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Wer ist das Volk? Was ist ein Volk? Und überhaupt Palästina

Zu den rührigsten Vertretern der arabischen Sache im Nahen Osten gehört eine Dr. Gabi Weber aus Freiburg, von deren „Café Palestine“ auch ich als Medienvertreter immer wieder Erklärungen und Ankündigungen erhalte. So auch am Freitag letzter Woche. Dr. Weber schrieb:

„Liebe Leserinnen und Leser,

die Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“, die Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon im Herbst 2010 im Alleingang auch in Freiburg verbieten wollte ( Cafe Palestine gewann damals die Klage auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Freiburg) soll auf dem evangelischen Kirchentag in Hamburg vom 1. – 4. Mai 2013 gezeigt werden.

Wie in vielen anderen Städten bisher, in denen die Wanderausstellung zu Gast sein sollte oder war, kristallisiert sich ein Haupt-Akteur der Gegner der Ausstellung ganz klar heraus: die Deutsch-Israelische Gesellschaft!

 

Neu im Fall des evangelischen Kirchentages ist jedoch, dass die Deutsch Israelische Gesellschaft Stuttgart die Existenz des palästinensischen Volkes leugnet!“

 

Zum Beleg dieser angeblichen Leugnung der Existenz des palästinensischen „Volkes“ (man beachte das antikisierende „e“)  dient Dr. Weber eine Stelle aus einem Brief, den Bärbel Illi von der DIG Stuttgart – vermutlich an die Organisatoren des Kirchentags – geschickt hat. Die Stelle lautet:

 

„Es wird in den Tafeln der Ausstellung  wiederholt behauptet, dass es vor der Gründung Israels eine palästinensische Nation gegeben habe, deren Land durch die Balfour-Erklärung von 1917 jüdischen Einwanderern versprochen worden sei. Eine solche Nation (in jedem Sinne des Wortes ‚Nation‘) hat es nie gegeben, es ist auch umstritten, ob es sinnvoll ist, von einem „palästinensisches Volk“ zu sprechen, wie es in der Ausstellung geschieht.“

 

Dr. Weber kommentiert die Stelle wie folgt:

 

„Vielleicht wurde Frau Illi ja von Newt Gingrich inspiriert, der die Leugnung der Existenz der indigenen Bevölkerung Palästinas zu einem Wahlkampfthema in den USA machte. Er konnte die Wahlen nicht gewinnen, Frau Illi.

(…)

Den Organisatoren des Kirchentages wünsche ich von Herzen, dass Sie ihre Entscheidung, die Nakba-Ausstellung zu zeigen, nicht rückgängig machen. Dies wäre ein weiteres Eingeständnis dafür, dass die Kräfte in unserer Gesellschaft, die versuchen, für Wahrheit, Toleranz, freie Meinungsäußerung, intellektuellen Diskurs und universelle Gerechtigkeit einzustehen, kein Gehör mehr haben. Das dürfen wir nicht zulassen!“

 

Über die Nakba-Ausstellung habe ich bereits an anderer Stelle geschrieben:

 

http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article110306703/Propaganda-in-den-Kirchen.html

 

Man mag darüber anderer Meinung sein, darum geht es mir hier nicht. Worum es mir geht, ist Dr. Webers Versuch, eine kritische Hinterfragung von Begriffen wie „Volk“ und „Nation“ als „Skandal“ hinzustellen. Dies, obwohl sie geradezu ekstatisch Shlomo Sands Buch „Die Erfindung des jüdischen Volkes“ empfohlen hat, in dem – ob zu Recht oder Unrecht, will und kann ich hier nicht erörtern – genau diese Hinterfragung im Hinblick auf die Geschichte des Zionismus geleistet wird.  Nun, mit zweierlei Maß zu messen ist natürlich nicht verboten und im Hinblick auf Israel ohnehin eher die Regel als die Ausnahme. Aber auch darum geht es nicht.  Worum es mir geht, habe ich Frau Weber geschrieben:

 

Sehr geehrte Dr. Weber,

 

Als mein Vater mit der britischen Armee 1945 in Deutschland einrückte, um der Nazi-Herrschaft ein Ende zu machen, schrieb er der vertriebenen Verwandtschaft nach Jerusalem, er habe „als erster Palästinenser den Rhein überquert“. Damals – und bis 1948 – war es völlig klar, dass ein „Palästinenser“ der – jüdische, christliche oder muslimische, arabische oder hebräische – Bewohner des britischen Mandatsgebiets Palästina war.

Als mir 1978 von einem deutschen Gericht die Anerkennung als deutscher Staatsangehöriger verwehrt wurde, geschah das mit dem Hinweis, mein Vater habe „bereits 1937“ – also bevor sie ihm als Juden von den Nazis ohnehin aberkannt worden wäre – seine deutsche Staatsangehörigkeit verloren, indem er „die palästinensische Staatsangehörigkeit angenommen“ habe.

Palästina war jedoch keine Nation. Und die Araber in Palästina verstanden sich auch nicht als Teil einer Nation, schon gar nicht eines eigenen, von anderen Arabern getrennten „Volks“, was auch immer das Wort bedeuten mag. Damals haben auch die anderen arabischen Führer von einem „arabischen Volk“ gesprochen und zumindest rhetorisch eine panarabische Nation angestrebt.

Dass es vor 1918, als das Land Teil des ottomanischen Reichs war, ohnehin weder ein „palästinensisches“ noch ein „jordanisches“ noch ein „syrisches“ oder „libanesisches“ „Volk“ gab, weil es die entsprechenden Staaten nicht gab, ist eine allgemein bekannte Tatsache. Allenfalls Ägypten kann den Anspruch erheben, als Nation schon länger bestanden zu haben.

Darauf möchte Frau Illi, wenn ich sie recht verstehe, hinweisen.

Man kann das alles bestreiten, wie jede Interpretation der geschichtlichen Fakten. Insbesondere kann man das, wenn  man eine blutsmäßige Definition des Begriffs „Volk“ unterschreibt und wenn man wider alle bekannten Tatsachen über die arabische Zuwanderung ins Mandatsgebiet nach 1918 und über die Zusammensetzung der Bevölkerung etwa in Jerusalem und Hebron vor 1918 eine Gruppe – nämlich die Araber – zur „indigenen“ Bevölkerung des Gebiets erklärt.

Darüber kann man gepflegt streiten. Aber von einem SKANDAL (Ihre Versalien) zu reden, ist offenkundiger Unsinn.

Frau Illi leugnet, so weit ich es sehen kann, keineswegs die „Existenz“ des palästinensischen Volks; sie fragt sich aber, ob die Bezeichnung selbst nicht ein historisches Konstrukt sei, das man nicht ohne Weiteres zurück projizieren dürfe auf historische Epochen, in denen sich die Gemeinten selbst nicht so nannten.

Mein Vater, nur um ein beliebiges Beispiel aus der Geschichte herauszugreifen, und auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, empfand sich bis 1933 keineswegs als Angehöriger eines „jüdischen Volks“ oder gar als „Palästinenser“, sondern als Teil des deutschen Volks. Das änderte sich aus den bekannten Gründen. Aber nur, weil er 1945 als Palästinenser in seine frühere Heimat zurückgekehrt ist, wäre es doch Unsinn, ihm diese Identität – wie es die Nazis allerdings taten – 1933 schon anzudichten.

 

Mit freundlichen Grüßen


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103 Gedanken zu “Wer ist das Volk? Was ist ein Volk? Und überhaupt Palästina;”

  1. avatar

    @ EJ
    Wenn die „Alten“ nicht finanzierbar sind, müssen sie länger arbeiten, ganz einfach. Entweder man kappt die Ausgaben für die Gesundheit oder lässt die Gesünderen, Fitteren länger malochen. Beides zusammen widerspricht sich.

    @ Lyoner
    Was mir noch danach einfiel, war, dass heute förmlich bestraft wird, wer eine erfolgreiche Regierung hat. Dazu gehören nicht nur Steuerzahlungen für ausufernde Sozialsysteme, sondern auch dauerhafte Transferleistungen (Soli, Transfers nach Berlin und Bremen etc., Club Med).
    Davon geht folgendes Signal aus: Es lohnt sich nicht mehr, etwas zu entwickeln und zu leisten, denn die Anderen werden es schon richten.
    Das war am Ende die DDR: Arbeiterdenkmal. Mach mal ’ne Fuffzehn.
    Gibt ein Kind sein Taschengeld bis Monatsmitte aus und man schiebt was nach, wird es in Zukunft die doppelte Menge verlangen. Insofern ist unser System inzwischen, auch durch massive Verschuldung und Anreize zur Verschuldung über niedrige Zinsen, infantilisiert.
    Ich ahne schon Schlimmes, wenn ich daran denke, wer die Katastrophe in Bangladesh zahlt: Vermutlich nicht die Firmen, sondern der deutsche Steuerzahler.
    Die Politik der Immigration ist einfach nur bequem. Man hat es vermieden, anderen Ländern deutlich klarzumachen, wie sie ihre Probleme selbst lösen. Andererseits hat man gemütlich zugesehen, wie auf Kosten anderer spottbillig produziert wird. Im Prinzip fährt die Politik der Industrie nicht an den Karren und dafür die Bosse nicht der Politik. Die Medien sind schon ewig abhängig durch Werbeträger, also nicht frei genug, um Vernunft zu erarbeiten.

  2. avatar

    EJ: ‚Schauen Sie sich an, welches deutsche und christliche bzw. katholische “Zeuch”, kreuz und quer und unverdaut, sich derblondehans angefressen hat. Desintegrierter “deutsch” und “christlich” und “europäisch” und … und … und … geht’s gar nicht! Aber derblondehans ist nur ein extremes Beispiel.

