Vorsicht, bitte! Das, was jetzt folgt, ist weder ausgewogen noch nüchtern analysierend. Kein „Sowohl als auch“ oder „einerseits, andererseits“. Nichts tiefsinnig Reflektierendes und Relativierendes. Im Gegenteil. Hier soll Fassungslosigkeit, Unverständnis, ja blankes Entsetzen zum Ausdruck kommen. Schließlich geht es um den Unsinn mit dem Wahnsinn.
Anders Behring Breivik, der 77-fache Mörder von Oslo, ist von Gutachtern für unzurechnungsfähig erklärt worden. Die Psychiater bescheinigen dem 32-Jährigen eine paranoide Schizophrenie. Weiterlesen
Wenn über die Ursachen dafür spekuliert wird, dass der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) so lange von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt seinen Terror verbreiten durfte, darf über die Polarisierung innerhalb der Kreise nicht geschwiegen werden, die sich den Kampf gegen den Terror auf die Fahnen geschrieben haben.
Konkret: Die Antifa bekämpft die Neonazis, drückt aber beim islamischen Terror ein Auge zu und gestattet, dass in ihren Reihen ein Antizionismus grassiert, der eindeutig antisemitisch ist. Und diejenigen, die den islamischen Terror bekämpfen, haben allzu lange den Kampf der Antifa-Leute als Ablenkung vom Hauptwiderspruch belächelt, schlimmstenfalls sogar diffamiert; haben allzu oft zugelassen, dass in ihren Reihen eine Moslemfeindlichkeit grassiert, die schlicht und ergreifend rassistisch ist.
Um es vorwegzunehmen: Auch wenn ich mir zugute halten darf, seit Jahren darauf hingewiesen zu haben, dass es nicht angeht, sich bei der Islamkritik (die notwenig und legitim ist) mit Rassisten zusammenzutun oder sich rassistischer Argumente und Redewendungen zu bedienen: auch wenn ich etwa über die Landnahme der Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern berichtet habe:
So habe ich doch dazu geneigt, die Antifa zu belächeln und ihren Kleinkrieg gegen die Nazis für eine Art Räuber- und Gendarmenspiel zu halten, ein wenig wie unsere Kämpfe gegen „die Bullen“ in den 1970er Jahren. Und da mag übrigens etwas dran sein. Dennoch gilt seit der Aufdeckung der NSU: die gegenseitige Abschottung, ja gegenseitige Bekämpfung der antifaschistischen Kräfte in Deutschland ist unverantwortlich. Und da ich sozusagen aus der Ecke der Islamkritiker stamme (und noch einmal: Islamkritik ist, wie jede Religionskritik, nicht nur legitim, sondern notwendig, und die Verwendung des Worts „Islamkritiker“ als Diffamierung durch Linksliberale, die damit auch einen Voltaire – etwa – in die faschistische Ecke stellen würden, ist ein Skandal) – da ich also aus dieser Ecke stamme und nicht aufhören werde, den Zusammenhang von Religion und Intoleranz aufzuzeigen, fühle ich mich berechtigt und genötigt, zuallererst auf den Balken im eigenen Auge – also im Auge der Islamkritiker – hinzuweisen, bevor ich auf den (ziemlich großen) Span im Auge allzu vieler Linker eingehe.
Nehmen wir Bernd Zeller, einen ostdeutschen Allround-Versager, der dennoch als Mitglied der „Achse des Guten“ eine nicht unbedeutende publizistische Plattform für seine Hasstiraden erhält. Noch im August 2011 hatte er Folgendes zu sagen:
„Der Islam ist noch immer keine Religion, deshalb stimmt es sogar, dass eine theologisch fundierte Auseinandersetzung nicht stattfindet. Die Umrechnungsformeln von Datteln in Kamele sind zwar göttlich vorgegeben, aber was das theologisch bedeuten soll, darf zum Glück auch nicht hinterfragt werden. Will man die Denkfiguren der großen Religionen und des Islam vergleichen, kann man gar nicht so viel Toleranz und Nachsicht aufbringen, um dem Islam ohne Behindertenbonus zu begegnen. Und trotzdem: Wie schön wäre es, wenn die Probleme, die wir mit dem Islam haben, religiöse wären. Ein Dialog auf theologischer Ebene könnte gewinnbringend sein. Aber das, was als Dialog verkauft wird, ist bloße Beschwichtigung der Leute, die sich vorsorglich abducken sollen. Vielleicht – und ich denke: sicherlich – ist es gerade dieses loserhafte Kuschen gewesen, das Brejvik zu seiner Untat anfeuerte. Hätte er das Gefühl, unsere Feuilletonisten und Politiker werden die Entdemokratisierung und Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit nicht zulassen, hätte er seinen Dünger zum Düngen verwendet.“
Nun, ob der Islam eine Religion ist oder nicht, hat zum Glück ein Herr Zeller nicht zu entscheiden, der weder übers Judentum, noch über das Christentum noch über den Islam etwas weiß, dafür aber eine alte Denkfigur Adolf Hitlers wiederbelebt, der bekanntlich sagte, das Judentum sei keine Religion, sondern eine Blaupause für die Weltherrschaft:
Was aber Zellers Beitrag so ungeheuerlich macht, ist der Schlussabsatz. Das „loserhafte Kuschen“ vor dem Islam habe Anders Breivik zu seiner Tat motiviert, weiß Herr Zeller, damit den Loser Breivik zum Widerständler stilisierend; „unsere Feuilletonisten und Politiker“ (man achte auf die Verallgemeinerung, auch sie ein beliebtes Mittel des Demagogen, ob links oder rechts) würden der „Entdemokratisierung und Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit“ nichts entgegensetzen, darum habe Breivik „seinen Dünger nicht zum Düngen verwendet“, sondern zum Bombenbasteln.
