Die von Neo Rauch stammende Definition, dass Malerei die Fortsetzung des Träumens mit anderen Mitteln sei, trifft wahrscheinlich auf den ersten Blick auf das Werk Thomas Trebsteins nicht wirklich zu. Auf den zweiten und dritten Blick beschreibt diese Definition aber exakt das, was man erlebt, wenn man entdeckt, dass in Trebsteins Kunst das Zwischenreich eine bedingende Rolle spielt.
Thomas Trebstein, Jahrgang 1963, Maler und Grafiker, ist trotz zahlreicher Einzel- und Gruppenausstellungen bisher eher wenigen Kunstliebhabern bekannt. Das ist schade. Denn seine Werke bewegen sich, wie er selbst, auf immer neuen Wegen. Trebstein hat keine Angst, sich und sein Werk stetig neu zu erfinden, egal, ob er sich der Malerei, der Illustration von Programmheften im Theater oder dem Artwork von Schallplatten und CDs zuwendet.
Impacts, Outputs, Konsistenzen
Trebstein hat eine bewegte Biografie, die selbst immer wieder Zwischenreiche markiert. Nach der Schule begann Trebstein eine Lehre als Schriftsetzer mit Ausbildung zum Akzidenzsetzer. Von 1987 bis 1990 studierte Trebstein zunächst bei Dieter Rex und Gudrun Brüne Malerei an der Burg Giebichenstein in Halle, wechselte dann aber in die Fachklasse Grafik zu Frank Ruddigkeit. Nach Diplom, Graduiertenförderstipendium und einer Stelle als wissenschaftlich-künstlerischer Mitarbeiter der Hochschule im Fachbreich Kunst und Medien war Thomas Trebstein 1998-1999 freischaffend. Es folgten Jobs als Lehrer an der Schule für Mode und Design und als Dozent für Mediengestalter und Berufsschullehrer.
Trebsteins Schaffen: Die Zwischenreiche der Sehnsucht mit einer feinen, unterschwelligen Ironie, sobald er sich Menschendarstellungen widmet, eine nahezu impressionistische Ernsthaftigkeit in seinen Stadtlandschaften, Naturbeobachtungen und den Albträumen verleitet den Betrachter möglichweise dazu, die Konsistenz des Werkes zu bezweifeln. Dieser Zweifel ist allerdings vom Künstler intendiert, um den Betrachter mit seinen eigenen Zwischenreicherfahrungen zu konfrontieren. Hier manifestiert sich die philosophische Dimension in dem Werk des Künstlers. Könnten Trebsteins Bilder sprechen, würden sie wahrscheinlich vom Betrachter fordern: „Schau mich an und sieh dich selbst.“
Dieses Credo verwirklicht Trebstein nicht nur als bildender Künstler, sondern auch als Klangkünstler, Lichtgestalter, Bildhauer und experimenteller Filmemacher. Dabei sind Trebsteins Werke immer, was sie sind und eben noch etwas anderes, etwas, was über die Konkretheit oder eben die Abstraktion hinausweist.
Kunst des Moments
Thomas Trebstein übt, mit allem, was er produziert, die Kunst des Moments. Folgt man ihm bei facebook, Instagram oder ist regelmäßiger Besucher seiner Homepage – https://www.trebstein-art.de – darf man die Welt des Künstlers in dieser Kunst des Moments entdecken, in dem er sich im Prozess des Schaffens und den Betrachter beim Betrachten immer wieder überrascht.
Seine neuesten Arbeiten sind ein Füllhorn an Inspiration. Hin und wieder tauchen, in Trebsteins „Tagebuch“ genannten Skizzen, Tiere auf. Verfolgt man diese Arbeiten aufmerksamer, erschließen sich Trebsteins Tiere als eine zeitgemäße Fortsetzung der Tradition der Tiermalerei von Franz Marc, Marc Chagall oder auch Pablo Picasso: Tiere sind andere Menschen. Dabei sind auch Bezüge zur Höhlenmalerei der Steinzeit auszumachen. Trebstein macht sich mit diesen Darstellungen das Rituelle dieser Malereien zu eigen und transponiert sie in einen gleichermaßen expressiven und impressiven, gegenwärtigen Kontext: Mit einem abstrakten Nichts des Hintergrunds manchmal verschmelzend, manchmal Schatten werfend, manchmal schwebend.
Dürfte ich mir etwas wünschen, so wäre es eine Ausstellung ausschließlich mit Tierbildern von Thomas Trebstein.
Zwischenreich: Büffel
(zu Skizzen von Thomas Trebstein)
Flirrend zwischen Form und Auflösung
die dampfenden Hälse gesenkt gereckt
in einem Raum ohne Raum der Schonung
einander präsentierend und versteckt
rasen die Atem gegeneinander und weg
zueinander mit kehligem Laut
in der begrenzten Weite findet der Weg
den Weg unter die scheckige Haut
Wie toll steht der Morgen der Nacht im Tagen
noch ruhig und schon in stampedetem Fort
so klar in den malmenden Fragen:
Wer wird die Wahrheiten sagen
zwischen hier und dem nächsten Dort
zwischen Ruhe und nächstem Jagen
(DA 2025)
(© der Bilder: Thomas Trebstein)
Daniel Anderson: Berufsausbildung zum Flugzeugmechaniker. Regiestudium an HFF „Konrad Wolf“ in Babelsberg. Berufsverbot als Filmregisseur in der DDR. Oberspielleiter, Autor und Schauspieler am Theater Senftenberg. Nach dem Mauerfall freier Regisseur, Autor (TV-Serie, Theater, Synchron), Schriftsteller und Musiker. Studium Vergleichende Religionswissenschaften in Bonn. Gründer und Leiter der „Theaterbrigade Berlin.“ Anderson lebt in Berlin und immer mal wieder in Tel Aviv.