Ein Gastbeitrag von Karl Adam
Die Kritik an der Nominierung von Ursula von der Leyen als neue Präsidentin der EU-Kommission reißt nicht ab. Unser Autor Karl Adam hat dafür wenig Verständnis und traut ihr zu, das Amt gut auszuüben. In seinem Gastbeitrag erläutert er, welche Vorzüge sie aus seiner Sicht gegenüber den beiden bisherigen Spitzenkandidaten hat.
Die Kritik an der Nominierung Ursula von der Leyens ist reichlich überzogen. Sicher – aus sozialdemokratischer Sicht wäre Frans Timmermanns als Kommissionspräsident die bessere Wahl gewesen. Und eigentlich war der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber der natürliche Anwärter, erwies sich die Europäische Volkspartei doch bei der EU-Parlamentswahl als stärkste Kraft. Doch es hat nicht sein sollen. Das kann jeder unter verschiedensten Gesichtspunkten für suboptimal halten; nur, so zu tun, als hätte eine Lösung auf dem Tisch gelegen, mit der alle Beteiligten gut hätten leben können, das verkennt die Vertracktheit der Lage. Aber der Reihe nach:
Das Spitzenkandidatenprinzip
Ja, Manfred Weber war Spitzenkandidat. Und dieses Prinzip wurde insbesondere in Deutschland 2014 und 2019 auch sehr in den Vordergrund gestellt. Nur: Das Spitzenkandidatenprinzip ist rechtlich nicht bindend, ist sehr nach dem Vorbild deutscher Bundestagswahlen designt und wird in den meisten europäischen Ländern weitaus weniger wahrgenommen als eben in Deutschland; was auch daran liegt, dass 2014 und 2019 mit Martin Schulz und Manfred Weber deutsche Spitzenkandidaten zur Wahl standen und die jeweiligen Mitbewerber, Jean-Claude Juncker und Frans Timmermanns, fließend deutsch sprechen, also auch ohne Übersetzung vor deutschem TV-Publikum auftreten konnten.
Das ändert natürlich nichts daran, dass die Durchsetzung des Spitzenkandidatenprinzips im Sinne einer weiteren Demokratisierung der Europäischen Union erstrebenswert wäre. Dabei gilt es aber mit Heinrich-August Winkler festzuhalten: Die Wahlen zum EU-Parlament sind frei, geheim, allgemein und unmittelbar; aber sie sind nicht gleich. Aus nahe liegenden Gründen vertreten Abgeordnete aus Malta weniger Personen als Abgeordnete etwa aus Deutschland. Im Sinne demokratischer Legitimation ist das ein Mangel, der aber auszuhalten ist. Vor diesem Hintergrund führt es jedoch in die Irre, dem Parlament grundsätzlich höhere demokratische Weihen zuzubilligen als dem Europäischen Rat. Immerhin haben die Staats- und Regierungschefs ebenfalls ein starkes demokratisches Mandat. So eindeutig ist die Sache also nicht.
Die Stoßrichtung sollte dennoch auf einer weiteren Parlamentarisierung der EU liegen. Nur eine solche wäre geeignet, den wachsenden Vorbehalten gegenüber einem vermeintlich exekutiv-technokratischen Politikmodell entgegenzuwirken. Die momentane Krise könnte und sollte vom Parlament dazu genutzt werden, Regelungen zur weiteren Institutionalisierung des Spitzenkandidatenprinzips einzufordern. Ohne einen entsprechenden Deal wird es die neue EU-Kommission unter der prospektiven Führung von Ursula von der Leyen wohl kaum passieren lassen.
