einen vermeidlichen Feind. Ihre Sprache vergiftet das Sehen und Denken. Sie pflanzt Neid, Hass und Missgunst, Intoleranz und Gewalt in die Herzen der Menschen. Sie macht aus Unmoral Moral und aus Unrecht Recht. In Wirklichkeit geht es bei dieser Debatte um Recht und Rechte. Nicht das Leben der „urbanen Akademikerklasse“ ist der „normale Goldstandard“ (Grawe), sondern das Recht. Konkret das Asylrecht und die Grund- und Menschenrechte. Diese „funktionieren in der Rechtsordnung nur als positives Recht, das nicht von moralischen Prinzipien, sondern ausschließlich von anderen Rechtsnormen begrenzt wird“, bemerkt Hauke Brunkhorst. Das heißt nicht, dass es keine Beziehung zwischen Recht und Moral gibt. Die „gängigen Menschenrechte drücken in der Regel tiefsitzende moralische Intuitionen aus“. Auf den „Moralismus“ oder auf die „Hypermoral“ der Linksliberalen zu schimpfen, gehört seit eh und je zur Metapolitik der rechtskonservativen Kulturkritik. Das ist nicht neu – wie auch die neue Rechte eigentlich die alte Rechte geblieben ist. Der Faschismus trägt heute moderne Kleider. Das Neue an der Neuen Rechten ist nicht ihre Ideologie, sondern ihr Design, ihr öffentliches Erscheinen. Dazu gehört ihre metapolitische Begriffsarbeit. Die führenden Köpfe der Neuen Rechten zeigen sich inzwischen derart professionalisiert, dass ihr Rassismus und ihre völkische Weltanschauung als solche in der breiten Öffentlichkeit kaum mehr als solche kenntlich wird und immer mehr den Diskurs bestimmt. Dabei zielt ihr Verwirrspiel mit Begriffen wie Hypermoral auf den Rückbau der liberalen Demokratie.
Autor:
Dr. phil. Bruno Heidlberger
*1951,1987 Promotion zum Dr. phil., Studienrat für Geschichte, Politik, Philosophie. Lehraufträge an der TU Berlin und an der MHB Brandenburg. Autor: „Jugoslawiens Auseinandersetzung mit dem Stalinismus. Historische Voraussetzungen und Konsequenzen“, 1989, „Wohin geht unsere offene Gesellschaft? 1968‘ – Sein Erbe und seine Feinde“, Logos Verlag Berlin 2019, Verfasser von Essays und Rezensionen in philosophischen und politischen Fachzeitschriften.
Es gibt viele Menschen, die die Migration (Jahr 15/16) so nicht wollen, dazu zähle ich mich auch. Der Schreckmoment sitzt noch vielen in den Knochen und, Hand aufs Herz, das Vertrauen in die Verantwortlichen ist nicht besonders groß. Was tun? Die schlechte Behandlung der Flüchtlinge gibt uns das Gefühl, etwas unternommen zu haben, um etwas an Härte nachzuholen, die wir 2015 verpasst haben. Wer heute in dem Zusammenhang von Hypermoral redet, ist selbst schon auf der Hyperebene – Geburtenraten, Kulturen und das große Ganze. Das große Ganze erfordert große Gesten und die verwahrlosten Kinder in Lagern sind eine große Geste. Die Verhältnisse in den Lagern werden unter die Schwelle der Erträglichkeit gedrückt, bis sich überall herumgesprochen hat, was die Menschen hier erwartet. Aber eben nur so wenig, dass niemand tot umfällt und wir uns nicht schuldig fühlen müssen. Von Storch (wähle ich nicht) hat vom Gebrauch der Schusswaffe fabuliert, die Lager sind nichts anderes, nur in Zeitlupe. Habeck wiederum hat uns darauf aufmerksam gemacht (ich wähle trotzdem auch ihn nicht) und der Vorwurf der Hypermoral ist im Grunde eben ein freudscher Versprecher. Im Sinne des Großen Ganzen, bringen wir Opfer (nur ohne Leichen und die Opfer bringen eigentlich andere). Das macht es besonders perfide, denn im Kern trauen wir uns nicht zuzugeben, dass wir die Leute dort nicht hier haben wollen, aber wir wollen auch nicht wie Beatrix von Storch sein. Also reden wir uns ein, dass ein Kontinent, der jedes Jahr hunderttausende Festivalbesucher unterbringt, nicht in der Lage sein soll, ein paar tausend Kinder auf einer Insel menschenwürdig unterzubringen. Welch ein Unsinn. Habeck ist nicht Hypermoralisch, wir sind nicht ehrlich, vor allem nicht zu uns selbst. Wir glauben nicht an die Ursachenbekämpfung, Steuerung und die ganzen Mechanismen, wir vertrauen letztlich doch dem Kopf auf der Lanzenspitze, den jeder weit und breit sehen soll. Hätten wir vertrauen in Ursachenbekämpfung, Steuerung und die ganzen Mechanismen wäre der Fall eigentlich sofort klar: so geht das nicht. Wir haben kollektiv unsere moralischen Standards im Interesse des großen Ganzen gesenkt und nun sind wir böse auf die, die unseren Kram von gestern erzählen, denn insgeheim wissen wir auch, dass der Kopf auf der Lanze immer relativ schlimm zu dem ist, was die Menschen zur Flucht treibt. Würde das mit der Lanze wirklich funktionieren, würden wir noch öffentlich hängen. Wir sind in vielen Punkten ratlos und das macht aggressiv. Doofer Habeck.
Lieber Bruno Heidlberger: Wenn jemand meint, er müsse aus moralischen Gründen eine bestimmte Politik machen, machen er oder sie POLITIK. Die Handlungen folgen der politischen Logik. Man braucht Macht, Mehrheiten, man handelt strategisch und taktisch und nutzt Situationen aus: alles das ist nun einmal Politik und wird allenfalls moralisch bemäntelt. Gute Politik folgt Überlegungen, die Funktionieren können. Schlechte Politik ist spekulativ und tendenzielle heuchlerisch.
