Nein, kein Nachruf. Zu sagen, dass ich von dem, was ich an seinen Artikeln und Büchern kritisiert habe, nichts zurückzunehmen hätte, wäre vermessen; zu betonen, dass er ein großer Publizist gewesen ist, unnötig und auf eine gewisse Weise auch vermessen. So viel Selbsterkenntnis muss sein. Mathias Döpfner hat es in seinem Nachruf auf den Punkt gebracht: Frank Schirrmacher hatte Einfluss; das, wonach jeder Journalist strebt. Da gerät jede Kritik in den Verdacht des Neids. Und um es klar zu sagen: dieser Verdacht ist begründet.
Schirrmacher bin ich nie persönlich begegnet. Er hat mir ein einziges Mal eine Mail geschrieben, in der ein einziges Wort stand: „Think!“ Ein guter Ratschlag. Natürlich habe ich in den letzten Tagen viel über Schirrmacher nachgedacht. Und mir scheint, man kann und muss etwas über ihn schreiben, ohne über ihn als Person zu schreiben; nämlich über Schirrmacher als Chiffre für eine soziale und – wenn man so will – geistige Entwicklung in Deutschland: den Aufstieg einer spielerischen Rechten.
Mit der „Rechten“ meine ich nicht, wie in der landläufigen Sprachverwendung, den Rechtsextremismus. Ich meine einfach eine Position rechts der Mitte
Nach dem Krieg und bis zur Wiedervereinigung war die Rechte in Deutschland kleinbürgerlich geprägt: autoritär, ressentimentgeladen, staatsgläubig, moralinsauer, verklemmt, national, tendenziell rassistisch, rückwärtsgewandt. Die Linke übrigens auch, und es war die große, befreiende Leistung der kulturrevolutionären 68er, eine antiautoritäre, anarchistische, hedonistische, enthemmte, weltoffene und zukunftsfreudige Alternative dazu entwickelt zu haben. Die alte Linke war ernst: „SOOOO geht das nicht / Sagt der alte Sozialdemokrat und spricht …“, wie Franz Josef Degenhardt sang; dagegen setzte die Neue Linke Wolf Biermanns „SOOOO soll es sein, so soll es sein, so wird es sein.“
Dass sich die Neue Linke so schnell von den deutschen Verhältnissen einholen ließ, das ist ihre Tragödie: eine Minderheit wurden radikal-verbiestert, die Mehrheit verbeamtet. Dass viele ihrer Ideen und Ideale heute selbstverständlich sind, verdankt die Linke weniger ihrem Gang durch die Institutionen, wie die ressentimentgeladene Rechte argwöhnt, als vielmehr der List der Geschichte: sie lagen sozusagen in der Luft; die Konsumgesellschaft entwickelte sich ohnehin in die Richtung.
Die Kulturkämpfe der 1970er und 1980er Jahre, die Helmut Kohl unter dem Begriff der „geistig-moralischen Wende“ fasste, waren vordergründig Kämpfe zwischen Konservativen und Alt-68ern, in Wirklichkeit jedoch konservative Abwehrkämpfe gegen die Entwicklung des modernen Kapitalismus.
Frank Schirrmacher steht als Chiffre für eine Position rechts der Mitte, die das Ressentiment und den Kulturkampf hinter sich gelassen hat; ja, die in gewissem Sinne das Erbe von 68 angetreten hat: man war nicht mehr kleinbürgerlich, sondern gab sich großbürgerlich; nicht mehr verklemmt, sondern hedonistisch; nicht mehr nationalistisch, sondern internationalistisch; weltoffen, zukunftsgewandt; nicht mehr staatsfixiert, sondern oft geradezu staatsfeindlich. Spielerisch eben. Dagegen sahen die ehemaligen Anhänger der „Neuen Linken“ alt aus. Die alte, konservative Rechte, die Anhänger von Glaube, Heimat, Arbeit, Law and Order sowieso.
Die Linken hatten Schulkreide in den Kleidern und den Köpfen, die Rechten mufften nach Bausparer. Eigenheim und Gulasch am Sonntag. Schirrmacher und diejenigen, die mit ihm die geistige Einrichtung der Berliner Republik entrümpelten, hatten und haben mit alledem nichts mehr zu schaffen. Und das ist eine große Leistung.
Man mag dahinter auch eine soziologische Entwicklung erkennen. Wer die Tabellen Thomas Pikettys studiert, merkt ja, dass sich in den Achtzigerjahren – parallel zum Aufstieg Schirrmachers und einiger anderer junger Wilder in den Verlagen der Republik – die „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ der Nachkriegszeit wieder auszudifferenzieren beginnt. Standen sich in den 1970er Jahren im Grunde genommen zwei Fraktionen des Kleinbürgertums grimmig gegenüber, oft genug zwei Generationen derselben sozialen Schicht, hier der Handwerksmeister oder Ladenbesitzer, dort sein missratener Sohn, der dann Studienrat wird, so entsteht seit der Kohl’schen „Wende“ ein neues Großbürgertum; Piketty nennt sie die Schicht der „Supermanager“. Und mit den Managern eine neue Generation von Journalisten und Publizisten, denen teilweise sogar der Aufstieg in diese Schicht gelingt, weshalb sie glauben, es handele sich um eine Meritokratie.
Die Lebensumstände dieses neuen Großbürgertums erinnern an die der Belle Époque 1890 – 1914, und es ist vielleicht kein Zufall, dass einer ihrer begabtesten publizistischen Vertreter, Florian Illies, zuletzt einen elegischen Rückblick auf das Jahr 1913 vorgelegt hat. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese Schicht, wie Piketty schreibt, „euthanisiert“ – nicht physisch, wie in Russland, sondern wirtschaftlich. Es ist sicher kein Zufall, dass neben der gutmütigen Verachtung der „68er“ und einer weniger gutmütigen Verachtung des beschränkten rechten Kleinbürgertums – man denke an die Häme, die über Christian Wulff wegen seines Häuschens und seiner allzu offensichtlichen Sehnsucht, auch dazu zu gehören, ausgekippt wurde – auch eine unbestimmte Untergangsangst die Gefühlslage des neuen Großbürgertums bestimmt.
Piketty glaubt, Verhältnisse wie in der Belle Époque könnten das neue Normal werden. Schirrmacher wusste es besser. Sein Tod ist darum auch „das Ende von etwas“. Und zwar nicht nur das Ende einer besonders interessanten und aufregenden Epoche der deutschen Publizistik. Das auch.
…es wäre jedenfalls Quatsch. Meine Kinder lesen gelegentlich, und sie haben (trotzdem) ihre eigenen Gedanken. Sie lesen z.B. Pferdebücher, weil sie sich für Pferde interessieren, und sie interessieren sich für Pferde, weil sie Pferdebücher lesen. Und wenn man wissen will, worüber sie nachdenken und wie ihre Sicht der Dinge ist, dann kann man sich ihre Bibliothek angucken.
Ein Plädoyer für die Freiheit des denkenden Menschen also. Meint er, dass man sich erst von seinen kindlichen Leseerfahrungen befreien muss, um mit dem selbständigen Denken beginnen zu können? Warum nur von den Leseerfahrungen, warum nicht auch von allen anderen Erfahrungen? wie sieht es mit der Ernährung aus, gibt es einen Zusammenhang zwischen den Gedanken und dem Essen? Wenn ja, muss man mit dem Essen aufhören, bevor man mit dem Denken beginnt? Ist das (nichtmathematische) Denken etwas „Reines“ oder sollte es versuchen, rein zu sein?
Ja, vielleicht schwebte ihm so etwas vor. Ich weiß es nicht.
