Ulf Kubanke erzählt die vor Pannen strotzende Hintergrundgeschichte zu einem Interview mit Deutschlands Avantgarde-Ikone Blixa Bargeld.

Wenn wir als Leser ein Interview als literarisches Schnellgericht zu uns nehmen, eröffnet sich naturgemäß lediglich diese eine Quelle als Facette, Essenz und Ausschnitt des jeweiligen Tages aller Beteiligten. Auf dieser Seite des Bildschirms sieht es zumeist genau umgekehrt aus. Der Talk ist jeweils nur ein bescheidener Ausschnitt. Oft grenzte es an ein ein Wunder, dass er überhaupt zustande kam.

Und das Drumherum? Naja. Ein paar Zeilen dazu, ihr Lieben?

Anfrage vor Jahren von laut.de, dem Top-Online-Musikmagazin, wegen eines Talks mit Blixa Bargeld. Ich ging vor Freude an die Decke. Alter! Einstürzende Neubauten/Nick Cave/Crime & The City Solution-Checker!

Innerlich: Vorbereitung auf einen branchetypischen Phoner. Realität: Tja.

Ich rufe an für nen Termin.

‚Tut mir leid, Ulf. „Herr Bargeld telefoniert nicht.“

„?“

„Herr Bargeld telefoniert nicht. Wir empfangen dich hier gern persönlich, aber erscheinen musst du.“

Was nun? Kann nicht fahren, fast blind wie ne Scheißfledermaus.

Und zur gewohnten Sehschwäche noch Grauer Star damals. Kein Schritt allein möglich.

Zizino, meine aus Tbilisi stammende Frau, hat keinen Führerschein. Den gelben Labrador, Django (always unchained) können wir nicht allein lassen mit dem Tiernazi-Nachbarn aus der Proletenhölle.

„Zizi, wir müssen nach Berlin. Herr Bargeld telefoniert nicht.“

„?“

„Das sagte ich auch“

Zizi organisiert eine Hundesitterin.

Sitterin fährt wie ne Gestörte.
Verflucht die ganze Zeit sämtliche Autos
Vor uns.
Hinter uns
Neben uns.
Es war recht anschaulich.
Auch sehr beruhigend vor dem Interview.

Wir kommen an. Brauchen 45 Minuten, einen Parkplatz zu finden. Zizi führt mich ins Neubauten-Büro. Offiziell als meine Fotografin, damit das Ganze nicht komplett schwerbeschädigt erscheint. Und fotografieren kann sie ohnehin.

Aber Hallo!

Tolle Gastgeber, allesamt hochsympathisch und sehr um jeden einzelnen bemüht.

„Macht es euch gemütlich. Sind noch ein paar vor euch.“

Für Zizino das Signal, noch in Ruhe ihr Makeup in Form zu bringen.

„Schatz, du möchtest nicht, das wir Blixa treffen und deine Frau nach d i e s e r Fahrt aussieht wie Alien Sex Fiend.“

nach 1 Minute: „Es geht doch jetzt los.“

Blixa kommt. Ich versuche ihm tastend zu folgen. Klappt nicht. Falsche Tür, klar.

Blixa holt mich. Führt mich in sein Zimmer.

Wir sitzen da.

„Wein oder Wasser?“

„Du, nach d i e s e r Fahrt….beides vielleicht?“

Ich glaube, ihn lächeln zu sehen. Bin mir nicht sicher.
Werfe beide Gläser um.
Er reagiert extrem fürsorglich, sehr warm.

„Und jetzt wird es noch peinlicher, Blixa. So richtig loslegen können wir erst, wenn meine Frau kommt. Recorder ist in ihrer Handtasche, tja… tut mir leid.“

Wir machen 15 min Smalltalk.

Blixa legt Kopf und Brust auf den Tisch, ringt die Hände.

„Wo bleibt deine Frau denn nun?“

In dem Moment geht die Tür auf, Zizi erscheint. Er sieht sie, strahlt, steht galant auf. „Ach so…..Hallo.“

Und jetzt geht der Talk los, er passt heute leider viel besser in die Zeiten, ist brandaktuell. Zieht euch das mal rein, Stichwort „Brinkmanship“.
https://laut.de/Einstuerzende-Neubauten/Interviews/Das-ist-kein-echtes-Neubauten-Album!-03-11-2014-1201

Ulf Kubanke ist Jurist mit Befähigung zum Amt des Familienrichters, war Anwalt und Mitglied der deutsch-israelischen Juristenvereinigung (DIJV). 2008 Neuerfindung als Autor im Bereich Musik und Feuilleton, als Kritiker, Kurzbiograf und Kommentator für laut.de, verschiedene Tageszeitungen und ab 2016 als Gründungsmitglied des Autorennverbunds „Die Kolumnisten“. Er interviewte u.a.  Alice Cooper, Gary Numan, Kraftwerk, Scorpions, Gabi Delgado (DAF), Billy Idol, Bryan Adams, Peter Murph. Daneben juristische wie politische Fachartikel, Essays und Kurzgeschichten.