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Aufklärung und Antisemitismus

Mein Freund und Kollege Hannes Stein hat vor einiger Zeit einen grandiosen Essay über den Antisemitismus einiger Aufklärer und einiger anderer sich als fortschrittlich empfindender Menschen – vom Fabier H.G. Wells über die Bolschewisten und Nationalsozialisten bis hin zum geistreichen und tapferen „Contrarian“ Christopher Hitchens – geschrieben:
Seine Beobachtungen sind leider richtig.
Hannes schreibt zum Schluss:
Solange die Aufklärer, Fortschrittsfreunde und Gottesleugner sich also weigern, ihre eigene judenfeindliche Tradition in Augenschein zu nehmen, solange sie dieses Erbe wie bewusstlos immer weiter tragen, stimmt mit ihnen etwas ganz Grundsätzliches nicht. Sie sind dann zumindest in dieser Hinsicht nicht besser als fundamentalistische Muslime oder die reaktionären Katholiken von der „Piusbruderschaft“.
 
Wer meine Postings hier aufmerksam verfolgt, wird bemerkt haben, dass zwei davon – „Religionskritik und Antijudaismus“ (24. Juli) und „Religionskritik und Menschenrechtsfundamentalismus“ (14. August)  nicht zuletzt Reaktionen auf diese Aufforderung sind, die ich als „Aufklärer, Fortschrittsfreund und Gottesleugner“ auch persönlich nehme.
 
Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich der eigentlichen Frage ausgewichen bin. Gibt es etwas der Aufklärung, der Fortschrittshoffnung und dem Atheismus Immanentes, das deren Vertreter für den Antisemitismus anfällig macht? Und die Antwort ist natürlich: Ja.
 
