Von Martin Grünewald:
Heute organisieren sich deutschlandweit eine Viertelmillion Menschen im Kolpingwerk, der Verband ist weltweit verbreitet. Was fasziniert heute an Adolph Kolping? Wie ist seine Wirkung in der Gesellschaft?
Adolph Kolping starb am 4. Dezember 1865, also vor 150 Jahren. Dieses Jubiläum bildete den wichtigsten Anlass für den Kolpingtag 2015, der 15.000 Teilnehmende drei Tage lang in diesem September in Köln begeisterte.
In den Tagen um den 4. Dezember begehen die allermeisten der bundesweit 2.500 Kolpingsfamilien sowie Kolpingmitglieder in weltweit 61 Ländern mit Gottesdiensten und Feierstunden den Kolping-Gedenktag. Warum interessieren sich heute so viele Menschen für diese Person?
Als viertes Kind eines Schäfers in Kerpen bei Köln am 8. Dezember 1813 geboren, wächst Kolping in sehr bescheidenen Verhältnissen auf und erlernt das Schuhmacherhandwerk. Zehn Jahre arbeitet er in diesem Beruf, ringt aber mit der Entscheidung, sein bisheriges Leben aufzugeben, um Priester zu werden. Im Alter von 23 Jahren wagt er den ungewöhnlichen Schritt.
Nach Gymnasium und Theologiestudium empfängt er am 13. April 1845 in der Kölner Minoritenkirche die Priesterweihe. Als Kaplan in Elberfeld lernt er den von Johann Gregor Breuer gegründeten Gesellenverein kennen und wird 1847 dessen Präses. In diesem Zusammenschluss von Gleichgesinnten erkennt Kolping ein geeignetes Mittel zur Bewältigung persönlicher Nöte und sozialer Probleme. Er lässt sich nach Köln versetzen, wo er am 6. Mai 1849 den Kölner Gesellenverein gründet, der sich zum Mittelpunkt eines überregional organisierten Verbandes entwickelt. Hier findet Kolping seine eigentliche Lebensaufgabe: In den Gesellenvereinen will Kolping jungen Menschen in bedrängter Situation Hilfestellung leisten. Hier erleben sie Gemeinschaft und Geborgenheit, allgemeine, berufsbezogene und religiöse Bildung, ergänzt durch geselliges Miteinander. So gewinnen sie persönliche Tüchtigkeit und Mut zum praktischen Christentum. Sozialer Wandel durch Veränderung des Menschen – so lässt sich Kolpings Anliegen zusammenfassend kennzeichnen.
Innerhalb weniger Jahre gelingen ihm zahlreiche Neugründungen. Die ersten Vereine schließen sich bereits 1850 zum Verband zusammen. Bis zu seinem Tod am 4. Dezember 1865 entstehen mehr als 400 Gesellenvereine in Deutschland und in vielen Ländern Europas.
Damit ist Kolping ein Initiator der katholischen Sozialbewegung und Wegbereiter der Katholischen Soziallehre. 1991 wird er durch Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. Heute gibt es 450.000 Kolpingmitglieder in weltweit 61 Ländern.
Welche Wirkungen gehen von seiner Person aus? Hier einige Beispiele:
Adolph Kolping ist Wegbereiter einer organisierten und demokratisch strukturierten Laienbewegung. Lange Zeit verstehen Bischöfe und Päpste die Laien lediglich als „verlängerter Arm des Klerus“. 1848 findet der erste deutsche „Katholikentag“ in Mainz statt, seit 1851 wirkt Kolping daran mit. Von jetzt an blüht in Deutschland das Laienapostolat auf, das die aufkommende Vereinsfreiheit nutzt. Die Laien reagieren von nun an selbständig auf die „Zeichen der Zeit“.
Lebenslanges Lernen gilt heute als selbstverständlich. Adolph Kolping ist ein Wegbereiter der Erwachsenenbildung. Er selbst besucht als 24-Jähriger gemeinsam mit zehn Jahre jüngeren Mitschülern eine weiterbildende Schule und ist in seiner Zeit damit ein Exot. In den Gesellenvereinen verankert er die systematische Erwachsenenbildung. Sie werden zu Vorläufern der Volkshochschulen und der dualen beruflichen Bildung.