Es gibt eine Grenze, jenseits derer die notwendige Einfühlung in eine Tat in Rechtfertigung umschlägt. Diese Grenze ist hier erreicht; und man müsste nur statt Breivik die Mitglieder und Helfer der NSU einsetzen, um zu sehen, wie Zeller hier der Ideologie ihrer Propaganda der Tat aufsitzt.
Übrigens argumentiert er haargenau so wie jene Linke, die er als „loserhafte Kuscher“ verachtet und etwa islamistische Selbstmordattentäter rechtfertigen: Wären sie wegen der zionistischen Besatzung / der Arroganz Amerikas / der Kollaboration der arabischen Führer mit Israel und den USA / der Rechtlosigkeit und des Mangels an Demokratie usw. nicht so verzweifelt, sie würden auch „ihren Dünger zum Düngen verwenden“.
Der Kampf gegen den Terror ist so unteilbar wie es die Menschenrechte sind, deren wichtigstes (in der Reihenfolge der Unabhängigkeitserklärung der USA) das Leben ist. Auf der Linken – ich wiederhole es – darf es keine Verniedlichung der islamistischen und panarabischem Ideologie geben, keine Rechtfertigung des Terrors als „Befreiungskampf“; aber genau so notwendig ist auf der Seite derjenigen, die vorgeben, die Demokratie gegen den Islamofaschismus zu verteidigen, die entschiedenste Distanzierung von einem ressentimentgeladenen Hassprediger wie Bernd Zeller. Soll er auf „P.I.“ publizieren. In anständiger Gesellschaft haben Leute wie er nichts zu suchen.
Die Entscheidung der Baden-Württemberger zu Stuttgart 21 ist klar: Mit deutlicher Mehrheit haben sich die Bürger und Bürgerinnen für den Weiterbau des umstrittenen Bahnhofs ausgesprochen. Interessanterweise gibt es diese Mehrheit sogar da, wo die Menschen am unmittelbarsten vom Bau betroffen sind – in Stuttgart direkt.
Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie sehr eine vehemente und eloquente Minderheit die schweigende Mehrheit übertönen kann. So ist das Votum auch eine Ermunterung für mehr Volksentscheide, insbesondere im Bereich der anstehenden Energiewende. Es ist zu vermuten, dass die notwendigen Stromtrassen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien auf sehr viel mehr Zustimmung treffen würde als die mediale Stimmung vermuten lässt.
Natürlich ist nicht zu erwarten, dass die aufgeputschte Lage in Stuttgart mit dem Volksentscheid nun endgültig befriedet werden kann. Dafür ging der Konflikt zu lange, war die Stimmung zu aufgeheizt. Die Schlichtung von Heiner Geißler war gut, aber sie kam zu spät im Projektablauf. Eine der Lernerfahrungen aus Stuttgart 21 muss deshalb sein, die Bürger und Bürgerinnen sehr viel früher miteinzubeziehen.
Stuttgart 21 ist auch deshalb so eskaliert, weil von Anfang an so wenig machbar war. Als die Bürger und Bürgerinnen aufgewacht sind, waren alle Verträge längst unterschrieben. Ihre erste Chance, sich zu beteiligen, haben die Baden-Württemberger nicht ergriffen. Erst als die Bagger im Anmarsch waren, kochte die Volksseele. Und gerade weil da nicht mehr viel zu machen war, war die Wut umso größer.
Deshalb hat Stuttgart 21 auch für Mut- und Wutbürger eine wichtige Botschaft: Sich zu engagieren, wenn die Bagger kommen, ist zu spät. Das Engagement ist viel früher notwendig – und zwar dann, wenn es gilt, dröge Pläne zu studieren, Alternativrechungen erstellen zu lassen, in endlosen Sitzungen verschiedene Planvarianten durchzugehen. Das ist weit weniger öffentlichkeitswirksam als sich an Bäume im Park zu ketten, aber natürlich sehr viel zielführender.