Da die Religionskritik in Europa und Amerika aus naheliegenden Gründen hauptsächlich Kritik am Christentum und am Islam ist, liegt es nahe, sozusagen radikal zu werden, an die Wurzel zu gehen also und die „Wurzel des Übels“ im Judentum zu suchen. Wobei – und dies ist der erste Fehler – nicht das Judentum gemeint ist, wie es sich spätestens nach der Zerstörung des Tempels – also gleichzeitig mit dem Christentum – herausgebildet hat, sondern das Judentum, wie es uns in einigen Büchern des „Alten“ Testaments entgegentritt, etwa im Deuteronomium. (Das Buch Hiob hingegen wird selten von Kritikern des Judentums zitiert, vielleicht weil es meines Erachtens die vernichtendste Kritik Gottes diesseits des Atheismus enthält. Ach, was sage ich: Atheisten können ja gar nicht Gott kritisieren, weil sie nicht an ihn glauben. Deshalb kritisieren sie allzu oft stattdessen jene, die an Gott glauben, womit wir schon beim Kollektivurteil sind und ein Problem haben.) So kann – zweitens – allerlei dummes Zeug und Vorurteile über die Juden als Rasse in die vermeintliche Religionskritik einfließen. Es ist ein dummes, aber leider unausrottbares Vorurteil, dass sich Antijudaismus und „Rassenantisemitismus“ voneinander trennen ließen. Hitler begründet seinen Antisemitismus immer wieder religiös, und im Antijudaismus der Christen und Muslime schwang immer die Abneigung gegen die Juden als Menschen mit. Man lese nur William Shakespeares großartig-grausiges Stück über den Kampf zwischen christlichen und jüdischen Kaufleuten in Venedig oder schlage den von der Spanischen Inquisition erfundenen Begriff von der „limpieza de sangre“ nach.
Muss aber Religionskritik notwendig zum Antisemitismus führen? Ich glaube nicht. Wenn Richard Dawkins zum Beispiel schreibt, dass der Gott es Alten Testaments „eine der unangenehmsten Gestalten der Weltliteratur“ sei, so mag man das für blasphemisch halten; man kann auch sagen, dass Dawkins ziemlich selektiv gelesen hat und vor allem nicht gemerkt hat, wie sehr die Juden im Verlauf des Alten Testaments Gott zähmen, zivilisieren und vermenschlichen, bis der Rabbi und Zeltmacher Saulus aus Tarsus auf den Gedanken kommt, Gott sei tatsächlich Mensch geworden und habe sich wie ein Opferlamm töten lassen. Man kann also Dawkins vorwerfen, dass er wenig von seinem Gegenstand versteht, aber nicht dass diese Bemerkung an sich antisemitisch wäre. Freilich ist Unkenntnis der Religion ein Haupteinfallstor für Gruppenvorurteile, weshalb ich mich mit Kritik am Judentum und am Islam zurückhalte. Halbwegs auskennen tue ich mich halt nur – trotz Lektüre des Koran, der Buber-Rosenzweig-Übersetzung der Tora und einiger Bücher über jüdische Geschichte – halt nur im Christentum.
Man mag im Rahmen der Religionskritik das Judentum dafür kritisieren, dass es den Gedanken des Monotheismus, des persönlichen Gottes, der Scheidung zwischen Gut und Böse erfunden habe und damit die schöne Skepsis der klassischen Antike mit ihrem nicht sehr transzendenten Götterpantheon durch religiöse Unduldsamkeit, das Sowohl-als-auch durch ein Entweder-oder abgelöst habe. Abgesehen aber davon, dass es mit der Skepsis und Duldsamkeit der Antike nicht sehr weit her war; abgesehen davon, dass die unangenehmeren Züge der christlichen Version des Monotheismus – zum Beispiel der Absolutheitsanspruch und die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit – eher von Platon als vom Judentum herkommen; abgesehen davon, dass, wenn nicht das Christentum, wahrscheinlich irgendein anderer Mysterienkult zur Staatsreligion geworden wäre, weil eben die alten staatstragenden Götter unglaubwürdig geworden waren – abgesehen von alledem ist es logisch unsinnig, die Juden für das Christentum verantwortlich zu machen. Ja, einige unter ihnen haben es erfunden; aber angenommen, ausgebaut, hochgepäppelt, verbreitet, zur Staatsdoktrin erhoben usw. haben es die Gojim. Genauso gut  könnte man das Christentum für den Islam verantwortlich machen. Ja, der Islam beginnt als eine christliche Reformbewegung, aber angenommen usw. usf. haben ihn halt jene, die Muslime wurden, ob sie davor Götzenanbeter, Christen oder Juden waren. Es ist schwer, Ideen zu kritisieren, ohne deren Träger zu kritisieren – so kann jemand antisemitische Ideen verbreiten, ohne selbst Antisemit zu sein –; aber der Mühe muss man sich unterziehen. Man mag die Vorstellung, Gott habe einen Sohn gehabt, für absurd halten, man tut gut daran, denjenigen, der daran glaubt, nicht deshalb für doof zu halten. Er kann doof sein. Ein Atheist aber auch. Als etwa Nikita Chruschtschow sagte, Juri Gagarin habe bei seinem Weltraumflug keinen Gott und keine Engel gesehen, so war das eine doofe Bemerkung.
Aber ich schweife ab. Wenn es also stimmt, dass Aufklärer, Fortschrittsfreunde und Atheisten aufpassen müssen, dass ihre Religionskritik Ideenkritik bleibt und nicht ihrerseits ideenlosen Antisemitismus, Islamhass oder Christophobie transportiert (interessanterweise akzeptiert die automatische Korrektur von Word das Wort „Christophobie“, aber nicht „Islamophobie“) – so gibt es zwischen Aufklärung und Christentum in dieser Beziehung einen Wesensunterschied. Denn der Antisemitismus ist dem Christentum eingeschrieben, vom Matthäus-Evangelium über die Ausfälle des Paulus gegen die Juden  bis hin zur Theologie der Kollektivschuld für den „Gottesmord“, die in der Polemik des Kirchenvaters Tertullian gegen Marcion formuliert, von Martin Luther mit der Aufforderung zur Judenvernichtung verbunden und noch heute von der Pius-Bruderschaft vertreten wird. Es ist ja diese religiöse Überhöhung des Juden zur Inkarnation des Antichrist, die erst die mörderischen Varianten des Antisemitismus ermöglicht. Adolf Hitler schreibt in „Mein Kampf“: „So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“  Hier kommt der zweitausendjährige Antijudaismus der Kirche zu sich, und es ist ein unfassbarer Skandal, dass ausgerechnet der deutsche Papst Benedikt XVI. bei seiner Reise nach Auschwitz kein Wort der Selbstkritik zu diesem christlichen Antijudaismus fand, sondern vielmehr die Schoah als Ergebnis der Abkehr vom Christentum hinstellte, obwohl 99,9 Prozent der am Holocaust Beteiligten als Christen getauft und erzogen worden waren, an erster Stelle der Katholik A.H. selbst.
Unter den Aufklärern selbst gab es üble Antisemiten. Aber die Aufklärung zu nennen, ohne die Freundschaft zwischen Lessing und Mendelsssohn zu nennen, geschweige denn Lessings Stücke „Die Juden“ und „Nathan der Weise“ – das ist denn doch etwas arg. Kants Aufforderung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, ist die entscheidende Waffe gegen das Vorurteil. Es schützt natürlich nicht gegen das Fehlurteil. Aufklärer sein schützte eben nicht vor Rassismus: Hume hielt nicht die Juden, wohl aber die „Neger“ für minderwertig, und glaubte, das auf Beobachtung stützen zu können. Gegen die Sklaverei war er trotzdem. Locke war zwar zunächst für die völlige Emanzipation der Juden, später aber für ihre Konversion zum Christentum und den Export dieser Judenchristen nach Palästina. In den USA,  jenem ureigenen Produkt der europäischen Aufklärung, hatten Juden selbstverständlich die gleichen Bürgerrechte wie andere Weiße, schwarze Sklaven jedoch galten nicht als vollwertige Menschen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Doch was auch immer die französische Revolution etwa an Grausamkeiten und Massakern hervorgebracht haben mag, und die Liste ist lang: Pogrome gegen Juden waren nicht darunter. (Auch Voltaire übrigens sagte, die Juden seien zwar „Verrückte, aber dafür soll man sie nicht verbrennen.“)  Im Gegenteil: zu den ersten Handlungen der Revolution gehörte die völlige rechtliche Gleichstellung der Juden, und wo die Revolutionstruppen hinkamen, brachten sie diese zivilisatorische Eigenschaft mit sich, weshalb in der ganzen deutschen Romantik und weit darüber hinaus Franzosenhass und Judenhass Hand in Hand gehen.
Unterdrückung, Ghettoisierung, Enteignung, Beleidigung, Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der Juden, und zwar massenhaft, brutal und  völlig reinen Gewissens: das war bisher das Privileg der Christen. Und wenn man auch schwer unterscheiden kann und schon gar nicht mag zwischen den Schlächtern Stalin und Hitler, so war diese Unterscheidungsfähigkeit für Juden nach 1939 von existenzieller Bedeutung: Im Machtbereich der atheistischen Sowjets überlebten fast alle Juden; im Machtbereich der Leute, die „für das Werk des Herrn“ kämpften, überlebte fast kein Jude. Und ja, Stalin starb mitten in einer von ihm höchstpersönlich entfesselten antisemitischen Kampagne, als deren Ergebnis die Juden – wie vor ihnen die Tschetschenen, die Russlanddeutschen und andere „unzuverlässige“ Völker – deportiert werden sollten, und daran soll nichts beschönigt werden: Aber das fällt ja auch in die Zeit nach dem „Großen Vaterländischen Krieg“, als der Chauvinismus und Rassismus, die im ehedem zaristischen und christlichen Russland virulent waren und im heutigen putinesken und christlichen Russland immer noch virulent sind, als Mittel der Politik wieder entdeckt werden.
Es gehört heute zum rhetorischen Repertoire der Reaktion, mithilfe der – falsch verstandenen – „Dialektik der Aufklärung“ Adornos und des Taschenspielertricks der Leugnung der christlichen Wurzeln des Nationalsozialismus (über die Friedrich Heer längst das Notwendige gesagt hat), den Nationalsozialismus umzumünzen aus einer anti-aufklärerischen, reaktionären Bewegung in das eigentliche Endprodukt der Aufklärung. (Hannes Stein, das muss ich nicht extra betonen, hat mit der Konstruktion dieses Geschichtsmythos nichts zu tun.) Dagegen gilt es, ohne die Augen vor den Gefahren und Versuchungen der Aufklärung und eines dogmatischen und intoleranten „Aufklärungsfundamentalismus“ zu verschließen, ihre Würde und fortdauernde Aktualität zu verteidigen.
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107 Gedanken zu “Aufklärung und Antisemitismus;”

