Die Grafik unten (aus Wikipedia) zeigt die politischen Grenzen Thüringens von 1910 auf.
Und: cuius regio, eius religio („Wes der Fürst, des der Glaub“), sagt der Augsburger Religionsfrieden von 1555. Der Landesfürst gibt die Konfession der Untertanen vor. Er ist im Protestantismus bis 1918 in Deutschland sogar das Kirchenoberhaupt. Für Thüringen hieß das weniger eine Zersplitterung zwischen römisch-katholisch und protestantisch, sondern mehr eine Zersplitterung der Protestanten untereinander: Mindestens vier verschiedene Versionen von „lutherisch“ und dann gab es noch die Calvinisten (Reformierte).
Konfessionsfreiheit galt nach Willen der Augsburger Übereinkunft nur in den Freien Reichsstädten, also in Mühlhausen, was diese Thüringer Stadt besonders macht..
In Schmalkalden gab es, wie in der ganzen Landgrafschaft Hessen, bis zur Union 1818 eine starke Reformierte Kirche neben der Lutherischen. Das war einst vom Landgrafen Philipp auch so gewollt. 1529 hatte er zum Marburger Religionsgespräch geladen, um die Spannungen zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli, die Differenzen zwischen Lutheranern und Reformierten zu glätten.
In der Preußischen Provinz Sachsen hatte der König zu Berlin Lutheraner und die hauptsächlich aus Hugenottenfamilien herrührenden Calvinisten 1817 zu einer Evangelischen Unionskirche zwangsvereinigt. Deshalb gibt es dort auch noch die Selbständige Evangelische Landeskirche, die Altlutheraner, die das nicht mitmachen woll(t)en.
Diese Altlutheraner wiederum gibt es in den wettinischen Landen nicht. Da war gewissermaßen die ganze Evangelische Landeskirche altlutheranisch. So in Dresden,
- so in Sachsen-Meiningen
- so in Sachsen-Coburg und Gotha
- so in Sachsen-Altenburg
- so in Sachsen-Weimar.
Verbunden durch die Theologische Fakultät der Universität Jena, welche von all diesen vier bzw. fünf Landesherren als die ihrige angenommen war, hatten sie einen gemeinsamen Begriff davon, was „evangelisch-lutherisch“ sei.
Die Schwarzburger, also die zu Rudolstadt und die zu Sondershausen waren auch lutherisch, aber bestimmten eben selbst, was dies zu sein hatte.
Ebenso die Fürsten Reuß zu Gera.
Die Reußen zu Greiz, im Putzigsten der Thüringer Zwergstaaten, hingen einer besonderen Form des Evangelischen Pietismus an: Bis 1879 gab es im Fürstentum nicht einmal ein Gymnasium.
Übrigens:
Als der Herzog zu Weimar sich ab 1558 eine neue Universität in Jena gründen mußte, weil ihm seine alte zu Wittenberg genommen war, geschah dies auf dem Höhepunkt des lutherisch-calvinistischen Konfessionstreites. Innerhalb der Lutheraner hatte sich Philipp Melanchton (gestorben 1560) für eine Annäherung an die Calvinisten stark gemacht. Er war deshalb bei einigen als „Kryto-Calvinist“ verschrien, der den verstorbenen Luther verrate. Es waren vor allem seine Kritiker, diese Gnesiolutheraner (also die „wahren, echten“ Lutheraner), welche die Universität Jena gründeten. In der Hoffnung, dort in Thüringen „den echten lutherischen Glauben“ einzupflanzen.
Im Alten Leipziger Rathaus können sie noch Gemälde bestaunen, die dieses Konfessionsgezeter bebildern: Fromme Lutheraner, welche an der Himmelsleiter aufsteigen und gottlose Calvinisten, die in der Hölle schmoren.
Vor diesem Hintergrund ist dann auch zu verstehen, warum die Rekatholisierung des Thüringer Eichsfeldes dem bis 1803 gewesenen Landesherren, dem Erzbischof von Mainz, so leicht gelang: Diese heillos zerstrittenen Protestanten überzeugten einfach nicht.
Und weil Katholizismus und Christlich Demokratische Union irgendwie zusammengehören, ist das Eichsfeld heute eine der letzten sicheren Bastionen der CDU (in der Karte oben links).