Manfred Weber
Die Krokodilstränen, die insbesondere in Deutschland angesichts der Zukunft von Manfred Weber jetzt vergossen werden, mögen ehrenhaft sein. Inhaltlich aber sind sie schwer verständlich. Emmanuel Macron, der sich dezidiert gegen Weber ausgesprochen hatte, zum schlechten Europäer zu erklären, wie es insbesondere in der Union jetzt allerorts geschieht, verkennt den Kern der Sache. Macron ist in seinem Heimatland dem Rechtspopulismus weitaus direkter ausgesetzt als andere europäische Staats- und Regierungschefs. Es ist durchaus nicht ausgemacht, dass er wiedergewählt wird. Marine Le Pens Rassemblement National war bei den EU-Wahlen stärkste Kraft in Frankreich. Was ein Sieg der französischen Rechtspopulisten bei den nächsten Präsidentschaftswahlen für die Europäische Union insgesamt bedeuten würde, machen sich insbesondere in Deutschland scheinbar nur wenige bewusst. Anders ist das fahrlässige und skandalöse Nicht-Eingehen auf die EU-Reform-Vorschläge Macrons seitens der Bundesregierung kaum zu erklären. Warum also sollte Frankreichs Staatschef ein CSU-Parteimitglied unterstützen? Es handelt sich mithin um eine Partei, die bis 2018 wiederholt den autokratischen ungarischen Regierungschef Victor Orban zu ihren Klausurtagungen eingeladen hat; und damit jemanden, der der liberalen Demokratie offen den Kampf ansagt. Außerdem hat Weber, auch da hat Macron recht, keinerlei exekutive Erfahrung. Er hat in seiner bisherigen politischen Karriere nicht einmal ein Ministeramt innegehabt.
Frans Timmermans
Frans Timmermans wäre da schon ein anderes Kaliber gewesen: Er war in den Niederlanden Europa-Staatssekretär und Außenminister sowie bereits Erster Vizepräsident der Juncker-Kommission. Wenn sich eine Mehrheit für ihn gefunden hätte, wäre er sicher ein guter Kommissionspräsident geworden. Doch bekannter Weise war es der Widerstand aus Mittel- und Osteuropa, der die Personalie Timmermans verhindert hat. Gerade weil er treibende Kraft bei den Vertragsverletzungsverfahrungen gegen Polen und Ungarn gewesen ist, waren es nun die Visegrad-Staaten mit Unterstützung Italiens, die sich gegen ihn stellten. Dabei hätte eine qualifizierte Mehrheit im Europäischen Rat, die es mutmaßlich gegeben hätte, sogar für ihn gereicht. Doch um welchen Preis? Auf vielen anderen wesentlichen Politikfeldern gilt immer noch das Einstimmigkeitsprinzip. Welche Folgen für den europäischen Zusammenhalt hätte eine Brüskierung der Timmermans-Gegner gehabt? Doch andererseits: War seine Nicht-Nominierung eine Konzession an die Gegner der liberalen Demokratie? Wie man es dreht und wendet: Inmitten der Zentrifugalkräfte, welche die EU zusehends heimsuchen, wird es zunehmend schwerer, einen Konsens herzustellen. Das ist in einer Zeit, in der kraftvolle und zukunftsweisende Entscheidungen nötig wären, mehr als bedrohlich.
Ursula von der Leyen
Man wird die Reaktionen auf die überraschende Nominierung der deutschen Verteidigungsministerin nur als verheerend bezeichnen können. Ja, sie ist Mitglied der EVP, noch dazu wäre sie die erste Frau an der Spitze der Kommission. Doch sie war eben nicht Spitzenkandidatin, niemand hatte sie bei der Wahl auf dem Zettel. Das war zwar bis 2009 auch immer so, wird jedoch heute, in Zeiten höherer öffentlicher Legitimationserfordernisse, nicht mehr akzeptiert. Das böse Wort vom „Hinterzimmer-Deal“ macht die Runde.