Moral folgt einer ganz anderen Logik. Sie muss autonom sein und auch immun gegen reinen Opportunismus und der Prägung durch den jeweiligen Zeitgeist. Am ehesten würde ich zustimmen, wenn Sie Ihren Jargon der Eigentlichkeit weg lassen würden (etwa die Rede von der „echten“ Moral streichen) und allenfalls eine extrem unmoralische Politik anprangern – besser verbrecherische Politik! Die Grünen sind schwierig, weil sie nie sagen, wie ihre Ziele eigentlich umgesetzt werden sollen. Sie setzen auf Symbolik und benutzen nur noch eine Öko-Sprachen. Man kann es ihnen glauben, dass sie irgendwann noch zu einer ökologischen Politik finden werden. Aber ich zweifle! Das Wort „Hypes-Moral“ ist überflüssig. Es ist symbolische Politik.
Nun zum Unterschied zwischen Lenin und Stalin:
Das kann präzisiert werden. Lenin ist der Erfinder des sog. „Marxismus-Leninismus“. Diese Ideologie hat ja eigentlich mit Marx nur den Namen, der propagandistisch benutzt wird, gemein. Aber immerhin: bei Lenin schwang noch ein sozialistisches Ideal mit, obwohl er – genau betrachtet – ein reiner Machtpolitiker war, auch ein Makro-Verbrecher (er ließ große Zahlen von Menschen verhungern). Stalin aber hatte nicht einmal den fernen Hauch von marxistischen Zielen wie etwa die „Aufhebung der Ausbeutung“ im Sinn. Er war nur noch ein brutaler Diktator. So gesehen gehören er und Mao in dieselbe Kategorie wie Hitler. Aber die Neigung blieb. Makro-Verbrechen wurden scheinbar moralisch bemäntelt. „Moral“ verkam zu Vernichtungspolitik.
Hallo Frau Monika Frommel,
ich habe mich zu der undifferenzierten Aussage, „Ihr Satz
‚Wer Moral und Politik verwechselt, wird zwangsläufig totalitär’, ist falsch“, am Schluss meines Textes unüberlegter weise hinreißen lassen. Er entspricht nur bedingt dem, was ich danach ausgeführt habe und worum es mir ging. Das hätte Ihnen deutlich werden können. Ich nehme ihn gerne zurück, gleichwohl bleibt er m. M. als schillernder Satz, der einige Hintertürchen offenlässt, problematisch und damit diskussionswürdig. Das gilt auch für Ihren neusten Satz: “Moral muss autonom sein.“ Es kommt schon darauf an, wer solche Sätze spricht und in welchen Zusammenhang man sie stellt. Sie können je nach politischer Einstellung jeweils anders gemeint sein. Beide Sätze könnten auch von Autokraten für ihre von jeglicher Moral losgelösten Politik missbraucht werden.
Diskussionswürdig, weil in beiden die Vorstellung von der völligen Trennung von Moral und Politik mitschwingt. Das fand ich falsch! Dagegen habe ich unmissverständlich angeschrieben und keineswegs für die Herrschaft der Moral über die Politik plädiert.
Sie schreiben:
„Wer zur Moral gezwungen wird, lebt in einer Diktatur. Wenn diese Diktatur sich auch noch für “moralisch” überlegen erklärt, wird sie totalitär.“ In seiner Abstraktheit ein richtiger Satz: Moral und Politik, Privatheit und Politik gehören getrennt. (Historische Beispiele wären gut gewesen.) Hierbei gibt es keinen Dissens. Dazu habe ich unzweideutig geschrieben: „Die Verabsolutierung einer Moral, die zum Katechismus oder gar zur Religion mutiert, ist unmenschlich und abzulehnen.“ Auch, dass Moral und Politik zwei funktional getrennten Bereichen angehören und angehören müssen habe ich in meiner Antwort an Sie deutlich und klar herausgearbeitet.
Dass ich dann ausführlich auf das von Ihnen formulierte Problem, mangels Beispielen, auf Lenin eingegangen bin, hängt mit Ihrem etwas unklaren Satz zusammen: “Vielleicht könnte man so gerade noch Lenin nennen.“ Das hat mich stutzig gemacht und als ein von Ihnen gemeintes Beispiel verstanden: D.h., dass zumindest Lenin sich von moralischen Erwägungen habe leiten lassen. Mein Anliegen war nun aufzuzeigen, dass diese Art von „Lenin-Moral“, wie wir sie auch von Hitler, Stalin, Mao, Pol Pot oder beispielsweise Iran, kennen, eigentlich nichts mit Moral im echten Sinne des Wortes (Ethik) zu tun hat, es hier sich hierbei um pervertierte Formen von Moralen handelt, also um ihr glattes Gegenteil. Sie verstoßen nicht nur gegen das erste Gebot: Du sollst nicht töten, sondern negieren alle Grund- und Menschenrechte.
Falls es Sie interessiert, noch einmal ausführlich:
Ich habe mich aus folgenden Gründen zu dem Satz hinreißen lassen, weil ich deutlich machen wollte, dass Politik der Moral (Ethik) bedarf:
1. Weder Stalin, aber auch der von Ihnen genannte Lenin, hatte nichts mit Moral im positiven Sinne (Ethik) zu tun.
2. Politik ohne echte Moral ist unmenschlich. Sie führt im schlimmsten Fall in den Gulag, nach Auschwitz, auf die Killing Fields oder in koreanische oder chinesische Umerziehungslager.
3. Echte Moral schützt vor totalitären Versuchungen.
4. Politik ohne echte Moral führt zwangsläufig zum Totalitarismus.
5. Politik und Moral bedürfen letztlich einander. Allein Art. 1 GG ist ein moralischer Satz.
6. „Das Verhältnis von Ethik und Recht besteht weder in einer einfachen Abhängigkeit noch in einer völligen Unabhängigkeit des Rechts von der Ethik. Treffender ist die Rede von einem wechselseitigen Ergänzungsverhältnis.“ (Klaus Günther)
7. Verabsolutierung einer Moral, die zum Katechismus oder gar zur Religion mutiert, ist unmenschlich und abzulehnen.
8. Der m. E. erklärungsbedürftige Satz: “Wer Moral und Politik verwechselt, wird zwangsläufig totalitär”, muss deshalb grundlegend geändert werden, so dass gilt: Politik ohne Moral führt zwangsläufig zum Totalitarismus. Das ist, was ich Ihnen in aller Ausführlichkeit mitteilen wollte. Darauf sind Sie in Ihrer Antwort nicht eingegangen.