    … Argumente hatten Sie eh‘ nie … ich muss mit meinen Vorstellungen sehr richtig liegen, so wie Sie sich gehen lassen. … *rofl*

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    @ Lyoner

    Es ist interessant, was Sie über Zuwanderung in Maßen schreiben. Damit treffen Sie einen wesentlichen Punkt.
    Das Unmäßige besteht ja, wie man an den Rumänen sieht, in erster Linie darin, dass man zu einer Art Auffangbecken für Arme geworden ist, so auch für manche Anatolier hier, Rifh-Bauern in den Niederlanden. Es ist natürlicher Unmut, der entsteht, wenn andere Länder ihre Probleme nicht lösen und hier in Westeuropa Steuerzahler statt dessen diese ungelösten Probleme finanzieren sollen. Keine Maus würde sich regen, wenn die Industrie die Fachleute, die sie braucht, selbst im Ausland anwerben würde. Doch darum geht es gar nicht. Es geht neben Einwanderung in die Pamperssozialsystemindustrie um billige Straßenarbeiter, Erdbeerpflücker, Spargelstecher, Fensterputzer und die große Lobby, zu der auch der Staat selbst gehört, der Besitzer von Nachkriegsgebäuden, in denen sonst keiner mehr wohnen will und deren Abriss man nicht finanzieren möchte.
    Daher scheint mir auch der Mindestlohn richtig. Die Einwanderung in Sozialhilfe kann man unterbinden, indem man sie erst nach fünf Jahren (o.ä.) Arbeit bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit zahlt. Jeder von uns schüttelt den Kopf, denn wir bekamen für ein halbes Jahr Arbeit zwei Monate Alu, und Sozialhilfe war ein Appel und ein Ei. Aber es war richtig, weil wir einen Anreiz hatten, neue Arbeit zu suchen.
    Ein Aspekt, der mir verloren geht, bei der Immigration, ist unter den Motiven zu suchen: Einwanderer nach Amerika kamen in früheren Zeiten, weil Amerika sie faszinierte. Man sollte tatsächlich darauf achten, dass Einwanderer ein Mindestmaß an Liebe bzw. Sympathie für ein Land mitbringen. Ich fürchte, Rumänen und Bulgaren, die sich nach UK aufmachen, kommen nicht wegen der Queen, der Landschaft oder Kate. Darin liegt ein Keim der Zerstörung. Wenn Menschen nur kommen, um sich zu bereichern, ohne einen Funken Zuneigung inklusive Geschichtskenntnis, kann das nicht gutgehen. Das betrifft auch die heutige (mexikanische) Einwanderung in die USA.
    Wenn Posener das so unkritisch begleitet, hat das eher damit zu tun, dass er es einfach nicht kapiert. Für seinen Vater gab es doch letztlich nur einen Grund, nach Berlin zurückzukehren: Diese unerklärliche Liebe der deutschen Juden zu ihrem verlorenen und von den Nazis vergifteten Heimatland. Aber das ist leider nicht mehr das Motiv der meisten Einwanderer. Sie kommen oft für ein Stück Kuchen und weniger, weil sie uns und unsere Kultur mögen würden, wie offensichtlich Reich-Ranicki oder Julius Posener. Posener liegt da verkehrt. In Israel würden solche Leute schon in Ben Gurion scheitern. Wer Israel nicht mag, braucht dort nicht mal in den Urlaub hin zu fahren.

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    @Lyoner

    Leider fehlt mir die Zeit, Lyoner, so ausführlich zu schreiben wie Sie. Deshalb nur kurz (und etwas brutal):

    Mit 20 Prozent Zuwanderung werden Sie in das Altersheim Deutschland nicht unterhalten können, auch nicht auf niedrigem Niveau . (Es sei denn, sie würden das „identitäre Konzept“ um die Punkte Sterbehilfe einerseits und Verteidigung des leeren Raumes andererseits erweitern.)

    Nicht nur, aber auch unter obigem Gesichtspunkt:

    Obwohl ich einerseits mit demblondenhans nicht nur das deutsche Liedgut teile, sondern etwa auch die Religionszugehörigkeit, und andererseits sehr genau weiß, wie es im „Land der Skipetaren“ zugeht, ist mir Stevanovic weitaus näher als derblondehans. Und ganz offensichtlich geht es Ihnen ganz genau so, wie Ihr auf Verständigung vertrauender ausführlicher Schrieb an Stevanovic zeigt.

    Warum erlaubt Ihnen das den letzten Schritt nicht? Zumal Sie beim „Staatsvolk“ immerhin schon angelangt sind. Was hielten Sie davon, Ihren „tiefkulturell identitären“ Mops etwas abzuspecken?

    Schauen Sie sich an, welches deutsche und christliche bzw. katholische „Zeuch“, kreuz und quer und unverdaut, sich derblondehans angefressen hat. Desintegrierter „deutsch“ und „christlich“ und „europäisch“ und … und … und … geht’s gar nicht! Aber derblondehans ist nur ein extremes Beispiel. Was haben – bei Licht besehen und, bitte, angesichts unserer je eigenen ideosynkratischen deutsch- usw. usf. kulturellen Verfassung – Sie und ich mit ihm, aber auch – Sie und ich kennen unsere Differenzen – wir beide miteinander gemein?

    Angesichts unserer Verfassung (und der in Ihr formulierten Garantien und Ansprüche) genügt es völlig, dass derblondehans, Sie, ich, Stevanovic … wir uns, welcher faktischen oder zusammenphantasierten Herkunft und Identität auch immer, als Staatsbürger in den (so verfasste) Staat integrieren. Faktisch verkehren wir genau auf dieser Ebene bzw. im Vertrauen auf diese Ebene. Und vieles würde integrativ leichter werden, wenn wir uns genau das bewusst machen würden, statt uns mit irgendwelchem – willkürlich herbeizitierten – „identitären“ Plunder Sicht und Kommunikation zu verstellen.

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    @ Stevanovic

    Ich merke an solchen Tagen, dass mir die eine oder andere typische deutsche Eigenschaft abgeht, den Vater- oder Herrentag gesellig mit anderen Männer zu verbringen, mehr als an anderen Tagen zu bechern und mich mit Grillgut zu beschäftigen. Dadurch entgeht mir sicher die eine oder andere Triebabfuhr in Scherz, Frivolität und bestimmten Derbheiten. Zwei Punkte:

    1. Ich muss mich mit Ihnen überhaupt nicht streiten, ob die Palästinenser ehrlich sind und Juden ins Mittelmeer treiben wollen etc. Mit Verlaub, mein Herr, ich würde mich wundern, wenn es nicht zu solchen Phantasmen und Rhetoriken gekommen wäre (wissen Sie, wieweit dieses Phantasma unter statistischen Gesichtspunkten verbreitet ist?). Sie haben ja sehr emphatisch (und empathisch) den Erfahrungshorizont junger Palästinenser geschildert. Insofern glaube ich, dass der Wunsch nach dem Tod des Herrn von Seiten der Palis weitgehend als ohnmächtiger impotenter Wunsch realisiert wird; ich vermute, dass dieses Phantasma der Auslöschung auf israelischer Seite darin fundiert ist, dass sie ihre Anerkennung (und Sicherheit) in der absoluten Unterwerfung (einschließlich der Amputation von Ressentiments und Widerstand) begründen wollen. Des weiteren hat natürlich diese Angst einen legitimatorischen Wert, nämlich die Gewaltherrschaft (oder wenn man will: das Wohlfahrtsregime) zu begründen.

    Gibt es denn, lieber Stevanovic, irgendwelche Indizien, dass aus diesen Träumen eine reale Bedrohung für Israel resultiert? Meinen Sie nicht, dass der Vorsprung Israels gegenüber den Palästinensern und Arabern durch Technik und Organisation so gewaltig ist, dass man hier Arthur C. Clarke´s Diktum, dass jede hinreichend fortgeschrittene Technik von Magie nicht zu unterscheiden ist, in Anschlag bringen kann? Wären die Vorbereitungen für ein solches Bedrohungsszenario nachrichtendienstlich nicht mehr als rechtzeitig zu erkennen? Sie entscheiden sich zwischen einem Fakt (Besatzungsherrschaft) und einer Fiktion („Schlachtfest“). Ich finde das billig und eine sehr seltsame Entscheidungslogik. – Mir scheint zum Training Israels (Am Israel) zu gehören, dass man in jeder Generation Amalek, Haman, Hitler und eine absolute Vernichtungsdrohung realisiert/halluziniert, und dabei die eigenen Anteile an einer Dialektik der Nichtanerkennung/Nichtung verdrängt. Siehe auch: Micha Brumlik, Dialektik der Anerkennung: Nahost! (http://www.taz.de/1/archiv/dig.....33c5157e94). Was Ihr Plädoyer „meine Regierung zu unterstützen und die kann Waffen liefern und damit das Wohlfahrtsregime unterstützen“ (und wahrscheinlich auch Ihre Unterstützung des Diktums, dass Israels Sicherheit zur deutschen Staatsräson gehört) angeht – es gibt antideutsche Deutsche, für die die deutsche Staatsräson darin besteht, dass wir bedingungslos Vasallen und Tributpflichtige Israels, der israelischen Regierung sind. Gehören Sie auch dazu?

    2. Wenn ich Ihre Beiträge lese, habe ich den Eindruck, dass Sie mit der deutschen Sprache so behände umgehen wie Невен Суботић beidfüßig mit dem Fußball (ich will Sie nur darauf aufmerksam machen, dass die Anrede „Sie“ groß geschrieben wird). Insofern schätze ich Ihren eigenen Beitrag zu einer Integration in Deutschland. Zudem haben Sie eine deutsche Frau geheiratet, mit ihr die schöne Verantwortung für Kinder übernommen. Wenn Sie dann noch in der Lage sind, ihren Kindern beizubringen, dass Grimms Märchen nicht aus Hollywood kommen, dass es schön ist, gemeinsam einen Kanon wie „Abenstille überall, nur am Bach die Nachtigall, singt ihre Weise klagend und leise durch das Tal“ zu singen, dass es kaum etwas schöneres gibt als Choräle von Bach und Opern von Wagner, dass es sich lohnt, Schopenhauer, Nietzsche, Karl Valentin, Martin Heidegger, Botho Strauss, Enzensberger und Alexander Kluge zu lesen, und wenn Sie dann noch aus Ihrem serbischen Bauchnabel heraus Eigenartiges und Wunderliches aus dem schönen Tälern und grimmigen Schluchten des Balkan erzählen, dann ist doch alles gut, ich freue mich über unsere gegenseitigen Kulturbereicherungen, und ich bin noch nicht mal der allerletzte, sondern überhaupt keiner, der Ihnen und Ihren Kindern ein one-way-ticket für einen Transfer besorgt.

    Sie sind ja noch ein greenhorn auf diesem Blog. Möglicherweise haben Sie noch nicht wahrnehmen können, dass sich meine Einwände gegen (unreglementierte) Einwanderung nicht einem ideologischen geschweige denn rassistischen Ressentiment verdanken. Sie wissen doch, dass sich die europäischen Rechten, von Wilders Partij voor de Vrijheid bis zu Straches FPÖ, sich für die identitäre israelische Politik als Bollweg gegen die muselmanische Flut (Posener siehe oben „… der muslimischen Umma das Tor zur Weltherrschaft aufstoßen“) begeistern. Was identitäre Politik angeht, bin ich weder ein Vertreter der una sancta Catholica, also ein universaler Linker, noch ein Parteigänger eines exklusiven identitären Volkstums, also in landläufigen Begriffen ein Rechter; das entscheidende Kriterium sehe ich in der Integrationsfähigkeit der Gesellschaft bzw. des Staatsvolkes. Das ist also eher ein ökologischer und ökonomischer sowie sozialpsychologischer Gesichtspunkt. Ich bin sehr für den Aufbau eines „Willkommensklimas“, Parolen und guter Wille allein reichen hier nicht. Zuwanderung ist für beide Seiten Stress, eine fundamentale Xenophobie (das ist nicht nur falsches Bewußtsein) kann nur durch stressmindernde Maßnahmen, das Gefühl, in Entscheidungen mit einbezogen zu werden (Souveränität) sowie gute Erfahrungen reduziert werden. Dann werden wir Nachbarn, auch das ist unicht unheikel. Das Gelingen der Zuwanderung scheint mir auch eine quantitave Frage zu sein, eine Frage des Maßes und der Proportion. Der große deutsche Sozialwissenschaftler und Ökonom Gunnar Heinsohn hat postuliert, dass die Integration von Zuwanderern in Schulklassen dann gelinge, wenn ihr Anteil bis zu ca. 20% liege; bei höheren Raten sinke die Leistungsfähigkeit signifikant. Ich denke, dass sich dieses Beispiel auf die Gesamtgesellschaft übertragen lässt. Ich bin ein Anhänger des Sloterdijkschen Immunologiekonzepts, der zufolge ein Gemeinwesen (res publica) Einscheidungen zwischen den Polen – immun vs. immunvergessen, – selbstpräferentiell vs. fremdpräferentiell, – exklusiv vs. inklusiv, – selektiv vs. unselektiv, – asymmetrisch vs. symmetrisch, – protektionistisch vs. „zollfrei“, – unkomprimierbar vs. beliebig kompressibel, – irreversibel vs. beliebig reversibel treffen muss.