Als Vertreterin der liberalen Demokratie macht Ursula von der Leyen dennoch eine bessere Figur als der CSU-Mann Manfred Weber: Als Familienministerin hat sie wesentlich zur gesellschaftlichen Modernisierung beigetragen. Beispiele Elterngeld und Vätermonate: Bei der Einführung 2010 von der CSU noch als „Wickelvolontaritat“ für Männer verspottet, ist die Elternzeit für Männer heute kaum mehr wegzudenken. Eine Mitte-Rechts-Vertreterin hat damit progressive Inhalte in den gesellschaftlichen Mainstream überführt – eine dieser konservativen Anpassungsleistungen an den Zeitgeist, die darum besonders nachhaltig sind. Auch beim Thema „Frauenquote“ scheute von der Leyen 2013 nicht davor zurück, sich mit der gesamten Union und mit der Bundeskanzlerin anzulegen. Seitdem bekommt sie als stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU die schlechtesten Ergebnisse auf Wahlparteitagen. Aus progressiver Sicht jedoch war auch dieser Einsatz nur zu begrüßen. Auch dass sie sich bei der Bundeswehr für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf eingesetzt hat, wurde teilweise mit Spott belegt, hat jedoch die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber gesteigert. Dass im Beschaffungswesen auch mal externe Berater in die verkrusteten Strukturen hineinschauen sollten, war sicher keine schlechte Idee. Ob es hierbei im Zuge der „Berateraffäre“ zu Rechtsverstößen gekommen ist, muss der zuständige Untersuchungsausschuss klären.
Es gibt jedenfalls keinen Grund, ihr Wirken als Verteidigungsministerin schlichtweg für erfolglos zu erklären. Jeder weiß, dass das Verteidigungsministerium nur äußerst schwer zu führen ist, unabhängig von der Person des jeweiligen Ministers, und dass knapp sechs Jahre zwar eine lange Zeit in dieser Position sind, jedoch kaum ausreichen, um althergebrachte Arbeitsabläufe nachhaltig effizienter zu gestalten. Die Personalie wird von den Mittel- und Osteuropäern jedenfalls auch deshalb annehmbar gewesen sein, weil von der Leyen sich für eine stärkere Präsenz der NATO im Osten Europas eingesetzt hat – ein wichtiges und richtiges Zeichen angesichts der russischen Aggression in der Ukraine und der offenen Unterstützung von Demokratiefeinden jeglicher Couleur durch Moskau.
Nach Lage der Dinge ist die Nominierung von der Leyens also trotz aller Verfahrensmängel keine schlechte Nachricht. Ob sie sich letztlich im Parlament durchsetzen wird und welche Konzessionen dafür notwendig sind – das steht auf einem anderen Blatt.
Dr. Karl Adam, Historiker und Politologe, arbeitet als selbständiger Projektmanager in Göttingen. Zuvor war er als Geschäftsführer der SPD Hamburg-Mitte und als Unternehmensberater in London tätig. Er bloggt regelmäßig unter imgegenlicht.com.
*Dieser Beitrag ist zuerst auf dem Blog „imgegenlicht.com“ erschienen.
Wir sind uns einig: aus sozialdemokratischer Sicht wäre Frans Timmermanns als Kommissionspräsident nicht „die bessere Wahl“ gewesen, sondern nur die Wahl, welche Sozialdemokraten gut finden. Aber das ist auch alles. Frau von der Leyen hat ja nicht nur ein bisschen was für die Gleichberechtigung getan, wie der 68er meint. Sie hat in der CDU und in der Bundeswehr über ihre ganze Arbeitszeit hinweg für Anschlussfähigkeit an den liberalen Zeitgeist gesorgt, mutig und bestimmt. Dass das Beschaffungswesen der Bundeswehr sperrig ist, liegt daran, dass die Waffenindustrie strukturell für Korruption anfällig ist. Wer würde behaupten, diese Probleme lösen zu können (….der trete vor, doch er werfe besser nicht den ersten Stein!). Ich stimme also zu: die Kritik an dieser Personalien ist böswillig, übertrieben und nicht mehr nahvollziehbar!
