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Lehren aus Sarajewo

Reisen bildet, sagt man. Dieser Aussage steht jene gegenüber, der zufolge wir nur sehen, was wir schon wissen. Nun war ich einige Tag in der bosnischen Stadt Sarajewo, und obwohl ich mich nicht gleich als Balkan-Experte aufspielen will, hat dieser Aufenthalt mir einige Dinge klar gemacht, die ich vielleicht tatsächlich vorher gewusst, jedoch selten mit solcher Deutlichkeit gespürt habe. Die Reise war also in diesem Sinne ein Bildungserlebnis.

Was einem in Sarajewo sofort deutlich wird, ist die Unsinnigkeit des Begriffs „ethnische Säuberung“, mit dem in der europäischen Presse das beschrieben wurde und wird, was vor allem die Serben (aber nicht nur sie!) in den jugoslawischen Kriegen 1991 bis 2001 praktiziert haben. „Ethnisch“ (was das auch immer bedeuten mag) sind Kroaten und Serben kaum voneinander zu unterscheiden; und bei den Muslimen, der dritten Gruppe im mörderischen Dreieck des Bosnien-Kriegs, die in den hiesigen Medien zuweilen als „Bosniaken“ bezeichnet wurden, als seien sie eine „ethnische Entität“ wie angeblich Kroaten und Serben, handelt es sich um eine religiöse Gruppe, die erst 1974 in der Verfassung Jugoslawiens als eigene „Nation“ anerkannt wurden.

Tatsächlich unterscheiden sich Serben, Kroaten und Muslime eigentlich nur durch die Religion. Wie der britische Journalist und Kenner der Region Misha Glenny 1992 schrieb: „Dies sind keine ethnischen Konflikte ( … ), denn die meisten Leute, die einander töten, gehören dem gleichen Ethnos an. ( … ) Seit Jahrhunderten hat man diese Menschen aufgefordert, zwischen konkurrierenden Imperien und Ideologien zu wählen, die sich immer durch die Religion definiert haben.“ 1993 – ich zitiere aus seinem Buch „The Fall of Yugoslavia“ Penguin Books, 1996), das ich in Sarajewo gekauft und in einem Studentencafé verschlungen habe – wies er darauf hin, dass die katholischen Kroaten und Slowenen durch „ihre Brüder im Vatikan, in Österreich und in Deutschland“ unterstützt worden seien, während es einen „engen Dialog zwischen den drei Hauptstädten der Orthodoxen Christenheit  Moskau, Athen und Belgrad“ gegeben habe und sich die Türkei, der Iran, Saudi-Arabien und Pakistan mit den bosnischen Muslimen  solidarisiert hätten. (In Sarajewo sind die Türkei, die Golfstaaten und der Iran auch heute sehr präsent.) Glenny schrieb damals: „Drei mächtige konfessionelle Achsen bilden sich auf dem Balkan und greifen nach Westen, Osten und Süden aus. Es liegt im fundamentalen Interesse der Europäischen Gemeinschaft und der USA, ganz zu schweigen von den beschädigten Völkern Osteuropas und der früheren Sowjetunion, zu verhindern, dass sich diese Achsen in irgendeine Form des bewaffneten Konflikts verwickeln.“

Wie gesagt, das schrieb der hellsichtige Glenny 1993.

Es kam anders, und es kam schlimmer; und es traf vor allem die Muslime. Man muss nur durch Sarajewo laufen und die Vornamen an den allgegenwärtigen Messingschildern lesen, die an die 10.000 Tote der Belagerung 1992 – 1995 erinnern. Oder an die 8.000 Tote von Srebrenica erinnern, Männer und Jungen, abgeschlachtet unter den Augen holländischer – in ihrer Mehrheit christlicher – UN-Soldaten, weil es – so Ratko Mladic, militärischer Führer der bosnischen Erben – gelte, sich endlich an „den Türken“ zu rächen und einem von den Muslimen geplanten Dschihad gegen die orthodoxen Serben – mit Unterstützung der vom Vatikan unterstützten perfiden Katholiken – zuvorzukommen.

Alls das ist bekannt, man vergisst es nur allzu leicht; und so konnte etwa der französische „Philosoph“  Pascal Bruckner vor einiger Zeit in einem gegen mich gerichteten Artikel im „Perlentaucher“ nicht nur behaupten, es gebe so etwas wie „Islamophobie“ nicht, sondern man könne den Hass gegen Muslime nicht mit Rassismus vergleichen, denn der richte sich gegen Menschen wegen ihres So-Seins, nicht wegen ihres religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses.  „Religionen sind so wie philosophische Doktrinen Glaubenssysteme. Sie sind keine Rassen, denn sie vereinigen Frauen und Männer aller Kontinente. Der Rassismus attackiert Personen in ihrer Substanz: den Juden, den Araber, den Schwarzen, den Weißen, den Gelben und so weiter. Er sperrt sie ein in dieser Substanz, verbietet ihnen jeden Ausgang.

http://www.perlentaucher.de/essay/eines-jener-semantischen-hackebeile.html

Als ob ein muslimischer Junge, der vor seinem offenen Grab in Srebrenica stand, im letzten Augenblick die Herzen seiner christlichen Mörder dadurch hätte erweichen können, dass er sich der Gnade der Heiligen Muttergottes anvertraut hätte!

Als ich in Sarajewo die Zeugnisse der Verwüstung sah und das – armselige, weil unterfinanzierte – „Srebrenica-Museum“ besuchte, habe ich mich gefragt, wie es einem Muslimen gehen mag, wenn er Bruckner liest, der zustimmend Claude Levy-Strauss zitiert: „Im Angesicht der universalen Gelassenheit des Buddhismus und des christlichen Wunschs nach Dialog nimmt die muslimische Intoleranz bei jenen, die ihr erliegen, eine unbewusste Form an. Sie wollen zwar den anderen nicht immer mit Gewalt zwingen, ihre Wahrheit zu teilen, aber (und das ist schlimmer), sie sind unfähig, den anderen als Anderen zu betrachten. Ihr einziges Mittel, sich vor Zweifel und Demütigung zu schützen, besteht in der ‚Vernichtung‘ des anderen als Zeugen eines anderen Glaubens und anderer Sitten.“

In Sarajewo jedenfalls war es nicht die „muslimische Intoleranz“, die von den Bergen ringsum auf alles schoss, was sich auf den Straßen der Stadt bewegte; und vom „christlichen Wunsch nach Dialog“ waren wohl nur die europäischen und amerikanischen Politiker bewegt, die jahrelang mit den Mördern verhandelten, bis jene schließlich mit dem Massaker an der Markthalle von Sarajewo den Bogen überspannten und den Eingriff der Nato provozierten.

(Dieses Verhalten scheint mörderischen Paranoikern eigen zu sein; man denke an den Einsatz von Giftgas durch die syrische Regierung. „Cui bono?“ heißt es dann vonseiten der Apologeten der Mörder; was hätten sie denn davon? Es müssen die anderen gewesen sein. Das hat man tatsächlich damals auch über Sarajewo gesagt: Warum sollten die Serben etwas tun, was die Weltöffentlichkeit gegen sie aufbringen musste? Aber das Woher der Granate, die 46 Menschen in Sarajewos Markthalle zerfetzte, ist so bekannt wie das Woher der Gasraketen, die im Vorort von Damaskus einschlugen: geographisch wie psychisch.)

Wie gesagt: Ich will die unbestreitbaren Verbrechen, die auch Muslime in Bosnien an Serben und später auch an Kroaten begangen haben – Mord, Vergewaltigung, Vertreibung, Inhaftierung, das bei Balkankriegen seit jeher Übliche halt – weder leugnen noch herunterspielen. Zur Wahrheit gehört aber, dass der von Serben und Kroaten begonnene Krieg längst tobte, als es zu diesen Exzessen der Muslime kam. Wollte ich als Moslem ein Opfer- und Diskriminierungsnarrativ entwickeln, so wäre das angesichts dessen, was den Muslimen in Bosnien widerfuhr, nur zu leicht; und ich staune, ehrlich gesagt, wie viele Muslime hierzulande wie in Bosnien selbst sich der Versuchung widersetzen, einem Spiegelbild jener paranoiden Vorstellung zu erlegen, die von christlichen – eben noch kommunistischen – Serben in Bosnien und im Kosovo zuerst entwickelt wurde und mittlerweile unter Verwendung des Vokabulars der Aufklärung zum Repertoire intoleranter Laizisten wie etwa Bruckner gehört.