Anmerkung:
1. Ich kann aktuell nicht erkennen, dass unsere politischen Einrichtungen von Moralaposteln mit ihrer Moralpolizei bedroht sind. Das halte ich für ein propagandistisches Gespenst und erinnert mich doch sehr an Gehlen, Sarrazin, Gauland und Grau. Stichworte: Tugendterror, Hypermoral, Political Correctness.
2. Wann hat jemals echte Moral die Politik dominiert? Können Sie Beispiele nennen? Es ist doch eher ein umgekehrtes Problem: Siehe Bolsonaro, Putin, Trump, usw.
3. Was ist echte Moral? Du sollst nicht töten, nicht stehlen, nicht betrügen, nicht lügen, kein Lebewesen quälen, Menschen in Not helfen, Menschen mit anderen Meinungen, anderer Hautfarbe, Religion, Geschlecht usw. respektieren, … Steht alles und noch mehr im GG! Vor allem in: Art. 1 Abs. 1-3.
4. Die Würde zu achten ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Die Menschenrechte sind Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft. Die Grundrechte binden die Gesetzgebung.
5. Alle völkischen Rechtsnationalisten wollen ihre Politik von der Moral (Grund- und Menschenrechte) trennen. Das nennen sie illiberale Demokratie. Das widerspricht dem GG.
Viele Grüße
Bruno Heidlberger
Der Autor meint, folgender Satz sei falsch: “Wer Moral und Politik verwechselt, wird zwangsläufig totalitär«. Er vermisst eine Erklärung. Die soll er haben. Politik bedeutet die Durchsetzung von Mehrheitsmeinungen. Moral muss autonom sein. Wer zur Moral gezwungen wird, lebt in einer Diktatur. Wenn diese Diktatur sich auch noch für „moralisch“ überlegen erklärt, wird sie totalitär. Der Mainstream lässt dann keine moralischen Differenzen zu! Moral ist aber immer strittig.
Da weiter unten nicht freigeschaltet, nochmal hier oben:
@KJN
“Heute-Show-Niveau” hin oder her: Der “Mann mit Hut” ist keine Karikatur, sondern Realität.
Auf Ihren Satz, dass wer Politik mit Moral verwechsle, “zwangsläufig” totalitär werde, hat Herr Heidberger in seiner Entgegnung an Sie und Frau Frommel das Richtige gesagt. Bezeichnend, dass er dabei auf Binsenweisheiten zurückgreifen musste. Und dass Ihnen im Zusammenhang mit “totalitär” gleich noch der Massenverbrecher Stalin einfiel, lässt zumindest die Frage zu, welche Affekte da mit Ihnen durchgegangen sind. In welchen Kategorien Sie denken, welche “Frontlinien” Sie perhorreszieren, wird deutlich, dass Sie unterstellen, “Klimaleugner” würden mit Holocaustleugnern gleichgesetzt. Und schließlich: Eine Partei, deren nunmehr Ehrenvorsitzender einen Nazi nicht etwa am Rand, sondern in der “Mitte der Partei” verortet, für weniger gefährlich für die Demokratie zu halten als die Grünen, rundet das Bild ab.
Alles erfrischend ehrlich und klar, aber dennoch schade.
P.S. Meine Zeit, dies für Sie zu tippen, ist mir nicht zu schade, da ich Sie eigentlich sehr schätze.
Hallo Klaus J. Nick,
1. „Das eigentliche haben Sie aber nicht verstanden, bzw. wollten es nicht verstehen…“
Mag sein, dass ich Sie nicht verstanden habe oder, dass Sie sich nicht verstanden fühlen. Ich für meinen Teil, Sie sicher auch, versuche grundsätzlich mein Gegenüber zu verstehen, sonst kann ich diesem ja nicht vernünftig antworten. Warum dann überhaupt reden! Jedes Gespräch wäre sinnlos.
2. Zum Thema Flüchtlinge und Asylrecht etc. habe ich alles gesagt.
3. „Daher nochmal anders: Demokratie ist nicht deckungsgleich mit Freiheit. Es sollte daher nur das zum Teil des demokratischen Prozesses gemacht werden, was für unser das Gebiet unseres Verwaltungsbezirkes (Bundesrepublik Deutschland) (überlebens-)wichtig ist.“
Was ist „überlebenswichtig?“ Ist es die soziale Gerechtigkeit, die Mindestrente, der Mindestlohn, die Klimapolitik, die Bildung etc? Da gehen wahrscheinlich die Ansichten auseinander. Nicht nur bei uns beiden. Das macht aber nichts. Das kann man öffentlich diskutieren. Jeder kann seine Meinung dazu sagen oder schreiben. Aufgabe der Parteien ist dann, Kompromisse zu finden, den man als Anhänger der parlamentarischen Demokratie akzeptiert. Anmerkung: Ich persönlich möchte in einer Gesellschaft unter Menschen leben, die sich wie ich, wohl fühlen und gerne darin leben möchten. Das ist mehr als mit einem überlebenswichtigen Minimum auskommen zu müssen.
4. „Ich möchte nicht in einer WG landen, in der (demokratisch) darüber abgestimmt wird, was morgen auf meinem Teller landet.“
Hier stimme ich Ihnen sofort zu. In offenen Gesellschaften soll m. E. gelten: soviel Freiheit wie möglich, soviel Staat wie nötig. Die jeweilige Gewichtung kann sich im Laufe der Zeit ändern. (Das neueste Buch von Andreas Reckwitz ist dazu empfehlenwert). In offenen Gesellschaften macht der Staat den Menschen in Hinblick auf ihr privates Leben keinerlei Vorschriften, wie beispielsweise, was wir essen, welche erwachsene Person wir wie lieben, was wir glauben, wie viel Kinder wir haben, ob man Organe entnehmen oder abtreiben darf usw. Auch die Grünen haben das nicht vor. Anders in totalitären Staaten.