Zu den Regeln gehört auch, dass die Abgeordneten sie gar nicht wählen müssen, denn auch das gehört zum demokratischen Prozedere. Die Begründung der Sozialdemokraten leuchtet auch mir nicht ein, die Spielregeln sind allen bekannt. Ihr Kandidat wird nicht anders nominiert. Es leuchtet aber durchaus ein, eine Kandidatin abzulehnen, die man für die schlechteste Ministerin in einem nationalen Kabinett hält. Statt über Hinterzimmer zu philosophieren, wäre es tatsächlich angebracht zu fragen, ob man überzeugt ist, dass gerade sie die beste Kandidatin ist. Da habe ich und bestimmt ganz viele andere erhebliche Zweifel. Zugegeben, sie hat viele Sachen, die längst internationaler Standard sind und eine breite Mehrheit in der Bevölkerung haben, gegen den rhetorischen Wiederstand einiger aus der CSU-Bierzeltfraktion mutig durchgesetzt. Sie hat nicht nicht regiert, was man auch langjährigen Inhabern von Ministerposten hoch anrechnen muss. Auch sind die Befürchtungen über eine Militarisierung der EU unbegründet. Sie hat in gut 5 Jahren nicht mal die Bundeswehr militarisiert. Nur zum hinkenden Vergleich: durch die Dauer des gesamten zweiten Weltkriegs, hätte einer der Kombattanten, mit Hilfe der smartesten Köpfe die Geld kaufen kann, es nicht geschafft, die Verordnung zum Bestellen von Ersatzunterhosen effektiv zu restrukturieren. Denn genau um solche Fragen geht es doch im Verteidigungsministerium. Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Genau so jemanden wünsche ich mir auf einem der wichtigsten Posten, die Europa zu vergeben hat. Und der Jubel derjenigen, die Europa so gar nicht wollen (PiS, Orban, ähnliche) deutet auf eine lagerübergreifend sehr ähnliche Einschätzung dieser Personalie.
Einer der Gründe ist, das bei konsequenter Durchsetzung des Repräsentationsprinzips das EU-Parlament stark aufgebläht würde, was sicher auch kritikwürdig wäre. Man könnte darüber streiten, ob die momentan verfügbaren Mandate anders verteilt werden sollten. Das würde dann so aussehen:
http://www.election.de/img/pol.....OpCo3s7l94
Das wiederum würde aber zu starken Akzeptanzproblemen aller Staaten außer Deutschland führen. M. E. ist Deutschland der De-Facto-Hegemon in Europa und muss mit solchen vordergründigen „Benachteiligungen“ leben. Das wusste schon Adenauer: Die Trikolore dreimal grüßen und so…
Was nun Ihren Vergleich mit dem Bundesrat angeht, hinkt der. Auch der ist nicht streng repräsentativ. So haben etwa Hamburg, Bremen, MV und das Saarland je 3 Stimmen, trotz sehr unterschiedlicher Einwohnerzahlen (Hamburg etwa 1,8 Millionen, Bremen lediglich 680.000).
Beim Bundestag müsste man nur einmal kurz an die Überhangmandate nachdenken, um zu wissen, dass dieser nicht nur rein repräsentativ gebildet wird.
Den letzen Satz schließlich hätten Sie sich wirklich sparen können.
Wie man auf die Idee kommen kann, Frau von der Leyen sei eine gute Besetzung, ist mir schleierhaft. Dabei finde ich es besonders bemerkenswert, dass z. B. in der FAZ noch versucht wird, den Beratungssumpf um die Firma McKinsey, der von dort ins Ministerium infiltrierten Staatssekretärin Suder als innovatives Element zu loben wobei natürlich geflissentlich die Berichte, nach denen angeblich bei der Firma McKinsey Person(en?) aus allernächsten familiären Umfeld der Ministerin beschäftig sind, verschwiegen werden. Das ist auch hier so und zieht sich eigentlich durch die ganze Medienlandschaft.
Es mag sein, dass Frau von der Leyen sich ein wenig um die Gleichberechtigung verdient gemacht hat, das ist sicherlich löblich, aber die wesentlichen Herausforderungen in Europa liegen nach meiner Ansicht nicht auf diesem Gebiet, denn dieses Thema wurde in Europa schon sehr fortschrittlich behandelt, als die bundesdeutsche CDU noch davon ausging, dass man seine Frau in der Ehe ruhig vergewaltigen dürfe (Die Strafbarkeit wurde vom Bundestag erst im Jahr 1997 eingeführt wobei 138 Abgeordnete der CDU, CSU und FDP gegen die EInführung einer Strafbarkeit stimmten, darunter die Abgeordneten Volker Kauder, Horst Seehofer und Friedrich Merz. )
Die nach meiner Meinung dringenden Aufgaben der EU liegen aber eher auf den Bereichen Integration und sozialer Ausgleich bei Konsolidierung und Homogenisierung der Gemeinschaft. Hier habe ich wenig Hoffnung, dass Frau von der Leyen überhaupt gewillt – geschweige denn fähig – ist, diese Probleme in Angriff zu nehmen oder ga zu lösen.
