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50 Jahre Vatikanum Zwei

Ein halbes Jahrhundert ist es nun her, dass sich die Katholische Kirche mit dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils auf das Wagnis des „Aggiornamento“ einließ. Ein Wagnis, vor dem viele in der Kirche gleich wieder zurückgeschreckt sind.

Der prominenteste Renegat ist der gegenwärtige Papst Benedikt XVI, der als Theologe Joseph Ratzinger zusammen mit Karl Rahner und Hans Küng zu den jungen Wilden des Konzils zählte, der aber seit seiner Flucht aus Tübingen im Revolutionsjahr 1968 mit der ganzen Emphase des Renegaten die von ihm selbst mitformulierten Beschlüsse des Konzils rückgängig machen will.

Erstaunlicherweise wird diese Agenda von Ratzinger und seinen Anhängern immer noch und immer wieder geleugnet. Dabei finden sich in Ratzingers Werken viele Passagen, die sich explizit gegen das Konzil wenden, wie etwa die folgende, in der dem Konzil eine geradezu teuflische Wirkung zugeschrieben wird: „Das Erlöschen der Kirchen würde einen geistigen Erdrutsch bedeuten, dessen Ausmaße wir uns noch nicht vorzustellen vermögen. In welche Richtung das gehen könnte, ist nach meinem Dafürhalten in den Ereignissen von 1968 und in der daran anschließenden Entwicklung deutlich geworden. Denn (sic!) die Pariser Studentenrevolution, die das 68er-Phänomen ins Rollen brachte, ist nicht von außen auf die Kirche geprallt, sondern aus den nachkonzilaren Gärungen des Katholizismus und aus vorangehenden Strömungen revolutionärer amerikanischer protestantischer Theologie hervorgebrochen… Diese theologische Implikation ist auch im deutschen und italienischen Terrorismus der siebziger Jahre unverkennbar. Die Gestaltwerdung des italienischen Terrorismus der frühen siebziger Jahre ist ohne die inneren Krisen und Gärungen des nachkonziliaren Katholizismus nicht zu verstehen“.

Nun, die These ist gewagt. Der Berliner sagt: Hamse’s nich ne Nummer kleener? Denn erstens brachte der Pariser Mai, der nicht nur eine „Studentenrevolution“ war, keineswegs „das 68er Phänomen ins Rollen“, wie Ratzinger behauptet. Vielmehr bildeten die Ereignisse des Jahres 68, zu denen neben dem Pariser Mai der Prager Frühling, die Tet-Offensive und Demonstrationen in Ost und West ebenso gehörten wie die Mordanschläge auf Robert Kennedy, Martin Luther King und Rudi Dutschke, der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die CSSR, die Auflösung der Roten Garden in China, die Wiederwahl Charles de Gaulles in Frankreich und die Wahl Richard Nixons in den USA, den Höhepunkt, aber auch das Ende jener revolutionären „Gärungen“, die bereits wirksam waren, als das Konzil am 11. Oktober 1962 eröffnet wurde und auf die das Konzil – zweitens – eher reagierte als dass es sie ausgelöst hätte.

Und wenn – drittens – womöglich im italienischen Terrorismus der 1970er Jahre (gemeint ist der Linksterrorismus, Ratzinger beachtet erst gar nicht den gefährlicheren und blutigeren Rechtsterrorismus jener Jahre, etwa jenen der Geheimloge „P2“) auch katholische Motive wirksam waren, so war im deutschen Linksterrorismus der gleichen Zeit eher der Einfluss des protestantischen Pfarrhauses bestimmend. Allenfalls beweisen diese Spurenelemente, dass Religion und Terrorismus auch im Vorzeichen des Christentums Verbindungen eingehen können, was aber nicht wirklich verwundert.

Ratzinger reflektiert jedoch nicht diesen Zusammenhang, weil er ihm nicht passt; er benutzt vielmehr die behauptete Verbindung zwischen „nachkonzilaren Gärungen“ und Terrorismus zur Diskreditierung jenes gewagten Versuchs, einen Katholizismus zu schaffen, der mit der Moderne kompatibel ist.

Es wird Zeit, dass dieser historische Taschenspielertrick auch in der Kirche hinterfragt und als das entlarvt wird, was er ist, nämlich Geschichtsklitterung. Denn das Konzil endete erst 1965. Seine Ergebnisse wurden in der Kirche erst langsam  rezipiert. (Ich erinnere mich, wie wir uns im katholischen Religionsunterricht anno 68 durch Rahners’ „Kleines Konzilskompendium“ quälten.) Es ist undenkbar, dass die Ereignisse von 1968, geschweige denn der „geistige Erdrutsch“ und das „Erlöschen der Kirchen“, den Ratzinger in den Aufgeregtheiten der Tübinger Studenten, vor denen er 1968 Reißaus nahm, präfiguriert sieht, vom Konzil ausgelöst wurden. Eher waren sie eine Reaktion auf die erstarrten Verhältnisse der Zeit vor dem Konzil und vor dem großen Reformer Johannes XXIII; dass diese Reaktion übers Ziel hinaus schoss, ist nicht verwunderlich. Daran aber war aber bestimmt nicht das Konzil schuld. Nach der Ära Ratzinger wird die Kirche sich dankbar des Konzils erinnern; und die Welt wird es der Kirche danken.