  1. avatar

    Ich bin zwar kein Bibelkenner, aber was Paulus betrifft, bin ich hier auf einige in meinen Augen interessante Bemerkungen von Personen gestoßen
    (zur Information für Mr. Parisien nicht von Jean-Luc sondern von einen angloamerikanischen Kollegen)
    die vielleicht auch zur Aufklärung zum Thema Entstehungsgeschichte des Antisemitismus und Antijudaismus beitragen können.

    Soren Kierkegaard (The Journals)

    „In the teachings of Christ, religion is completely present tense: Jesus is the prototype and our task is to imitate him, become a disciple. But then through Paul came a basic alteration. Paul draws attention away from imitating Christ and fixes attention on the death of Christ The Atoner. What Martin Luther, in his reformation, failed to realize is that even before Catholicism, Christianity had become degenerate at the hands of Paul. Paul made Christianity the religion of Paul, not of Christ. Paul threw the Christianity of Christ away, completely turning it upside down, making it just the opposite of the original proclamation of Christ“

    Thomas Jefferson:

    Letter to William Short:

    „Paul was the first corrupter of the doctrines of Jesus.“

    H.L. Mencken,
    Notes on Democracy:
    „Is it argued by any rational man that the debased Christianity cherished by the mob in all the Christian countries of today, has any colourable likeness to the body of ideas preached by Christ?