Für die meisten Leute, die ich in den letzten Tagen gesprochen habe, steht vdL für Remilitatisierung, Krieg, Lobbyismus und Vetternwirtschaft. Sie ist eine der unbeliebtesten Politikerinnen in unserem Land, was diverse Meinungsumfragen belegen. Man fragt sich daher, wieso ein SPD-Stadtrat aus Göttingen da eine ganz andere Meinung vertritt. Kennt er die Dame persönlich? Das soll keine Unterstellung sein, sondern eine interessierte Frage, denn nach meiner eigenen Erfahrung gibt es Politiker, die medial einen nichtssagen oder gar unangenehmen Eindruck machen, die dann aber im persönlichen Kontakt sehr sympathisch, kompetent und positiv empfunden werden.
Lieber 68er,
ihre Argumente kann ich gut nachvollziehen. Aber ich kann Ihnen versichern: Ich kenne UvdL nicht persönlich. Mich stört nur der selbstgerechte Ton derjenigen, die mal wieder sofort das Ende der Demokratie kommen sehen. Da habe ich versucht zu differenzieren. Wir werden sehen was im EU-Parlament geschieht. Wird sie sich klar von den Rechtspopulisten distanzieren, wie es Martin Schulz gefordert hat? Wird sie, so wie Jean-Claude Juncker, Marine LePen curam publico sagen, dass sie deren Stimmen gar nicht haben will? Wird sie Gesichtspunkte des Umweltschutzes (Regenwald) in das Mercosur-Abkommen zur Bedingung machen? Daran werden wir alle sie messen können.
Sie wird auf jeden Fall eine teure EU-FührerIn. Sie kann sogar „Le boche payera tout“ aussprechen, und wird Macron und den anderen Europäern die Taschen füllen.
„Aus nahe liegenden Gründen vertreten Abgeordnete aus Malta weniger Personen als Abgeordnete etwa aus Deutschland. Im Sinne demokratischer Legitimation ist das ein Mangel, der aber auszuhalten ist.“
Der Satz ist doch Nonsens.
Welche Gründe sollten das denn sein ?
Kleinstaaten wie Malta oder Luxemburg sind eh schon viel zu einflußreich, da sie im Ministerrat die gleiche Stimme haben wie die größten Staaten Deutschland, Frankreich und Italien.
Wie undemokratisch die EU-Regeln sind, zeigt der Vergleich mit den Regeln aus dem Grundgesetz.
Im Bundesrat – vergleichbar dem Ministerrat – haben die kleinen Bundesländer Bremen und Saarland weniger Stimmen als die großen wie Bayern oder NRW.
Und der Bundestag setzt sich NUR proportional zur Bevölkerungsgröße aus den Abgeordneten der verschiedenen Bundesländer zusammen.
Andererseits, logische Argumente sind vielleicht nicht nachvollziehbar für jemanden, der Frau von der Leyen für eine nicht erfolglose Verteidigungsministerin hält.
Herr Geraldo,
einer der Gründe ist, das bei konsequenter Durchsetzung des Repräsentationsprinzips das EU-Parlament stark aufgebläht würde, was sicher auch kritikwürdig wäre. Man könnte darüber streiten, ob die momentan verfügbaren Mandate anders verteilt werden sollten. Das würde dann so aussehen:
http://www.election.de/img/pol…..OpCo3s7l94
Das wiederum würde aber zu starken Akzeptanzproblemen aller Staaten außer Deutschland führen. M. E. ist Deutschland der De-Facto-Hegemon in Europa und muss mit solchen vordergründigen “Benachteiligungen” leben. Das wusste schon Adenauer: Die Trikolore dreimal grüßen und so…
Was nun Ihren Vergleich mit dem Bundesrat angeht, hinkt der. Auch der ist nicht streng repräsentativ. So haben etwa Hamburg, Bremen, MV und das Saarland je 3 Stimmen, trotz sehr unterschiedlicher Einwohnerzahlen (Hamburg etwa 1,8 Millionen, Bremen lediglich 680.000).