 

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57 Gedanken zu “50 Jahre Vatikanum Zwei;”

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    Das Tragische an der Glorifizierung des Vat.2 ist, dass geflissentlich vergessen wird, dass dieses Konzil die Bestätigung des ersten Vatikanischen Konzils ist mit seinen beiden verheerenden Papstdogmen.

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    Chère Rita

    eine interessante These:

    Es gibt da übrigens Latrinenparolen, die davon ausgehen, daß der Verfassungsschutz die Rechtsradikalen instrumentalisieren möchte, als Hilfstruppen der Ordnungsmacht bei sozialen Unruhen.
    Interessante These, die ich überhaupt nicht für unvorstellbar halte, eher für sehr vorstellbar.
    „Man meint nämlich tatsächlich, daß die Rechten auf hierarchische Strukturen trainiert wären, da etwas primitiv, und daher leicht zu lenken.

    Genau so hat Hitler die SA auch benutzt, und sie nachher nach Zweckerfüllung, liquidiert.

    Dämmert Ihnen etwas? Das “Gedankengut” dürfte sich schrecklich ähneln. Unter diesen Gesichtspunkten lohnt es sich tatsächlich den Schnee von gestern zu analysieren.“

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    @ Rita E. Groda

    Eyes wide shut. Zwinkern Sie mal ein bißchen. Wir sind doch hier keine Lehranstalt mit bösen Buben und strengen Lehrerinnen? Nun, ich werde in Zukunft auf phallokratische Kraftausdrücke verzichten. – Auch wenn Sie zuweilen den Eindruck haben mögen, dass ich glaube, alles besser zu wissen, denke ich doch, dass es mir mehr darauf ankommt, zu fragen und in Frage zu stellen.

    @ Rita E. Groda, Kerstin

    Ich bin wie Sie der Ansicht, dass es nicht Schnee von gestern ist, sondern nützlich zu untersuchen, was wie mit welchen Absichten unter welchen Situationen in Reaktion auf was etc. geschehen ist. Wenn man dadurch Erkenntnisse für eine Prophylaxe oder Prävention gewinnt, umso besser. Wenn Sie beide sich hier verdient machen, finde ich das prima. Müßig scheint mir jedoch, eine Rangordnung des Bösen der beiden totalitären Systeme und eine Rangordnung der Opfer aufzustellen; na ja, möglicherweise ist das genau so wichtig wie die scholastischen Überlegungen, wieviele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben, oder die Klärung der Frage, ob der Sohn wesensgleich mit dem Vater oder doch nicht ist.

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    @Liebe Rita E. Groda: Zunächst zu den bei wikipedia veröffentlichen Zahlen. Richard Overy schreibt in seinem Buch, dass gerade in der Sowjetunion doch genau „jedes Urteil und jedes Strafmaß“ von Sachbearbeitern im NKWD „ protokoliert“ wurde. So wurden bereits unter Gorbatschow 1990 Zahlen über hingerichtete Personen veröffentlicht, die meisten (88%) zum Tode Verurteilte zwischen 1930 und 1953 entfielen auf Hinrichtungen in die Jahre 1937 und 1938. Gleichzeitig muss man berücksichtigen, welche Straftatbestände abgeurteilt wurden. Andere Zahlen, in der Regel höhere, sollen oft aus Schätzungen von Opfern resultieren, die zunächst vom Westen akzeptiert wurden. Grundsätzlich sind für mich die Zahlen nicht das Entscheidende, denn hinter jedem Opfer verbergen sich Geschichten von vielfältigem Leid und oft zerstörten Individuen.

    Zu den Geheimdiensten: Die Aufdeckungen im Zusammenhang mit der NSU verunsichern mich stark. Vor einiger Zeit hatte ich Regine Igel´s Buch „Terrorjahr – Die dunkle Seite der CIA in Italien“ gelesen. Da ich mich inzwischen stärker mit der Geschichte der DDR beschäftige, bin ich auf weitere Publikationen von Regine Igel http://www.heise.de/tp/autor/r.....fault.html gestoßen. Inzwischen hat sie ein weiteres Buch zu diesem Thema geschrieben, dass ich aber noch nicht gelesen habe. Gerade in Deutschland ist dies ein sehr undurchsichtiges Thema.

    Im Moment bin ich gerade dabei mich mit dem Kapitel der „Kommandowirtschaft“ in Richard Overy´s Buch näher zu beschäftigen, ich habe in dem Buch viele Parallelen zur DDR-Wirtschaft gefunden, was sicher durch die Anbindung an den sowjetische Wirtschaftsraum nicht verwundert. Doch waren für mich die Ähnlichkeiten der Wirtschaftsstruktur zum Nationalsozialismus doch neu. Bis jetzt habe ich mich hier eher selten zur Wirtschaft und zu Europa geäußert, aus der DDR kommend und damit mit dem westlichen Wirtschaftssystem (Nachkriegs) nicht vertraut, habe ich zunächst nur eine beobachtende Stellung eingenommen, doch gilt es hier über Einiges nachzudenken.

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