Denn so viel wird einem in Sarajewo auch klar: Es war nicht etwa so, dass sich in Titos Jugoslawien ein gegenseitiger Hass aufgestaut hätte, der sich, als der eiserne Deckel der Diktatur – so eisern war der gar nicht – verschwand, sozusagen naturwüchsig entlud. Es war nicht so, dass ein nur vom Kommunismus unterdrückter„Kampf der Kulturen“ an den „blutigen Rändern des Islam“ wieder ausbrach, wie Samuel Huntington behauptete. Und es war auch nicht so, dass soziales Elend und soziale Gegensätze, Neid und Landhunger den Bruderkrieg hervorbrachten Damit der Krieg entstand, mussten skrupellose Menschen erst diese Emotionen wecken, latente Vorurteile mobilisieren, ein Feindbild schaffen – und durch eine Propaganda der Tat Angst und Schrecken verbreiten und eine sich selbst erfüllende Prophezeiung schaffen. Wenn ich mit einer kleinen Gruppe das Nachbardorf überfalle, die Männer töte, die Frauen vergewaltige, so kann ich am nächsten Tag denjenigen, die bei diesem Angriff nicht mitmachten, glaubwürdig einreden, dass sie sich gegen eine Racheaktion wehren müssen – ja, dass sie durch weitere Angriffe dieser Rache zuvorkommen müssen. Weil den Propagandisten des Hasses nicht rechtzeitig entgegengetreten wurde, auch mit Gewalt, auch von außen, wurde der Hass im nachkommunistischen Jugoslawien zur bestimmenden Kraft.


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46 Gedanken zu “Lehren aus Sarajewo;”

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    Ich empfehle Ihnen sich Ihren eigenen Artikel vor Veröffentlichung mal durchzulesen. Wenn tatsächlich so viele Bosniaken getötet wurden, wie kann es sein, dass sich vor dem Krieg 49,23% und danach 75% als Muslime bezeichnen??? Müssten es nicht weniger sein? Gleichzeit schreiben sie, dass katholische und orthodoxe Kirchen leer sind?
    Aber Ihnen kann das ja egal sein, Sie sind ja väterlicherseits jüdisch und schreiben Artikel in denen Sie die Abschaffung des Religionsunterrichts an deutschen Schulen fordern.
    Aber wenn man sonst nichts zu tun hat, dann beschäftigt man sich wohl mit Themen von denen man keine Ahnung hat und veröffentlicht subjektiv gefärbte, fehlerhafte Artikel.
    Für Geld macht man halt vieles….

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    PS: Kroaten, Serben und Bosniaken unterscheiden sich nur in der Religion????
    Bosniaken waren vor der Islamisierung der Türken, Kroaten oder Serben. Nur ein kleiner Teil der Besetzer (Osmanen) hat sich durch Vergewaltigungen mit dem Volk gemischt.

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    Herr Posener,

    ich habe gerade Ihren Artikel „Stadt mit Schluss“ gelesen und muss Ihnen ein kompliment aussprechen. Das muss man erst einmal schaffen: einen schlecht recherchierten Artikel, der auch noch fehlerhaft und zugespitzt dahingerotzt wurde, in einer Ausgabe der Welt zu veröffentlichen.
    Dafür hat man Ihnen auch noch ein Honorar gegeben….unglaublich.

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    KJN: …moralische Vorstellung vom “gerechten Krieg” (nach Art der Kreuzzüge?) ist doch schon das Grundübel, ….

    @hans
    Sie hätten in Srebrenica auch zugeschaut? Skrupellos?

    … ich bin dankbar für die ‚Art der Kreuzzüge‘ … und, übrigens, mit ‚konsequenteren Kreuzzügen‘, wie auch immer, gäbe es ‚Srebrenica‘ nicht.

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    @ Stevanovic

    Sie entzaubern unseren Interventionismus sehr hübsch. Ich seh’s nur in Nuancen anders: Mag das Ergebnis auch imperialistisch sein, von profi-politischer Seite (vgl. Neocons, Liberal Hawks usw.) zum Teil sogar die Absicht, ist die Duldungs- und Zustimmungsfähigkeit des Interventionismus in den Bevölkerungen der westlichen Staaten primär humanitär begründet. (Das bedeutet viel für die mögliche imperialistische „Nutzbarkeit“.)

    Dass der inzwischen geradezu zum westlichen Identitätsmerkmal gewordene Ruf nach Intervention nicht gleichsam in einen einzigen großen Abnutzungskrieg führen könnte, bezweifele ich allerdings stark. Im Grunde sind Irak und Afghanistan schon mehr als genug „Abnutzung“. (Stichwort „american decline“.) Wenn wir auch noch überall da intervenieren wollten, wo wir – imperialistisch und/ oder humanitär motiviert – „eigentlich“ intervenieren und uns auf mehr oder weniger lange Dauer festsetzen und in Dauer-Klein-Kriege verwickeln lassen „müssten“ – in mehr als der Hälfte Afrikas, im Nahen und Mittleren Osten, in Teilen Asiens – bliebe vor lauter Abnutzung von uns kaum noch was übrig.

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    ähem..
    @EJ
    “Wir unterscheiden zwischen bekämpfbarem (bösem) Regime (und Militär usw.) und nicht bekämpfbarem – zu schonendem/ zu schützendem/ zu befreiendem – (unschuldigem) Volk.”
    Ich bitte Sie, das gibt es doch gar nicht, das “zu befreiende unschuldige Volk”. Bereits weder im 30-jahrigen Krieg, wo Warlords namens Wallenstein oder Tilly die Kriegsindustrie mit seinen zahllosen Profiteuren aufzog, noch in Nazi-Deutschland. Allein diese moralische Vorstellung vom “gerechten Krieg” (nach Art der Kreuzzüge?) ist doch schon das Grundübel, von dem wir uns endlich zu Gunsten von einer pragmatischen, moralisch defensiveren Haltung bei der es wirklich nur um den Schutz der eigenen (Interessens-)Sphäre geht, verabschieden sollten – oder?
    Ich denke, das ist auch mittlerweile Praxis, wird uns nur anders verkauft.
    Interessant, was IM / Jan Z. Volenz dazu schreibt: “Die geopolitischen Militaerstrategen in Lateinamerika betrachten den Krieg gegen die Serben als eine Operation der geostrategischen Ausdehnung Deutschlands welches wieder auf das “Protektorat” ueber den “Osten” zielt.”
    Und eine solche pragmatischere Grundhaltung, die durchaus auch eigene moralische Vorstellungen mit berücksichtigt (z.B. Stevanovics Frauenrechte der Afghanin) würde uns “Westlern” selber auch abverlangen, die eigenen Interessen und den Einsatz dafür ständig neu zu überprüfen. Nun – und wer, diese Dinge berücksichtigend, noch “gegen” ein gemeinsames Europa ist (d.h. nicht zwingend “Euro” und auch nicht zwingend “Brüssel”), dem fehlt das Geschirr im Schrank.

    @hans
    Sie hätten in Srebrenica auch zugeschaut? Skrupellos?

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    @EJ
    „Wir unterscheiden zwischen bekämpfbarem (bösem) Regime (und Militär usw.) und nicht bekämpfbarem – zu schonendem/ zu schützendem/ zu befreiendem – (unschuldigem) Volk.“
    Ich bitte Sie, das gibt es doch gar nicht, das „zu befreiende unschuldige Volk“. Bereits weder im 30-jahrigen Krieg, wo Warlords namens Wallenstein oder Tilly die Kriegsindustrie mit seinen zahllosen Profiteuren aufzog, noch in Nazi-Deutschland. Allein diese moralische Vorstellung vom „gerechten Krieg“ (nach Art der Kreuzzüge?) ist doch schon das Grundübel, von dem wir uns endlich zu Gunsten von einer pragmatischen, moralisch defensiveren Haltung bei der es wirklich nur um den Schutz der eigenen (Interessens-)Sphäre geht, verabschieden sollten – oder?
    Ich denke, das ist auch mittlerweile Praxis, wird uns nur anders verkauft.
    Interessant was IM / Jan Z. Volenz dazu schreibt: „Die geopolitischen Militaerstrategen in Lateinamerika betrachten den Krieg gegen die Serben als eine Operation der geostrategischen Ausdehnung Deutschlands welches wieder auf das “Protektorat” ueber den “Osten” zielt.
    Und eine solche pragmatischere Grundhaltung, die durchaus auch eigene moralische Vorstellungen mit berücksichtigt (z.B. Stevanovics Frauenrechte der Afghanin) würde uns „Westlern“ selber auch abverlangen, die eigenen Interessen und den Einsatz dafür ständig neu zu überprüfen. Nun – und wer, diese Dinge berücksichtigend, noch „gegen“ ein gemeinsames Europa ist (d.h. nicht zwingend „Euro“ und auch nicht zwingend „Brüssel“), dem fehlt das Geschirr im Schrank.