@Parisien, Sie kennnen Hofstadter? Es scheint wenig zu geben, was Sie nicht kennen. Ich bin seinerzeit in der Schule darauf gestoßen; wir haben es in einer AG durchgearbeitet. Ich auch – freiwillig! Ein gutes, witziges Buch.
@KJN: Ist das denn eine Aufforderung an Herrn Posener, endlich mal mit dem selbständigen Denken anzufangen? Oder eine Losung, die er mit Herrn Posnener zu teilen glaubt? Oder die Quintessenz des soeben gelesenen Artikels? Aber warum? Und warum teilt er diese Quintessenz dem Autor mit? Der müsste die doch kennen?
Nein, das ist höchst rätselhaft. Eigentlich hätte er schreiben müssen: „Sehr geehrter Herr Posenenr, entschuldigen Sie, dass ich Sie so einfach anschreibe, noch dazu auf so neumodischem Wege, wo ich sonst Handgeschöpftes aus Bütten bevorzuge und edle Krawatten trage. Aber Ihr Artikel hat mich derart begeistert/geärgert/auf eine tolle Idee gebracht [hier kann man Verschiedenes einsetzen], dass ich mich Ihnen anvertauen möchte. Aber um nicht soviele Worte zu machen, die Sie nur vom Denken ablenken würde, sage ich nur das eine, das mir spontan eingefallen ist, das einzige, von Großgeist zu Großgeist, und um es Ihnen besonders leicht verständlich zu machen, formuliere ich es sogar in Ihrer Muttersprache: Think! Wir verstehen uns, das tun Sie ja, ich weiß, insofern ist ja auch alles gut und diese meine Mitteilung eigentlich überflüssig. Aber Sie sollten darin nicht nachlassen/es sogar noch intensivieren/endlich mal damit anfangen. Mit ergebensten Grüßen auch an die Gattin, Ihr Frank Schirrmacher. P.S. Ich beobachte Sie ganz genau! Und bei nächster Gelegenheit werbe ich Sie für die FAZ ab!“
Das war ihm aber offenbar zu blöd. Stattdessen hat er nur „Think!“geschrieben und gehofft, dass damit alles klar ist. Derartige Einsilbigkeit, kombiniert mit Bedeutungsarmut (denken – nun ja, tut man ja irgendwie auch unaufgefordert, wenn man publizistisch unterwegs ist) kann nur wahre Größe bedeuten – und auch nur von ihr entschlüsselt werden. Das Fußvolk bleibt außen vor. Und das ist tatsächlich habituell-lebensweltlich rechts.
Lieber Alan Posener,
wenn es das Ende der FAZ/Welt/SZ/Spiegel/Bild/Zeit etc. ist, dann wurde ganz einfach die falsche Kultur geschaffen. Dagegen kann man angehen mit flexiblen Arbeitszeiten und genügend Kiosken. Meine besten Tage fingen immer so an: Kurze Fahrt oder bei schönem Wetter Gang zum nächsten Brötchenhändler, der auch Zeitungen führt, bei schlechtem Wetter tanken. Dort studiere ich die Titelseite, nehme eine mit. Bei Fußweg lese ich schon einen Teil auf der nächsten Parkbank. Hierzu braucht man einen großzügigen Arbeitsbeginn, nicht diesen Stiefel: 6 Uhr ‚raus, 7-8 Uhr auf der Matte stehen. Der macht griesgrämig. Gingen die Zeitungen ein, dann mit ihr ein gutes Stück Lebenskunst und Gelassenheit. Google et Co. sind damit keinewegs außen vor. Sie können mit Zeitungen zusammen existieren. Aber Computer im Park lesen, ist schwer. Wer den Kasten immer dabei hat, geht natürlich nicht auf die Parkbank, sondern zu Starbucks et Co. Das ist gewollt, der Rubel rollt. Wenn es beides gäbe, kann man sich was aussuchen, der eine das gelassenere Leben mit Frischluft und Zeitung und Gang mit Hund, der andere seine Einbildung, in Hetze sein zu müssen und Angeber zu sein mit aufgeklapptem Macbook – klar! – bei Frauen auch gern der Air im Coffeee-Shop. Oder das unvermeidliche Phone, spießig, diese Phone-Bürger, aber sie merken es nicht. Will man die Zeitung behalten, muss man sie kaufen, am besten verschiedene oder mehrere. Ganz einfach. Einfacher geht’s nicht. Reden allein hilft nicht. Kaufen muss man sie. Den Ersten, der sie abschafft, werde ich online nicht mehr anklicken. Er kann mir den Buckel ‚runterrutschen. Ich will über 100 werden und bis dahin, meinen Spiegel, meine FAZ, meine Welt, meine le Monde, meinen guardian, meinen telegraph am Stand kaufen und im Auto dabei haben. Und bitte am Holzstab im Café mit Stil.
Lieber Herr Schmid: Sie gehören einer überlegenen Spezies an, die weder Vorurteile kennt noch irgendwelche Raster braucht, um sich Bilder von der Wirklichkeit zu machen. Schön, dass wir darüber gesprochen haben.
Ich hingegen habe versucht, mir einen kulturell-soziologischen Reim auf das Phänomen Schirrmacher zu machen. Mehr nicht, freilcih auch nicht weniger. Er war, so meine These, der geistige Vertreter, vielleicht Führer, einer zugleich internationalen und in seiner spezifischen Ausprägung sehr deutschen Entwicklung, die – so meine zweite These – mit seinem Tod (nicht durch seinen Tod) an ihr Ende kommt. Google, denke ich, gehört die Zukunft; nicht der FAZ.
… das Gesicht der SPD 2014. … no comment
Ganz leicht zu beantworten.
Welt: „Sag mir deine Zukunftvisionen, und ich sage dir, welche Bücher du gelesen hast.“
Antwort Schirrmacher: „Think.“
Er hat kluge Bücher gelesen.
Und Lobo kluge Sachen bei Schirrmacher:
„Die Macht der Debatte wird damit deutlich. Schirrmachers Vermächtnis zu verstehen, bedeutet zu verstehen, dass man in einer Demokratie zwei Stimmen hat, eine auf dem Wahlzettel und eine in der öffentlichen Debatte. Und bei beiden liegt – Multiplikatoren und Medien hin oder her – die Wirksamkeit letztlich in ihrer schieren Masse. „Aha, soso, interessant, ich denk drüber nach“, sagt die Fußgängerzonenperson und geht zum Supermarkt, weil es Leberwurst heute billiger gibt. Klingt enttäuschend, ist zunächst enttäuschend. Aber zugleich ist dieses Nachdenken auch der hoffnungsfrohe Beginn des Kampfes um die Köpfe und Deutungshoheit namens Debatte. Der Kampf ist notwendig und immerwährend – und jetzt ist Frank Schirrmacher nicht mehr da, also müssen die Übriggebliebenen ihn führen. Los!“ Kolumne Lobo, spon
Hier ist kein Ende von etwas, außer für seine Familie. Hier ist ein Startpunkt, los. Gödel, Escher, Bach.
@ Stevanovic
„Das alles verdanken wir den Bürgerlichen. Und den Großbürgerlichen.“
Stimmt nicht. Die meisten Bürgerlichen leben in ihren Immobilien, wo möglich, bis zum Lebensende. Der Immobilienrun ist entstanden durch die Unmöglichkeit anderer Anlagen, die wenigstens zuverlässige 4 Prozent abwerfen, außerdem durch das Aufkaufen halber Städte durch gut augestattete internationale Clientèle, die auch nicht weiß, wohin mit dem Zaster. Märkte: NO unsicher, Afrika unsicher, Südeuropa finanziell unsicher etc.
Die meisten Bürgerlichen haben diese Veränderungen nicht gewollt. Omas kleines Häuschen wird trotzdem verkauft, weil es auf einem Grundstück steht. Notfalls kauft es ein Bauunternehmer unter dem vorgestellten Anfangspreis und baut Doppelhäuser drauf.