    Ich habe im übrigen auch nie die Zuwanderer selbst kritisiert, sondern eine Gesellschaft, die es nicht schafft, ihre Reproduktionsfähigkeit zu stabilisieren, die sich selbst abschafft und jammert bzw. sich selbst abschafft und glaubt, ihre existentiellen psychosozialen Probleme durch Masseneinwanderung kompensieren zu können. Warten wir ab, lieber Stevanovic, Sie integrieren sich in tönern Erz.

    Ob die unreglementierte Einwanderung nach Gusto Posener sich einer liberalen oder gar jüdischen Verschwörung verdankt, weiß ich nicht. Wenn dem so wäre, könnte sie sich auf eine weit verbreitete Ideologie des Individualismus, des individuellen pursuits of happiness, auf Republiken von Elementarteilchen, für die „Gemeinschaft“ fast schon als faschistisch diskreditiert ist. Im übrigen bin ich dafür, dass die starken Schultern der Gesellschaft, z.B. das grüne Bürgertum, in ihren gentrifizierten Quartieren die Last der Zuwanderung schultern und dies nicht den sozial schwachen Gruppen unserer Gesellschaft überlassen. Alan Posener übernehmen Sie!

    @ Roland Ziegler

    Am Israel – da läßt sich Volk und Religion nicht so einwandfrei auseinanderdividieren. Das ist ein nationalreligiöser Enthusiasmus.

    Natürlich ist das „Volk Israel“ hauptsächlich für die Völker paradigmatisch, die christianisiert wurden. Ich bezweifle nicht, dass auch die Han-Chinesen, Japaner, Sioux und Apachen, die Zulus etc. eine große Kohärenz haben und möglicherweise anders als wir Deutsche in der Fremde, der Diaspora weniger assimilieren.

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    Lieber Alan Posener!
    Gerade eben lese ich diese berückenden Worte in WO:
    „Die Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments fordert ein härteres Vorgehen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. „Es ist nun an der Zeit zu zeigen, dass Taten von Extremisten wie dieser Neonazi-Gruppe nicht länger straflos bleiben können“, sagt der Vorsitzende der Kommission, Ayhan Sefer Üstün, der türkischen Tageszeitung „Today`s Zaman“. Das Gericht habe die Verantwortung, eine „historische Entscheidung“ gegen Rassismus und Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft zu treffen.“

    Ich wiederhole dasZentrum: Dass Taten wie diese nicht länger straflos bleiben sollten.
    Die Aussage unterstellt, solche Taten wären bislang straflos geblieben. Ja, sie unterstellt noch mehr: Dass solche Taten nicht die Ausnahme, sondern die Regel wären. Und die Unterstellung geht soweit, anzudeuten, wir wären ein rassistisches Land.
    Wir bekommen ergo eine Unterstellung serviert, weil wir Gewalttäter haben. Daher müssen wir schlussfolgern, die USA wären ein kinderfeindliches Land (Connecticut), Frankreich ein antisemitisches Land (Toulouse), England fußballfeindlich (Hooligans), Norwegen ein sozialistenfeindliches Land (Breivik), nur die Türkei wäre lieb und freundlich, völlig frei von Extremismus gegenüber abweichenden Meinungen oder Christen.
    Es sind solche Dinge, die langfristig erst Rassismus schüren können, Aussagen von türkischen Politikern, die völlig an der Realität vorbeigehen, dass dieses kein fremdenfeindliches Land ist. Ausnahmen bestätigen die Regel.

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    @Lyoner: Pessach ist doch ein religiöses Fest? So wie die Christen Weihnachten/Ostern/Pfingsten feiern? Klar, bei Religionen gibt es verschiedenste Rituale/Zucht/Trainings; das konnte ich erst gestern bei einer zweistündigen Kommunionsfeier miterleben (nebenbei: christliche Popmusik ist so ziemlich das Schlimmste, was es überhaupt gibt in der Musik; ich kenne dieses Grauen bereits von evangelischen und ökumenischen Schulgottesdiensten und hatte gehofft, dass wenigstens die Katholiken sich an ältere oder bessere Kirchenmusiken halten würden. Ich weiß nicht, warum früher die begabtesten und heute die unbegabtesten Komponisten sich in den Dienst der christlichen Kirche stellen. Was für ein Gegensatz.)

    Jedenfalls sollte man Religionen mit Religionen und Völker mit Völkern vergleichen. Mag sein, dass die Grenze in einigen Fällen verschwimmt. Aber es gibt doch gerade unter Juden sehr viele säkulare bis ungläubige Leute, die sich trotzdem als Juden verstehen? Welche Zucht, welche Trainings machen die denn? Welche mache ich, der sich dem deutschen Volk zurechnen würde? Am Tag der deutschen Einheit im Schrebergarten Bier trinken: Wenn Sie das meinen, mag Ihre/Sloterdijks Definition als Teil ja integrierbar sein; ausreichend ist sie bei weitem nicht. Es sei denn, Sie verstehen unter „Ritual“ bestimmte Geschichten: etwa wenn Großeltern oder Eltern vom Krieg, von der Vertreibung, mit etwas Glück auch von der Judenverfolgung reden. Dies dürfte bei den meisten „volksdeutschen“ Familien in verschiedenen Formen tatsächlich stattgefunden haben: Volk als Ergebnis von Biografien, die man einander erzählt, aber auch von typischen Bewertungen und Reaktionsmustern (expressiv oder introvertiert), als Mentalität…

    Außerdem finde ich, dass Sie bedenken sollten, dass es nicht nur Europa gibt. Die Juden sind mit Sicherheit kein „paradigmatisches Volk“ für die Völker in Australien, Asien, Amerika oder Afrika. Viele Zulu, Han-Chinesen, Tibeter, Inder, Aborigines oder Indianer haben von diesem Volk noch nie etwas gehört, und wissen Sie tatsächlich, dass alle diese Völker eine weniger starke völkische Bindung haben als die Juden?

    Ansonsten äußern Sie sich einem Thema, das hier gar nicht angesprochen war, nämlich welche Vorstellungen die aktuelle israelische Administration hat; welche der israelische Mainstream. Hierzu äußern Sie abermals das, was Sie bereits an anderer Stelle mehrmals geäußert haben, oder habe ich einen zusätzlichen neuen Gedanken übersehen?

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    @Lyoner

    Ich glaube den Arabern, dass sie die Juden im Meer ersaufen wollen. Auch Ahmadinedschad meint es wörtlich. Ich glaube ihm. Das hat mit der Besatzungspolitik, wie sie in dem Film thematisiert wird, erst mal nichts zu tun. Wenn ich abwägen soll, ob mir im Meer treibende Israelis oder Araber unter Wohlfahrtsregime lieber sind, ergibt sich der Rest von selbst. Ich glaube nicht, dass Außenstehende hier mehr abwägen können, sie können Ratschläge geben und meiner wäre nicht Siedlungen zu bauen, sondern auf die zitierten Geheimdienstler zu hören. Da mich weder die einen noch die anderen anrufen, bleibt mir nur meine Regierung zu unterstützen und die kann Waffen liefern und damit das Wohlfahrtsregime unterstützen oder keine liefern und beim Schlachtfest zuschauen. Klingt banal und ich glaube, dass es das für Außenstehende auch ist.

    Kann es sein, dass sie mit den Arabern sympathisieren, weil sie die „identitäre Bevölkerung“ Europas oder speziell Deutschlands durch Migration in Gefahr sehen und dahinter eine Verschwörung von liberalen, Israel unterstützenden, Funktionseliten sehen? Nicht als Idee von Posener, sondern real? Bevor wir uns darüber streiten, ob Araber ehrlich sind und Juden töten wollen, oder uns anlügen und eigentlich ganz nett sind, warum unterhalten wir uns nicht gleich über Volk, Identität und Deutschland?

    25% der Bevölkerung hat Migrationshintergrund. Ich bin hier nicht geboren und bin zufällig in Deutschland gelandet. Aber ich bin nicht zufällig geblieben. Und ich werde bleiben. Vielleicht bin ich noch Serbe mit deutschem Pass, meine Kinder sind Deutsche mit Papa aus Serbien. Sollte das deutsche Narrativ das vom sauberen Blut der Germanen sein, werden auch sie nicht mitmachen können und somit natürlich Deutsch sein nicht gerade schätzen. Wenn sie glauben, auch Menschen wie mich und vor allem meine Kinder integrieren zu können und zu sollen, wie sieht deutsche Identität dann aus? Ist es die der Bücher oder die der Bauern? 1813, 1933,1945? War es immer dasselbe und ich verstehe es als Neuer nicht? Wenn sie die Frage mit einem One-Way Ticket für uns lösen wollen, dann nicht über divide et impera beschweren (und nicht zu viel träumen). Entsteht hier gerade was neues, wie sieht es aus? Bin ich zu was Altem dazu gestoßen und wohin geht es? Was meinen sie? Kann ich Deutsch sein? Meine Kinder? Können wir eine deutsche Identität haben? Die Frage finde ich spannender als die Frage, ob Araber, die in der 4. Generation im Libanon leben, noch wirklich Heimweh nach Haifa haben.

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    Meine Pointe ist nicht die Verurteilung Habsburgs, es geht mir auch nicht um Serbien oder eine Knute. Mit Hannes Stein würde ich über Habsburg keinen Dialog führen, ich würde ihm nur zuhören – der hat sich mit diesem Thema bestimmt mehr auseinandergesetzt als ich. Seine Meinung ist bestimmt fundiert und würde mir einleuchten. Und trotzdem würde ich weiter zucken, wenn ich die Habsburg-Nostalgie höre. Es geht um die Geschichten mit denen ich aufgewachsen bin und die in meiner Familie spielen. Als gutem Balkanesen muss die Welt in meinen Bauchnabel passen, sonst verstehe ich sie nicht. Mein Bruder und ich waren gegen Milosevic, sind für die Westanbindung Serbiens, für eine Abkehr von Russland und Slawismus als Idee und gegen die Macht der Kirche, für Globalisierung, Zivilgesellschaft etc. Wir waren beide gegen Großserbien und sind trotz Einladung nicht in den Krieg gezogen. Trotzdem waren wir uns 1999 einig, dass diesmal der Kelch nicht an uns vorüber ziehen wird und wir tun werden, was wir tun müssen, weil es diesmal um die Gräber unserer Väter und unser Dorf ging. Obwohl „unsere Seite“ nicht im Recht war und „wir“ angefangen haben und „wir“ diesmal die Arschlöcher waren.Daran haben wir keine Sekunde gezweifelt. Wir beide weinen heute noch vor Freude, dass uns der Krieg 99 erspart blieb. Warum wir so fühlen und handeln können wir erklären, nur verstehen können wir uns selber nicht. Klingt bekloppt, wir sind aber zumindest ehrlich. Sie haben diesen Artikel auch nicht geschrieben, weil ihnen die Entstehungen der Völker besonders am Herzen liegen, sondern weil ihre Familie Teil dieser Geschichte ist. Da gibt es also etwas. Warum sticht es? Eine Essenz? Ich weiß es wirklich nicht.