    @hans
    Sie hätten in Srebrenica auch zugeschaut? Skrupellos?

  8. avatar

    @Jestadt

    Die Serben hätten Bodentruppen als Generalangriff verstanden, so wie die sunnitischen Iraker es aufgefasst haben. Die NATO hat viele Fehler gemacht, nicht mit Bodentruppen reinzugehen, war aber richtig – zumindest wenn man glaubt, dass es zu einer gesamtserbischen Dynamik gekommen wäre. Man darf nicht vergessen, Milosevic war nur während der 3 Monate Luftkrieg unumstritten, tatsächlich hatte er nie eine wirkliche Mehrheit. Aber wie gesagt, alles Kaffeesatz.

    „Wir unterscheiden zwischen bekämpfbarem (bösem) Regime (und Militär usw.) und nicht bekämpfbarem – zu schonendem/ zu schützendem/ zu befreiendem – (unschuldigem) Volk.“

    Diese Einteilung ist theoretisch vielleicht richtig aber praktisch auf jeden Fall falsch. Theoretisch geht es gegen „Taliban“, aber eigentlich wollen wir die afghanische Kultur, in ihrer jetzigen Form, platt machen. Das ist der Kern jeder „mission civilisatrice“, bezieht man Kultur nicht nur auf Essen und Musik. Wenn wir von „regime change“ reden, dann haben wir ja schon ein Vorstellung von der Beschaffenheit des neuen Regimes im Kopf. Da unterscheidet sich der Westen nicht von der Befreiung durch die sozialistische Internationale. Der Afghane soll eben nicht frei sein und leben, wie er will, weil dann vielleicht die Afghanin es vielleicht nicht kann. Diese Unterscheidung machen wir deswegen, um uns ein harmonischeres Image zu geben. Letztlich geht es um Imperialismus, negativ Unterdrückung, positiv Beglückung.

    Seit dem die Chinesen in Tibet sind, ist die tibetische Bevölkerung gewachsen und die Lebenserwartung hat sich verdoppelt. Die tibetische Kultur verschwindet, die Tibeter sind aber an die Welt angeschlossen. Natürlich wäre das Gebaren der Staatsmacht ein anderes. Sollte es aber um die tibetische Kultur gehen, der würde es bei uns nicht besser ergehen.

    Der Abnutzungskrieg findet nicht statt, weil wir uns nicht abnutzen lassen. Die „mission civilisatrice“ ist über weite Strecken eine Farce und wird nur vorgeschoben. Was sie aber nicht prinzipiell falsch macht.

  9. avatar

    EJ ./. KJN: Im Hinterkopf hatte ich dabei z.B. endlose aufwändige, nicht zu gewinnende Kriege…

    … werte Sandkastenstrategen! Genossen! … wenn Sie so sehr – was nix neues im Westen ist – nach Blut dürsten und doch immer verlieren … … üben, üben, üben.

    … ich werd‘ skrupellos zuschauen … muhahaha!

  10. avatar

    @ KJN

    Stefanovic sprach von einem Krieg gegen alle Serben, konventionell/ traditionell gesprochen: gegen das Volk der Serben. Und ich warf ein, dass wir einen solchen Krieg – aus menschenrechtlichen Gründen – nicht mehr führen können.

    Wir unterscheiden zwischen bekämpfbarem (bösem) Regime (und Militär usw.) und nicht bekämpfbarem – zu schonendem/ zu schützendem/ zu befreiendem – (unschuldigem) Volk. Und ich fragte nach den Konsequenzen dieser Unterscheidung. Im Hinterkopf hatte ich dabei z.B. endlose aufwändige, nicht zu gewinnende Kriege und die Überdehnung und Überforderung des Westens in einer Vielzahl nur bewaffnet zu haltender Protektorate – perspektivisch: die Verwicklung des Westens in einen gigantischen globalen oder halbglobalen Abnutzungskrieg, an dessen Ende womöglich die anderen, jedem Missbrauch skrupellos zuschauenden und/ oder diverse Regime unterstützenden Mächte, als lachende Dritte dastehen werden.

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    Nachtrag: Und die Impotenz der UN z.B. in Srebrenica zeigt, wo der Westen seine Drohkulisse selber lächerlich macht. Sowas ist dann möglich, wenn die eine oder andere Seite (hier die pazifistische) meint, die Wahrheit gepachtet zu haben und darüber hinaus nicht mehr hinsieht. Und was man hierzulande gar nicht gerne hört, ist, daß solches Wegdeligieren auch nur möglich ist, wenn eine USA existiert, auf die man sich letztlich in solchen Fragen doch verlassen kann (oder können will?)

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    @EJ
    „Und zum Warum und den Konsequenzen der Unfähigkeit würde gern mal einen unserer universalistischen Falken/ Bellizisten hören/ lesen“
    Ich weiß zwar nicht, ob es mir bereits gelungen ist, als „universalistischer Falke“ durchzugehen, aber für mich wurde genau diese Frage bereits durch Stevanovich beantwortet:
    „Wie hätte man (eine Seite, alle Seiten) es besser machen können? Die Parallele zu Syrien ist auch klar: die, die kämpfen wollen, die sind die falschen, die Richtigen, können oder wollen nicht kämpfen, selbst will/kann/darf man niemanden schicken.“
    Daß dieses Dilemma im „Westen“ (vereinfacht) zum Vorschein kommt, spricht eher für ihn. Und wenn der Westen (eine Großmacht überhaupt) versucht mit einer Drohkulisse – mit verschärfter Pädagogik sozusagen – zu arbeiten, könnte man das schon als Versuch zu Auflösung des Dilemmas verstehen. Dazu gehört natürlich das eine oder andere Exempel.
    Aber das sind natürlich Schreibtischgedanken, das weiß ich auch.

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    @Stefanovic

    Ihr Bericht ist erschuetternd:

    „Ein Serbe erzählte mir, wie er in sein bosnisches Dorf gerufen wurde. Sein Nachbar, ein Moslem, lebenslanger Freund noch aus Schultagen, soll mit seinem Söhnen seinen Vater umgebracht haben. Er brauchte Stunden, um den zerstückelten Vater im Hof zusammen zu sammeln und in einer Kiste zu beerdigen. Da der Nachbar geflohen war, erwischte er in der Stadt nur dessen Tochter, vergewaltigte und verstümmelte sie. Gerne hätte ich einen Schuldigen, der für diese und all die anderen Geschichten verantwortlich ist, einen Bösewicht, ein Opfer, das wir rituell schlachten können und das uns wieder mit Gott, dem Leben und der Menschheit versöhnt“

    Ich moechte dennoch auch in disem Zudammenhang auch an die menschliche Zivilcourage in WW2 erinnern.

    Leider liest man sehr wenig in den newspaper vom october 1943 in Danemark:

    http://antisemitismus.net/shoah/daenemark.htm

    Es gibt auch sicherlich Beispiele im ehemaligen Yougoslavia wo Nachbarn Nachbarn gerettet haben.

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    Cher Apo,

    hier ein Hinweis:

    http://cinemaforpeace.ba/en/about/donate-now

    Und vielleicht erwaehnen sie in ihrem Artikel ueber Sarajewo:

    „The Genocide Film Library is registered in Bosnia and Herzegovina as a branch office of the Berlin-based Cinema for Peace Foundation. Our project is entirely funded by donations made by institutions and individuals from all over the world (visit our Donor Society page).“

    Und was diesen Satz betrifft:

    „Und ich fand die Ausstellung “armselig”,“

    Sie haben „hoffentlich“ (auch wenn sie in einen >four star hotel gewohnt haben) gesehen dass Bosnia ein armes Land ist:

    http://en.wikipedia.org/wiki/L.....per_capita

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    Die geopolitischen Militaerstrategen in Lateinamerika betrachten den Krieg gegen die Serben als eine Operation der geostrategischen Ausdehnung Deutschlands welches wieder auf das „Protektorat“ ueber den „Osten“ zielt. Selbst die sonst eifrigen Franzosen, und sogar die „Anglos“ zoegerten, denn auf „lange Sicht“ besteht immer die alte Gefahr eines „starken Deutschlands“. Wie die Wahl in BRD jetzt nochmal zeigt: Die Katholische Kirche ist eine Macht in Deutschland – und auch deshalb ist ein neues Kroatien entstanden. Tatsache auch: Die orthodoxen Serben standen als Herrenvolk ueber alle die „Anderen“ in Yugoslavia. Aber wie ueberall in Osteuropa: Die Romas hatten eine fuer sie bessere Situation im „Sozialismus“ Osteuropas – auch im von orthodoxen Serben dominierten Yugoslavia.