    „The plain fact is that this bogus Christianity has no more relation to the system of Christ than it has to Aristotle. It is the invention of Paul and his attendant rabble-rousers–a body of men exactly comparable to the corps of evangelical pastors of today, which is to say, a body devoid of sense and lamentably indifferent to common honesty. The mob, having heard Christ, turned against Him. His theological ideas were too logical and plausible for it, and His ethical ideas were enormously too austere. What it yearned for was the old comfortable balderdash under a new and gaudy name, and that is prescisely what Paul offered it. He borrowed from all the wandering dervishes and body-snatchers of Asia Minor, and flavoured the stew with remnants of Greek demonology. The result was a code of doctrines so discordant and so nonsensical that no two men since, examining it at length, have ever agreed upon its prescise meaning. Paul remains the arch theologian of the mob. His turgid and witless metaphysics make Christianity bearable to men who would otherwise be repelled by Christ’s simple and magnificent reduction of the duties of man to the duties of a gentle-man.“

    Walter Bauer,
    Orthodoxy and Heresy in Earliest Christianity:

    „If one may be allowed to speak rather pointedly the Apostle Paul was the only Arch-Heretic known to the apostolic age.“

    Rudolf Bultman
    Significance of the Historical Jesus for the Theology of Paul:

    „It is most obvious that Paul does not appeal to the words of the Lord in support of his. . . . views. when the essentially Pauline conceptions are considered, it is clear that Paul is not dependent on Jesus. Jesus‘ teaching is — to all intents and purposes — irrelevant for Paul.“

    Albert Schweitzer,
    The Quest for the Historical Jesus and his Mysticism of Paul:

    „Paul. . . . did not desire to know Christ. . . . Paul shows us with what complete indifference the earthly life of Jesus was regarded. . . . What is the significance for our faith and for our religious life, the fact that the Gospel of Paul is different from the Gospel of Jesus?. . . . The attitude which Paul himself takes up towards the Gospel of Jesus is that he does not repeat it in the words of Jesus, and does not appeal to its authority. . . . The fateful thing is that the Greek, the Catholic, and the Protestant theologies all contain the Gospel of Paul in a form which does not continue the Gospel of Jesus, but displaces it.“

    George Bernard Shaw,
    Androcles and the Lion:

    „There is not one word of Pauline Christianity in the characteristic utterances of Jesus. . . . There has really never been a more monstrous imposition perpetrated than the imposition of Paul’s soul upon the soul of Jesus. . . . It is now easy to understand how the Christianity of Jesus. . . . was suppressed by the police and the Church, while Paulinism overran the whole western civilized world, which was at that time the Roman Empire, and was adopted by it as its official faith.“

    Carl Jung,
    A Psychological Approach to Dogma“:

    „Saul’s [Paul’s name before his conversion] fanatical resistance to Christianity. . . . was never entirely overcome. It is frankly disappointing to see how Paul hardly ever allows the real Jesus of Nazareth to get a word in.“

    Mahatma Gandhi,
    Discussion on Fellowship:

    „I draw a great distinction between the Sermon on the Mount of Jesus and the Letters of Paul. Paul’s Letters are a graft on Christ’s teachings, Paul’s own gloss apart from Christ’s own experience.“

    Helmut Koester,
    The Theological Aspects of Primitive Christian Heresy:

    „Paul himself stands in the twilight zone of heresy. In reading Paul, one immediately encounters a major difficulty. Whatever Jesus had preached did not become the content of the missionary proclamation of Paul. . . . Sayings of Jesus do not play a role in Paul ’s understanding of the event of salvation. . . . Paul did not care at all what Jesus had said. . . . Had Paul been completely successful very little of the sayings of Jesus would have survived.“

    Martin Buber,Two Types of Faith:

    „The Jesus of the Sermon on the Mount is completely opposed to Paul.“

  2. avatar

    @Roland Ziegler
    1) „Aufklärer fallen nicht in perfekter Gestalt vom Himmel..“
    Natürlich nicht. Daß einige Aufklärer Antisemiten waren heißt nicht, daß die Aufklärung ein antisemitisches Unterfangen war/ist. Sie war eine Reaktion auf den alles umfassenden Wahrheitsanspruch von Kirche und Königen, aber sie ist eben nicht heilig und ihre Verfechter sollen auch nachträglich nicht so tun. Nicht mehr wollten die m.E. Autoren sagen.

    2) Mittlerweile ist die Aufklärung so weit, dass die Ressentiments, wenn sie sich durch die Hintertür zurückschleichen wollen, zumindest aus dem Wissenschaftsbetrieb umgehend wieder herausgeworfen werden,..
    Auch mein Gedächtnis wird sicher irgendwann nachlassen, aber derweil erinnere ich mich durchaus noch an „wissenschaftliche Erkenntnisse“ die „Unfäller“, „Krebspersönlichkeiten“, „Suchtcharaktere“ und ähnlichen Stigmata produzierten. Und wenn bei Ihrer nächsten Blutuntersuchung die Leberwerte etwas „auspendeln“ sollten, achten Sie bitte darauf, daß in Ihrer Patientenkartei kein „C2H5OH“ mit Bleistift notiert wird, damit das nächste Mal „Bescheid gewusst wird“.