Die Bürgerlichen wollten ihr Theater behalten ohne Windeln, Scheiße und Pissen auf der Bühne (Toilette statt Theater), auf die Sprache Englisch legen sie Wert, weil sie reisen, dadurch wird sie leicht Lingua Franca; während Prollchen bei Ballermann mit von Manger-Deutsch auskommt.
Die neuen „Inklusionsgymnasien“, siehe Fleischhauer, die das Niveau noch weiter herunterziehen werden, sind kaum den Amerikanern zuzuschreiben, die reichlich Eliteschulen haben und von Eliteförderung viel halten, auch fast nur Elite legal in ihr Land lassen. Nope, honey. Bürgerliche haben nix damit zu tun. Kenne keine Bürgerlichen, die zur Not an „Öztürk“ vermieten. Kenne nur Leute, die nix zum Vermieten haben oder nix dagegen haben, an jenen zu vermieten.
Die Billigarbeit schafft die Großindustrie an, freundlich unterstützt von miefigen Multi-Kulti-Verfechtern, und nicht Ihr Doktor oder Anwalt, sorry.
Sie kennen das Bürgertum gar nicht, zumindest nicht den gebildeten Teil davon. Das Einzige, was man dem vorwerfen kann, ist sein irrer Flirt mit Grün, Veggie etc. Und dass sie manchen Irrweg der SZ nicht durchschauen.
@R.Z.
„think!..kryptisch“
Ich finde das nicht kryptisch, sondern sehr einfach zu verstehen: Es ist egal, wo du anfängst zu denken (wie du durch deine ersten Bücher programmiert bist), wenn du (selber) denkst (und deine Gedanken nicht nur um dich selber und deine Demütigungen kreisen), kommst du der Wahrheit immer näher.
(Wahscheinlich wieder zu einfach.)
Ich frag mich nicht: ist er Autor/ Publizist/ Politiker/ einfacher Bürger . . . links, rechts, konservativ, liberal . . ., sondern welchen gesunden Menschenverstand er oder sie mitbringt. Man kann niemals eine Menschen in Chematas einordnen. Ich sehe den Menschen, egal welche Bildung er mitbringt viel einfacher als die meisten hier. Für mich ist wichtig, dass Menschen fair miteinander umgehen und vorallem auf gleicher Augenhöhe kommunizieren. Ich frage nicht in einem Gespräch egal wo es stattfindet, was sind sie, weil man somit gleich in eine Schublade gesteckt wird. Nicht nur Schönschwätzer sind gefragt, sondern auch gestandene Meister, Konstrukteure und Facharbeiter, die sich nicht so gebildet ausdrücken können, als z.B studierte Sprach/ Geschichtswissentschaftler.Wer meint eine Druckmaschine oder ein Abfüllanlage fällt vom Himmel, der ist in einer anderen Welt zuhause. Deshalb ist mir in einem Gespräch wichtig, dass ich den gegenüber ernstnehme, wertschätze und nicht belächele. Entscheidend ist, dass sich der Mensch gesellschaftlich einbringt, vorallem Wählen geht und sich in öffentlichen Diskussionen/ im Netz zu Wort meldet. Diese angepassten Politiker, die bei Abstimmungen im BT nur ihrer Chefin folgen,ist mir ein kraus. Da kommen Ergebnisse raus, wie im tiefen Kommunismus. Vordenker, Mahner und Aufklärer werden m.E kalt gestellt und können ihre kritischen Kommentare nicht mehr in den Printmedien unterbringen, so
meine Einschätzung aus Gesprächen. Engagierte Eltern/ Lehrer / Meister/ Hochschullehrer sind Garanten für eine Gesellschaft, die nicht nach links und rechts, sondern nach vorne blickt.
Lieber KJN,
“Erwachsene wissen was sie wollen, haben derartige ‘Identitäten’ nicht mehr so nötig, denken selber (woraus sich das “Spielerische” ergibt)”
Ob die ” Erwachsenen “tatsächlich selber denken:
http://www.golem.de/news/kunst.....07279.html
Lieber KJN,
“Erwachsene wissen was sie wollen, haben derartige ‘Identitäten’ nicht mehr so nötig, denken selber (woraus sich das “Spielerische” ergibt)”
Ob die “ Erwachsenen „tatsächlich selber denken:
„Auch einige Medien suggerieren mit Schlagzeilen wie „Der Vorteil der Mini-Zinsen: So kann sich jeder ein Haus leisten“, der Immobilienkauf sei nahezu alternativlos. Häufig ist von „idealen Bedingungen für die Finanzierung“ die Rede“
aus:
http://www.wiwo.de/finanzen/im.....55982.html
Hat schon jemals ein Feuilletonist etwas bleibendes geschaffen ?
Ich glaube, in ein paar Jahren wird sich niemand mehr an Schirrmacher erinnern. Daß getreu dem Motto „de mortuis nil nisi bene“ jetzt nur lobende Worte gefunden werden ist nachvollziehbar, aber zumindest das FAZ-Feuilleton wurde unter Schirrmacher immer mainstreamiger und damit langweiliger.
Seit die beiden Donaldisten es nicht mehr schaffen, Fuchs-Zitate in die Überschriften zu schmuggeln findet man kaum noch was lesenswertes dort.
Es kann also nur besser werden.
Wo anfangen?
Ohne Migranten gibt es Wohnungsleerstand und damit fallende Immobilienpreise. Tschüss Altersvorsorge. Ohne Migranten keine Facharbeiter und Wachstum. Tschüss Firmenanleihe, Beteiligung und damit Altersvorsorge. Ohne Migranten keine Pflege. Ohne Zuzug, fällt das System zusammen (in allen westlichen Industrienationen). Kennen wir alle, wissen wir alle. Lingua Franca ist Englisch (in der US-Version), ist ab dem Mittelstand Pflicht, weil ohne Denglisch kein Cash. Dank Privatfernsehen dominieren amerikanische Produktionen die Kinderzimmer.
Wir könnten ewig so weitermachen. Wisst ihr, was das mit der deutschen Linken zu tun hat? NICHTS. Das alles verdanken wir den Bürgerlichen. Und den Großbürgerlichen. Ohne Leo Kirschs Privatfernsehen wäre ich in meiner Pubertät auf den Otto Katalog angewiesen gewesen – mein Dankeschön an diesen großen deutschen Konservativen. Erinnert ihr euch an die neue Rechtschreibsilbentrennung und die angedrohten Selbstverbrennungen der Kulturkonservativen? Soweit ich weiß, wurde der Gruppensuizid am Tag der Einführung der neuen Software zur Textverarbeitung bei der FAZ abgesagt. Auch das können wir ewig so weitermachen.
Die bürgerliche „Rechte“ hat eine Position nach der anderen abgeräumt, aus einem einzigem Grund: Cash. Das meine ich nicht als vulgärmarxistische Bauernregel, schaut euch die einzelnen Fälle mal an. Das eigentlich Eigene (was auch immer dies bedeutete) wurde schneller über Bord geworfen als man Ayran sagen kann. Dann wenigstens teure Krawatten und über Ali die Nase rümpfen. Für eine Szene, deren einziges Merkmal das „besser als andere sein“ ist, natürlich ein harter Schlag. In der internationalen kulturellen Wirkungskette befindet sich Deutschland weit, weit hinten und da auch nur wegen Blitzkrieg und Kindergarten. Wo es relevant wird, sind es alternative Penner wie die Krautrocker. Kraftwerk trägt wenigstens Schlipps. Aber das war es.