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    @ Stevanovic: es hätte einen richtigen Krieg NATO gegen alle Serben gegeben

    Dazu – und ich meine das nicht technisch – sind wir nicht in der Lage. (Und zum Warum und den Konsequenzen der Unfähigkeit würde gern mal einen unserer universalistischen Falken/ Bellizisten hören/ lesen.)

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    Kosovo: Die Entscheidung der Nato nicht mit Bodentruppen einzugreifen, fiel nach der Operation Oluja 1995. Ab da begann, mit Anschubhilfe des BND, die CIA an, Guerillas aufzustellen. Die UCK. Das bedeutete auch, dass es innerhalb der Albaner zu einer Machtverschiebung kommen würde. Es klingt von einem Serben vielleicht komisch, aber der einzige Politiker der Zeit, dem ich gerne die Hand schütteln würde, ist Ibrahim Rugova von der LDK. Er war, soweit ich weiß, der einzige der Diadochen, der Verantwortung gezeigt hat. Das hat ihn und seine Partei den Kopf gekostet. Das Kosovo war kein Räubernest, da waren viele gebildete Bürgerrechtler, die aber entweder von den Serben oder der UCK umgelegt oder entmachtet wurden. Die CIA hat mit der Schaffung einer „Fremden“-Legion, der UCK, die zivilgesellschaftlichen Grundlagen eines Nachkriegskosovo bis 1999 selbst vernichtet. Die von der UCK forcierten und vom Westen bezahlten Kämpfe, nutzte die serbische Armee um die Inteligencija der LDK gezielt zu liquidieren. Am Ende des Krieges waren die Albaner ein Volk ohne Bildungsschicht, die Mafia herrscht ja noch heute. Die Russen haben nicht eingegriffen, weil Jelzin pleite war und Geld brauchte, zumal Milosevic sein Blatt so überreizt hatte, das den keiner mehr retten konnte. Sein Kopf rollte nach der Palastrevolte (wieder so eine Revolution, die keine war) ein Jahr später. Vielleicht wäre der Kosovo ein funktionierender Staat, wenn die Nato 1995 nicht auf den Deal zwischen Belgrad und Zagreb gesetzt hätte (Oluja war keine Offensive, es war ein abgekartetes Spiel – in Kroatien hat es keine Kämpfe gegeben, die Serben hatten die Koffer ja schon gepackt), sondern selbst als Ordnungsmacht angetreten wäre. Dann hätte es die UCK nicht gegeben und das Kosovo würde heute von Bürgerrechtler regiert. Dafür wären selbst Serben wie ich mobilisiert worden, es hätte einen richtigen Krieg NATO gegen alle Serben gegeben (statt dieses „Luftkriegs“ der eigentlich auch kein richtiger war) und Serbien würde es heute nicht mehr geben. Wer weiß das alles schon?

    Wie hätte man (eine Seite, alle Seiten) es besser machen können? Die Parallele zu Syrien ist auch klar: die, die kämpfen wollen, die sind die falschen, die Richtigen, können oder wollen nicht kämpfen, selbst will/kann/darf man niemanden schicken. Ich will niemanden entlasten oder entschuldigen, nur es gibt viele Möglichkeiten das Falsche und wenige das Richtige zu tun. Natürlich gibt es Schuldige, nur so einfach ist die Sache dann doch nie. Ich hätte mir 1988 einen Putsch der Volksarmee gewünscht (als die Diadochen begannen, die Verfassung zu brechen). Als der nicht kam, war der Diadochenkrieg nicht mehr zu verhindern. Die Frage war nur noch, wie blutig er wird.

    PS: Die nationalen Tschetniks des Draza Mihajlovic sind im 2WK von Britten fallengelassen worden, weil sie einen Aufstand gegen die Wehrmacht für Selbstmord hielten. Eine kleine, radikale Gruppe von Kommunisten, der zivile Opfer gleichgültig waren, wurde daraufhin mit Waffen beliefert und erhob sich gegen die Nazis, mit Opfern in den 100.000en, die berühmten Partisanen Titos. Die sind von London und nicht von Moskau ausgerüstet worden. Die Geschichte glaube ich, weil ich in der Familie viele Partisanen der ersten Stunde hatte, die waren live mit dabei. Déjà-vu in allen Konflikten.

    Trotzdem: Ein Serbe erzählte mir, wie er in sein bosnisches Dorf gerufen wurde. Sein Nachbar, ein Moslem, lebenslanger Freund noch aus Schultagen, soll mit seinem Söhnen seinen Vater umgebracht haben. Er brauchte Stunden, um den zerstückelten Vater im Hof zusammen zu sammeln und in einer Kiste zu beerdigen. Da der Nachbar geflohen war, erwischte er in der Stadt nur dessen Tochter, vergewaltigte und verstümmelte sie. Gerne hätte ich einen Schuldigen, der für diese und all die anderen Geschichten verantwortlich ist, einen Bösewicht, ein Opfer, das wir rituell schlachten können und das uns wieder mit Gott, dem Leben und der Menschheit versöhnt. Nur letztlich waren es weder Milosevic, noch Zagreb, noch Genscher oder die CIA. Wer so was macht, trägt die Verantwortung ganz alleine.

  18. avatar

    Ja, Jean-Luc, es handelt sich um eine Galerie. Ja, die Finanzierung erfolgte zumindest teilweise durch das sehr rührige türkische Kulturinstitut vor Ort. (Alle türkischen Touristen besuchen Srebrenica. Es wird zu einem Pilgerort für muslimische Besucher.) Und ich fand die Ausstellung „armselig“, weil es außere einem – schlechten – Film, einigen Fotos und zwei Touch-Screen-Geräten keine Informationsmaterialien gibt. Darüber kann die geschmackvolle Einrichtung nicht hinwegtäuschen. Interessant der Spruch von Kundera. Es gibt einen ähnlichen von Bertolt Brecht, den ich aus dem Gedächtnis zitiere: „Die Feinde des Volkes rechnen mit der Vergesslichkeit der Massen.“

  19. avatar

    Cher Apo,

    sie schreiben:

    „Als ich in Sarajewo die Zeugnisse der Verwüstung sah und das – armselige, weil unterfinanzierte – „Srebrenica-Museum“ besuchte“

    Unsere Soehne waren im Fruehjahr in Sarajewo und haben das Museum besucht….

    Was verstehen sie unter armselig??

    http://cinemaforpeace.ba/en/te.....arajevo/11

    http://tinyurl.com/nu6xchx

    Und sie sprechen von einem Museum. Ist es nicht eine gallery:

    http://www.balcanicaucaso.org/.....ery-120601

    Auffaellig ist, dass die Finanzierung der gallery durch die Türkei geschah.

    Das Srebrenica nicht vergessen werden sollte ist wichtig:
    Um es mit Milan Kundera zu sagen:

    „The struggle of man against power is the struggle of memory against forgetting“

  20. avatar

    @68er: Nein, wir reden nicht aneinander vorbei. Nur scheinen Sie mir zu schnell von der Verantwortlichkeit der lokalen Akteure ablenken und die Schuld der (West-)mächte betonen zu wollen. (Russlands Rolle auf dem Balkan und in Syrien bedenken Sie erst gar nicht.) Wie man in Afghanistan und im Irak sieht, sind die Möglichkeiten der Gestaltung von Politik für äußere Mächte selbst dann begrenzt, wenn sie Besatzer sind. Es sei denn, man ist zu einer brutalen Politik wie Russland in Tschetschenien bereit. (Ich verweise auf meinen Essay zum Ende des progressiven Imperialismus.) Erst recht gilt das, wenn man als äußere Macht mehr oder weniger explizit zum Ausdruck bringt, dass man sich nicht unmittelbar in einen Konflikt einmischen will. Ich halte die frühzeitige Anerkennung von Slowenien und Kroatien für einen Fehler; weitere Fehler sind gemacht worden; dazu gehört übrigens auch die Entscheidung, nicht mit Bodentruppen in den Kosovo einzumarschieren, sondern Milosevic mit Bomben an den Verhandlungstisch zu zwingen. Auch dieser Fehler war Ergebnis eines Unwillens, sich die Hände schmutzig zu machen. Aber ich gebe zu bedenken, 68er, dass dieses Sich-Heraushalten gerade auf der Linken, auf der Seite so genannter Friedensfreunde, begrüßt wurde. Doch diese Untätigkeit überließ den Radikalen und Mördern vor Ort das Feld, erlaubte ihnen, Tatsachen zu schaffen. So ist es auch in Syrien gewesen. Trotzdem sind die Hauptschuldigen nicht die Westmächte (und auch nicht Russland oder China), sondern eben die Mörder und Hetzer vor Ort. Das gilt es doch festzuhalten. Und wird übrigens Tag für Tag im Haager Sondertribunal für das ehemalige Jugoslawien belegt, wo 161 Kriegsverbrecher vor Gericht stehen oder standen. Leider interessieren sich nur wenige Menschen für die Arbeit dieses wichtigen Organs der Menschlichkeit.