    3) „..ich ärgere mich in letzter Zeit zunehmend über die daraus resultierenden politischen Folgen, die ja wir alle ausbaden müssen..“
    Diese Folgen müssen Sie mir jetzt aber nennen! Ich höre nur von Gesetzesvorlagen, die sich auf sog. „wissenschaftliche Erkenntnisse“ stützen.
    Sie dazu auch 1).

    Ich glaube, @Parisien, Sie liegen schon richtig, wenn Sie eine totalitäre Aufklärung befürchten.
    (Manchmal Stirnrunzeln bei ihren Formulierungen, aber volle Zustimmung auch von meiner Seite).

    Und @jan z. Volens, wegen „running to the jurisdiction“.
    Sie erleben hier, wie Diskussionen nachgeholt werden, die 50 Jahre wegen
    1) „Deutschland ist kein Einwanderungsland“
    2) „wir sind alle Multikulti“ und
    3) „wir sind alle tolerant, aber gesetzestreu“
    nicht geführt wurden. Ich denke aber, besser spät, als nie.

  3. avatar

    R.Z. Ja, man sieht tief in die Vergangenheit, kann daraus aber auch Schlüsse auf die Gegenwart und die Zukunft ziehen.

    … eben: Von welcher Art ist diese Wirklichkeit des Vergangenen, das ewige Wahrsein jeder Wahrheit? Die einzige Antwort kann lauten: Wir müssen ein Bewußtsein denken, in dem alles, was geschieht, aufgehoben ist, ein absolutes Bewußtsein. Kein Wort wird einmal ungesprochen sein, kein Schmerz unerlitten, keine Freude unerlebt. Geschehenes kann verziehen, es kann nicht ungeschehen gemacht werden. Wenn es Wirklichkeit gibt, dann ist das Futurum exactum unausweichlich, und mit ihm das Postulat des wirklichen Gottes.

    … hier im Original.

  4. avatar

    Es ist doch offensichtlich, dass wenig in dieser Welt so antagonistisch ist wie der Konflikt zwischen einer geistigen „Einstellung“, die sich auf „Offenbarungen“ beruft, und der, deren Grundlage der kultivierte methodische Zweifel ist. Ich setze voraus, dass die Gottes- bzw. Mysterien-Etappe eine notwendige Stufe in der Entwicklung des menschlichen Bewußtseins ist (Alan Posener weist zurecht auf das das schöne Werk „Der goldene Zweig“ von Frazer aus den 20er Jahren des letzten Jahrhundert hin; dem zur Seite zu stellen wären noch Robert Ranke-Graves „Die weiße Göttin“ oder Julian Jaynes „Der Ursprung des Bewußtseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche“ oder Wassons und Hofmanns „Der Weg nach Eleusis – Das Geheimnis der Mysterien“). Ich vermute, dass uns die Pforten der Wahrnehmung, die zur „Gotteserkenntnis“ führten, uns Heutigen weitgehend verschlossen sind (es sei denn, wir versuchen sie durch Drogen zu öffnen); deshalb auch das Vorherrschen der Gläubigen unserer Zeit (seit der Dogmatisierung religiöser Erkenntnis in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten), die sich auf die Autorität einer Heiligen Schrift berufen und papageienhaft die Worte der Schrift repetieren und psalmodieren; unser geschätzter Mitkommentator derblondehans ist uns hier ein leuchtendes Beispiel, mit jeder Wiederholung ritzt er seine Überzeugung tiefer in sich ein.

    Ich stimme EJ zu, dass aufklärerisch nur eine sokratische Haltung und der agnostische Satz „Ich weiß nicht, ob Gott existiert“ ist, ich gebe auch zu, dass mir der Satz, dass es viele Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die er menschliche Verstand nicht fassen kann, einleuchtet. Dieser „Aufenthalt in ungesichertem Zustand“ (für diesen glücklichen Ausdruck danke ich EJ) muss nicht durch eine Orthodoxie gedeckelt werden. – Hinsichtlich einer Aufklärung des Phänomens „Antisemitismus“ scheinen mir mir ein pseudoaufklärerischer Eintopf im Stile eines Hannes Stein oder ein kiloschweres Sammelsurium wie das „Handbuch des Antisemitismus“ des zweitklassigen deutschen Professors Wolfgang Benz eher kontraproduktiv, gegenaufklärerisch. Es geht doch darum, diesen Virus, diese geistige Bombe zu entschärfen? Weder den Juden noch den Aufklärern ist damit gedient, wenn man – wie in der BRD üblich geworden – bei jedem juden- oder israelkritischen (etc.) Einwurf von Adam und Eva bis Günther Grass panisch A-a-a-a-antisemitsmus stottert. Im Gegenteil, durch ein wucherndes Denkhemmungssystem werden die unerwünschten Affekte und Vor-Urteile eher verstärkt.