Deutsche bürgerliche Leitkultur ist die narzisstische Kränkung, weil sie besser kollaborieren als Vichy und dann das schlimmste: es ihnen auch noch prächtig dabei geht.
Und das passierte Leuten die sich als Individuum und Gruppe für den Nabel der Welt hielten!Leider nur in der Welt der Kreisklasse. Wer also aufsteigen will, braucht die Integrität eines Generals Pétain und davon haben die Bürgerlichen ja reichlich.
In der Burschenschaft von Bestzerbrause schwafeln und Omas altes Haus an Öztürk vermieten (bevor es leer steht).
Aus diesen rauchenden Trümmern der deutschen Kulturnation vernimmt man dann hier und da ein leises Wimmern: Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt….
Keiner konnte das so gut wie Schirrmacher.
Dieses Wimmern mit „Links“ verwechseln…liebe Leute…
Alles, was man über das ideologische Fundament des deutschen Bürgertums wissen muss:
http://www.youtube.com/watch?v=BbOedZN3Sb4
…und mehr ist da nicht.
Ich bin über Schirrmachers Tod traurig, an seinen apokalyptischen Thesen kann man schön bestimmte kultur-technokritische Thesen durchdenken und widerlegen, deshalb fehlt er mir. Zu Ende ist diese kultur-technokritische Position aber nicht, sondern die wird noch sehr viel mehr werden und durch das fehlen Schirrmachers kann das ganze wirklich abgleiten, zu anderen antimodernen Strömungen, denn Schirrmacher hatte Hoffnung.
Ein interessanter Artikel, zu dem ich Harry Rowohlts Hörbuch zu Pu der Bär empfehlen möchte. Auch den Erwachsenen unte runs. Ausgerechnet dazu schrieb Herr Schirrmacher bereits im Jahre 2000 die erste und einzige Mail mit dem inhalt: „Think!“?
Das hat schon kryptische Größe und berechtigt zur Lokalisierung auf der Rechten. Warum hat er das getan? Ist ihm bei der Lektüre irgendein Licht aufgegangen? Aber welches? Das wird man in der inzwischen aufgezogenen Dunkelheit leider nicht mehr herausfinden können.
Lieber KJN,
„Erwachsene wissen was sie wollen, haben derartige ‘Identitäten’ nicht mehr so nötig, denken selber (woraus sich das “Spielerische” ergibt)“
Da kann ich nur antworten:
Denn sie wissen nicht was sie (oftmals) tun:-)
Da ich gefragt worden bin: Frank Schirrmachers Mail an mich war eine Reaktion auf diesen Artikel:
http://www.welt.de/print-welt/.....ction.html
Für die, die es noch nicht gemerkt haben: Rechts & links sind vor allem Markenzeichen für einen Mehrwert, der doch gar nicht existiert, ein Versprechen, daß nicht gehalten wird, werden kann (die Agenda 2010, den ersten Nachkriegs-Krieg haben SPD/Grüne zu verantworten).
Kinderkram zur Orientierung und Identitätsfindung: In meinem Jahrgang war man SPD/CDU, 1.FC/Mönchengladbach, BMW/Mercedes, Pelikan/Geha usw. usf.). Erwachsene wissen was sie wollen, haben derartige ‘Identitäten’ nicht mehr so nötig, denken selber (woraus sich das “Spielerische” ergibt) – sie sind Großbürger wie Schirrmacher. Linke und Rechte sind hingegen spießig, geistige Kleingärtner, angstbesetzt, aber stets stolz auf das erreichte, bräsig konservativ halt.
an der falschen stelle gepostet, gehört hier in:
http://starke-meinungen.de/blo.....ment-26813
Lieber Herr Posener,
Sie schreiben einen diffusen Artikel, in dem Sie damit anfangen, zu definieren, was Sie in Ihrem Artikel unter der Rechten verstehen:
Mit der „Rechten“ meine ich nicht, wie in der landläufigen Sprachverwendung, den Rechtsextremismus. Ich meine einfach eine Position rechts der Mitte.
Danach werfen Sie – meist recht undifferenziert – mit Begriffen wie „68er“, „Linke“, „Neue Linke“, „bürgerlich“, „kleinbürgerlich“, „großbürgerlich“ etc. wild um sich, rühren alles um und beschweren sich dann, dass die Kommentatoren sich die Mühe machen, Ihren Wirrwarr zu kommentieren. Zählen SIe mal nach, wie oft Sie Begriffe wie Links, Rechts, großbürgerlich, kleinbürgerlich auf dieser Seite verwendet haben.
Ich weiß nicht, ob Sie sich bei Ihrer Klage über das „typisch Deutsche“ mit eingeschlossen haben.
Ihre Behauptung:
„Die deutsche Variante der Spezies, um die es geht, teilt den kulturellen Dünkel des deutschen Bürgertums und hat darum Angst vor dem, was aus Amerika kommt.
ist eine schlichte Unverschämtheit, weil sie absichtlich versucht, die gut durchdachte und argumentierten Kritiken am Neoliberalismus, an NSA und Co. oder der amerikanischen Aussenpolitik dadurch zu diskreditieren, dass sie als – aus „Dünkel“ und „Angst vor dem was aus Amerika kommt“ geboren – dargestellt wird.
Solche Diffamierungen von Ihnen sind wir gewohnt, sie sind nicht gerade „typisch deutsch“, aber, um es frei nach Biermann zu sagen, wirklich „SOOO ermüdend“.
Ich will Ihnen nicht zu viel unterstellen, aber ich habe mich gefragt, wieso Sie gerade auf das Lied „So soll es sein“ von Biermann in diesem Zusammenhang gekommen sind. Wenn Sie es sich vor Ihrem Text noch einmal zu Gemüt geführt haben, wäre es im aktuellen Kontext absolut degoutant, denn einige Zeilen, die darin vorkommen, könnten im Zusammenhang mit dem Tod von Frank Schirrmacher durchaus falsch verstanden werden:
„Die Freiheit ist ein schönes Weib
Sie hat ein‘ Unter- und Oberleib –
Sie ist kein fettes Bürgerschwein!“
oder
„Dem Bourgeois auf die Finger schau’n –
Das genügt nicht! Auf die Pfoten hau’n
Woll’n wir das fette Bürgerschwein!“
Aber wenn man das Lied von Biermann als Raster nimmt, wer denn ein Linker und wer ein Klein-, Groß- oder Spießbürger ist, kommt Herr Schirrmacher aus meiner Sicht besser weg als Sie. Denn in dieser Frage kommt es für mich nicht so sehr darauf an, ob man Krawatte trägt und wo man seinen Anzug kauft, ob man in einem Reihenhaus oder in einer Villa wohnt, ob man Ford Focus, Mercedes oder Maserati, U-Bahn oder Fahrrad fährt. Für mich zählen die Sachfragen. Und nach Irak-Krieg, Guantanamo, Abu Ghraib, Lehman Brothers & Co., Wikileaks und NSA etc. frage ich mich, wie steht wer zu bestimmten Themen:
Ich zitiere noch einmal den „alten“ Biermann:
„Und Frieden ist nicht mehr nur ein Wort
Aus Lügnerschnauzen für Massenmord
Kein Volk muss mehr nach Frieden schrei’n!
…
Ja, Wohlstand wollen wir gern, anstatt
Daß uns am Ende der Wohlstand hat –
Der Mensch lebt nicht von Brot allein!
…
Die Freiheit ist ein schönes Weib
Sie hat ein‘ Unter- und Oberleib –
Sie ist kein fettes Bürgerschwein!
…
Freiheit, – Freiheit von Freiheitsdemagogie –
Nehmt euch die Freiheit, sonst kommt sie nie!
Auch Liberale wer’n wir befrei’n!
…
Kein Spitzel findet da Arbeit mehr
Das gibt ein Arbeitslosenheer –
Mensch, ist das schön zu prophezei’n!