    Daran muss ich denken, wenn ich mir einen jungen Araber vorstelle, der schon hunderte Male die Drangsalierung seiner Familie am Checkpoint erlebt hat und der jeden Abend den Schlüssel seines Großvaters gezeigt bekommt. Menschen die seine Schmerzen teilen nennen sich Palästinenser. Und die, die ihn nicht teilen, nennen sich Israelis. E voila, seine Welt. Ich würde gerne sehen, wie er auf geschichtliche Wirklichkeit reagiert: Hey, ihr seid nur ein paar Clans und eigentlich kein Volk, dein Opa war selbst schuld und solange du es nicht schaffst die Clans zu entwaffnen, wird die IDF euch weiter drangsalieren. Guck mal, ich habe Dokumente die das beweisen….und Posener meint, wenn du verrückt genug wärst dich Jude zu nennen…

    Es ist eben nicht das “antiimperialistische” Narrativ, das ihn zum Palästinenser macht. Dieses Narrativ ist der Kontext, in die er seine Geschichte stellt. Zum Palästinenser macht ihn ein Checkpoint der IDF oder die Aussperrung seines Vaters vom Arbeitsplatz, die Einsamkeit der Diaspora, der Hass seiner Mutter, die Verzweiflung seines Vaters.

    Das antiimperialistische Narrativ ist wichtig für das Sympathisanten-Marketing und Marketing ist nicht für die Aufklärung des Konsumenten da. Also nicht zu umgehen, aber in der Substanz nutzlos.

    (Disclaimer: Crack Babys haben es schlimmer, sprengen trotzdem keine Busse in die Luft und Israel ist nicht das 4.Reich oder Sparta und ich befürworte die Maßnahmen der IDF zur Sicherheit Israelischer Bürger)

    PS: Sie verstehen unter Imperium nicht das, was meine Familie mit Habsburg assoziiert und wenn sie von Imperium sprechen, verteidigen sie nicht individuelles Unrecht, sondern eine universale Idee. Das unterstelle ich ihnen und Hannes Stein auch ohne ihr Buch gelesen zu haben. Was ich aber noch mache.

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    Lieber Alan Posener, ich habe wohl die Bedeutung der Frau Dr. Weber aus meiner Heimatstadt Freiburg in diesem und in anderen Kontexten unterschätzt. Die Infragestellung des jüdischen Volkes ist Humbug; es ist doch völlig unerheblich, ob die Juden von den Chasaren abstammen oder von Aliens oder Chromosomenmuster weitertragen, die auf eine Herkunft aus dem Gelobten Land verweisen. Ich halte mich da eher an den großen deutschen Gelehrten Ernst Nolte, der zu unserem Schaden von Habermas und Habermäusen, konformistischen und oppurtunistischen Zwergen aus dem Diskurs ausgeschlossen wurde. In seinem epochalen Werk „Historische Existenz“ hat Nolte das Volk Israel (Am Israel) als das paradigmatische Volk in der Geschichte, als Volk κατ‘ ἐξοχήν beschrieben. Kann sich ein anderes Volk an der Kohärenz und Intensität eines völkischen Geschichtsbewußtseins mit dem Volk Israel messen, fragt Nolte und zitiert aus einer Rede des damaligen Präsidenten Ezer Weizmans vor dem Deutschen Bundestag 1996

    „Zweihundert Generationen sind seit den historischen Anfängen meines Volkes vergangen, und sie erscheinen mir wie wenige Tage … Ich war ein Sklave in Ägypten und empfing die Thora am Berge Sinai … Ich habe meine Familie in Kishinew verloren und bin in Treblinka verbrannt worden. Ich habe im Warschauer Aufstand gekämpft und bin nach Eretz Israel gegangen, in mein Land, aus dem ich ins Exil geführt worden war und in das ich zurückkehren werde.“

    Dies ist eine Identitätskonstruktion, an der Dekonstruktionen wie an einer Teflonpfanne abperlen (dies, lieber Roland Ziegler, verdankt sich einer langen Zucht und einem langen intensiven Training, z.B. im Pessachritual, in dem die Präsenz des Auszuges aus Ägypten von jeder Generation vollzogen wird) . Anstatt dies Frau Dr. Weber entgegenzuhalten, eiert Alan Posener in seinem Kommentar v. 30. April (http://starke-meinungen.de/blo.....ment-20616) herum und versucht die völkische (nationalreligiöse) Agenda Israels zu eskamotieren

    „Die Frage, ihrer völkischen Essenz ist dabei völlig unerheblich. Jude ist, wie Ben Gurion einmal sagte, jeder, der verrückt genug ist, sich selbst als solchen zu bezeichnen. … Die Zionisten übrigens redeten in der Regel nicht von einem “jüdischen Volk”… Sie bezeichneten sich als “Hebräer” oder “Neu-Hebräer”, und ihre Absicht war es nicht, ein altes Volkstum neuzubeleben, sondern überhaupt erst ein “Volk” zu werden wie die anderen Völker (“Gojim”).“

    Lieber Herr Posener, Sie wissen doch sicher, dass dieser Nominalismus einer Polemik gegenüber dem Diaspora-Judentum, das als dekadent war und in Eretz Israel neu aufgebaut werden sollte, geschuldet war und in den Definitionen Israels eine marginale Rolle spielte. Lassen wir die Parole „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ mal beiseite, so ist doch die völkische Agenda nicht zu übersehen, sei es im Rückkehrgesetz, das 1950 verabschiedet wurde, das Israel als Heimat für Juden in aller Welt, egal unter welchen Bedingungen sie leben proklamiert, ein entsprechendes Rückkehrrecht der eh. Bewohner von Jaffa, Ramla, Haifa etc. jedoch verweigert, sei es in den Heiratsgesetzen, sei es in der Forderung, Israel als Staat der Juden anzuerkennen, sei es in der nationalreligiösen Überzeugung, das Eretz Israel durch jüdische Besiedlung in Judäa und Samaria „erlöst“ werden soll, eine Überzeugung, die sich nicht nur bei den religiösen Hardlinern der Gush Emunim und bei Siedlern findet, sondern weit im israelischen mainstream, bei Netanyahu, Lieberman, Bennett zu finden ist; die Beauftragte für Verhandlung mit den Palästinensern, Frau Tzipi Livni, ist ein Feigenblatt, das israelische „Friedenspolitik“ der Welt vorspielen soll. Hier stehen dann auch Krethi und Plethi wie unser Freund vom Balkan bereit, das Narrativ zu verzapfen, dass der „Friede“ doch an den Palis, ihren defizienten Eigenschaften und Strukturen, ihrer Rückständigkeit und ihren Ressentiments, scheitert. Lieber Stevanovic, Sie sind ein kluger Kopf; können Sie mir erkären, wie unter Umständen und Bedingungen, die die 5 frühere Chefs des Shin Bet in der Dokumentation „Töte zuerst“ (Originaltitel: The Gatekeepers http://www.youtube.com/watch?v=_al-HEKfbOA) darstellten, unter dem israelischen Wohlfahrtsregime für Palästinenser bei diesen zivile und demokratische Tugenden aufgebaut werden können? Kennen Sie die Hegelsche Dialektik von Herr und Knecht?

    Bei Alan Posener vermute ich bei seinem Illusionstheater noch ein anderes Motiv: Posener ist der prominente Verfechter einer massenhaften Einwanderung nach Europa, der Ersetzung einigermaßen identitären Bevölkerung durch x-beliebig zusammengesetzt Populationen. Diese können leichter durch eine Politik von divide et impera durch „Funktionseliten“ beherrscht werden. Da macht es sich nicht so gut, wenn Posener zu offensichtlich für eine identitäre Agenda Israel eintritt. Nur, lieber Alan Posener, wohin der Hase läuft und die Karawane zieht, ist so offensichtlich, dass Sie oder Stevanovic oder ein Broder höchstens noch die Gläubigen der Gläubigen verzaubern können.

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    Lieber Stefanovic, Sie werden ein wenig inkohärent, aber ich verstehe durchaus, was Sie meinen. Über Österreich-Ungarn müssten Sie mit meinem Freund Hannes Stein reden, er versteht mehr von der Sache als ich. Mag sein, dass Serbien unter der habsburgischen „Knute“ gelitten hat. Dennoch würde ich meinen, dass das „antiimperialistische“ Narrativ, zu dem ja auch die Umdichtung arabischer Clans zu einem „palästinensischen Volk“ gehört, oft die Verbrechen der Imperialisten übertreibt und ins Völkisch-Nationalistische abdriftet. Auch dort, wo die Verbrechen real sind, wie zum Beispiel in den Napoleonischen Kriegen, ist die romantisch-völkische Reaktion darauf fatal, nicht zuletzt, weil gegen das Konzepot der individuellen Freiheit, die mit den französischen Truppen ins Land kam, die kollektive „Freiheit“ des Volks gesetzt wird. Was in Deutschland zum Beispiel mit einer enormen Steigerung des Antisemitismus einherging, weil ja die Juden als Sympathisanten der Franzosen galten, die ihnen die Bürgerrechte gebracht hatten. Ein modernes Beispiel ist Simbabwe, wo das Mugabe-Regime viel schlimmer war als alles, was Ian Smith verbrochen hat, von den britischen Kolonialbehörden ganz zu schweigen. Die Liste ließe sich fortsetzen – und schließt auch einige zionistische Mythen über die Bosheit der britischen Besatzer ein. Über die positiven Seiten des Imperialismus habe ich in meinem Buch „Imperium der Zukunft“ einiges geschrieben, erhältlich über die Bundeszentrale für politische Bildung.

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    @Alan Posener: Ja, ich auch nicht, wie man schon daran sehen kann, dass ich alle möglichen „Völker“ akzeptiere. Allerdings meine ich, dass dieses Recht auf Selbstbestimmung schon existiert. Nur es absolut zu setzen wäre falsch. Es muss sich eingliedern in andere Rechte, d.h. in Rechte anderer.

    Ein Kollektiv – „Volk“ oder Nicht-Volk, „Dahergelaufene“, „Selbsternannte“, „Restbevölkerung“ oder was man auch immer für Namen lesen kann – hat ein Streben nach Autonomie, das man grundsätzlich anerkennen muss. Das einfach vom Tisch zu wischen hat etwas unangenehm Diskriminierendes, um nicht zu sagen Totalitäres. Auf der anderen Seite ist es klar, dass nicht jedes Dorf, jede Stadt, jede Region sich, wnen es schlecht läuft, als eigener Staat ausrufen und erwarten kann, von anderen als solcher akzeptiert zu werden. Dazu bedarf es dann schon einiger Institutionen. Und vor allen Dingen bedarf es dazu eines sehr unmissverständlichen Bekenntnisses zur Friedenspflicht gegenüber den unmittelbaren Nachbarn.

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    Skalg: Uhm, kann mir irgendwer irgendein NICHT erfundenes Volk, eine NICHT imaginierte Gemeinschaft nennen?