    Ich beanspruche keineswegs, dass es mir gelingt, die „Wurzel des Übels“ (Alan Posener) zu klären. Zur Debatte stellen möchte ich jedoch die Frage, ob es in der Weltgeschichte ein Konstrukt gibt, das ein größerer Skandal ist als das Konstrukt eines Gottes, der mit universellem Anspruch keinen anderen neben sich duldet – und partikularistisch ein Volk auswählt. Wir wissen, dass die antiken Völker nicht achselzuckend über diese Anmassung und Blasphemie hinweggegangen sind. Die historisches Sprengkraft dieses Konstruktes wäre jedoch eine limitierte geblieben, wenn es im Rahmen einer Stammes- bzw. Volkskultur geblieben wäre – und nicht als Konterbande via Christentum unter die „Völker“ (Goyim) eingeschmuggelt worden wäre. Ich gebe Alan Posener darin Recht, dass Antisemitismus bzw. Antijudaismus von Anfang an von seinen judenchristlichen Wurzeln her im Christentum „eingeschrieben“ ist; das Grundproblem des Christentums scheint mir darin zu liegen, dass der sog. „Neue Bund“, der alle Menschen aufnimmt, beansprucht, den „Alten Bund“, der nur die Juden includiert, zu beerben (zu substituieren), sich jedoch durch den „Alten Bund“ legitimiert. In diesem Kontext sind die Juden die (lebendigen) Verneiner, Verleugner des „Neuen Bundes“, mithin Gottesmörder. Der Gnostiker Marcion hat diesen unauflösbaren inneren Konflikt, diese Antinomie wahrgenommen und eine Religion gründen wollen, die sich vom „Alten Bund“ ablöst; das Christentum hat jedoch vorgezogen, Pfropf an Weinstock des Judentums zu sein, die Wurzel nicht auszureißen. Zur Ehrenrettung des Christentums muss gesagt werden, dass sie die Juden, durch die sie ihre Legitimation in Frage gestellt sahen, nicht ausrotten wollten, sondern ihnen ihren Platz im Leib ihrer katholischen, d.h. allumfassenden, universalistischen Kirche anboten, ein Angebot, das dieses, so Lehrmeinung der Kirche, halsstarrige Volk nicht annehmen wollte, um seinen partikularistischen Sonderweg in der „Heilsgeschichte“ weiter zu gehen. Natürlich, auch da gebe ich Alan Posener recht, haben die Goyim, die zum Christentum (dem „Neuen Bund“) bekehrten Völker, ihre Teile zu der Geschichte der Judenfeindschaft beigetragen, der toxische Kernkomplex ist jedoch jüdisches Mem; uns Goyim wäre – in einer kontrafaktischen Parallelgeschichte – viel erspart geblieben, wenn das Christentum eine jüdische Sekte geblieben wäre, der Antagonismus zwischen den Kindern des Lichts und den Kindern der Finsternis (siehe Qumran) in diesem Volk seine Sprengsätze entfaltet hätte. Wir anderen hätten dieses Schauspiel als ethnische Kuriositäten eines wunderlichen Volkes registrieren können. In der geschehenen, der faktischen Geschichte: mußte sich nicht die Kirche als Fortschritt von einer partikularistischen Heilsgeschichte zu einer universellen Heilsgeschichte vorstellen? Und – kontrafaktisch – hätte die Kirche die Potenz gehabt, den bleibenden Partikularismus der Juden als irrelevant für ihren Heilsweg wahrzunehmen? – Man merkt, ich stochere noch gewaltig herum, auch wenn ich mich zuweilen wie ein Einäugiger (Zyklop) unter Blinden fühle.

    Was in dieser Diskussion bisher nicht zur Sprache gekommen ist (möglicherweise vermieden wurde), ist, dass Judentum nicht nur eine Religion i.S. einer Konfession ist, sondern ein Amalgam aus Volk und Religion, ein nationalreligöser Enthusiasmus. M.E. ist das die entscheidende Wurzel für eine exterminatorische Judenfeindschaft. Die dunkelste Stunde der Juden brach an, als in einem anderen Volk (dem deutschen) eine nationalreligiöse Begeisterung geweckt werden sollte, Hitler: „es kann keine zwei auserwählten Völker geben“. Ist dieser nationalreligiöse Topos nur auf der Stufe der Imitation (Substitution) ein (toxisches) Phantasma? Wie ist das mit der fortschreitenden Zivilisierung des Judentums, die Posener beschreibt? Das Buch Esra (die Bestimmungen zur Mischehe) hätte eine Vorlage für die Nürnberger Gesetze sein können.