Nach meiner Meinung kommen Sie und zum Teil auch der „neue“ Biermann in diesen Fragen eher als „Rechter“ weg als Herr Schirrmacher. Da hilft es auch nicht, dass Sie mal die Krawatte weglassen oder in einer Opaband spielen. Das gehört mittlerweile zum kleinbürgerlichen Standard.
Beste Grüße
Ihr 68er
Lieber Herr Posener,
„Oh ja, man ist “links”, wenn es gegen USA und NSA, Google und Facebook, Wallstreet und Walmart geht; aber wenn wir, wie unter dem “linken” Richard Nixon, amerikanische Steuersätze von 91 Prozent bekommen,“
Man mag Tricky Dicky in vielen Dingen kritisieren, aber für den Einommenssteuersatz von 91% ist er nicht verantwortlich, sondern m.E. Truman, bzw. mit 94% Roosevelt:
http://en.wikipedia.org/wiki/I.....ted_States
http://en.wikipedia.org/wiki/I.....arners.jpg
Er wollte wahrscheinlich dasselbe sagen wie in einer anderen Email: „Ich beobachte Sie ganz genau!“
http://www.freitag.de/autoren/.....hirrmacher
Das hat ja etwas Bedrückendes und erinnert mich an Folgendes:
„Viele beklagen sich, daß die Worte der Weisen immer wieder nur Gleichnisse seien, aber unverwendbar im täglichen Leben, und nur dieses allein haben wir. Wenn der Weise sagt: »Gehe hinüber«, so meint er nicht, daß man auf die andere Seite hinübergehen solle, was man immerhin noch leisten könnte, wenn das Ergebnis des Weges wert wäre, sondern er meint irgendein sagenhaftes Drüben, etwas, das wir nicht kennen, das auch von ihm nicht näher zu bezeichnen ist und das uns also hier gar nichts helfen kann.“
Hier, wie auch in den überlieferten Emails von Herrn Schirrmacher (der sogar über Kafka promoviert hat), liegen Tragik und Komik ununterscheidbar. Ich frage mich ernsthaft, ob er diese Emails humoristisch gemeint hat, kann mir das aber nicht vorstellen. Ein Rätsel.
o.t.: Das ist mein Amerika!
Gut, lassen wir also das ermüdende begriffliche Denken und wenden wir uns stattdessen den Dingen selbst zu! Da käme z.B. jene orakelhafte Email in Betracht, als Herr Schirrmacher Ihnen schrieb: „Think!“ – Ganz undeutsch und schnörkellos. Sonst hielt er doch der grassierenden Formlosigkeit seine erlesene Kravatte entgegen? Es hieß doch wohl nicht: „Lieber Herr Posener, wie geht es Ihnen? Think! Beste Grüße an die Gattin und bis bald, Ihr Frank Schirrmacher“ – Das wäre wohl zu sehr C & A. Aber wo ist hier die Kravatte, und was wollte Herr Schirrmacher Ihnen damit sagen? Außer dass Sie nachdenken sollen natürlich, was doch eine Selbstverständlichkeit und nicht weiter erwähnenswert ist. Dachte er, dass Sie bei schärferem Nachdenken Ihre Position revidieren würden? Um welche Position ging es überhaupt? Oder ist das jetzt wieder zu begrifflich?
@ Alan Posener: Die deutsche Variante der Spezies, um die es geht, teilt den kulturellen Dünkel des deutschen Bürgertums und hat darum Angst vor dem, was aus Amerika kommt.
Ach, nee. Jetzt machen Sie den „Supermanager“ wieder klein, fügen ihn kurzerhand in die überkommenen Verhältnisse wieder ein. Sicher spielen die im Hintergrund noch immer eine zentrale Rolle. Das, was den „Supermanager“ charakterisiert, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist doch aber gerade, dass und wie (genialisch hochstaplerisch) er die überkommenen Verhältnisse im Hintergrund in ihr (ebenso scheinbares wie tatsächliches!) Gegenteil verwandelt hat (das gerade im Begriff ist, sich wieder aufzulösen).
Ok: I don’t know if Schirrmacher can actually be characterized as being ‘on the right’. But I see what you’re getting at.
Die Frage der Unterscheidung zielte darauf ab, dass im Grunde (was man so als Sonntag-gibt-es-Gulasch Fraktion so mitbekommt) ein Master of the Universe, ein großbürgerlicher Supermanager, ein chinesischer Selfmade und (von mir aus, aber nur mit Protest) ein Chodorkovsky Gemeinsamkeiten haben, die sich aus der Natur der Sache, den Methoden des Managements und der Technologie ergeben. Tatsächlich glaube ich, dass das Topmanagement kulturell über Kontinente mehr Gemeinsamkeit hat, als ein deutscher Manager mit mir. Das meine ich nicht als Vorwurf. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine Gemeinsamkeit – die ich bestimmt mit einem amerikanischen Angestellten genau so habe (auch wenn es sonntags bei ihm vielleicht BBQ gibt). Unsere Kinder schauen das gleiche Fernsehen, wir rauchen die gleichen Zigaretten. Das ist das, was ich unter Globalisierung verstehe.
„Die deutsche Variante der Spezies, um die es geht, teilt den kulturellen Dünkel des deutschen Bürgertums und hat darum Angst vor dem, was aus Amerika kommt.“
Das Erklärt deswegen auch diesen Punkt: Das Großbürgerliche ist die conditio sine qua non um im internationalem Schotterteich mitschwimmen zu können. Weil es eine conditio sine qua non ist, war es eben keine Überwindung durch Einsicht, es war und ist notwendig. Was die conditio ist, wird – siehe kulturelle game changer wie Facebook oder Google– in den USA und nicht in Deutschland, China oder Frankreich definiert. D.h. es kann durchaus sein, dass man morgen wieder draußen ist,Google gab es vor 10 Jahren nicht, dazu kommt das Gefühl der Fremdbestimmtheit. Man ist zwar gerne dabei, hat aber auch keine Wahl. Das macht Angst – nicht nur Deutschen. Diese Angst artikuliert sich im kulturellen Dünkel, was zeigt, dass das neue Großbürgertum nicht immer unbedingt großbürgerlich ist. Ohne wieder über Begriffe streiten zu wollen. Das brillante Sprachrohr dieser Leute war Schirrmacher. Lieber über Google jammern, als ein Google gründen – bin Kleinbürger, so richtig nach Großbürger klingt mir das nicht. Was mich etwas versöhnt: wir haben mit den doofen Amis ein gemeinsames Thema.
Nu ja,
ich hatte es hinsichtlich der „Linken“ und „Rechten“ schon geahnt, dass es nicht mehr um die inhaltlichen Positionen gehen möge, wobei gerade die 1980er die Transformation der „Rechten“ eben nicht nur aus den Parlamenten raus an die Börsen sondern im Grunde genommen auch aus der Politik sich vollzogen hat, wenn man die CDU/FDP als „rechts“ bezeichnen wollte.
Die „Wendejugend“ (Wende auf die „geistig-moralische“ des Helmut Kohl bezogen, also „Junge Liberale“ und „Junge Union“) hatte für die Mitgliedschaft meistens eher pragmatisch-geschäftliche Gründe. Dem entgegen stand aber immerhin noch eine – zumindest in Deutschland teilweise – politische Linke. Die 1980er werden noch als Karikatur wahrgenommen, vor allem eben die Wall-Streeter mit Michael Douglas als Abziehbild einer Generation oder Mario Adorf in „Kir Royal“.
Dem entgegen standen „Tschernobyl“ auf der Linken, die damit schon automatisch nicht mehr auf Seiten der Sowjetunion stehen konnten, die aber eben noch erkennbar politisch war. So gesehen also eine zwar internationalistischere Rechte, allerdings eine, für die Politik nur ein Vehikel war.