Beim Bundestag müsste man nur einmal kurz an die Überhangmandate nachdenken, um zu wissen, dass dieser nicht nur rein repräsentativ gebildet wird.
Den letzen Satz schließlich hätten Sie sich wirklich sparen können.
Daß es aufgrund der Überhangmandate Ausgleichsmandate gibt, so daß die repräsentative Vertretung der einzelnen Bundesländer gewährleistet ist, ist Ihnen schon bekannt ?
Und warum der Bundesrat nicht vergleichbar sein sollte mit dem Ministerrat der EU erschließt sich mir nicht.
Der Bundesrat ist zwar nicht repräsentativ zur Bevölkerung, aber nicht so kraß wie im Ministerrat der EU.
Und wenn wir uns jetzt noch mit der EZB befassen wird es noch absurder.
Durch die Beschränkung der Anzahl der stimmberechtigten Mitglieder gibt es Monate, in denen Deutschland als mit Abstand größte Volkswirtschaft der Eurozone kein Stimmrecht hat im EZB.
Lieber Don Geraldo,
die Anzahl der Sitze je Land im EU-Parlament ist ein Kompromiß zwischen mehreren einander eigentlich ausschließenden Wünschen:
a) jedes Land soll genug Sitze bekommen, daß auch unter dessen Abgeordneten ein gewisses Maß an Meinungspluralismus abgebildet wird (was kaum der Fall wäre, wenn das Land nur zwei Sitze hätte);
b) das Parlament soll nicht übermäßig groß sein, damit es noch arbeitsfähig ist und es nicht mehrere Legislaturperioden bräuchte, bis ein Abgeordneter einmal zu Wort käme;
c) gleichzeitig sollen die kleineren Staaten durch die aus a) und b) entstehenden Bedingungen nicht so viel Gewicht bekommen, daß sie allein dadurch eine Sperrminorität erhalten.
Herr Geraldo,
der Bundestag setzt sich eben nicht nur proportional zur Bevölkerungsgröße aus den Abgeordneten der verschiedenen Bundesländer zusammen. Schauen Sie mal auf den Zuschnitt der Wahlkreise: Einige haben unter 250.000 Einwohner*innen, andere über 300.000.
Und: Sicherlich können Sie Bundesrat und EU-Ministerrat vergleichen. Ich schreib ja auch lediglich, dass dieser Vergleich m. E. hinkt; nicht, dass er nicht angestellt werden darf.
Zudem gibt es im Ministerrat bei vielen Themen qualifizierte oder doppelte Mehrheiten, was ich für ein probates Mittel halte.
Was die Entscheidungsfindung im EZB-Rat angeht, handelt es sich ebenfalls um einen Kompromiss aus Durchsetzung des Repräsentationsprinzips und Praktikabilität bei nunmehr 19 Mitgliedern. Durch die Einteilung in Ländergruppen und der Maßgabe, dass die EZB-Ratsmitglieder, also die nationalen Notenbankchefs, eben nicht als Vertreter ihrer jeweiligen Staaten, sondern als Experten auftreten, kann Deutschland es durchaus verkraften, alle 5 Monate einmal „aussetzen“ zu müssen.
Mir ist nicht ganz klar, in welche Richtung Ihre Kritik eigentlich geht?
Der EU ist als politischem Gebilde sui generis eine weitere Demokratisierung, die doch mit den letzten Vertragsreformen zweifelsohne vorgenommen wurde, durchaus zu wünschen. Demokratisierung muss dabei nicht unbedingt Parlamentarisierung heißen.
Über all dies ließe sich trefflich diskutieren. Leider steht dem Ihr apodiktischer und herablassender Diskussionsstil entgegen.
Man stelle sich vor, die Stimme eines Wählers aus Rhode Island wäre hundert mal soviel wert , wie die eines Kaliforniers!
Dann wären die USA keine Demokratie, und die BRD-Medien würden geifern.