Adolph Kolping gründet soziale Selbsthilfeeinrichtungen wie Sparvereine und Vorläufer der Krankenkassen. Er bringt die Prinzipien von Freiheit, Selbstverantwortung und Solidarität ins Lot und gibt darin bis heute wertvolle Orientierung.
Adolph Kolping ist ein Wegbereiter der Katholischen Soziallehre bzw. Christlichen Gesellschaftslehre. Als Priester durchbricht er die Distanz zwischen Klerus und Arbeiterschaft. Durch sein Handeln übernimmt er eine wichtige Vorreiterrolle für die erste päpstliche Sozialenzyklika im Jahr 1891. Papst Johannes Paul II. weist am 27. Oktober 1991 darauf ausdrücklich hin: „Ich freue mich, dass ich Adolph Kolping im Jubiläumsjahr 100 Jahre Rerum Novarum seligspreche.“
Adolph Kolping ist einer der erfolgreichsten katholischen Publizisten des 19. Jahrhunderts. Er erkennt rechtzeitig den wachsenden Einfluss der Massenmedien, ist zugleich Chefredakteur und Verleger und gründet u.a. eine auflagenstarke Wochenzeitung. Als Publizist und Zeitungsherausgeber ist er so erfolgreich, dass er mit den Erlösen auch sein Engagement für die Gesellenvereine finanzieren kann.
Adolph Kolping ist ein „ganzheitlicher“ Seelsorger. Die persönliche Bildung des einzelnen und die Mitgestaltung der Gesellschaft sind seine zentralen Anliegen. Er strebt den sozialen Wandel durch Veränderung des Menschen an: Die Gesinnungsreform hat für ihn Vorrang vor der Zuständereform.
Adolph Kolping vereint in seiner Person mehrere Eigenschaften, die häufig eher als widersprüchlich gelten. Adolph Kolping setzt sich für die Bewahrung von Werten ein, die für ein gelingendes Leben grundlegend sind: Ehe und Familie, ein Aufwachsen in verlässlichen Beziehungen, Offenheit gegenüber anderen Menschen, Verantwortungsbewusstsein und Gemeinschaftssinn, Übernahme von Verantwortung, gegenseitige Hilfe, Aufbau einer soliden beruflichen Existenz sowie gesellschaftliches Engagement auf Grundlage eines christlichen Glaubens.
Adolph Kolping geht unkonventionelle und neue Wege: Als Priester wendet er sich den Menschen am Rande der Gesellschaft zu. Denn ausgelöst durch den Liberalismus und die industriel-le Revolution drohen im 19. Jahrhundert die Handwerker in großer Zahl gesellschaftlich und sozial abzurutschen.
Adolph Kolping entwickelt zahlreiche Ideen der Hilfe: Er schafft mit den Gesellenvereinen und den Gesellenhäusern eine „Heimat in der Fremde“, stärkt das Gemeinschaftsgefühl, fördert die persönliche Bildung, legt stabile religiöse Grundlagen und stärkt positive Lebenseinstellungen und Tugenden.
Er setzt sich kritisch und offensiv mit den Denkweisen seiner Zeit auseinander und prüft sie nach seinem christlichen Gewissen. So gibt er vielen Menschen Orientierung und Lebenshilfe, macht Mut.
Adolph Kolping ist fortschrittlich und nutzt neue modernste Reise- und Kommunikationsmittel seiner Zeit. Er scheut keine weiten und anstrengenden Reisen, um seine Ideen zu verbreiten.
Adolph Kolping ist visionär. Bei seiner Seligsprechung bestätigt ihm Papst Johannes Paul II., dass er ein Wegbereiter der Katholischen Soziallehre ist, die prägend auf die Sozialgesetzgebung in Deutschland und darüber hinaus Einfluss nimmt:
„Heute wird Adolph Kolping als Seliger der Kirche zur Ehre der Altäre erhoben. Man kann sagen, dass das heutige Evangelium in besonderer Weise mit dem Leben und der Tätigkeit dieses Priesters zu tun hat, der im letzten Jahrhundert viele Lichter des Evangeliums auf die damals sehr schwierige Frage der sozialen Gerechtigkeit in den wechselseitigen Beziehungen von Arbeit und Kapital geworfen hat. Die Seligsprechung Adolph Kolpings im Jahr, in dem wir den hundertsten Jahrestag der Enzyklika „Rerum Novarum“ feiern, ist ein besonders beredtes Zeichen“, so der Papst am 27. Oktober 1991.