Wie Sie bin auch ich ein freiheitsliebender Mensch. Wenn wir menschlich bleiben wollen, dann gibt es nur einen Weg, den Weg der pluralistischen, offenen und sozialen Gesellschaft. Faschismus und Kommunismus waren Versuchungen der Unfreiheit. Gleichwohl bedeutet jede Verfassung der Freiheit auch ihre Begrenzung. Es muss natürlich gute Gründe für ihre Begrenzung geben. Der große Liberale Ralf Dahrendorf meinte, dass Freiheit unvollkommen bleibt, wenn sie nicht allen zukommt. Ungünstige soziale Verhältnisse können die Ausübung von Freiheitsrechten erschweren, gar unmöglich machen. Deshalb betonte Dahrendorf, dass es zuweilen nötig sei, ein Stück Freiheit zu opfern, um gerechtere Verhältnisse zu schaffen. Auch Apathie und Nicht-Handeln kann Freiheit zerstören; so eröffnen sich Chancen für Populisten. Denken Sie an die Politik der Untätigkeit der Bundesregierung der letzten Jahre: Einwanderung, Integration, Bildung, Infrastruktur, Agrar-, Verkehrs- Energiewende, Klimawandel usw. Freiheit kann, wenn sie nicht genutzt wird, sterben.
5. „Und bitte – unterlassen Sie Unterstellungen – ich würde mit der Demokratie hadern.“
Es ist nicht meine Art meinem Gegenüber bewusst „etwas zu unterstellen“. Vor Missverständnissen ist natürlich niemand gefeit. Also, auch ich halte die Demokratie für die beste Staatsform, die wir haben. Ich würde das aber noch präzisieren: Demokratie ist nicht allein Wahlrecht, wie in Ungarn, Polen, der Türkei, Russland oder Iran. Zur Demokratie gehören m. E. Grund-und Menschenrechte, Recht- und Sozialstaat, wie das unser GG definiert. Sozialstaat ist eben nicht die Einrichtung eines totalen Wohlfahrtsstaates. Die Sozialstaatlichkeit bezeichnet den Inbegriff aller Pflichten des Staates, die Achtung der Menschenwürde und das damit verbundene Rechtsstaatsprinzip im sozialen Bereich.
6. „Allerdings bin ich gegen die ‘Grünen’ allergisch, weil ich sie mittlerweile als größere Bedrohung für ein freiheitliches Gemeinwesen ansehe, als de AfD.“
Diese Aussage halte ich für absolut falsch. Die Grünen werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet, noch sind sie ein Prüffall. Die Grünen sind heute eine „ganz normale Partei“. Es gibt ein neues grünes Grundsatzprogramm. Schauen Sie mal hinein.
Beste Grüße
BH
„Sie sollten Ihren Beitrag unbedingt weiterfuehren, tiefer gehen und einen zweiten oder dritten Teil verfassen…“
Lieber Herr James Taylor, besten Dank für Ihre positive und aufbauende Rückmeldung. Wenn Sie Lust haben, dann können Sie von mir mehr dazu in der Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“ 4/2019 (Hrsg. Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg) lesen. Der Text gibt einen Einblick in mein neustes Buch „Wohin geht unsere offene Gesellschaft? 1968 – Sein Erbe und seine Feinde,“ in dem ich m. E. das Thema gründlich ausgelotet habe. Auf https://www.socialnet.de/rezensionen/26116.php können Sie dazu eine Rezension lesen. Kürzlich habe ich bei https://www.socialnet.de/rezensionen/26269.php eine Rezension zu dem neuesten Buch von Daniel Hornuff „Die Neue Rechte und ihr Design“ verfasst. Auf https://gegneranalyse.de/populismus-von-links-gegen-populismus-von-rechts-1/ gibt es von mir eine Besprechung des Buches von Cornelia Koppetsch „Die Gesellschaft des Zorns. Rechtspopulismus im globalen Zeitalter“ , die beide das von Ihnen Angesprochne vertiefen.
Überhaupt gibt es zu dem Thema eine Menge sehr guter Bücher, z.B. von Volker Weiß: „Die Autoritäre Revolte“, oder von Wilhelm Heitmeyer: „Autoritäre Versuchung“, auch von Robert Habeck: „Wer wir sein könnten“.
Viele Grüße
BH
Hallo Frau Monika Frommel,
“Wer Moral und Politik verwechselt, wird zwangsläufig totalitär. Das stimmt,«
schreiben Sie und folgen darin Klaus J. Nick. Warum das stimmen soll, erklären Sie leider nicht. Ich halte diesen Satz für falsch.
Nach Marx ist die Moral immer die Moral der Herrschenden. Das finde ich auch falsch, aber dazu später. Für Stalin war alles moralisch gut, was der „Klassenherrschaft“, also seiner Macht nützte und dem sog. „Klassenfeind“ schadete. Das sah Lenin nicht anders. Schon unter Lenin gab es eine Geheimpolizei (Tscheka), die „Klassenfeinde“ folterte und eliminierte. Stalin machte da weiter. Echte Moral – Die Würde des Menschen ist unantastbar. Du sollst nicht töten – wäre da nur hinderlich gewesen. Heute würde man die Tscheka als Terrorgruppe einstufen. Wie unmoralisch und unmenschlich die Tscheka vorging können Sie alles nachlesen bei: „Der Blutrausch des Bolschewismus. Berichte eines Augenzeugen über die Schreckensherrschaft der Bolschewisten in Russland“, die ein gewisser Robert Nilostonski 1920 bei der Neudeutschen Verlags- u. Treuhand-Gesellschaft in Berlin erscheinen ließ.