Wenn es nicht so einen üblen Würgereiz verursachen würde, müsste man eigentlich Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe dankbar sein. Denn ihr mörderisches Treiben hat das politische Deutschland aus einem selbstgefälligen, alles verdrängenden Tiefschlaf geweckt.
Plötzlich sind alle hellwach und starren mit weit aufgerissenen Augen in den braunen Sumpf, der sich vor ihnen erstreckt. Welch unangenehme Überraschung! Es gibt in der Bundesrepublik gefährliche Rechtsextremisten. Und sogar solche, die aus Hass auf Ausländer und das „System“ acht Türken, einen Griechen und eine Polizistin hinrichten. Das kann doch nur ein Albtraum sein, oder?
Keine Frage, aber eben einer, der nach dem Erwachen weiterhin seinen Schrecken verbreitet. Gut so. Weiterlesen
Ein Gespenst geht um in Europa: Das Gespenst Helmut Kohls. Sein wichtigstes Werk ist nicht die deutsche Einheit, sondern die europäische Gemeinschaftswährung. Kohl meinte erstens, der Euro sei eine Frage von Krieg und Frieden, und zweitens, der Euro werde die Einigung Europas unumkehrbar machen. Diese beiden Argumente sind bis heute die Hauptargumente der Euro-Verteidiger. Meines Erachtens sind sie falsch. Weiterlesen
Nehmen wir an, Sie haben Eltern im Alter von 70+. Nehmen wir an, die schauen gern Fernsehen. Nehmen wir weiter an, sie sind zwar im großen und ganzen recht fit, haben aber wahnsinnige Angst vor Alzheimer.
Dann haben Sie heute morgen ein Problem. Denn der Mann, den sich die Deutschen in einer Umfrage im Sommer 2010 als geeigneten Bundespräsidenten vorstellen konnten, hat Alzheimer in seiner Talkshow zum Thema gemacht. Der äußere Anlass war das neue Pflegegesetz. Und nach allen Regeln der medialen Kunst wurde alles in Gang gesetzt, was die „Katastrophe Alzheimer“ so richtig schön schaurig illustrierte. Weiterlesen
Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:
Als ich 1994 das erste Mal in Rom war, fuhren die orangefarbenen Stadtbusse noch mit offenen Türen und die Fahrer legten sich in die Kurven, was das Zeug hielt. Die Ewige Stadt hielt noch das, was ihr Ruf versprach: chaotische Zustände. Südlich von Florenz beginnt Afrika war dazu nördlich von Florenz zu hören.
Auch während meiner Studienzeit an der Päpstlichen Universität Gregoriana 1998 und 1999 hatte sich daran noch nicht viel geändert. Es gab ungefähr gefühlte 100 Gewerkschaften für Bus- und U-Bahn-Fahrer. Mal streikten die der Linie A und die der Linie B. So einfach war die Welt in der Metropole am Tiber. Weiterlesen
Jetzt, da die Ära Berlusconi zu Ende geht und das völlig abgewirtschaftete und vor allem demoralisierte Land faktisch von einem europäischen Kommissar regiert werden muss, sollte man daran erinnern, wer dem Bunga-Bunga-Mann die Möglichkeit des politischen Comebacks gegeben hat.
Um es vorweg zu sagen: es war die katholische Kirche, der Berlusconi die Erhaltung ihrer steuerlichen Privilegien versprochen hatte. Maßgeblichen Anteil daran hatte Papst Benedikt XVI. Weiterlesen
Wieder sind es zwei Jahre bis zur Wahl, wieder findet die Positionierung in Leipzig statt: Beim derzeitigen CDU-Parteitag in Leipzig legt Angela Merkel auch die Grundzüge für ihre Wahlstrategie 2013.
Wie so oft in Deutschland wird auch im Herbst 2013 der wahlentscheidende Moment die Person des Bundeskanzlers, oder in diesem Fall der Bundeskanzlerin sein. Weiterlesen
Dem Philosophen Friedrich Hegel verdanken wir die Weisheit, dass sich alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen gewissermaßen zwei Mal ereignen. Vom Gesellschaftstheoretiker Karl Marx stammt die notwendige Ergänzung: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.
Nun kann man trefflich streiten, ob der Karikaturenstreit über einen Mohammed mit Bombenturban ein historisches Großereignis war. Vieles spricht allerdings für diese These. Weiterlesen
In den letzten Wochen und Monaten bin ich oft gefragt worden, ob ich noch an der These festhalten will, die ich 2007 in einem Buch festhielt; dass nämlich die Europäische Union ein Imperium sei.
Ich meine, die Entwicklungen in Griechenland haben meine These geradezu textbuchmäßig bestätigt. Weiterlesen