    … die Tyrannei erfindet das Volk. Das Volk findet den freien Willen – die Gemeinschaft.

    Übrigens wäre APos Vater – wenn er meint als Palästinenser den Rhein überquert zu haben, – Philister. Die Israeliten unter Saul, David u.a. haben die Philister anno Schnee verkeilt. (s.h.. u.a. David ./. Goliath)

    … aus Wiki: Diesen Namen, (Palästina) der auf das seinerzeit bereits verschwundene Volk der Philister zurückgeht, erhielt das Land aufgrund eines Erlasses von Kaiser Hadrian, um die Erinnerung an die judäischen Bewohner zu tilgen, deren Aufstand er niederschlug.

    (… für die, die meckern dass ich aus Wiki zitiere: ich habe entsprechende Literatur auch im Bücherregal zustehen, liegen.)

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    @Posener

    Österreich-Ungarn war für Österreicher und Ungarn sehr zivilisiert. Für die anderen eben nicht. Weil die Folgen der Auflösung so schlimm waren, ist das in Vergessenheit geraten. Sehen Österreicher anders, die weitere Entwicklung scheint ihnen Recht zu geben. Aber da wären wir bei den Narrativen und der geschichtlichen Wirklichkeit. Von mütterlicher Seite sind meine Verwandten Serben aus der Vojvodina. Bei uns erzählt man die Geschichte anders als es Otto von Habsburg im Europaparlament getan hat. Warum auch nicht – jeder hat seine Geschichte. So wie sie der Hafer sticht, wenn von Palästinensern nur von Arabern gesprochen wird (besonders in Bezug auf ihren Vater), so sticht mich die Habsburger-Romantik. Bei uns hat man weniger Sissi, mehr die Peitsche in Erinnerung. Was wahr ist, muss wahr bleiben (geschichtliche Wirklichkeit). Das legitimiert weder Jugoslawien, Serbien noch sonst einen Nationalpark. “Selbstbestimmungsrecht der Völker” ist natürlich Blödsinn, auf dem Balkan ist es heute eine Sackgasse. Weil die Imperien der Habsburger und Osmanen selbst eine waren, erschien das damals als Ausweg. Und nun ja – bis zum Rückspiel mit den Germanen 1941 lief es auch nicht schlecht, was die Habsburger-Romantik von Österreichisch/Deutscher Seite ja besonders geschmackvoll macht. Wenn man Jugoslawien in Schutt und Asche legt, sieht Habsburg natürlich fescher aus. Wobei Kroaten was anderes sagen (über Jugoslawien, nicht über Habsburg).

    Geschichtliche Wirklichkeiten scheint es also auch in mehreren Ausgaben zu geben. Deswegen interessieren mich die Schwüre über den Gräbern der Väter und historische Gerechtigkeit herzlich wenig. Darüber können wir bei Selbstgebranntem sabbeln, Staat kann und soll man damit nicht machen. Deswegen ist es auch egal, ob jemand was dekonstruieren will oder nicht. Da alles dekonstruiert werden kann, kommt es nur auf den aktuellen Willen und die aktuelle Fähigkeit an. Wenn alles im Grund egal ist, sind das die einzigen Kriterien, die mir einfallen. Und wenn man sich Hamas, PLO, Hisbollah und Iran anhört, scheint es am Willen nicht zu mangeln, weswegen ich alles Unterstütze, was ihnen nicht auch noch die Fähigkeit gibt.

    Wenn ein arabisches Palästina Probleme lösen würde, wäre ich auch dafür. Tut es aber nicht. Noch nicht, vieleicht nie, vieleicht morgen. Es wäre heute nur ein weiterer korrupter Polizeiprügelstaat. Das hat nichts mit der Völkischkeit zu tun. Die kann sich jeder basteln wie er will. Es hat was mit können zu tun.

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    Es ist sehr ungeschickt über dieses Thema anhand von Frau Dr. Weber zu besprechen. Frau Dr. Weber ist Antisemit neuer, dennoch reinster Schule. Sie ist in einem Diskurs nicht satisfaktionsfähig. Es drängt sich in solchen Fällen immer die Frage auf, warum Grundsatzfragen entlang von Karikaturen diskutiert werden.
    Wenn man Ben Gurions Aussage(ist auch schon was her) neben Dr. Weber setzt, dann setzt man ein liberales Ideal gegen Blut&Hoden und dann- ist klar, ne? So schräg erscheinen mir auch viele Beschreibungen des deutschen Verhältnisses zu Israel. Günther Grass interessiert in dem Deutschland, in dem ich lebe, niemanden. Anhand von solchen Antisemiten über das Deutsch-Israelische Verhältnis zu reden führt zu keinem realen Ergebnis. Am Ende des Tages ist es doch egal, ob deutsche Gutmenschen (was das auch immer sein soll), den Israelis Lichterketten gegen Terror empfehlen. Ich vertrauen den Verantwortlichen in Israel, dass sie die Einfältigkeit erkennen. Wichtig ist doch, dass Deutschland Handel treibt und Waffen liefert. Könnte nach meinem Geschmack etwas mehr sein, aber wenig ist es auch nicht. Um für Posener eine Lanze zu brechen: er hat die Person Augstein nicht als Antisemiten beschrieben, sondern als einfältigen Schwachkopf, der antisemitische Thesen verbreitet. Das alles nur am Rand.

    Es gab kein arabisches Volk der Palästinenser (1917) und heute gibt es eines. Trotzdem legitimiert das zu nichts. Weder die eine, noch die andere Seite. Ein Volk braucht keine Legitimation durch andere um zu sein. So komisch das manchmal auch aussieht (Montenegriner- my favorite), es geht uns, die wir nicht dazugehören, schlicht nichts an. Es gibt kein arabisches Palästina aus aktuellen praktischen Gründen (da hat Posener Recht). Und Unfähigkeit ist die einzige zwingende Delegitimation, in dem Fall durch sich selbst.

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    Lieber Lyoner, Roland Ziegler hat mich besser gelesen als Sie. Aber das verwundert nicht. Er liest nicht durch eine ideologische Brille. Ich bin durchaus dafür, Begriffe wie Volk, Nation usw. zu dekonstruieren, ganz im Sinne der spätmittelalterlichen Nominalisten, über die ich gerade mit Gewinn lese, und die nicht zufällig von Ihrer (früheren?) Kirche verfolgt wurden. Das schließt natürlich auch die Infragestellung der Verwendung fragwürdiger Begriffe durch die Zionisten ein. Aber wie Roland Ziegler sagt: Wer das „jüdisceh Volk“ infrage stellt, muss auch das „palästinensische Volk“ in Frage stellen. Was übrigens Leute wie die Muslimbrüder und die Hamas ja auch tun. Für sie soll die Vernichtung Israels nicht dem „palästinensischen Volk“ ein Heimatrecht sichern, sondern der muslimischen Umma das Tor zur Weltherrschaft aufstoßen.
    Lieber Roland Ziegler, ich bin kein Anhänger des „Selbstbestimmungsrechts der Völker“. In dessen Namen wurde das alles in allem sehr zivilisierte Reich Österreich-Ungarn zerlegt, mit schlimmen Folgen. Am Ende ist es ein Rezept zum Schüren von Unruhe. Und dessen Erfinder, Woodrow Wilson, entstammte einer Nation, die mit einem gewaltigen Krieg das Recht der Südstaaten auf Sezession praktisch verneint hatte. Zu Recht.

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    Alan Poseners Vater hat sich 1945 zu Recht als Angehöriger des palästinensischen Volkes verstanden, so wie bis zu seiner Ausbürgerung 1933 als solcher des deutschen Volkes. Die Teilung des vormals britischen Mandatsgebietes Palästina nach UN-Beschluss im Mai 1948 vollzog sich also nicht zwischen dem palästinensischen und dem jüdischen Volk, sondern zwischen dem arabischen und dem jüdischen Teil von Palästina. Letzteres wurde am 14. Mai 1948 zum Staat Israel, ersteres aber nicht automatisch zu einem Staat Palästina (woran die Juden nun wirklich nicht schuld sind)!

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    @Lyoner: außerdem: Volk als „Kollektiv mit einer Erinnerungskultur, Repetitionen und Trainings“. Das erinnert mich sehr an die Geigenstunde meiner Tochter. Ein Volk von Violinisten? – Ihre bzw. Sloterdijks Definition reicht nicht aus.

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    Wie ist das mit den Apachen oder den Sioux? Sind das zwei verschiedene Völker oder gehören die beide zum Volk der Indianer? (Eine Analogie zu Arabern.) Wenn man einen Apachen fragen würde, wäre die Antwort klar: wir Apachen sind ein Volk, die Sioux ein völlig anderes. Der weiße Mann – zumindest der aus Europa bzw. von der Ostküste – tütet die dagegen alle zusammen ein. Inder – Indianer – ganz egal, alles dasselbe.

    @Lyoner: Insofern haben Sie schon recht: scharfe Grenzen ziehen zu wollen, den einen ihren Volkscharakter zuzusprechen, den anderen ihn abzusprechen, wäre Beckmesserei.
    Das macht Alan Posener aber nicht. Er sagt ja selbst, dass der Volkscharakter der Juden höchst fragwürdig ist. Er thematisiert einen Widerspruch Dr. Wenzels: Die sagt auf der einen Seite, die Juden seien kein Volk, und auf der anderen, den Palis ihr Volk abzusprechen wäre ein versalisierter SKANDAL. Dies ergibt einen offensichtlichen Widerspruch, der entweder mit Antisemitismus oder einem begeisterten palästinensischen Nationalismus mit dem Ziel der Staatsgründung (beides ist nicht identisch, obwohl es oft zusammenfällt) erklärbar ist.

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    Die Beckmesserei darum, ob die Palis nun ein Volk mit der Würde eines historischen Alters oder nicht sind, ist eine typisch Posener´sche Nebelkerze. Es geht Frau Illie (und Alan Posener) darum, damit Anspüche einer sich als „palästinensisch“ definierende Population im Heiligen Land auf Selbstbestimmung und nationale Befreiung zu delegitimieren. In vorzionistischen Zeiten waren dies arabischsprechende, somit arabische Provinzler im osmanischen Imperium. In den Augen der Zionisten und ihrer imperialistischen Mäzene eine quantité négligeable, eine Größe, die nicht existiert: „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“. Nahum Goldmann: „In Herzis beiden Büchern „Altneuland“ und „Der Judenstaat“ existieren die Araber nicht. Daß sie etwa nationale Aspirationen haben könnten, kam ihm und Europa nicht in den Sinn. Ich nenne Herzl übrigens nur als Beispiel. Ich beschuldige mich selbst, daß ich in den Jahren, in denen ich zur Führerschaft des Zionismus gehörte, nicht genügend auf Verhandlungen mit den Arabern bestanden habe… Chaim Weizmann. Er sagte, der arabisch-jüdische Konflikt sei nicht ein Konflikt zwischen Recht und Unrecht, sondern zwischen zwei Rechten: Beide haben recht, allerdings hat unser Recht Priorität. Wir haben für die Kultur etwas geleistet, wenn Sie nur denken, daß die drei größten Geister der Moderne – Marx, Freud, Einstein – Juden waren. Wir haben also eine Raison d’êre. Die Zukunft des jüdischen Volkes hängt jedenfalls für einen Zionisten von Palästina ab. Die Zukunft der Araber dagegen hängt nicht von Palästina ab. Weizmann folgerte, daß die Lösung in einem Minimum an Unrecht gegenüber den Arabern bestehe. Wir haben leider nicht auf ihn gehört.“ (http://www.spiegel.de/spiegel/.....98294.html)

    Man sieht hier, wie geschichtliche Rechte und Vor-Rechte gebildet werden. Alan Posener wird wohl kaum das Konstrukt „Am Israel“, das Volk Israel, in Frage stellen. M.E. ist ein Volk ein Kollektiv mit einer Erinnerungskultur, Repetitionen und Trainings, wie Sloterdijk sagen würde. Hier ist Israel das paradigmatische Volk (Pessach, Purim, Chanukka, Jom HaShoa, JomHaAtzmaut) und ein nationalreligiöser Enthusiasmus. Im Vergleich dazu sind die Palis ein junges Volk mit einer jungen Geschichte und einer sich erst bildenden Erinnerungskultur. Man sollte sich jedoch nicht wundern, wenn die Palis sich in dem Gründungsmythos ihrer Nation an dem modernen Gründungsmythos Israels, Katastrophe (Shoa) und Erlösung (Israel) orientieren. Was die Naqba angeht, sollte man als Etappenhengst Zions mit beschränkter Haftung wenigstens auf den Stand israelischer Neo-Historiker kommen, die ein differenziertes Bild des Unabhängigkeitskrieges und der der Vertreibung palästinensischer Populationen aus Haifa, Jaffa und anderen Orten, von Deir Jassin zu schweigen, zeichnen.