Nicht anders war das bei Hitler. Auch er glaubte moralisch im Recht zu sein und gut zu handeln. Der Rassenwahn war aber von vornherein die Aushebelung und Pervertierung von Moral. Reichsführer SS Heinrich Himmler formulierte das in seiner Rede auf dem Posener Schloss vor 92 SS-Offiezieren 1943 so: “Wir haben das moralische Recht, wir hatten die Pflicht unserem Volk gegenüber, das zu tun, dieses Volk, das uns umbringen wollte, umzubringen.“ Die unglaublichste Perversion des Moral- und Pflichtbegriffs verkörperte Adolf Eichmann. Von seinem Schreibtisch in der Kurfüstenstraße in Berlin organisierte er die Vertreibung der Juden aus dem Deutschen Reich, den eroberten Gebieten Polens und später auch weiteren europäischen Ländern. 1941 besichtigte er das Vernichtungslager Auschwitz. Man könne „töten und gleichzeitig anständig bleiben“. „Man tue ja nur seine Pflicht“, meinte Eichmann vor Gericht in Jerusalem 1961 und bezog sich ausgerechnet auf Kant. Der hätte sich um Grab umgedreht. „Ohne Moral lässt sich kein Genozid durchführen“, bringt der Soziologe Harald Welzer diese Pervertierung der Moral auf den Punkt. Mit Moral im wirklichen Sinne haben der Kommunismus und der Nationalsozialismus herzlich wenig zu tun. Der sog. Kommunismus war eine „geistige und moralische Verirrung“ (A. Posener). Lenin, Stalin oder Hitler waren aber nicht totalitäre Herrscher, weil sie an die Stelle der Politik die Moral setzten. Ihre Politik glänzte vielmehr durch die völlige Abwesenheit von Moral. Echte Moral war in ihren Augen entweder die Ideologie des Klassenfeindes oder die von Schwächlingen. Also nicht jeder, der sich auf Moral bezieht, denkt oder handelt moralisch im ethischen Sinne. Das gilt auch heute für diejenigen, die meinen, sie würden Demokratie und Rechtsstaat verteidigen, aber von „Umvolkung“, „Lügenpresse“, „Altparteien“ und „Säuberung“ sprechen. Hätten Lenin, Stalin & Co. einen Funken Moral bei sich gelten lassen, wären sie weniger totalitär gewesen. Ihr Satz, Frau Frommel, “Wer Moral und Politik verwechselt, wird zwangsläufig totalitär”, muss deshalb grundlegend geändert werden, so dass gilt: Politik ohne Moral führt zwangsläufig zum Totalitarismus.
Moral ist aber keine feste Größe. Bei uns Menschen ist auch das Moralempfinden unterschiedlich ausgeprägt. Die moralischen Werte verändern sich im Lauf der Zeit. Konnte man noch vor einigen Jahren sich über Schwule, Lesben, Behinderte und Frauen abfällig äußern oder lustig machen, ist das heute anders. Die gesellschaftliche Einstellung hat sich bei der Mehrheit der Deutschen, z.B. auch in Hinblick auf die Aufnahme von Flüchtlingen, gewandelt. Deutschland vor 40 Jahren war moralisch und kulturell weniger offen und tolerant als heute. Menschen in Not zu helfen ist nicht nur moralische, sondern auch gesetzliche Pflicht. Das gilt nicht nur für Flüchtlinge. Denken Sie an Ertrinkende oder Schwerverletzte. Diese Moral gilt universell.
Richtig ist, Moral und Politik gehören funktional zunächst zwei unterschiedlichen Bereichen an. Moral ist die „Gesamtheit von ethisch-sittlichen Normen, Grundsätzen, Werten, die das zwischenmenschliche Verhalten einer Gesellschaft regulieren, die von ihr als verbindlich akzeptiert werden.“ Politik bezeichnet die Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens durch verbindliche Entscheidungen (Wikipedia). Politik regelt das Zusammenleben durch Gesetzte, die Moral ist da weniger rigide, sie sagt nur, man sollte so und so handeln. Da gibt’s keine Strafe, günstigenfalls regt sich das schlechte Gewissen, wenn die Moralerziehung gelungen ist. Die Moral fordert uns als freie Wesen stärker heraus als das Gesetz, weil wir hierbei Verantwortung übernehmen müssen, auch für andere. Das kann unsere Freiheit einengen. Politik und Moral bedürfen letztlich einander. Als moralische und vernunftbegabte Wesen sind wir im Stande, über unsere Handlungen und deren Motive nachzudenken. Manchen fällt das einfach anderen eher schwer. Letztere fühlen sich oft nur belästigt, wenn es darum geht nachzudenken.
Es hat also nur einen Sinn, nach dem Verhältnis von Moral und Politik zu fragen, wenn man anerkennt, dass es auch in der Politik moralisch zugehen sollte. Steuergerechtigkeit, gerechter Lohn, Aufstiegschancen, ein funktionierendes Gesundheitssystem, Medizin, Rente, Bildung, respektvoller Umgang miteinander und vieles andere mehr wäre in einer freiheitlichen Gesellschaft ohne moralische Maßstäbe überhaupt nicht möglich. Allein Art. 1 GG ist ein moralischer Satz. Auf ihm ist unser Grundgesetz aufgebaut, auf ihm basiert unserer Zusammenleben. Heute wird in der Politik und Wirtschaft viel mehr als früher nach den ethischen Auswirkungen von Entscheidungen gefragt. Das halte ich für einen menschlichen Fortschritt. Die Verabsolutierung einer Moral, die zum Katechismus oder gar zur Religion mutiert, ist unmenschlich und abzulehnen. Das meinen Sie vielleicht mit dem Begriff „Öko-Moralismus“. Interessant wäre, was Sie genau darunter verstehen? Das Eintreten für klimapolitische Maßnahmen oder die Bevormundung durch Leute, die den Zeigefinger auf einen richten, wenn man mit der Plastiktüte einkauft?
In seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ unterscheidet Immanuel Kant zwischen dem politischen Moralisten, den er verurteilt, und dem moralischen Politiker, den er lobt. Der moralische Politiker ist derjenige, der die Moral nicht den Erfordernissen der Politik unterordnet, sondern die Prinzipien politischer Vorsicht so interpretiert, dass sie mit den Prinzipien der Moral in Einklang stehen können. Wir wissen, dass Erasmus von Rotterdam und Kant hier eine normative Idee, ein anzustrebendes Ideal formuliert haben. Wir wissen auch, dass auf Dauer die Abwesenheit von Moral und Wahrheit menschliche, gesellschaftliche und zwischenstaatliche Verhältnisse zerstört.