  21. avatar

    @68: ja: da schwelt zunächst nichts; es handelt sich einfach um die natürlichen Unterschiede zwischen den Menschen. Der eine kommt da her, der andere von dort; der eine glaubt dies, der andere das. Da schwelt erstmal nichts.
    Erst wenn der gesellschaftliche Druck in der unfreien Gesellschaft sehr groß wird, bildet sich sozusagen eine harte, verkrustete Oberfläche (um im Bild zubleiben), an der Haarrisse entstehen können. Wo die natürlichen Unterschiede zu Haarrissen werden.

    Auch jetzt ist noch nichts geschehen und alles noch scheinbar in Ordnung. Aber wenn nun die geronnene Oberfläche noch fester wird, Spannungen nicht mehr ausgleichen kann und irgendwann aufzusplittern droht, dann werden die zu Haarrissen verkrusteten Unterschiede bedeutsam. Am tiefsten Riss – er muss eigentlich gar nicht so tief sein, nur eben tiefer als die anderen – spaltet sich die verhärtete Gesellschaft und fällt auseinander.

    Man braucht in einer (einigermaßen) freien Gesellschaft eine flexiblen zivilisatorischen „Kitt“, der die Unterschiede verbindet und ausgleicht. Dehnnungsfugen. Das kann z.B. ein durchlässiges Bildungsssystem sein, oder Geld. Das kommunistische China steht vor diesem Problem; es benutzt derzeit als einzigen Kitt Geld. Hoffentlich reicht das.

  22. avatar

    Der individuelle Frustrationsgrad aus einer religiösen, unfreien, wenn unreligiös, dann doktrinären Erziehung ist, geheftet an eine Ideologie der schlichte Grund und Antrieb für Greultaten jeder Farbenform.
    Kriege erklären sich in der Ausführung immer aus dem Erziehungshintergrund, der die Wahrnehmungsbehinderung für das Menschliche konditioniert.

    Wer aus der sanktionsbehafteten Erziehung meinetwegen eine psychosexuelle Defizitlage mitnimmt wird die Vergewaltigung als Kriegsmittel willig aufgreifen, diese Defizitlage abzureagieren. Wer von den Eltern in den universellen Frust hineinerzogen wird, wird Kinder erschießen können, weil er die Modalität der Seelenlosigkeit im Verhältnis Erwachsener – Kind internalisiert hat.

    Ein in und aus sich erfüllter Mensch hat ein solches Maß an „Befriedigung“ seiner Bedürfnisse, daß er den Waffengang für eine Störung dieser Bedürfniszufriedenheit erachten und ihn deshalb wesentlich ablehnen wird.

    Wenn individuelle psychosoziale Momente in einer so gestalteten Gesellschaft epidemiologische Ausmaße annehmen und ein Impfkristall einer Ideologie, gleichbedeutend Religion vorhanden ist, dann ist alles andere eine psychologische Konsequenz.

  23. avatar

    @ Stevanovic

    Nachtrag:

    Der Einwand mit den verschiedenen Ebenen ist grundsätzlich richtig, aber Posener und ich reden nicht aneinander vorbei. Aus meiner Sicht ist es nämlich falsch, die beiden Ebenen als nicht direkt miteinander in Verbindung zu sehen. Wer aussenpolitische Macht besitzt und dadurch in der Lage ist, Einfluss auf instabile Staaten auszuüben, muss die Eskalation von Gewalt und die Implosion eines Staatsgefüges immer mitdenken. Das war bei Genscher in Jugoslawien so und das war bei Obama in Syrien so. Bisher hat ja selbst Herr Posener nicht abgestritten, dass die CIA und Quatar die alles andere als demokratischen oder feinfühligen Rebellen unterstützt haben. Schon ganz früh, als man mit diesem Zündeln anfing, wurde auch schon darauf hingewiesen, dass Assad möglicherweise Giftgas einsetzen könne. Diese Eskalation war daher mitgedacht und wurde in Kauf genommen.

  24. avatar

    @ Roland Ziegler

    Ihre Haarriss-These ist grundsätzlich richtig, als die formalen religiösen und ethnischen Kategorisierungen in fast allen gesellschaftlichen Spannungssituationen als Katalysatoren funktionieren können, um gesellschaftliche Bewegungen zu verstärken. Dabei versucht der Mensch eine hochkomplexe und oft auch irrationale Gesellschafts- und Lebenssituation durch ein – wie Herr Posener sagen würde – „unterkomplexes“ Erklärungsmodell für sich verstehbar zu machen.

    Falsch wäre es zum einen aber, diese – wie ich sie bezeichnen würde – „gefährlichen irrationalen Erklärungsmodelle“ mit den ethnischen Zugehörigkeiten oder den Religionen zu verwechseln. Gefährlich sind nicht die unterschiedlichen ethnischen Gruppen oder Religionen, sondern der Irrglaube, diese seien z. B. für die wirtschaftliche Misere in einem Land verantwortlich.

    Diese oft beabsichtigte Verwechslung ist auch die Basis für den gefährlichsten Demagogentrick, eine Minder- oder Andersheit zum Sündenbock zu erklären, der auch ganz wesentlich zum Holocaust beigetragen hat. Denn für die wirtschaftliche Misere in den 30er Jahren waren nicht die Juden schuld. Es funktionierte aber grausam „gut“, ihr formales Anderssein in ein Erklärungsmodell einzubauen. Durch dieses Erklärungsmodell waren treuliebende Ehemänner und Väter, Ärzte, Juristen und Offiziere dazu in der Lage 12 Jahre die grausamsten Verbrechen an ihren Mitbürgern zu begehen, mit denen sie vorher noch im gleichen Turnverein geturnt, im gleichen Chor gesungen oder im Krieg an der Front gelegen oder später im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gefeiert hatten. Und als man ihnen nach 12 Jahren erklärte, es mögen vielleicht doch nicht die Juden schuld gewesen sein, waren sie wieder die (vielleicht etwas weniger) treuliebenden Ehemänner und Väter und hörten auf mordend zu „richten“, zu „heilen“ und zu schießen.

    Genau diese Funktionsmechanismen haben mir auch mehrere „Soldaten“ von verschiedenen Seiten aus den Jugoslawienkriegen berichtet. Wie sie in behelfsmäßigen Unterständen unter Beschuss lagen und ihre Offiziere Ihnen erzählten, dass ihre Mütter, Frauen, Schwestern und Töchter vergewaltigt worden seien und dass dies deshalb geschehe, weil sie „Serben“, „Kroaten“, oder „Bosnier“ oder weil sie „Muslime“ oder „Christen“ seien. Da sitzt dann ein 17jähriger Junge mit einem Gewehr in Todesangst, um sich und seine Verwandten, hat keinen Zugang zu unabhängigen Nachrichten und wird auf Menschen gehetzt, mit denen er vor ein paar Monaten noch gefeiert oder vor Jahren auf der Schulbank gesessen hat. In solch einer irrationalen Situation haben irrationale Erklärungsmodelle dann Hochkonjunktur.

    Ich halte es aber für heikel zu glauben, in einer totalitären Gesellschaft würden „quasi unter dem Deckel“ die verschiedenen ethnischen und religiösen Konflikte schwelen und beim Zusammenbruch des Systems zum Ausbruch gelangen. Auch in unserer angeblich freien Multi-Kulti-Gesellschaft gibt es diese „Haarrisse“ und sie werden auch in ihr wahrgenommen. Auch der Sachse fühlt sich, wenn er den Mund beim Kölner Karneval aufmacht, als Fremder beäugt, der Bayer beim Urlaub auf Rügen und der Berliner wenn er in Stuttgart die Vorzüge von Stuttgart 21 preist. Ich bin daher der Meinung, dass auch der Zerfall einer freien Gesellschaft sich an diesen „Haarrissen“ entwickeln kann. Oder, wenn man es in meiner verschwörungtheoretischen Weise sagen will, entwickelt werden kann.