    Wie Stevanovic ausführte, ist die Idee, dass jeder, wenn er nur verrückt genug ist, Jude werden könne, eine Schnapsidee. Posener und Stevanovic können um einiges leichter Deutscher werden als ich z.B. Jude. Das Training hier ist minimal.

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    Ein hoch interessanter Beitrag Herr Posenber!

    Der Grund, warum sich „Nakba“_Austellungen und „Nakba“-Schriften (siehe unten) in Deutschland einer solchen Popularität erfreuen ist eindeutig. Leon de Winter hat es wunderbar auf den Punkt gebracht, Zitat: „Europa dämonisiert Israels sechs Millionen Juden, obwohl sie sich nur gegen einen von blindem religiösen Hass angetriebenen Feind wehren. Darin drückt sich sein brennender Wunsch aus, endlich die sechs Millionen Toten loszuwerden.“

    Kann man hier nachlesen: http://www.zeit.de/2009/15/Oped-Gaza?page=1

    Es gibt ein übles Machwerk, das von Halbwahrheiten und gezielter Desinformation nur so strotzt: Palästina und die Palästinenser: 60 Jahre nach der Nakba
    Bei der abenteuerliche Reise, die über 350 Seiten zu bewältigen, es ist mir noch nicht ganz gelungen, wurde ich hin- und hergerissen. Auf der eine Seite durch gähnende Langeweile, weil der übliche antisemitische Müll in neuen Schläuchen verkauft wird, auf der anderen Seite bin ich abgestoßen, wie zahlreiche antisemitische Stereotype, mit dem Deckmantel der Seriosität vorgetragen werden, ohne sich ernsthaft mit dem Nahost – Konflikt und dessen Wurzel auseinander zu setzten.

    Nur ein Beispiel: Auf Seite 24 ist die Rede von “klassische» Formen des gewaltfreien Widerstands“. Man wird auch sofort aufgeklärt, welche “klassische» Formen des gewaltfreien Widerstands“ denn nun gemeint sind. Richtig, der „Boykott von Waren“.
    Will man was über den Nahost – Konflikt lernen, lohnt es nicht das Zeug zu lesen. Will man was über die Verfasstheit der Autoren lernen, ist das Machwerk lohnend, wobei man wieder auf das o.g. Zitat von Leon de Winter verweisen kann.

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    Na ja, die Dr. Gabi W. aus Freiburg/Br. mit ihrer Blut-und-Boden Mystik („indigene Bevölkerung“, „palästinensischen Volkes“). Das ist natürlich alles Quatsch. Und natürlich geht es der guten Frau auch gar nicht um die so genannten Palästinenser. Hauptsache immer feste druff auf Israel. Das die so genannten Palästinenser von ihren arabischen Brüdern und Schwestern seit Jahrzehnten drangsaliert und kujoniert werden: Kein Sterbenswörtchen. Oder damals, 1970, der „schwarze September“ in Jordanien, als der kleine König Hussein seine Beduinentruppen auf die so genannten Palästinenser los ließ! 10,000e von Toten. Tatsächlich haben es die arabischen Brüder geschafft mehr Palästinenser umzulegen, als die IDF. Und komischerweise regt sich hier niemand auf, wenn die „Wilden“ da unten sich gegenseitig umbringen (Syrien!). Aber wehe auch nur ein „Zionist“ hat seine Hände im Spiel, dann setzt es für Israel gleich was.
    Apropos Ev. Kirchentag: wie ist denn die Lage der ev. Christen in den Palästinensergebieten. Gibt es da überhaupt noch welche? Gaza, glaube ich, ist bereits christenfrei (judenfrei schon lange).

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    @Stevanovic

    Vielleicht reden wir aneinander vorbei. Dass, unter welchen Umständen und mit welchem Ergebnis die Abstimmung über einen „Staat Palästina“ stattgefunden hat, ist unstrittig. Es mag sich da um einen geschickten diplomatischen und machtpolitischen Schachzug gehandelt haben, bei dem Israel schlecht aussah. Der springende Punkt ist aber, dass es einen Staat Palästina schlicht und ergreifend nicht gibt, und zwar keineswegs nur wegen fehlender Staatsgewalt durch die anhaltende israelischen Besatzung. Sondern vor allem, weil die PLO-Delegation, die sich vor den UN lange „Palästina“ und nun „Staat Palästina“ nennen darf, überhaupt keine staatlichen Funktionen ausübt (mit Ausnahme gewisser Öffentlichkeitsarbeit). Es dürfte etwa den wenigsten bekannt sein, dass die „Ämter“ dieses „Staats Palästina“ von denen der PLO-kontrollierten PA getrennt sind. Dass sich die führenden Diplomaten auf Nachfrage uneins sind, wie ein solcher Staat überhaupt verfassungsmäßig und konstitutionell aussehen soll, wie der Weg dorthin aussehen soll, wie man die Hamas, die – manche erinnern sich – einen gewichtigen Teil des beanspruchten Staatsgebiets regiert, in all dies eingebunden werden soll. Etc. Letztlich ist Papierkonstrukt noch beschönigend, weil es diesen Staat nicht mal auf dem Papier wirklich gibt. Dass schon 100 Staaten bereit waren, dieses Etwas anzuerkennen, als die, die diesen diplomatischen Coup ausgeheckt hatten, munter Bürgerkriege in diversen Staaten anzettelten, sagt viel über die UN aus, aber wenig über die Frage, ob es jemals etwas geben wird, was man einen palästinensischen Staat nennen kann.

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    Die Verwendung des Begriffs Palästinenser für die arabischen Bewohner Palästinas soll vor allem eines aussagen: das Juden nicht dazu gehören. Er mag zwar geschichtlich ungeschickt gewählt sein, trifft die Position der Araber in diesem Land doch sehr genau. Palästinenser sind NUR die Araber. Juden müssen draußen bleiben.

    Aus dem gleichen Grund gibt es Bosniaken und Kosovaren. Serben, Kroaten, Zigeuner gehören nicht dazu. Bosnien gehört den Bosniaken. Klingt erst mal einleuchtend. Das damit nur die Hälfte der Bevölkerung gemeint ist, die Muslimanen, geht da unter.

    Die Geschichte des Balkans ist nebensächlich. Der Name ist Programm. So auch im Falle der Palästinenser. Es sind Araber, die Palästina nicht teilen wollen. Und daran wird kein Geschichtsbuch dieser Welt was ändern können.
    Wenn eine Seite sich und ihren Standpunkt definiert hat, dann ist es egal, was die andere als Volk oder Nation ansieht. Es ist also viel spannender, wer nicht zu einem Volk gehören darf. Dann wird die Motivation zur Definition klarer.

    Die Fronten sind geklärt – ein gemeinsames Narrativ gibt es nicht, kann es auch nicht mehr geben und für historische Wahrheiten sind Archäologen zuständig.

    Wenn Frau Dr. Weber Skandal ruft, dann geht es ihr um die Erhaltung der Palästinenser als reine Araber, sie definiert klassisch-völkisch. Fehlt noch der Gen-Test. Klar, hat in Deutschland einen seltsamen Beigeschmack.

    Nur so ganz naiv ist die israelische Seite auch nicht. Das ist kein Vorwurf, es sind eben auch keine sagenhaften Lichtgestallten der Aufklärung. Neben der PLO und Hamas ist Israel erstaunlich gesund gewachsen.

    Ich glaube ein Aufsatz von Posener hieß „Wenn sie unseren Frieden nicht wollen“. Hätte genauso von Bosnien handeln können, nur ohne auch nur eine ausgestreckte Hand. Leute wie Frau Dr. Weber wollen den Frieden nicht und deswegen ist gut sie zu nennen, was sie sind: Antisemiten.

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    Man kann die unterschiedliche Verwendung des Begriffs „Volk“ aber auch anders erklären. Ein „Volk“ zu sein ist für Palästinenser (Tibeter, Korsen usw. usf.) wichtig, damit man unter das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ fällt. Dies ist bei Deutschen, Israelis, Franzosen oder Chinesen nicht mehr nötig; die haben ja einen Staat; bei denen genügt also der (nichtethnische) Begriff „Staatsvolk“.

    Was ein Volk ausmacht, weiß ich nicht. Man spricht ja auch von dem Volk der Pygmäen, Apachen, Zulu usw. Die haben auch keine vorstaatlichen Institutionen, sondern sind clanmäßig organisiert. Das Vorhandensein vorstaatlicher Institutionen deutet eher über das rein Volkstümliche hinaus, würde ich sagen; in Richtung Nation -> Nationalstaat. Anders als Herr Posener würde ich „Volk“ für alles Mögliche durchgehen lassen; bei „Nation“ würde ich auf den Organisationsgrad achten. Echte Definitionen scheint es aber nicht zu geben.

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    @Joris Dahlem

    Juhu – so entstehen Narrative!

    Für Israels Position haben gestimmt: Israel, Kanada, Palau, Panama, Nauru, Mikronesien, Marshallinseln, Tschechien, USA.

    Alle wichtigen Verbündeten Israels haben sich enthalten, was bei dieser Abstimmung ein JA war –auch UK und Australien. Wenn wir schon über geschichtliche Wahrheit sprechen, dann müssen wir auch sagen, dass nicht nur das deutsche Publikum ahnungslos war, die israelische Regierung war es anscheinend auch. Und das hat mich viel mehr erschreckt als deutsche Hausfrauen mit antisemitischen Positionen.
    Nur eine Erklärung für den Totalausfall der israelischen Diplomatie, konnte ich auf keiner „Freunde Israels“ Seite lesen. Ja gut, hier und da, dass der ganze Erdball aus Antisemiten besteht.