Klar – Schirrmacher war eben Feuilleton und damit schon passend zu einer entpolitisierten Rechten, aber wie andere schon erwähnt haben, hat Schirrmacher es erkannt. Somit war das ‚Ende von etwas‘ eher das Ende von Christian Wulff als gealterter Wendejugendlicher oder noch deutlicher Westerwelle und Christian -„Moomax-Porsche“ – Lindner als verspätete Yuppies, die es noch kurz und kreischend ins Parlament schafften, aber nun noch bei drei Prozent liegen.
Was also soll das „etwas“ denn noch sein, das mit Schirrmacher zu Ende geht? Debatten gehen weiter, vielleicht jetzt eher Precht-getrieben. Yuppie ist (kulturell) am Ende, seit „neoliberal“ ein allgegenwärtiges Schimpfwort geworden ist. Die „P1“-Geschädigten wurden durch die grünen Schwaben abgelöst, die das ehemals politische Hausbesetzerwestberlin + Prenzlberg mit Bionade geflutet haben., während ihre Münchner Vorgänger wenigstens nur arrogant waren, aber zu Hause geblieben sind.
Alles hängt aber lediglich an Kultur – oder 80er-Sprech: „Zeitgeist“. Der totale internationale Kapitalismus hat ja nichts dagegen, solange er an den Che-Guevara-T-Shirts verdient.
So gesehen ist auch dieses „Ende von etwas“ lediglich ein Scheinende, weil die Feinde in den Markt eingebunden sind und in Wirklichkeit erst dann zu Feinden werden, wenn sie nicht mehr einkaufen gehen.
Es ist so typisch deutsch, und so ermüdend, dass wir hier über Begriffe reden. Was ist links, was ist rechts, was ist liberal, was bedeutet „habituell“ usw. usf. In England würde man sagen: „I don’t know if Schirrmacher can actually be characterized as being ‚on the right‘. But I see what you’re getting at.“ Zumal ich die soziale Basis angedeutet habe. Aber nun soll ich wiederum zwischen Masters of the Universe und deutschen Topmanagern unterscheiden …
Sagen wir es so: Die deutsche Variante der Spezies, um die es geht, teilt den kulturellen Dünkel des deutschen Bürgertums und hat darum Angst vor dem, was aus Amerika kommt.
Gibt es einen Unterschied zwischen einem großbürgerlichen Supermanager und einem Master of the Universe (außer einer 0 auf dem Lohnzettel)?
Mein letzter zu dem Thema: Es ist nur dann habituell, wenn es sich im gleichen Spielfeld bewegt. Deswegen ist es durchaus eine Leistung, den konstruierten Gegensatz als solchen zu erkennen und mit ihm zu spielen, was Schirrmacher ja wie kaum jemand konnte. Die Dalai Lama Momente entstehen deswegen, weil man so unterschiedlich gar nicht ist, sich jeder Liberale irgendwie wiederfindet.
Habituell, lebensweltlich? Dann bin ich als Klassikhörer rechts und als Jeansträger links. Insgesamt ergibt sich ein Vertreter der Mitte. Warum nicht.
@Ziegler
Was Posener beschreibt sind nicht Rechte, die etwas überwunden haben – es sind gar keine Rechte. Rechte sind nicht hedonistisch, auch nicht internationalistisch. Es sind Liberale, verschiedener Schattierung, von denen hier die Rede ist. Die große Leistung der großbürgerlichen Rechten besteht darin, nicht mehr Rechts zu sein. Das ist was anderes als überwundenes Kastendenken. Wenn 68 die Aufklärung anbringt, sind wir im Liberalen. Insofern sehen sie das schon Richtig: Etikettenschwindel.
Lieber Roland Ziegler, ich habe sowohl hier als auch in der „Welt“ verschiedentlich die Positionen Schirrmachers einer Kritik unterzogen. Ich will das nicht alles wiederholen.
Auch will ich meinen Artikel nicht wiederholen. Sagen wir es so: den Begriff „rechts“ habe ich eher habituell gemeint. Man ging nicht zur „FAZ“ des Joachim Fest, wenn man sich habituell zur Linken gehörig fühlte. Schirrmacher gehörte zu einer Kohorte, der es wichtig war, Anzug und Krawatte als Distinktionsmerkmale gegen die als Zumutung empfundene Formlosigkeit des linken Zeitgeists zu tragen; aber dieser Anzug war nicht von der Stange, diese Krawatte war edel; und mit dem kleinbürgerlichen Ressentiment wollte man ebenso wenig zu tun haben wie mit dem zerknitterten Anzug von C&A und der Stammkneipenmentalität der herkömmlichen Rechten.
Was man bei Schirrmacher begreifen muss, ist dass sein intellektueller Flirt mit Wagenknecht so spielerisch war wie alles andere: Niemals hätte er in einer von der Linken regierten Republik leben wollen.
Wenn Ihnen nach dem Gesagten immer noch nicht klar ist, worauf ich hinaus will, wenn Sie ernsthaft glauben, „links“ und „rechts“ seien vornehmlich inhaltliche Positionen, und nicht lebensweltliche, dann fürchte ich, dass Sie einfach für sich beschließen müssen, meinen Artikel doof zu finden. Womit wir beide gut leben können.
Lieber Stevanovic, ich glaube, dass wir die ökonomischen und politischen Folgen der Krise von 2008ff noch lange nicht überwunden haben. Den riesigen Schaden wird irgendjemand bezahlen müssen. Bisher waren es „die 99 Prozent“. Ich bin nicht sicher, wie lange das gut gehen wird, unabhängig davon, ob man das als Linker gutheißen kann. All die Schirrmacherschen Bedrohungszenarien – Minibots und Genmanipulationen, Spieltheorie und Google-Algorithmen – sind meines Erachtens ein Ausweichen vor der Tatsache, dass Regierungen auch heute das Geld holen müssen, wo es ist, so wie sie es tun mussten, um den 1. und 2. Weltkrieg zu finanzieren oder die Große Depression zu überwinden.
Oh ja, man ist „links“, wenn es gegen USA und NSA, Google und Facebook, Wallstreet und Walmart geht; aber wenn wir, wie unter dem „linken“ Richard Nixon, amerikanische Steuersätze von 91 Prozent bekommen, auch weil wir auf diesen wirtschaftlichen Wachstumsfeldern nicht Schritt halten, dürfte der Flirt mit den Ideen der antimodernen Linken ganz anderen, wenn auch ebenso antimodernen Haltungen weichen.
@Alan Posener: Habe ich tatsächlich nicht verstanden. Sie sprechen doch von einer „spielerischen Rechten“, einer Position „rechts von der Mitte“? Sie sagen, dass diesed Position großbürgerlich, hedonistisch und internationalistisch ist. Inwiefern ist sie denn dann rechts? Frau Wagenknecht ist auch großbürgerlich, hedonistisch und internationalistisch. Und Schirrmacher hat gesagt, dass er zu glauben beginnt, dass die Linken recht hat?
Irgendwie widersprechen Sie sich, wenn Sie einerseits den Schirrmacher bei der Rechten einordnen und andererseits sagen, dass er dieses Kasten-Denken überwunden hat. Jedenfalls verstehe ich das nicht.
„Piketty glaubt, Verhältnisse wie in der Belle Époque könnten das neue Normal werden. Schirrmacher wusste es besser. Sein Tod ist darum auch „das Ende von etwas“. Und zwar nicht nur das Ende einer besonders interessanten und aufregenden Epoche der deutschen Publizistik. Das auch.“
Lieber Herr Posener, das verstehe ich nicht, zumindest nicht, wenn sie es schreiben. Gut, es ist nicht Attack – aber diese Sätze durchzieht ein Zweifel, wie ich ihn so an ihnen noch nicht bemerkt habe. Könnte nicht Dragis 0% Zinsen ein Teil der Lösung sein?