    Der große deutsche Gelehrte Ernst Nolte hat in seinem epochalen Werk „Geschichtliche Existenz“, in denen er die Existentialien der Geschichte zu beschreiben versucht, die Juden als das paradigmatische Volk, als Paradigma der Schaffung einer Nation beschrieben. Im Kap. 18: Die großen Zeugnisse: III. Das Alte Testament 2 führt Nolte aus:

    „Es genügt daher nicht, nur beschreibend zu sagen, dass Israel das Paradigma historischer Existenz darstellt, saondern es muss sofort hinzugefügt werden, dass der Fanatismus der Selbstbehauptung Israels mit dem Anspruch seines Gottes zusammenhängt, der einzige Gott zu sein … Seine Geschichte weist so viele entsetzenserregende Züge auf, dass es für die späteren „Antisemiten“ leicht war, eine deprimierende Zusammenstellung vorzunehmen, zumal wenn zu solchen Aussagen, wie auch wir sie zu Beginn herausgestellt haben, noch solche Verheißungen hinzugenommen wurden wie „Wenn der Herr, dein Gott, dich segnet, wie er es dir zugesagt hat, dann kannst du vielen Völkern gegen Pfand leihen, du selbst aber brauchst nichts zu verpfänden; du wirst über viele Völker Gewalt haben, über dich aber werden sie keine Gewalt haben.“
    Diese einseitige Heraustellung ist parteiisch …
    Die Wahrheit dürfte sein, dass das Entsetzliche und das Erhabene auf engste zusammengehören und gleichermaßen zur Kenntnis genommen werden sollten. Es ist eine kuriose und ungerechtfertigte Erwartung, dass der schlechthin außerordentliche Anspruch, den Israel von den Anfängen seiner Geschichte an erhob, keine Kritik und Feindschaft hervorrufen werde. Aber wenn Israel die genuin universalistischen Ansprüche einiger später Propheten, die vor Gott die Unterschiede zwischen Israeliten und Ägyptern verwchwinden lassen, sich schon in den Anfängen zur Maxime gemacht hätten, dann wäre es sehr rasch von den kulturell weit überlegenen Kanaanäern assimiliert worden und aus der Geschichte ausgeschieden. Das Große und Außerordentliche in der Geschichte ist nicht mild und gutmütig; wer unablässig die Goldene Regel vaiiert, ist lobens- und schätzenswert; aber er wird nichts zustande bringen, was auch nur entfernt dem Alten Testament an Bedeutung und innerer Kraft verleichbar wäre.“

    Was können wir Agnostiker beitragen, um diese Sprengsätze zu entschärfen? Was meinen Sie? Und: wäre Israel bzw. das Volk Israel in der Lage, aus dem Netz seiner Memkomplexe herauszutreten?

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    Benedict de Spinoza (1623-1677) – Dutch philosopher, rationalist, and major influence on German idealism – Of Portuguese-Jewish lineage, he’s considered one of the great religious philosophers with works such as Ethica Ordine Geometrico Demonstrata.

    “Without God nothing can be conceived.” – Benedict de Spinoza

    (Elwes, R. H. M. The Chief Works of Benedict de Spinoza, Vol. II, Dover Publications, 1951, 60.)

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    @ Roland Ziegler
    Ja, es ist herablassend und das sehr bewusst, denn die NASA unterhält die Leute mit ein paar Bildern, während das ganze Unternehmen sich rein strategisch-militärisch begründet. Und diese paar Bilder sind eine Art Opium für das Volk.
    Wenn aber Leute sich stundenlang hinsetzen, um eine Mond- oder Sonnenfinsternis zu beobachten oder sich mit der Konstellation von Sternen und Planeten beschäftigen, finde ich das gut.
    Der Unterschied ist, dass Letztere das aus Neigung tun.
    Das andere ist nur Ablenkung und Halbwissen.
    Wir wissen nie genau, ob es einen Gott gibt oder nicht.
    Wir wissen aber auch im Prinzip fast nichts vom Kosmos.
    Lassen Sie mich das mit Max Planck zusammenbringen: „Am Grunde des Bechers wartet Gott.“
    Und die Herablassung ist meistens mehr auf der anderen Seite angesiedelt, aber weniger bei den Astro-Physikern. Sie stoßen irgendwann an eine Grenze. Sie stoßen an eine Wissensgrenze und, seit der Kernspaltung, an eine moralische Grenze. Lesen Sie über Joseph Rotblat, der rechtzeitig aus dem Manhattan-Projekt ausbrach und als Folge sein Leben lang bezichtigt wurde, Kommunist zu sein, oder Leo Szilárd, der alles versuchte, um die Abwürfe auf Japan zu verhindern und sich sein Leben lang grämte, zumal er mit dafür verantwortlich war, was für eine Tragik.
    Wenn man nur eine winzige Möglichkeit einräumt, dass es Gott doch gibt und man ihm eines Tages gegenüberstehen könnte, hält einen das vom Schlimmsten ab und ist daher sinnvoll, selbst wenn es ihn nicht gibt. Es schadet also nicht, einen Platz für die Möglichkeit dieser scheinbaren Unmöglichkeit zu haben. Es schadet weniger, als entweder sich selbst oder aber die Wissenschaft für das Höchste zu halten.
    Ich muss aber zugeben, dass Sokrates mit seinem Gott Apoll und „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ dort auch schon war.
    Und man sollte hervorheben, dass immer Raum für Zweifler und Aufmucker war, siehe Hiob.