    Stattdessen grenzenlose Aufregung über nicht informierte Deutsche. Das nur 8! Länder an der Seite Israels standen ist da nebensächlich.

    Wenn ich von dieser Abstimmung erzähle, erzähle ich von einer beschissenen israelischen Vorbereitung. Von einem Lieberman als Außenminister. Von einer Warnung, die enge Verbündete einer autistischen israelischen Regierung haben zukommen lassen. Verbündete die viel, viel mehr über Palästinenser wissen, als sie für einen Israelhass bräuchten.

    Vielleicht tue ich ihnen Unrecht – fiel mir nur auf.

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    Bei Menschen wie dieser Frau Weiß kann man mit differenzierter Sachlichkeit leider nicht landen. Eine ähnlich veranlagte Frau versuchte ich neulich in einem längeren Gespräch davon in Kenntnis zu setzen, dass der “Staat Palästina”, dessen Anerkennung als “Beobachterstaat” vor den Vereinten Nationen sie mit Tränen in den Augen feierte, wenig mehr sei als ein Papierkonstrukt unter Umgehung des palästinensischen, hja, Volkes und der demokratischen Souveränität der Palästinenser, zumal verwaltet und repräsentiert lediglich von ein paar PLO-Granden. Dass die wenigen palästinensischen Politiker, die Wert darauf legten, Fundamente für einen echten Staat zu erschaffen, geschasst wurden und werden. Und dass sich eine Lösung des Bürgerkriegs zwischen Fatah und Hamas durch den PLO-Alleingang keineswegs vereinfache etc. Nein, wurde ich irgendwann unwirsch unterbrochen, Schuld sei die israelische Besatzung (an allem) und der Staat würde sehr wohl existieren, nur in den Augen Nordamerikas und Israels nicht. Ende der Diskussion.

    Natürlich ist das nicht nur Verblendung. Häufig genug ist es auch einfach Kenntnislosigkeit, und die wiederum ist zumindest in Deutschland hausgemacht. Die Berichterstattung über den UN-Beobachterstatus für Palästina war in deutschen Medien fast ausschließlich undifferenziert, fehlerhaft durch Auslassungen und in Teilen auch sachlich falsch. Und an Gymnasien und Hochschulen gibt es keine vernünftige deutschsprachige Literatur zu der Geschichte der PLO und der Autonomiegebiete (falls es sie überhaupt gibt). Deutsche wie Frau Weiß und viele andere wissen über die Palästinenser nur das, was sie für ihren Israelhass brauchen.

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    Bei Menschen wie dieser Frau Weiß kann man mit differenzierter Sachlichkeit leider nicht landen. Eine ähnlich veranlagte Frau versuchte ich neulich in einem längeren Schreiben davon zu überzeugen, dass der „Staat Palästina“, dessen Anerkennung als „Beobachterstaat“ vor den Vereinten Nationen sie mit Tränen in den Augen feierte, wenig mehr sei als ein Papierkonstrukt unter Umgehung des palästinensischen, hja, Volkes und ihrer demokratischen Souveränität, verwaltet und repräsentiert von ein paar PLO-Granden. Dass die wenigen palästinensischen Politiker, die Wert darauf legten, Fundamente für einen echten Staat zu erschaffen, geschasst wurden und werden. Und dass das sich eine Lösung des Bürgerkriegs zwischen Fatah und Hamas durch den PLO-Alleingang keineswegs vereinfache. Nein, wurde ich irgendwann unwirsch unterbrochen, Schuld sei die israelische Besatzung (an allem) und der Staat würde sehr wohl existieren, nur in den Augen Nordamerikas und Israels nicht. Ende der Diskussion. Natürlich ist das nicht nur Verblendung. Häufig ist es auch einfach Kenntnislosigkeit, und die wiederum ist zumindest in Deutschland hausgemacht. Die Berichterstattung über den UN-Beobachterstatus für Palästina war in deutschen Medien zu 90% vollkommen undifferenziert und in Teilen auch schlicht sachlich falsch. Und an Gymnasien und Hochschulen gibt es keine vernünftige deutschsprachige Literatur zu der Geschichte der PLO und der Autonomiegebiete (falls es sie überhaupt gibt). Deutsche wie Frau Weiß und viele andere wissen über die Palästinenser nur das, was sie für ihren Israelhass brauchen.

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    @Posener

    „Jude ist, wie Ben Gurion einmal sagte, jeder, der verrückt genug ist, sich selbst als solchen zu bezeichnen.“

    So einfach ist es dann doch nicht, Jude und Israeli zu werden. Da sieht die Realität in Israel auch anders aus – nämlich nicht viel anders als in anderen Ländern. Es gibt Kriterien und es sind nicht die von Ben Gurion. Ob dies „völkische Essenz“ ist, weiss ich nicht, ich kenne die Krieterien nicht im Detail, aber eine Essenz wird man auch in Israel suchen (handelübliche Migration ausgenommen).

  30. avatar

    Zuerst war die Sympathie (oder Antipathie), danach kamen die Argumente. Und da im Leben selten Gerechtigkeit herrscht, gibt es keinen Mangel an Argumenten. Hatte irgendeiner Gerechtigkeit versprochen? Bisher wurde Geschichte geschrieben im (Überlebens-)kampf der Menschen und Völker. Und der Kampf des jüdischen Volkes ein besonders spannender…
    Jedes Aufführen von Argumenten bedeutet Eingreifen ins Kräftemessen.
    Meine Stellung zu Israel? Ich bewundere das Volk! Argumente kommen später 🙂

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    Jerusalem 1854: klare jüdische Mehrheit. Die muslimische Bevölkerung besteht aus Türken, Arabern und Nordafrikanern=Mauren

    schrieb Karl Marx
    http://www.marxists.org/archiv...../03/28.htm

    „..the sedentary population of Jerusalem numbers about 15,500 souls, of whom 4,000 are Mussulmans and 8,000 Jews. The Mussulmans, forming about a fourth part of the whole, and consisting of Turks, Arabs and Moors, are, of course, the masters in every respect, as they are in no way affected with the weakness of their Government at Constantinople.“

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    Mir geht es tatsächlich um die Schwierigkeit von Begriffen und um den Essenzialismus, den Dr. Weber predigt. Es ist schon merkwürdig, dass wir in Bezug auf Deutschland zu Recht vorsichtig geworden sind in Bezug auf Begriffe wie Volk, Volkstum usw., dass ihn manche Deutsche jedoch ungehemmt mit dem Hinweis auf das „palästinensische Volk“ – ausgerechnet – gegenüber Israel ausleben.
    Dass die Narrative von Zionismus und arabischem Nationalismus nicht ohne weiteres unter einen Hut zu bringen sind, ist klar; freilich darf der Versuch nicht aufgegeben werden, der geschichtlichen Wirklichkeit gerecht zu werden, die nicht einfach der Realpolitik geopfert werden darf. Auf der Suche nach dieser Wirklichkeit ist ein Begriff wie „palästinensisches Volk“ eben nicht hilfreich. Übrigens auch nicht im Hinblick auf die Zukunft, worauf Frau Illi hinweist. Es gibt Juden und Araber im ehemaligen Mandatsgebiet Palästina. Sie müssen miteinander leben. Die Frage, ihrer völkischen Essenz ist dabei völlig unerheblich. Jude ist, wie Ben Gurion einmal sagte, jeder, der verrückt genug ist, sich selbst als solchen zu bezeichnen.
    Sollen die Araber, die in den 1948 von Jordanien und Ägypten annektierten , seit 1967 von Israel besetzten Gebiete leben, einen eigenen Staat bekommen? Das anzustreben ist immerhin die offizielle Politik Israels. Aber das versteht sich nicht von selbst. Niemand hierzulande fordert für die Kurden einen eigenen Staat. Oder für die Tibeter, Uiguren usw. usf. Basken, Betonen, Korsen usw. haben für ihre nationalen Ambitionen wenige Fürsprecher, und vor dem Zerbrechen Jugoslawiens meinte niemand, Kosovo sollte ein eigener, albanisch geprägter Staat werden. Es wäre wahrscheinlich klüger von Israel gewesen, die 1967 besetzten Gebiete gleich zurückzugeben. Dann gäbe es wahrscheinlich längst einen palästinensischen Staat, nämlich Jordanien. Aber all diese Verrgangenheits- und Zukunfts-Fragen können ohne Rekurs auf „Volks“-Narrative gelöst werden.
    Die Zionisten übrigens redeten in der Regel nicht von einem „jüdischen Volk“, und in so fern geht Shlomo Sands Aufregung ohnehin ins Leere. Sie bezeichneten sich als „Hebräer“ oder „Neu-Hebräer“, und ihre Absicht war es nicht, ein altes Volkstum neuzubeleben, sondern überhaupt erst ein „Volk“ zu werden wie die anderen Völker („Gojim“). Gegen diese Vorstellungen lassen sich ebenfalls jede Menge Einwände erheben, und klügere Leute als ich haben diese Einwände erhoben. Der Punkt is jedoch, dass der Anspruch der Juden, Hebräer, Israelis auf einen eigenen Staat nicht künstlicher ist als jener der Araber oder Palästinenser. Der Zionismus ist eine Reaktion auf den europäischen Nationalismus und antizionismus, und der arabische Nationalismus ist eine Reaktion auf den europäischen Kolonialismus und – in Palästina – auf den Zionismus.
    Leider haben die Palästina es bis heute nicht geschafft, die vorstaatlichen Institutionen und Organisationen – Jewish Agency, Gewerkschaften, Nationalfonds, Kibbuzim und Genossenschaften, politisch kontrollierte, einheitliche bewaffnete Organisation Haganah – aufzubauen, die Grundlage des israelischen Staates wurden. Als die Revisionisten und die linken Zionisten getrennte bewaffnete Formationen aufbauten und einige Revisionisten auf den Terror setzten, hätte das fast den Zionismus zerstört. Zum Glück für die Juden zwang die ausweglose Lage des jungen Staats die verschiedenen Flügel zur Zusammenarbeit. Bis heute leidet die arabische Seite darunter, dass es eben kein „palästinenisches Volk“ in dem Sinne gibt, wie die Juden, Hebräer, Israelis dank ihrer Organisationen ein Volk waren, Anführungszeichen mitgedacht. Und zwar, weil deren Gesellschaft clanmäßig organisert bleibt und von Vetternwirtschaft und Korruption durchsetzt ist, und weil Gewalt zur Lösung politischer Machtfragen die Regel bleibt. Die israelische Besatzung ist gewiss nicht schön, aber auch ohne Besatzung bleibt die arabische Gesellschaftsstruktur – siehe Gaza, aber auch die umliegenden Staaten – das Haupthindernis für die Entstehung von Nationen im europäischen Sinn, geschweige denn von „Völkern“.

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    Da es sich um Mythen dreht, wäre ein Religionswissenschaftler gar nicht mal so schlecht.

    Zu Broder würde ich nicht gehen, weil der über die Gabe verfügt, Leute besoffen zu reden und ich mag nicht als Volunteer in einem Kibbuz aufwachen:-)

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    Achso, ja, Wissenschaftler sind besser bei Äquidistanz bzw. Skepsis. Allerdings sind die eher schlecht in Sachen Mythos & Identitätsstiftung, da würde ich dem Herrn Broder schon höhere Kompetenz zurechnen 🙂

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    @ Roland Ziegler

    Ja, da wäre viel gewonnen. Genau deswegen würde ich so etwas nicht Broder, Dr. Weber, Newt oder sonst einem Politiker (ob er sich so selbst sieht oder nicht) überlassen. Das, was sie Äquidistanz nennen, würde ich als wissenschaftliche Distanziertheit oder Skepsis bezeichnen. Wenn wir nur den Mythos beschreiben, dann gibt es gute Wissenschaftler, die so was können.