Dennoch sind mit „68“ auch bewährte Prinzipien abhanden gekommen, das sollte man nie vergessen zu erwähnen. Es sind jene, die dann oft, so man sie bei Arbeitern gewahr wurde, als „kleinbürgerlich“ aphostrophierte. Manchmal war es so, manchmal aber auch nicht. Bei Schirrmacher habe ich wenig Originäres entdecken können, vom Origenellen ganz zu schweigen.
„Schirrmacher und seine Generation großbürgerlich empfindender Manager und Publizisten haben genau dieses Kasten-Denken hinter sich gelassen.“
Der eiserne Vorhang war nicht mehr das Ende der Welt, China öffnete die Märkte, der Sozialismus verrottete, die Computerisierung deutete fantastische Möglichkeiten an, Madonna und Franky goes to Hollywood beerdigten die christliche Moral in den Kinderzimmern aus reiner Freude am Kommerz und Begriffe wie Demographie begannen ihr Eigenleben. Der letzte Versuch Kohls, die Gastarbeiterfrage zu lösen, endete im Desaster. Ab Mitte 80er konnte jeder wissen, dass die Haselnuss nicht nur schwarz/braun sein wird, dann kam die DDR=Bonanza.
„Dass viele ihrer Ideen und Ideale heute selbstverständlich sind, verdankt die Linke weniger ihrem Gang durch die Institutionen, wie die ressentimentgeladene Rechte argwöhnt, als vielmehr der List der Geschichte: sie lagen sozusagen in der Luft; die Konsumgesellschaft entwickelte sich ohnehin in die Richtung.“
Ohne die Leistungen einzelner schmälern zu wollen: der großbürgerliche Manager ist ebenso der List der Geschichte zu verdanken. Der Typ Bauunternehmer aus Wanne-Eickel passte nicht zu New-York, Rio, Tokio. Wer in überhaupt in Kasten und nicht in Möglichkeiten dachte, wurde in der internationalen Geschäftswelt schnell zum Außenseiter. Globalisierung hat ja nicht erst angefangen, als wir es hier gemerkt haben. Sogar die Sozis wurden New Labour (klingt cooler als Agenda 20 10). Ende: nicht in Sicht. Was aber passieren kann, am ehesten in Frankreich, dass das verachtete Kleinbürgertum zurückschlägt und Le Pen Präsidentin wird – dann ist die Belle Époque schnell vorbei.
Schirrmacher ist tot.
… bezeichnend, wie so ein Tag wie heute, der 17. Juni, vom sozialistischen Mainstream der ‚BRD‘ geradezu ängstlich tot geschwiegen wird.
EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT für das deutsche Vaterland !!!
Daher!
Lieber Parisien, mal ein Lob aus Ihrem Mund ist auch mal was Schönes, dafür vielen Dank. Über den Irak schreiben? Ich weiß nicht. Es wird dazu einiges in der nächsten „Welt am Sonntag“ stehen, auch Ergebnis einer Diskussion heute, an der ich beteiligt war, geschrieben jedoch von Leuten, die mehr darüber wissen.
Vielleicht beantwortet dieser Artikel einige Ihrer Fragen, einschließlich des nun nicht mehr zutreffenden, damals vielleicht schon falschen Satzes über die Zustände im Irak:
http://www.welt.de/kultur/hist.....g-ist.html
„Das Ende von etwas“
Was will der Autor uns damit sagen?
Was ist „etwas“ und wieso hat „es“ ein Ende gefunden?
Schirrmacher kann das „etwas“ nicht sein, denn er steht, soweit ich Herrn Posener folgen konnte, ja nicht allein für ein „etwas“, das ich – auch nach nochmaligen Lesens des Artikels nicht – nicht wirklich fassen kann.
Interessant finde ich an dem Beitrag, dass er, gegen den aktuellen Trend, mit den Begriffen Rechts und Links argumentiert. Das tat Schirrmacher selbst ja auch, als er z. B. seinen Artikel über die die „bürgerlichen Werte“ schrieb:
http://www.faz.net/aktuell/feu.....06162.html
In einem anderen Zusammenhang hatten wir über das Thema schon einmal diskutiert und schon damals hatte ich die Auffassung vertreten, dass „bürgerliche Werte“ durchaus „links“ sein können, dass eine gewisse ursprüngliche Auffassung von „Bürgerlichkeit“ in der Aufklärung ihre eigentlich linken Wurzeln hat.
Da Schirrmacher, soweit ich ihn gelesen habe (ein winziger Bruchteil seiner Feulleitonbeiträge, keines seiner Bücher), sich dieser Aufklärung verschrieben hatte, war er – bei aller „bürgerlichen“ Attitüde – durchaus auch ein „Linker“ im besseren Sinne.
Und aus dieser Grundhaltung, so scheint es mir, erklärt sich seine Kapitalismuskritik, seine Empörung über NSA und Co. und sein Hinterfragen der aktuellen aussenpolitischen Situation. In all diesen Fragen hat er aus meiner Sicht, die klassische Position des Aufklärers, des Kämpfers wider ausufernde staatliche und andere von oben wirkende Mächte vertreten.
Hierzu bedarf es der Fähigkeit zu denken, dem Willen und Mut einen eigenen Standpunkt zu vertreten und den Glauben daran, dass die Welt gestaltbar ist.
Als ich in meiner Jugend die Welt der Zeitungen entdeckte war die FAZ noch eine wirklich „rechtsbürgerliche“ Zeitung. Es gab die FR und die SZ, die irgendwie sozialdemokratischer oder liberaler waren, „Die Welt“ unter Manfred Schell dümpelte auf Lokalzeitungsniveau vor sich hin, später kam die schwachbrüstige Biotop-tageszeitung aus Berlin und „DER SPIEGEL“ war noch ein wirkliches Meinungsmedium.
Heute ist vieles anders, einiges schlechter, einiges besser. Und Frank Schirrmachers Verdienst war es u.a. dass die FAZ – aus meiner Sicht – besser geworden ist, weil spannender, offener, vielfältiger und damit auch kritischer.
Anders dagegen die SZ, die sich in einem aktuellen Bekenntnis zum reinen Unterhaltungs- und Werbemedium erklärt hat.
Im Diskussionsteil eines Artikels über die Aktivitäten russischer „Kräfte“ im Medienkrieg um die Ukraine entblödete sich ein gewisser Herr Daniel Wüllner nicht, sich mit folgendem Appell an sie Leser und Blogger zu wenden:
„Journalisten“, die der Meinung sind, oder sollte man besser sagen „glauben“, dass eine Diskussion nur dazu da ist, mal miteinander über etwas gesprochen zu haben, ansonsten vor allem natürlich das Auskommen der Medienschaffenden zu sichern hat, auf keinen Fall aber Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit haben darf, sind die Nägel im Sarg unserer Zivilgesellschaft.
Frank Schirrmacher, soviel lässt sich zumindest von ihm sagen, gehörte nicht zu dieser Kategorie.
http://www.freitag.de/autoren/.....hirrmacher
Sie haben leider weder Schirrmacher noch meinen Artikel verstanden, lieber Roland Ziegler, wenn Sie, darin auch sehr deutsch, mit einer Links-Rechts-Checkliste daherkommen. Schirrmacher und seine Generation großbürgerlich empfindender Manager und Publizisten haben genau dieses Kasten-Denken hinter sich gelassen. Dass und warum sie das taten und tun konnten, darum ging es in meinem Essay, nicht um rinks und lechts an und für sich.