„Edelsozialisten aller Zeiten“ oder das Träumen vom „demokratischen Sozialismus“ halte ich nicht für das aktuelle Problem unserer Zeit. Wir befinden uns m.E. immer dann auf einem „abschüssigen Weg“, wenn an die Stelle des zuvorkommenden, freundlichen, respektvollen, kurz zivilisierten Umgangs, Häme, Hetze und Hass, letztendlich die Gewalt, tritt. Menschen drohen Politikerinnen mit dem Tod, fordern „Säuberungen“, wie während der Zeit Stalins und Hitlers, wollen Amtsträger „vergasen“ oder gleich „aufhängen“ oder schießen sie kurzerhand tot. Auch Polizistinnen, Sanitäter, Muslime, Juden, werden angegriffen. Politikerinnen und Mandatsträger ziehen sich aus der Politik aus Angst zurück. Das schwächt unsere Demokratie. Genau da befinden wir uns heute oder wie der jüdische Pianist Igor Levi erklärt: Die „moralische Richtung stimmt nicht mehr“. Heute geht die Verrohung nicht vom Staat, sondern von seinen Bürgerinnen aus. Schärfere Gesetze können allein wohl kaum das gestörte gesellschaftliche Klima wieder ins Lot bringen, hier ist jeder selbst gefragt. Hier muss jeder Verantwortung übernehmen. Hetze, Ressentiments und Gewalt ist der falsche Weg. Der „Prozess der Zivilisation schreitet mit der Emotionskontrolle voran“, schreibt der Soziologe Norbert Elias. Leider ist ein Teil unserer Gesellschaft anti-zivilisatorischer geworden.
Sehr geehrter Herr Heidlberger,
Sie sollten Ihren Beitrag unbedingt weiterfuehren, tiefer gehen und einen zweiten oder dritten Teil verfassen, weil das wichtig fuer die Einordnung und das Verstaendnis der neuen alten Rechten und Rechtsextremen ist. Der von Ihnen angefuehrte Herr Alexander Grau macht ja etwas unfassbares, denn er fuehrt die Gedanken von Arnold Gehlen fort, so als haette es den 8./9. Mai 1945 niemals gegeben. Das Wort „Hypermoral“ ist in der Tat als nationalsozialistischer Kampfbegriff zu betrachten, wobei sich in der rechten Gedankenwelt eine uebersteigerte Moral rhetorisch in das Boese verwandeln soll. Robert Habeck beispielsweise ist mit seiner Forderung nicht moralisch oder uebersteigert moralisch, sondern verantwortungsethisch. Wie bekannt, ist die Moral die Gesamtheit der ethisch-sittlichen Normen. Der Vorwurf der Rechten und Rechtsextremen ist schon aus diesem Grunde weit neben dem Ziel, dient somit allein dem Frame, dass diese Haltung gegen die eigene Sippe und das eigene Volk gerichtet sei – und stellt somit eine eindeutig nationalsozialistische Interpretation dar (ganz im Sinne von Arnold Gehlen). Weiter so, entlarven Sie diese Leute, bitte mehr davon.
Jawollja, wer Kinder aus unerträglichen Verhältnissen befreien möchte, ist ein „Hypermoralist“. Und wenn der Vorschlag kurz vor Weihnachten gemacht wird, dann missbraucht Herr Habeck auch noch die „Christliche Botschaft“! „Lasset die Kindlein zu mir kommen“? Aber ja doch, aber nur weiße mit biodeutschem Hintergrund. So weit so klar. Und welche Bezeichnung würde den Damen und Herren Foristen nun für die eigene Haltung genehm sein? Deutscher Herren(Damen)mensch vielleicht? Und alle, die „europäische Lösungen“ fordern, wissen genau, dass das mit „Partnern“ wie Polen oder Ungern nichts wird. Sie fordern also, dass alles so bleibt, wie es ist. Uns gehts gut, so soll es bleiben, und die Hungerleider jeglichen Alters sollen und gefälligst aus den Augen bleiben. Denn wir sind eine Wertegemeinschaft, also eine Gemeinschaft mit Geld-und Sachwerten.
Manchmal kann ich gar nicht soviel fressen…. Den Satz können die gebildeten Foristen sicher selbst vervollständigen. Einen idyllischen Tag allerseits.
„Der Faschismus trägt heute moderne Kleider.“
Geht´s eigentlich auch eine Nummer kleiner? Die WELT oder den CICERO als mediale Vorkämpfer des Faschismus zu identifizieren lässt mich an der intellektuellen Redlichkeit oder den Nerven des Vortragenden zweifeln.
Gruss,
Thorsten Haupts
@KJN, DBH, Getrud Höhler
Schauen Sie mal, die rotgrünversiffte Tagesschau meldet, dass die Wischinskys von der Gesllschaft für deutsche Sprache das Wort „Klimahysterie“ zum „Unwort des Jahres“ gekürt haben.. Da stecken bestimmt die allmächtigen stalinistischen Klimahysteriker hinter. Und wer was dagegen sagt, wird erschossen oder kommt in den Gulag für alte weiße Männer. So hat es Merkel befohlen!
https://www.tagesschau.de/inland/unwort-klimahysterie-101.html
@S.T.: … die rotgrünversiffte Tagesschau meldet … “Klimahysterie” …
… ‚rotgrünversifft‘ haben Sie, werter S.T., weder von Klaus, Fr. Höhler oder mir jemals gelesen, von Ihnen allerdings des Öfteren, werter S.T..
Ich fände als Unwort des Jahres ‚Klimaleugner‘ treffender.
… zum Thema: … O-Ton Habeck; ‘Patriotismus, Vaterlandsliebe also, fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht.’ …
Ziemiak, CDU-General; ‘Jemand wie Habeck sollte nie Verantwortung für dieses Land bekommen’
Die ganze sozialistische Sippschaft traut sich jetzt zu sagen, was sie schon immer will, enteignen, zentralisieren, entdemokratisieren, automatische Steuererhöhungen. Der ‘Große’ Vorsitzende Habeck will die demokratische Ordnung in Deutschland und Europa beseitigen und eine Diktatur nach chinesischem Vorbild. (Wer behauptet, das Interview mit Precht sei aus dem Zusammenhang gerissen, unter dem Video gibt es ein Link zum Original beim ZDF.)
… und … falls Sie sich erinnern, werter B.H.., das
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
… zum Thema ‘Kindernotrettung’; … selbst die Seenotretter halten dem grünen Ober-Schwafler ‘Heuchelei’ vor.
Ich bin beeindruckt.. Noch beeindruckter wäre ich allerdings gewesen, dieser merkwürdige Verein hätte sich auch den Ausdruck ‚Klimaleugner‘ mal angesehen: Dann wäre zu „pathologisierender Verunglimpfung“ nämlich noch die Gleichsetzung von Skepsis gegenüber Wissenschaftssparten mit Leugnung des Holocausts gekommen. Wenn Sie mich für so blöd halten, wie Ihre letztens gepostete Karikatur (Mann mit Hut), sagen Sie’s mir doch hier direkt.