    Die meisten wollen halt nicht beschreiben, sondern es kommt ihnen auf die daraus gezogenen Schlüsse an. Da mag ich aber nichts hören, weil ich Schwüre, die über den Gräbern der Väter gegeben wurden, als etwas Intimes sehe. Das geht mich nichts an und beeindruckt mich nicht die Bohne. Die hat jeder.

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    Der Mythos – das Geschichten erzählen – ist aber nicht besiegelt; auch er lässt sich im neuen Kontext erweitern und mit zusätzlicher Bedeutung anreichern. Dann erkennt man, dass eben nicht nur diese eine Geschichte – der eigene Mythos – zählt. Wenn man dieses Wenige, Selbstverständliche erkennen kann – indem man auch dem anderen Mythos einen Raum gibt – ist schon viel gewonnen.

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    @Roland Ziegler

    „statt das Gefühl zu bekommen, permanent einseitig manipuliert zu werden.“

    Vielleicht übertreibe ich den Gedanken, sollte ein Historiker unter uns sein – bitte eingreifen.

    Geschichte existiert für mich als Wissenschaft. Da bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig wir wissen. Dieses Wissen hat keine Funktion, weil es auf nichts zuläuft. Auf der einen Seite.

    Dann gibt es Geschichte als Mythos, als Geschichten erzählen. Das läuft auf das heute zu. Das ist das für die Seele. Und das fühlt sich sehr manipulativ an und soll es auch sein.

    Schwierig wird es, wenn man dem Publikum den Unterschied nicht kenntlich macht.Sie haben es schön gesagt: „ein Bild von der jeweiligen Position machen.“ Politik.Für den heutigen Konflikt ist es unerheblich, ob Araber sich 1917 als Palästinenser oder Indigene verstanden. Weswegen uns die Ausstellung nicht weiter bringen würde.

    Ich fände es spannender zu erfahren, warum es in Tel Aviv den Christopher Street Day gibt und in Gaza Schwule vom Dach geworfen werden. Warum Gaza in drei Jahren ein größeres Raketenarsenal als ein UN-Mitglied dieser Größe aufgebaut hat und in welchem Zusammenhang das mit der sozialen Frage in Gaza steht. Hat alles nichts mit 1917 zu tun.

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    …und Ihre Position – dass von den Palästinensern die Zerschlagung eines demokratischen Staates gefordert wird – fände sich ja dort ebenfalls wieder. Sie würde nicht unter den Tisch fallen, so sie das jetzt tut. Sie stände nur neben anderen Positionen, die z.B. das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser darstellen.

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    @Stevanovic: Der Anspruch, den ich erheben würde, besteht in einer „doppelten Optik“, unter der nicht eine homogene, sondern eine gebrochene Geschichte, meinetwegen sogar zwei unversöhnliche Geschichten nebeneinander erzählt werden. Inwieweit das identitätsstiftend oder nicht wäre, weiß ich nicht; das finde ich aber auch nicht wichtig. Der Zuschauer könnte sich jedenfalls selber ein Bild von der jeweiligen Position machen, statt das Gefühl zu bekommen, permanent einseitig manipuliert zu werden. Für mich wäre dies das Allerwichtigste.

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    Ich denke, die Aufregung entzündet sich nicht an der historischen Genese, sondern daran, dass Illi Vergangenheit und Gegenwart in einem Atemzug nennt. Die genaue Formulierung „hat es nie gegeben“ schließt für sich betrachtet die Gegenwart ein und wird dann auch in Bezug auf Volk verwendet. Allerdings steht zu hoffen, dass Frau Illi es im Kontext nur auf die Lage bis 1917 bezogen hat.
    Aber wer weiß. Der Wunsch nach Genozid fängt auch mit Sprache an, mit Entmenschlichen oder Wegdefinieren. Und es gibt einige, die es genau so meinen. Frau Illi könnte zumindestens aufpassen, dass ihre Formulierungen da nicht anschlußfähig sind.

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    @Roland Ziegler

    Wenn sie die Ausstellung so aufbauen, dann geben Sie jeden wissenschaftlichen Anspruch auf. Es stehen sich dann zwei politische Seiten gegenüber, die mit historischen Stichwörtern um das hier und jetzt streiten. Dann brauchen Sie die Ausstellung nicht. Das machen die auch so.

    Wenn wir aber Geschichte im Sinne von Geschichte erzählen verstehen (nur dann ist sie Identitätsstiftend, weil sie dann jemandes Geschichte ist), dann wird es nicht die gleiche sein. Und muss sie ja auch nicht. Mir erschließt sich nicht der Sinn gemeinsamer Geschichtsbücher zwischen Polen und Deutschen, wenn man Geschichte als identitätsstiftend begreift. Wie will man das in Einklang bringen, ohne die Idee einer Identitätsstiftung über Bord zu werfen?
    Kann man machen, aber dann ist es nicht die Geschichte der Polen oder die der Deutschen. Dann ist auch keine Äquidistanz notwendig, weil die Bezugspunkte wegfallen.

    So auch hier. Für die einen ist es die Gründung Israels, für die anderen die Nakba. Wird man nie in Einklang bringen.

    Spannender ist doch, warum eine Geschichte erzählt wird. Und das, was Frau Dr. Weber möchte, wozu sie Geschichte instrumentalisiert, ist die Zerschlagung eines realen demokratischen Staates. Da fällt mir die Äquidistanz zu historischen Was-Wäre-Wenn Geschichte schwer.

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    Ich kenne Frau Dr. Weber nicht (auch nicht die Ausstellung), kann ihre Empörung aber insofern nachvollziehen, als dass die Negierung der Existenz eines palästinensischen Volkes von Hardlinern genutzt werden soll, um Ansprüche der Palästinenser auf einen eigenen Staat zu delegitimieren. Eine derart flache Argumentation – so ziemlich jeder Staat der Welt, auch der israelische, müsste wieder aufgelöst werden, weil er nach dieser Maßgabe nicht gegründet hätte werden dürfen – möchte ich Frau Illi jedoch nicht unterstellen, deren Position mir allerdings ebenfalls nicht bekannt ist.

    ps: Wie sehr z.B. die ‚Welt‘ von gestern ist, wenn nicht gar antik, wenigstens aber antikisierend, kann man übrigens leicht ergoogeln. 😉

    http://lmgtfy.com/?q=site%3Awe.....+volkes%22
    Gegencheck:
    http://lmgtfy.com/?q=site%3Awe.....n+volks%22

  43. avatar

    …ich meine also, dass man jene viel kritisierte Äquidistanz installieren sollte, statt von vornherein Partei für die vermeintlich Richtigen zu ergreifen. Der Zuschauer entscheidet sich dann anhand des Materials für eine Partei. Wenn man ihm dagegen die Entscheidung bereits vorgekaut hinhält, wendet er sich ab und entscheidet sich für die anderen.

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    Alan Posener, Sie haben recht, wobei Ihre Hauptthese so niedrig aufgehängt ist, dass man die kaum bestreiten könnte: dass man strittige Thesen wie die Frage, ob die Vertriebenen denn „ein Volk“ waren oder jetzt sind, gepflegt diskutieren sollte, statt gleich SKANDAL zu schreien. Vielleicht waren „die Palästinenser“ ja damals noch kein Volk, sind es aber inzwischen geworden? Das ist doch die viel wichtigere Frage: Sind sie denn JETZT ein Volk?

    Dennoch halte ich diese niedrig aufgehängte Kritik für sehr berechtigt. Ich habe ebenfalls keine Lust mehr auf diese ständigen Einseitigkeiten und Anschuldigungen. Das, was Lyoner mit seinem schönen Gleichnis der kapitolischen Gänse den übereifrigen Freunden Israels bescheinigt, gilt hier mit umgekehrtem Vorzeichen.

    Wie wärs mal mit einer Ausstellung zum Thema Staatsgründung Israel, an der BEIDE SEITEN gleichermaßen beteiligt sind? Die israelische Seite vertritt meinetwegen Herr Broder, die palästinensische dann aber bitte jemand, der sprachlich mithalten kann, d.h. nicht Dr. Weber. Jeder darf 30 Fotos prsäentieren. Entweder einigt man sich auf einen Text oder schreibt zwei verschiedene.

    Ansosnten schließe mich Stevanovic an. Diese Frage, was denn ein Volk ist, tut eigentlich nichts zur Sache. Man muss nur wissen, wer drinnen sein darf und wer draußen bleiben muss, aber nach drinnen will. Wie man diese beiden unterscheidet. Mehr muss man nicht wissen.

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    Richtig, Skalg. Aber wie der – jeder Parteinahme im obigen Streit unverdächtige – niederländisch-amerikanische Kirchenhistoriker Heiko Oberman in seinem Buch über Luther und Calvin anmerkt: „Indem sie solche universalia wie ’nationales Schicksal‘, ‚rassische Identität‘ und ‚Volkstum‘ metaphysisch legitimierten, waren die deutschen Intellektuellen leichte beute der Nazi-Ideologie“. („Zwei Reformationen“, S.107) Oberman meint hier vor allem die Protestantischen Theologen der Zwischenkriegszeit, aber wie man sieht, ist die Geisteshaltung – nicht zufällig reden wir hier von freiburg – nicht verschwunden und befeuert heute den Antizionismus, die moderne Form des Antisemitismus.

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    Ich habe die Aufregung um Shlomo Sand schon nicht verstanden: selbst wenn er 100% Recht hätte und kein Jude mit dem antiken Volk der Juden verwandt wäre, who cares? Ein geschichtlicher Mythos ist ganz hübsch, hält die Seele in der kalten Welt warm, für das Funktionieren eines Staates ist er irrelevant. Das Argument für ein jüdisches Israel kann doch nicht die Geschichte um Christi Geburt sein – Jesus! Wisst ihr, wie Europa aussehen würde? Wann ist dann der Stichtag, an dem wir die Geschichte anhalten wollen? Die Geschichte eines Volkes begründet nichts. Geschichte ist eine deskriptive Wissenschaft, aus der keine normativen Schlüsse gezogen werden können. Das versucht Dr. Weber mit dieser Ausstellung. Selbst wenn die Araber sich schon 1383 als Palästinenser sahen (und nur sie), so sagt das nichts über das heutige Israel aus. Ich sehe die Versuche, Israel durch Archäologie und Geschichte zu legitimieren sehr kritisch. Israel durch diese Mittel zu delegitimieren, ist aber vollends lächerlich.

    Ich möchte auf die fußballfeldgroßen Bibliotheken Europas hinweisen, die alle nur einem Zweck dienen, nämlich sein aktuelles politisches Interesse in einen historischen Kontext zu stellen und damit seine Position zu stärken oder die des Gegners zu schwächen. Am Ende des Tages gewannen immer die, die morgens früher aufstanden.Nichts anderes ist Sinn dieser Ausstellung.

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