Mein Mitleid. Nicht aber, allen denjenigen, die glauben ´für Andere denken zu müssen`, sondern Einem, der es verstanden hat, ´Andere zum Denken zu animieren`, – ´sie denken zu lassen` – das ist der Unterschied! und: … für Diesen Anfang ist es nie zu spät!
…übrigens ist das wohl auch der Grund, warum Linke einander duzen, während Recht sich siezen: die Linken sagen damit, dass du Pfeife auch nicht besser bist als ich, während die Rechten sagen, dass Sie eine höchst respektierliche Person sind, so wie ich.
…achnee: Pauken und Trompeten sind beide rechts, Violinen links: So ist es im klassischen Orchester 🙂
…vielleicht, dass die Rechten gerne über die Linken behaupten, die seien moralischer als sie selbst. Sie seien Gutmenschen. Was ein Trick und nicht ernstzunehmen ist: Die Rechten glauben insgeheim, selber besser zu sein als die Linken. Wäre es anders, würden sie wie Schirrmacher zu den Linken übertreten.
Schirrmacher hat den Horizont ungemein erweitert. Ich habe ihn dafür noch vor der Tragödie gelobt. Nur sollten wir eines überschätzen: Er hat aktuelle Probleme populär vermittelt. Wirklichen Fachleuten hat er nichts Neues erzählt, das muss er als Publizist ja auch nicht. Seine Wirk-Möglichkeit war begrenzt und seine Wirkung war, mit Verlaub, recht bescheiden. Das lag nicht an seiner Person, es lag in der Natur der Sache. Vergleichbar mit Scholl-Latour, natürlich auf einer anderen Ebene.
„Frank Schirrmacher steht als Chiffre für eine Position rechts der Mitte, die das Ressentiment und den Kulturkampf hinter sich gelassen hat; ja, die in gewissem Sinne das Erbe von 68 angetreten hat: man war nicht mehr kleinbürgerlich, sondern gab sich großbürgerlich; nicht mehr verklemmt, sondern hedonistisch; nicht mehr nationalistisch, sondern internationalistisch; weltoffen, zukunftsgewandt; nicht mehr staatsfixiert, sondern oft geradezu staatsfeindlich. Spielerisch eben.“
Für mich klingt das weder Rechts noch Konservativ, es ist eine Spielart des Liberalismus, vielleicht ein pessimistischer Liberalismus. Aber wirklich Konservativ ist das doch nicht, es sei denn, alles jenseits des liberalen Korridors ist rechtsextrem.
„Die Linken hatten Schulkreide in den Kleidern und den Köpfen, die Rechten mufften nach Bausparer. Eigenheim und Gulasch am Sonntag. Schirrmacher und diejenigen, die mit ihm die geistige Einrichtung der Berliner Republik entrümpelten, hatten und haben mit alledem nichts mehr zu schaffen. Und das ist eine große Leistung.“
Nicht zu vergessen, dass sich die Gulasch-Bausparer deswegen in ganz Europa den Populisten zuwenden und sich ein diffuses Gefühl über die abgekoppelte Elite langsam in organisierten Parteien manifestiert (schon weiter ist Frankreich mit dem FN). Dies liegt auch daran, dass linke und rechte Vordenker vom Kleinbürgertum abgewendet haben. Das ist nicht Schirrmachers Schuld, nicht mal einer einzelnen Person. Aber die große Leistung hat ein Vakuum hinterlassen, das sich nun, nach einer Generation kleinbürgerlicher Unzufriedenheit und intellektuellem Dandytum , mit Ansichten aus dem Grenzbereich füllt.
Mir ist nicht klar, was „die Rechte“ von „der Linken“ (abgesehen vom Musikgeschmack) unterscheidet, so dass ich den Artikel nicht beurteilen kann. Schirrmacher scheint jedenfalls seine Position auf „der Rechten“ in Richtung „Linke“ verlassen zu haben, als er im Jahre 2011 schrieb: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“.
Das war damals ein Beginn. Inzwischen müsste er demnach weitergegangen und auf halben Wege bei „der Linken“ angekommen sein. Falls er unterwegs nicht kehrt gemacht hat. Hat er nicht? Dann kann der Artikel nicht stimmen.
Wann ist man überhuapt links? Vielleicht wenn man bedauert, dass Schirrmacher nicht nur bei dem Versuch, sich unsterblich zu machen, sondern geradezu durch diesen Versuch viel zu früh ums Leben gekommen ist. Daran sind neben den Zigaretten offenbar die viele Arbeit schuld. Insbesondere das Bemühen, alle wichtigen Leute zu kennen, alles richtig zu beurteilen und in wichtig/unwichtig zu unterscheiden, damit permanent ins Gespräch zu kommen und auch zu bleiben. Der Tod setzt diesen Versuchen ein frühes Ende, das ist eine Tatsache.
Man strebt nach rechts, wenn man „Größe“ bewundert und zu ihr aufstrebt, und nach links, wenn man ihr skeptisch begegnet und lieber bequem so bleibt, wie man ist. Rechte bewundern die Großen, die Gestalter und Generäle: Churchill habe dieses, Roosevelt jenes große Geschenk der Menschheit gemacht. Die Linken machen lieber kleine Geschenke für die Namenlosen und Ungenannten. Rechte wollen, dass man sich selber hilft, um „groß“ zu werden, Linke wollen den Kleinen helfen und sie so lassen, wie sie sind. Rechte glauben an Automatik, Linke an das Schaltgetriebe. Rechte ziehen gern groß in den Krieg oder lassen Kleine in den Krieg ziehen; Linke bleiben unter allen Umständen zuhause, weil sie entweder nicht an das Böse glauben oder es zumindest nicht fürchten. Rechte finden Geld besser als Linke, und großes Geld natürlich noch besser. Rechte finden große Konzerne deshalb auch gut, aber wenn sie zu etwas anderem gezwungen werden, beginnen sie zu zweifeln und zu glauben, dass die Linke am Ende doch recht hat. Rechts sind die Pauken, links die Trompeten.
Habe ich was vergessen?
Lieber Alan Posener,
es ist sehr gelungen, wie Sie die Persönlichkeit Schirrmacher im Wandel der Zeit beschreiben. Auch durchaus beeindruckend, wie Sie von Ihren Kritiken dabei nichts zurücknehmen, indirekt zugebend, dass die ganze Sparte, Ihre, oft von einem unübersehbaren Neid gegeneinander getrieben wird, der auf Leser oft kleinbürgerlich wirkt, auf mich zumindest. Ich selbst, weitgehend neidlos immer gewesen, wünsche mir die Sparte souverän, kleinlichen Klüngel nicht vor mir austragend, sondern nur in der jeweiligen Sache gnadenlos fechtend, mich verschonend vor spießigen Animositäten, die nach Zickenkrieg riechen. Letztlich etwas über mir stehend, damit ich bereit bin, zuzuhören und etwas dazu zu lernen.
Sie sagen, Schirrmacher hatte Einfluss. Ja. Aber eben auch auf Leser. Er war unbeirrbar souverän, daher war man bereit, ihm Raum zu geben, gedanklichen Raum, einen ziemlich großen, der nichts damit zu tun hatte, dass er Mitherausgeber war, sondern eher damit, dass man ihn beim Denken beobachten konnte und selbst denken durfte.
Also bleibt uns nach dem „Ende von etwas“ nur das als Erbe:
THINK!
Thinking we stay alive.
P.S. Falls Sie nächste Woche mal über die Entwicklung im Irak schreiben würden, die Sie ja zu GW’s Zeiten genau mit verfolgt haben, würde ich mich freuen. Würde auch zu Schirrmacher passen, denn sein letztes mail soll genau darüber gewesen sein.