Ich merke nur, sie begeben sich gerade auf ein (‚Heute-Show‘) – Niveau, für das mir eigentlich die Tippzeit zu schade ist.
„Wer Moral und Politik verwechselt, wird zwangsläufig totalitär“. Das stimmt. Aber mit Stalin hat das nichts zu tun. Der hat nicht einmal „Moral“ vorgetäuscht“. Vielleicht könnte man so gerade noch Lenin nennen. Aber es passt besser auf die Edelsozialisten aller Zeiten. Wer etwa vom demokratischen Sozialismus träumt, ist schon auf dem abschüssigen Weg. Hobeck traue ich ja noch Pragmatismus zu. Gefährlich wird es mit denen, die vollmundig zustimmen und jede Abweichung vom Öko-Moralismus geiseln.
.. Stalin war der Endpunkt. Stimmt. Ich bin historisch nicht immer korrekt. Aber Sie haben verstanden, was ich meinte, danke dafür.
„Es macht keinen Sinn, noch mehr Menschen aus vermoderten Kulturkreisen in unsere hochdifferenzierte Kultur zu holen. Besser sind Hilfen dort, wo sie sind. Das lässt sich europäisch lösen.“
Hallo Frau Monika Frommel,
prinzipiell finde ich es auch besser, dort zu helfen, wo „die Menschen sind“. Nur muss man das auch tun und nicht nur darüber reden. Es geht vor allem um Ursachenbekämpfung. Das ist aber eine Jahrhundertaufgabe! Was heißt das für Menschen, die vor Bomben fliehen oder in heillos überfüllten menschenunwürdigen Lagern leben? Soll man hier wegschauen? Konkret geht es um junge Menschen im Flüchtlingslager auf Moria. Die EU hat andere Mitgliedstaaten bereits seit Jahren mehrfach aufgefordert, weiter auf freiwilliger Basis unbegleitete Minderjährige aus dem Lager heraus umzusiedeln. Passiert ist nichts. Es geht um 4000 Menschen verteilt auf maximal 450 Mio. Bei einer Koalition der Willigen, z. B. Frankreich, Deutschland, Österreich, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Malta, Italien, Spanien, Portugal, wären das 4000 verteilt auf ca. 300 Mio. 4000 führen nicht zum „Untergang des Abendlandes“. Das ist machbar. Es stammen auch nicht alle aus „vormodernen Kulturkreisen“. Das ist ein wohlfeiles Vorurteil, um nichts zu tun. 4000 ist nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Aber es zählt der Einzelne und die Geste des guten Willens. Eine „hochdifferenzierte Kultur“ zeichnet sich nicht allein durch Technik, sondern auch durch Menschlichkeit aus. Hier können wir noch zulegen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, auf die sich die UNO 1948 als verbindlich für alle Menschen und Staaten geeinigt hat, wird umgangssprachlich als Zeichen der Zivilisation bezeichnet. Herbert Grönemeyer findet dafür folgende Worte:
Der Mensch heißt Mensch, weil er irrt, weil er hofft, weil er liebt und vergibt und weil er mitfühlt.
Hallo Klaus J. Nick,
ich bin kein Stalinist. Auch nicht die Grünen. Das ist gedankenloser Unsinn und zeugt von völliger Geschichtsvergessenheit. Die Säuberungen Stalins liegen Schätzungen zufolge im einstelligen Millionenbereich bis zu zehn Millionen. Die Anzahl der Gefangenen und Todesopfer des Lagersystems sind sehr umstritten: Schätzungen zur Zahl der Gefangenen liegen zwischen 3,7 und 28,7 Millionen. Ich habe in meiner Doktorarbeit gegen den Stalinismus angeschrieben. Der Stalinismus ist ein Totalitarismus, vergleichbar mit Nord-Korea und China. Er bedeutet Diktatur: Ein-Parteien-Herrschaft, Abwesenheit von: Parlamentarismus, Mehrparteiensystem, Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Grund- und Menschenrechte, Zivilgesellschaft und die Herrschaft des Unrechts, des Antisemitismus und des Gulag. Darin unterscheidet sich der Stalinismus nicht vom Nationalsozialismus. Sie schreiben: „Es geht um die Selbstbestimmung und die Selbstwirksamkeit des Individuums.“
Ok, da stimme ich Ihnen unbedingt zu. Das gilt aber nicht allein für Sie, sondern für alle, d.h., soweit der Einzelne sich nicht auf Kosten der Entwicklung des Anderen entfaltet. Deshalb finde ich ja auch unser Grundgesetz so verteidigungswert. Das GG bekennt sich nämlich zu den Menschenrechten, die allen Bürgern die Möglichkeit dieser Selbstbestimmung und Selbstentfaltung ermöglichen soll, aber auch zum Asylrecht – weil es zu einer humanen Gesellschaft gehört, Menschen in Not vorübergehend zu helfen. Das wiederum scheint Ihnen nicht zu gefallen. Ok. Das können Sie ja so vertreten. Das GG garantiert ja auch die Meinungsfreiheit. Nur werden Sie, wenn Sie kein Antidemokrat sind, den Willen der parlamentarischen Mehrheit, soweit er nicht gegen den Geist des Grundgesetzes verstößt, respektieren. Alles andere wäre das, was Sie hier als Vorwurf formulieren: stalinistisch oder totalitär. Wenn jetzt vom Parlament die Organspende beschlossen wird oder der Aufforderung der EU-Kommission, junge Flüchtlinge aufzunehmen gefolgt wird, oder Maßnahmen zum Klimaschutz oder zur Asylpolitik mehrheitlich beschlossen werden und das Bundesverfassungsgericht nicht einschreitet, dann hat das weder mit Stalinismus noch mit „grüner Ideologie“ zu tun. Das ist Demokratie. Als Demokrat werden Sie auch internationale Verpflichtungen, die sich aus dem Völkerrecht und der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben akzeptieren. Genauso wenig wie die Bundesrepublik stalinistisch ist ist es die EU. Was die Organspende betrifft geht es mir ähnlich wie Ihnen, nur werde ich die Mehrheitsentscheidung akzeptieren, auch wenn sie mir nicht passt. In einer Demokratie wird, anders als in totalitären Systemen, auch die Meinung der Minderheit geschützt. Man landet nicht im Gulag oder im Umerziehungslager. Das ist ein großer Schatz, den es zu bewahren gilt.