    Auch wenn ich dafür von vielen belächelt werde, bin ich nach meinen Erfahrungen davon überzeugt, dass man bei einem wirtschaftlichen Zerfall der BRD Badener gegen Schwaben, Hessen gegen Pfälzer, ungläubige Sachsen gegen katholische Bayern und eine vereinte Christliche Front gegen den schwulen Sündenpfuhl Berlin in Stellung bringen könnte, wenn man denn nur genug Waffen unter die Leute bringt, die Medienflüsse entsprechend reguliert und es die ersten Toten schon gegeben hat.

    Meine These ist daher, die Gründe für Kriege sind meist machtpolitischer Art und nicht das durch den Krieg erst in Gang gesetzte Leid der Menschen. Dieses Leid des Einzelnen wird von den machtpolitischen Strategen von beiden Seiten als Argumentationsmittel meistens nur missbraucht, um die „eigenen“ Leute für den Erhalt oder den Ausbau der eigenen Machtposition zu instrumentalisieren.

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    Plötzliche Anarchie ist vermutlich besonders bösartig, wenn es vorher eine besonders unfreie Gesellschaft gegeben hat. Herr Posener sagt, dass der Konflikt kein ethnischer, sondern ein religiöser war; Stevanovic verweist auf die konfessionell gemischten Ehen und sagt, auch die Religion hätte praktisch keine Rolle gespielt. Vielleicht ist es aber so, dass Ethnie und Religion vor dem Bürgerkrieg so etwas wie Haarrisse darstellen, an denen die unfreie Gesellschaft auseinanderbricht, wenn sie denn bricht. Vorher kaum wahrnehmbar, im Alltag völlig unbedeutend, aber in der Katastrophe plötzlich entscheidend, denn an diesen Linien bilden sich die Fronten.

    Wenn das so wäre, ist es im Prinzip nebensächlich, wo genau diese Risse verlaufen. Neben ethnisch, rassisch und religiös gibt es theoretisch noch andere Kandidaten: geografisch (Nord gegen Süd), politisch (PDF (Partei Der Freiheit) gegen WFP (Wahrhaft Freiheitliche Partei)), kulturell (Bauern gegen Städter) oder sonstwas. Entscheidend ist einfach, welcher Haarriss der größere war, nicht, wie bedeutend er vorher gewesen und und ob man ihn fast (!) gar nicht bemerken konnte.

    Mein Onkel jedenfalls ist ein Serbe aus Belgrad und hatte ein Wochenendhäuschen an der kroatischen Adria. Vor dem Bürgerkrieg hatte sich zwar wohl gefühlt, und er war auch mit den Einheimischen in den Kneipen usw., aber ihm war schon bewusst, dass er „der Serbe“ im Ort war und hat von scheinbar unbedeutenden, aber doch präsenten Ressentiments berichtet. Als Atheist war ihm die Religion unbedeutend. „Ein bisschen ethnisch“ war der Konflikt also irgendwie wohl auch.

    Wichtiger als die Frage, ob es nun ein ethnischer oder ein religiöser oder aber ein kombinierter Bürgerkrieg war – d.h. die Frage, WO die Fronten verliefen und warum sie dort verliefen – ist wahrscheinlich die Frage, warum sich überhaupt Fronten ausbildeten. Wieso die vorher einheitliche, unfreie Gesellschaft in Fronten zerfiel, die so scharf waren, dass sich vorher freundschsfltiche Nachbarn plötlzich grausam bekriegten.

    Da trifft dann zu, so vermute ich, was Herr Posener sehr gut beschrieben hat: die Propaganda des Hasses und die terroristischen Tricks, mit denen kleine Grüppchen die eigentlich träge Masse der Bevölkerung erst in Angst versetzt, radikalisiert und schließlich einbindet.

    Die Schnelligkeit, in der die Radikalisierung erfolgen kann, ist erschreckend. Welche Gegenmittel gibt es? Wahrschenlich einige; ich würde aber annehmen, dass eine funktionierende überparteiliche Polizei, der alle Bürger wenigstes einigermaßen Vertrauen entgegenbringen und die die Macht hat, nicht nur in Dorf A, sondern auch in Dorf B mit fairen Mitteln für Ordnung zu sorgen, eine besonders wichtige Gegenkraft darstellt. Die fehlte wahrscheinlich komplett auf dem Balkan.

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    Was Kohl und Genscher betrifft. Der Stab an Spezialisten in den jeweiligen Ministerien hat wohl nie den Spiegel gelsen:

    „Bei so viel Mißtrauen und Haß besteht wenig Aussicht auf pragmatische Lösungen für den Bestand des Vielvölkerstaates, dessen Teile sich vor allem durch das kraß unterschiedliche Wirtschaftsniveau auseinandergelebt haben.

    Der Lebensstandard im florierenden Slowenien ist ein Resultat nicht nur von mehr Fleiß und besserem technischen Know-how, sondern auch von einem Vorsprung an Mitbestimmung, Medienfreiheit und Demokratie, von größerer politischer Reife also. Das von seinen Serben umjubelte autoritäre System des Slobodan Milosevic andererseits findet Nährboden in einer politisch unterentwickelten Gesellschaft, die sich von einem starken Mann die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Misere verspricht.

    Ein Eingreifen der Militärs, denen ohnehin das Kommando-System des Serben viel näher steht als das komplizierte demokratische Kräftespiel der Slowenen, wäre das Ende von Titos Traum eines sozialistischen Vielvölkerstaats, es wäre der Beginn einer blutigen Diktatur“

    Bzw. ich frage mich schon welche Analysen haben die damaligen Botschafter abgegeben.

    http://www.spiegel.de/spiegel/.....31327.html

    Und es gab damals bereits die KSZE:

    http://de.wikipedia.org/wiki/K....._in_Europa

    Jugoslawien war Mitglied seit 1975!!!

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    @Alan Posener

    „Das ist nicht nur unnötig persönlich argumentiert, sondern seinerseits ein wenig unterkomplex.“

    nur eine Verständnisfrage:

    Was ist unterkomplex?

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    Der Kosovo Krieg – Es begann mit einer Lüge

    ‚NATO-Terror legitimiert durch Lügen (Doku) GERMAN Dokumentation Deutsch Es begann mit einer Lüge Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg – die story 24. März 1999: Im italienischen Piacenza starten deutsche Kampfjets gegen Jugoslawien. Es ist der erste Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg – ein Tabubruch.

    Bundeskanzler Schröder erklärt im Fernsehen: „Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.“ 78 Tage führte die NATO dann Krieg gegen Jugoslawien – nicht nur mit Bomben. NATO-Sprecher Shea bringt es im Film auf den Punkt. „Dieser Krieg war auch ein Kampf um die Bilder.“ Nur aus einem Grund durften deutsche Soldaten am Krieg teilnehmen und der hiess: Abwendung einer humanitären Katastrophe. Doch war dieses Szenario – vor dem Bombardement der NATO – im Kosovo anzutreffen.

    Gab es die ethnischen Säuberungen wirklich schon vor dem Krieg. Heute sagt Norma Brown, enge Mitarbeiterin von OSZE-Chef William Walker: „Die humanitäre Katastrophe im Kosovo gab es erst durch die NATO-Luftangriffe. Dass diese die Katastrophe auslösen würde, wussten alle bei der NATO, der OSZE und bei unserer Beobachter-Gruppe.“ Der Krieg im Kosovo – geführt im Namen der Menschlichkeit – begann mit einer Lüge. Drei Jahre nach dem Krieg ist die Öffentlichkeit um einiges klüger.

    Den story-Autoren Angerer und Werth ist es gelungen, hochrangige Militärs bei Bundeswehr und NATO zu befragen, die an den ….‘ (ARD -Film)

    Pfui Teufel.