Der Autor ist Pressesprecher des Kolpingwerks Deutschland
Kolping in Zahlen
Mehr als 245.000 Mitglieder gehören dem Kolpingwerk Deutschland an; davon etwa 40.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Bereich der Kolpingjugend.
Vor Ort sind die Mitglieder des Kolpingwerkes Deutschland in 2.500Kolpingsfamilien organisiert; diese bilden im Bereich eines Bistums jeweils den Diözesanverband.
Etwa 25.000 Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich in den Vorständen von Kolpingsfamilien sowie auf den überörtlichen Ebenen; davon mehr als 5.000 junge Menschen in Leitungsfunktionen der Kolpingjugend.
38 Mitglieder gehören dem Deutschen Bundestag an. Damit verfügt Kolping dort über „Fraktionsstärke“.
Einige Tausend Frauen und Männer, engagieren sich als Kolpingmitglieder in den Vollversammlungen der Handwerkskammern, als Betriebsratsmitglieder in der Selbstverwaltung der Krankenkassen, der Renten- und Unfallversicherung sowie in Gewerkschaften und Parteien.
Mehr als 200 Mitglieder des Kolpingwerkes Deutschland sind, bis hin zu den obersten Bundesgerichten, als Arbeits- und Sozialrichter tätig.
Rund 400 junge Menschen beteiligen sich in jedem Jahr an Workcamps und Freiwilligendiensten der Kolping Jugendgemeinschaftsdienste in aller Welt.
Jedes Jahr nehmen etwa 19.000 junge Menschen Angebote im Bereich der Berufsvorbereitung und Berufsausbildung wahr. Kolping gehört zu den größten freien Trägern in der beruflichen Bildung.
22 Kolping-Bildungsunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland unterhalten regional 150 Einrichtungen zur beruflichen Bildung sowie zur Jugend-und Erwachsenenbildung. Mehr als 4.600 Mitarbeiter sind in diesen beschäftigt.
Mit einer Auflage von 182.000 Exemplaren erscheint die Verbandszeitschrift „Kolpingmagazin“ .
14.000 Führungskräfte des Kolpingwerkes Deutschland erhalten vier Mal im Jahr die Führungszeitschrift „Idee und Tat“.
Mehr als 300.000 Besucherinnen und Besucher nutzen jährlich das Internetangebot des Kolpingwerkes Deutschland www.kolping.de<http://www.kolping.de>. Sie rufen bei Ihren Besuchen mehr als 1,2 Millionen Seiten auf.
230 Kolpinghäuser, (Jugendwohnheime, Hotels, Vereinshäuser) stehen allen Menschen offen. Ein Schwerpunkt ist das Kolping Jugendwohnen, vor allem für Auszubildende, die aufgrund ihrer Ausbildung in eine fremde Stadt ziehen. Kolping ist der größte Träger von Jugendwohnen in Deutschland.
Etwa 30.000 Feriengäste erleben jährlich in den neun Kolping Familienferienanlagen einen familiengerechten Urlaub. Kolping ist der größte katholische Anbieter von gemeinnütziger Familienerholung in Deutschland.
Rund 1.000 Straßen und Plätze in Deutschland sind nach dem seligen Adolph Kolping benannt.
Das Kolpingwerk Deutschland ist Teil des Internationalen Kolpingwerkes, das in 61 Ländern mit mehr als 7.300 Kolpingsfamilien und über 400.000 Mitgliedern engagiert ist.
Mit Spenden von rund 2,1 Millionen Euro unterstützen die Mitglieder Projekte des Internationalen Kolpingwerkes im Rahmen der internationalen Partnerschaftsarbeit.