Lieber Bruno Heidlberger, danke für Würdigung meines Beitrages! Zu Stalin habe ich Frau Frommel schon was geschrieben, da hätte auch von Ihrer Seite sicher ein Satz genügt.. ja der Vergleich ist historisch nicht richtig. Das eigentliche haben Sie aber nicht verstanden, bzw. wollten es nicht verstehen: Ich habe nirgendwo geschrieben, dass ich etwas gegen Flüchtlingshilfe hätte, aber da kümmern sich viele Spendenorganisationen drum. (Teilweise schon zuviel, ich vertiefe das gerne.)
Daher nochmal anders: Demokratie ist nicht deckungsgleich mit Freiheit. Es sollte daher nur das zum Teil des demokratischen Prozesses gemacht werden, was für unser das Gebiet unseres Verwaltungsbezirkes (Bundesrepublik Deutschland) (überlebens-)wichtig ist. Ich möchte nicht in einer WG landen, in der (demokratisch) darüber abgestimmt wird, was morgen auf meinem Teller landet. Ich habe auch von Barmherzigkeit gesprochen, das haben Sie überlesen. Und bitte – unterlassen Sie Unterstellungen – ich würde mit der Demokratie hadern, dagegen bin ich mittlerweile aus guten Gründen allergisch. Das hat Posener die ganzen Jahre, die ich hier kommentiere nie gemacht. Allerdings bin ich gegen die ‚Grünen‘ allergisch, weil ich sie mittlerweile als größere Bedrohung für ein freiheitliches Gemeinwesen ansehe, als de AfD. Aber das hatten Sie wahrscheinlich auch erwartet. beste Grüße
„Es macht keinen Sinn, noch mehr Menschen aus vermoderten Kulturkreisen in unsere hochdifferenzierte Kultur zu holen.“
Wenn ich so etwas lese, möchte ich kotzen. Und das von einer Juristin, die im Beirat der „Kritischen Justiz“ sitzt. Erschreckend!
Die Dame hat es sich scheinbar recht gemütlich gemacht und möchte beim Genuss ihrer Pension ungern von Menschen aus undifferenzierten Kulturkreisen gestört werden. Wenn ich an die Wiedergeburt glauben würde, käme in mir die Frage auf, wie sich die Dame fühlen wird, wenn sie in ein paar Jahren als homosexueller Junge in einer vom IS beherrschten Gegend in Nordafrika auf die Welt kommen wird.
Da die meisten Libertäten und „Humanisten“ aber nicht an den „Lieben Gott“ glauben, pfeifen Sie auf die Nachwelt, die eben nicht so privilegierten „Verdammten dieser Erde! und denken von Früh bis Spät immer nur an sich selbst.
@68er
Das „vermoderten“ halte ich mal der Wortkorrektur auf der Juristin Computer oder Mobiltelefon zugute. Bleibt natürlich trotzdem unappetitlich. Aber hey, 68er, seien Sie generös. Sie (und ich, vermutlich) gehören der herrschenden, linksgrünen, klimahysterischen und totalitären Elite dieses Landes an. Denn, aufgemerkt nun also, Humanismus plus Moral ergibt Stalinismus.
Apropos Sellner, wer sich seine Videos anschaut, in denen er die Realität dokumentiert, wird schnell merken, dass die BRD-Linken weder moralisch noch gut sind, ganz im Gegenteil. Die RAF wollte die Heimkinderarmee, das hat nicht geklappt. Jetzt haben die Linken eine neue Armee entdeckt, mit der sie nichts Gutes im Sinn haben.
Ja, prima, Habeck, der Möchtegerndiktator, probt schon mal.
Wollt Ihr die totale Umvolkung? Dann wird es kein Deutschland mehr geben!
Und die Linksgrünen wie Habeck und sein Clan aus Weibern und Kinderfreunden werden vor Freude säfteln – bis ihre ekligen Kurzhaar-Weiber in der Burka gehen und sich alle fünfmal täglich gen Mekka verneigen müssen. Und ich gönne den Linken jeden einzelnen Stein, den man ihnen an den Kürbis werfen wird, wenn sie gegen die Ideologie ihrer neuen islamischen Oberherrn aufmucken.
Dann spätestens werden sie wissen, das die „Magic Dirt Theory“ = „the theory that someone immigrating to a country automatically and magically becomes the same as the native population.” ein Hirngespinst ist.
Darum geht es doch gar nicht. „Hypermoralismus“ ist ein Begriff, mit dem sich Begriffshuber jeglicher Couleur anscheinend ihre Langeweile vertreiben. Es geht um die Selbstbestimmung und die Selbstwirksamkeit des Individuums im Streben nach Erfolg, Selbstverwirklichung und persönlicher Unversehrtheit, gegen die sich Habecks und Baerbocks ,Grüne‘ an vorderster Front gewendet haben. Aber nicht nur die. Barmherzigkeit (.. sei es Klimaschutz, Flüchtlingshilfe oder Organspende) ist ein freiwilliger Akt und muss es bleiben. Wer das anders sieht denkt so totalitär, wie Stalin. Und DAS ist ‚grüne‘ Ideologie. Wer Moral und Politik verwechselt, wird zwangsläufig totalitär.
Verehrter Herr Heidelberger, Bedenken sind weder pauschal „rechts“ noch „rechtskonservativ“, zumindest nicht seitens der FDP, sondern haben einen Erfahrungshintergrund. 4000 Kinder – das meint im UN-Jargon Personen unter 18 Jahren (denn kleine Kinder sind keine unbegleitete Flüchtlinge). Wir wissen, dass sie oft über 20 Jahre alt sind. Sie haben nach dem EGMR einen Anspruch auf Familien Nachzug: und schon ist es eine wesentlich höhere Zahl. Es macht keinen Sinn, noch mehr Menschen aus vermoderten Kulturkreisen in unsere hochdifferenzierte Kultur zu holen. Besser sind Hilfen dort, wo sie sind. Das lässt sich europäisch lösen. Es wäre also sinnvoll, wenn konkrete Vorschläge kämen.