Angenommen, die Gesellschaft ließe sich analysieren wie ein Mensch. Dann möchte ich – als Biologe – ihr für eine grandiose Verdrängungsleistung gratulieren. Wir alle haben das eigentliche Thema des G20-Gipfels in Hamburg beiseite gewischt. Wir mussten den realen Welt-Schmerz nicht an uns heranlassen. Als wäre dieses Land ein aufgewühlter Teenager, drehte es sich tagelang nur um sich selbst und seine Peergroup. Es verletzte sich. Es spürte sich so gut wie lange nicht mehr. Damit griff diese Gesellschaft auf ein verstörendes Handlungsmuster zurück, das bei ihren eigenen Jugendlichen erschreckend weit verbreitet ist: Deutschland hat sich geritzt.
Krawalle
Die Krawallbrüder – auf der Suche nach dem ultimativen Kick
Geplünderte Geschäfte, brennende Häuser, zerstörte Autos, überfüllte Arrestzellen, verletzte Polizisten und vier Tote: In einigen Städten Großbritanniens herrschen derzeit bürgerkriegsähnliche Zustände.
Tausende Jugendliche ziehen grölend, prügelnd und raubend durch die Straßen, machen aus dem öffentlichen Raum ein Schlachtfeld. Sie feiern eine Orgie der Gewalt, berauschen sich an vermeintlicher Macht über Menschen und Dinge.
Die Empörten, die Frustrierten machen ihrem Ärger über soziale Ungerechtigkeit Luft. So heißt es oft in den Meldungen, die mit scheinbar aussagekräftigen Sätzen der Randalierer gesellschaftliche Sprengkraft signalisieren wollen. „Wir haben keine Jobs und kein Geld. Wir haben gehört, dass andere Leute Sachen umsonst bekommen, warum also nicht wir“, wird zum Beispiel ein junger Mann mit Baseball-Käppi zitiert. Arme, Entrechtete und all die anderen Verdammten dieser Erde – so lautet die wohlfeile Botschaft – proben den Aufstand gegen die Mächtigen. Mit Verlaub, das ist Bullshit. Weiterlesen