  29. avatar

    @ 68er: Sie schreiben: „Die Anerkennung Kroatiens war keine lässliche Gleichgültigkeit sondern falsches oder auch gelungenes Machtkalkül. Denn ein einiges “stolzes” Jugoslawien wäre in der EU ein weiterer ungewollter Machtfaktor gewesen den man nicht wirklich haben wollte. Zudem ein damals noch stolz kommunistisch regierter Machtfaktor, den man scheitern sehen wollte und in den man seine Machtsphäre ausdehnen wollte. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien, so sehe ich es, wurde damals wenn nicht gewollt, so doch billigend in Kauf genommen.“

    Ich stimme Ihnen zu, dass die Anerkennung Kroatiens durch die EU – unter massivem deutschem Druck, die Briten waren ebenso dagegen wie die USA – ein Fehler war. Es ging aber damals schon nicht mehr um ein „geeintes Jugoslawien“, und schon gar nicht um ein „kommunistisches“. Der Zerfall begann, wie Sie selbst schreiben, schon 1988. Ich habe auch geschrieben, dass Kohl und Genscher bei ihren Fehlern auch „interessegeleitet“ sein mögen, nur sind die Interessen ebenso wie die Fehler komplex. Sie schreiben: „Wenn Sie glauben, Genscher war genauso naiv wie Sie, unterschätzen Sie den Mann mit dem gelben Pullunder aber gewaltig.“ Das ist nicht nur unnötig persönlich argumentiert, sondern seinerseits ein wenig unterkomplex. Genscher glaubte, vermutlich ehrlich, durch die Anerkennung Kroatiens die Serben zur Räson bringen zu können. Die deutsche Haltung war ja, dass laut KSZE die Grenzen in Europa sakrosankt seien, daran müssten sich dann auch die verschiedenen Völker innerhalb Jugoslawiens halten. Aber ohne Machtmittel, das auch durchzusetzen, gab die Anerkennung Kroatiens schlicht und einfach den Startschuss für die Politik, „ethnisch gesäuberte“ Mini-Staaten innerhalb der ehemaligen Staaten Jugoslawiens zu schaffen.
    Ansonsten verweise ich auf die Beiträge Stevanovics, der sich in der Region besser auskennt als Sie oder ich…

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    @68er

    Konflikte haben mehrere Ebenen. Was sie beschreiben ist eine geopolitische Ebene und da spiele Großmächte und Konzerne eine Rolle. Ein unfaires Foul von Posener, das als Verschörungstheorie zu bezeichnen. Als ob es das Great Game nicht gäbe.

    Posener stellt auf die Einzeltat ab, zum Beispiel Vergewaltigung, und da spielen Genscher und die CIA keine große Rolle. Das ist der bestialische Teil. Da hilft das Verstehen des Great Game nicht viel, es vernebelt eher die Sicht.

    Ohne den Mediator spielen zu wollen, sie segeln gerade aneinander vorbei.

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    Wenn der Unterschied zwischen Islam und Islamismus der zwischen Terror und Terrorismus ist, dann verstehe ich nicht, wie Christen und Juden des Balkan 400 Jahre Islam überlebt haben, sogar gestärkt hervorgingen, aber die Juden danach nach 100 Jahren verschwunden waren. Hatte was mit dem aufgeklärtem Westen zu tun. Den christlichen Wunsch nach Dialog kann man an vielen Gedenkstätten besichtigen. Selbst nach 1500 Jahren gibt es Christen in Syrien und in Europa gibt es Moslems nur, weil die Nato sie gerettet hat. Nicht falsch verstehen: die Osmanen hat keiner eingeladen und es war legitim, sie zu verabschieden. Aber nicht weil sie intoleranter waren. Es waren Besatzer, die taten, was Besetzer so tun und wofür sie zu Recht gehasst werden. Die Katholiken haben das KZ Jasenovac betrieben und haben einen Kreuzzug gegen die Orthodoxie geführt, wieder als Verbündeter Deutschlands, wieder waren Mord, Plünderung und Vergewaltigung das Mittel der Wahl. Mein Ur-Großvater berichtete, wie die Serben die Saloniki-Front 1917 durchstießen und vom französischen Oberbefehlshaber gestoppt wurden, weil sie systematisch die eroberten bulgarischen Dörfer… waren es nicht englische Protestanten, die Irland verhungern ließen?

    Es ist falsch, Demokraten, Liberale, Christen, Moslems, Juden, Sozialisten und das ganze andere Gesocks wegen ihrer Ideen zu verurteilen. Selbst ein NPD-Nazi aus MäckPom ist erst einmal nur ein Schwätzer, der Recht auf ein Mindestmaß an Respekt hat. Wenn er einem anderem Hilft, kann er sogar ein wirklich guter Mensch sein. Auf dem Balkan gab es jede Couleur, jede hat gutes und schlechtes getan. Ideen töten keine Menschen, es sind Menschen, die andere Menschen umbringen. Das könnte eine Lehre aus Bosnien sein. Das bedeutet auch, dass es eben überall geschehen kann und man sich nicht der Arroganz des günstigen Zeitpunktes hingeben sollte, wie es viele Islamkritiker gerne tun. Es bedeutet auch, dass es nicht geschehen muss. Es verhält sich wie mit Klimamodellen. Simple Hochrechnung komplexer Zusammenhänge. Nur, und nur dann, wenn man die Geschichte des Christentums als eine Entwicklung beschreibt, an deren Ende und als natürliches Ergebnis Margot Käßmann und Martin Luther King stehen, kann man das Christentum als Wunsch nach Dialog beschreiben und einer muslimischen Ideologie der Intoleranz entgegensetzen. Das ist wie das Erzählen der deutschen Geschichte von Auschwitz aus oder die Rothschilds als Ziel jüdischer Geschichte.

    Die professionellen Islamkritiker haben ein Modell in der Systematik der Aufklärung gefunden, Menschen ohne Ansehen der Person abzulehnen. Xenophobie mit gutem Gewissen, mit dem individualistischen Ideal der Aufklärung vereinbar. So weit war mein Ur-Großvater schon 1917.

  32. avatar

    „Weil den Propagandisten des Hasses nicht rechtzeitig entgegengetreten wurde, auch mit Gewalt, auch von außen, wurde der Hass im nachkommunistischen Jugoslawien zur bestimmenden Kraft.“

    Guter Schlusssatz. Nur leichter gesagt als getan. Erhielten gezielte Tötungen wie sie etwa der Mossad immer wieder veranlasst, den Ruf, ein politisches Allheilmittel zu werden, würde die Welt davon friedlicher und die Menschheit humaner? Ich fürchte, im Gegenteil. Brachialmethoden sind brachial, sonst nichts.

  33. avatar

    @68er

    „Die Leitung sollte durch Jugoslawien gehen. Da dieser Staat mit Russland etwas besser stand als mit dem Westen, wurde er mit NATO-Hilfe in viel zugänglichere Kleinstaaten zerlegt.’“

    Die These hat wohl etwas Verschwörungs-Charakter oder ?

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    @ Alan Posener

    Man muss sich entscheiden, als naiv angesehen zu werden, wenn man sich z. B. einreden (lässt) die USA seien aufgrund einer geheimdienstlichen Panne in den Irak einmarschiert oder als Verschwörungtheoretiker, wenn man der Meinung anhängt, dass der Einmarsch in den Irak aus machtstrategischen Gründen seit langem beschlossen war und der warmduschenden Weltgemeinschaft mit den gefaketen „Beweisen“ vor der UN nur ein Vorwand geliefert wurde, den von Bush Senior nicht vollendeten Job endlich durchzuziehen. Damals musste ich fast weinen, als ich den herzzerreissenden Bericht über die Babys sah, die angeblich von irakischen Soldaten aus ihren Brutkästen gerissen und auf den kalten Boden geworfen worden waren:

    http://www.youtube.com/watch?v=X-nGkQBk03o

    Heute lasse ich mich lieber als Verschwörungstheoretiker bezeichnen, als mich als naiv oder blöd verkaufen zu lassen. Tatsächlich bestreiten Sie ja nicht, dass die sogenannten Rebellen massiv von Quatar und den westlichen Geheimdiensten unterstützt worden wären oder dass Assad sowohl vom Westen als auch von Russland und Co. bis in die jüngste Zeit logistisch und materiell unterstützt wurde u. a. von Deutschland mit Chemikalien, die zur Herstellung von Giftgas geeignet waren oder mit Abhörtechnik, die geeignet ist, die Opposition zu kontrollieren.

    http://www.wdr2.de/aktuell/stroebelesyrien100.html

    Als ich 1988 das erste mal mit Interrail durch Jugoslawien gefahren bin, war den Konflikt schon abzusehen und wurde auch eingehend in der Presse problematisiert. Ich habe damals noch FR gelesen, auf deren Seite 3 seinerzeit noch eingehende Auslandsberichterstattung stattfand. Aber auch im Spiegel konnte man darüber lesen.

    http://www.spiegel.de/spiegel/.....31327.html

    Die Einschätzung, dass es sich vor allem um einen sozialen Konflikt handelte, teile ich weiterhin. Damals 1988 sah das der Westen natürlich noch mit den Augen des kalten Kriegers. Ab Ende 1989 hätte die EU – und vor allem Deutschland – aber reagieren und klar sagen müssen, dass eine Integration Jugoslawiens in die EU nur als geschlossener Staat akzeptiert werde. Die Anerkennung Kroatiens war keine lässliche Gleichgültigkeit sondern falsches oder auch gelungenes Machtkalkül. Denn ein einiges „stolzes“ Jugoslawien wäre in der EU ein weiterer ungewollter Machtfaktor gewesen den man nicht wirklich haben wollte. Zudem ein damals noch stolz kommunistisch regierter Machtfaktor, den man scheitern sehen wollte und in den man seine Machtsphäre ausdehnen wollte. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien, so sehe ich es, wurde damals wenn nicht gewollt, so doch billigend in Kauf genommen.

    Wenn Sie glauben, Genscher war genauso naiv wie Sie, unterschätzen Sie den Mann mit dem gelben Pullunder aber gewaltig.

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    @ Stevanovic: Ihren Ausführungen kann und will ich nichts hinzufügen. Der Westen – die EU, die imperiale Nachfolgerin der Osmanen und Österreich-Ungarns – darf deshalb nicht vom Balkan abziehen.
    @ 68er: Die Parallele zu Syrien war intendiert. Aber Ihre Antwort an dbh verrät eine Neigung zu verschwörungstheoretischem Denken. Stevanovic hat Recht: Der Mörder war der Nachbar von nebenan. Dem skrupellose Fanatiker einreden konnten, sein Freund von gestern werde nun sein Feind. In einigen Fällen fanden sich Mann und Frau auf verschiedenen Seiten der Barrikade. Den Großmächten – besonders übrigens im Falle Jugoslawiens dem Duo Kohl-Genscher – kann man Fehler und Gleichgültigkeit vorwerfen, beides sicher auch interessegeleitet. Aber das Böse war hausgemacht.
    @ Morizt Berger: … und Sri Lanka. Aber nicht ich beschwöre jene Gelassenheit, sondern der überschätzte Claude Levi-Strauss.

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    @68er

    … guckst Du hier:

    ‚Hinter dem gewaltigen Investment-Projekt NABUCCO hatte sich die Creme de la Creme des Kapitals der westlichen Hemisphäre versammelt. Welche Potenz sich diese Runde zutraute, erahnt man, wenn man berücksichtigt, dass das NABUCCO-Projekt auf Gaszufluss aus Regionen sowie Durchfluss durch Regionen angewiesen war, die zu dem Zeitpunkt der Projektgründung noch nicht einmal angegriffen geschweige denn frisch erobert oder bereits länger ins westliche Lager integriert waren.

    Die Leitung sollte durch Jugoslawien gehen. Da dieser Staat mit Russland etwas besser stand als mit dem Westen, wurde er mit NATO-Hilfe in viel zugänglichere Kleinstaaten zerlegt.‘

  37. avatar

    @ Hans

    Der Hinweis auf die offizielle Karte der EU aus dem Jahre 2003, in der die geplanten Gaspipelines skizziert werden, weist auf eine Ursache der forcierten Krisen in Nordafrika hin. Dort treffen wirtschaftliche, militärische aber auch religiöse und weltanschauliche Interessen teilweise diametral aufeinander. Die tatsächlichen Bedürfnisse und Leiden der Menschen in Syrien werden dabei meist nur als Trümpfe im Ärmel instrumentalisiert, um die eigentlichen Interessen der großen Mächte (Unterbindung chemischer und möglicherweise atomarer Aufrüstung Syriens und Irans, Mittelmeerbasis Russlands, Zugang zu Rohstoffen, einheitlich islamisches Arabien etc.) zu verschleiern.

  38. avatar

    Lieber Herr Posener,

    wenn wir die Gebiete des ehemaligen Jugoslawien bereisen, fragen wir uns uns Außenstehende oftmals :

    Warum ist dies geschehen??

    Und Stevanovic beschreibt es treffend:

    „Es war der Nachbar von gegenüber.“

    Wir fragen uns auch wo war der Geschäftspartner zwischen 1992 bis 1995 ??

    P.S.“Im Angesicht der universalen Gelassenheit des Buddhismus“

    Mit der universalen Gelassenheit des Buddhismus ist es auch wohl zum Ende gekommen, wenn Sie die Ereignisse in Myamar betrachten:

    Wirathu „the face of Buddhist terror“

    aus:

    http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-23846632

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    @ Alan Posener

    Ihren letzten Absatz können Sie fast 1 zu 1 auf Syrien übertragen. Auch da gab es, anders als Sie in einer Ihrer Artikel suggerieren wollten, keinen in viele verfeindete Gruppen gespaltenen Staat, der nur durch die Diktatur Assads zusammengehalten worden wäre.

    Und es ist auch nicht so, dass soziales Elend, soziale Gegensätze und Neid den Bruderkrieg hervorbrachten. Damit der Krieg entstand, mussten skrupellose Menschen erst diese Emotionen wecken, latente Vorurteile mobilisieren, ein Feindbild schaffen – und durch eine Propaganda der Tat Angst und Schrecken verbreiten und eine sich selbst erfüllende Prophezeiung schaffen. Wenn ich mit einer kleinen Gruppe das Nachbardorf überfalle, die Männer töte, die Frauen vergewaltige, so kann ich am nächsten Tag denjenigen, die bei diesem Angriff nicht mitmachten, glaubwürdig einreden, dass sie sich gegen eine Racheaktion wehren müssen – ja, dass sie durch weitere Angriffe dieser Rache zuvorkommen müssen. Weil den Propagandisten des Hasses nicht rechtzeitig entgegengetreten wurde, auch mit Gewalt, auch von außen (CIA, DGSE, Mi6, deutsche Chemielieferanten, Quatar, Russland etc.), wurde der Hass im syrischen „Bürgerkrieg“ zur bestimmenden Kraft.

  40. avatar

    APo: Aber das Woher der Granate, die 46 Menschen in Sarajewos Markthalle zerfetzte, ist so bekannt wie das Woher der Gasraketen, die im Vorort von Damaskus einschlugen: geographisch wie psychisch.)

    .. ja. Daher.

  41. avatar

    Danke, dass sie nicht alles auf den serbischen Nationalcharakter schieben, das war in den 90ern Usus. Da galt ich als Nationalist, weil ich auf das Deutsch-Kroatische Bündnis hinwies, die Achse Belgrad-Moskau-Athen war ja gut dokumentiert. Deutschland war kein neutraler Beobachter.
    Wer heute diesen Krieg als Abwehrkampf gegen den Islam interpretiert, der unterstützt Israel nur, weil es gegen den Islam geht. Die Israelunterstützerszene ist voll von so Leuten. Selbst die Antisemiten der FPÖ unterstützen heute die Siedlungen.
    Die Muslime in Bosnien hätten bis in die 80er bei den Saudis nicht mal als Muslime gegolten. Fast die Hälfte der Ehen war konfessionell gemischt. Man wusste oft nicht mal, was der Nachbar eigentlich war.
    Und trotzdem: Es waren keine dunklen Mächte, die den Nachbarn töteten, vergewaltigten und vertrieben. Es war der Nachbar von gegenüber. Opfer waren natürlich in der Mehrheit Muslime, was aber nicht an Religion oder Ethnie lag, es war eine Frage der Gelegenheit. Unter der gastfreundlichen, offenen und fröhlichen Fassade lauert etwas sehr Dunkles dort und dass ich zu metaphysischen Begriffen greife, ist der Beweis, dass ich bis heute nicht begreife, was es ist. Es ist ein Herz der Finsternis, das nicht von gierigen Sklaventreibern geschaffen wurde, es lauert hinter den kosmopolitischen und charmanten Szenen, für die Bosnien immer bekannt war. Es ist noch da und wartet auf den Abzug des Westens.

    PS: Zu dem Zeitpunkt, als die Granate einschlug, waren schon 100.000 Menschen tot und eine Milion auf der Flucht und wer sie abgefeuert hat, war genauso egal, wie das mit dem Giftgas heute – es ist eine Frage, die nur für Zaungäste relevant ist.Selbst wenn sie von Kroaten abgefeuert wurde, macht es die zehntausenden Opfer Großserbiens nicht mehr lebendig.

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