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    @Parisien: Diese religiöse Herablassung ist genau das, was ich meinte: „Ersatzgott NASA“. Als gäbe es da nichts zu entdecken außer erloschene Sterne, als wären alle Entdeckungen, Hypothesen und Experimente unwichtig und hätten keine Aussagekraft, als wüsste man alles neunmalklug schon vorher. Als bräcuhte man nur über heiligen Büchern brüten und könnte nichts Substanzielles von dem Universum über die Schöpfung lernen.

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    Das Recht in Israel, erklaert von einen der Richter in Israel’s „Supreme Court“ (ein Araber): Im zivilen Rechtsfragen – wie Scheidung und Erbschaft koennen sich die Buerger Israels ein Gericht ihrer Religionsgruppe auswaehlen. Das ist bekannt als „running to the juristiction“. In Deutschland wuerde es den Menschen erlauben sich an ein Gericht ihrer Konfession oder Religion zu wenden, oder an ein sekulaeres Gericht.

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    ..um das von mir als irreführend Bezeichnete im Essay besser zu erläutern: Antisemitismus ist ein bestimmter Glaubensinhalt (dass nämlich das Volk der Juden irgendwie minderwertig seien). Aufklärung ist die Instanz, die Glaubensinhalte grundsätzlich infrage stellt; ihre Grundlage sind nicht bestimmte Glaubensinhalte. Wenn Glaubensinhalte wie Antisemitismus nachgewiesen können, dann bedeutet das demnach nur, dass in diesem Bereich die Aufklärung noch nicht vorgedrungen ist. Dass man auf unaufgeklärte „blinden Flecken“ im Denken hinweisen muss und dieses Unternehmen von Hannes Stein insofern ein verdienstvoller Beitrag zur Aufklärung ist, gebe ich gerne zu.

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    Ich finde den Essay von Hannes Stein nicht so großartig. Wenn Hannes Stein vom „Denken, das von innen her faul“ ist schreibt, fragt man sich, welche Tradition für diese Fäule verantwortlich ist. Hannes Stein scheint wie selbstverständlich davon auszugehen, dass diese antisemitische Tradition Teil oder gar „Grundlage“ der Aufklärung ist. Ich kann für diese Vermutung keine Begründung finden. Die Quintessenz des Essays, dass die Aufklärung zunächst mal ihre eigenen Grundlagen auf Antisemitismus abklopfen sollte, halte ich für irreführend, denn angesprochen werden mit Kant und Voltaire die Anfänge der Aufklärung, nicht ihre weltanschaulichen Grundlagen. Anfänge sind aber nicht Grundlagen.

    Ressentiments waren gang und gäbe, als die Aufklärung ihre ersten kleinen Trippelschritte machte. Aufklärer fallen nicht in perfekter Gestalt vom Himmel, anders als Propheten und Erlöser. Sie beginnen tastend und blind, fast bei Null, und nehmen erstmal das Fernrohr oder ein philosophisches Buch, um die Dogmen zu überprüfen und den Zweifel zu stärken.

    Mittlerweile ist die Aufklärung so weit, dass die Ressentiments, wenn sie sich durch die Hintertür zurückschleichen wollen, zumindest aus dem Wissenschaftsbetrieb umgehend wieder herausgeworfen werden, wie man das z.B. bei Sarrazins pseudowissenschaftlichen Genthesen sehen kann. Die Wurzel der Ressentiments, die auch die ersten Aufklärer teilten, ist woanders zu suchen, bei den Dogmen, die über die Generationen von Familie zu Familie weitergereicht und auch in die Familien der Aufklärer hineingetragen wurden, die sich ihrer noch nicht erwehren konnten.

    @KJN: Ja, man sieht tief in die Vergangenheit, kann daraus aber auch Schlüsse auf die Gegenwart und die Zukunft ziehen. Die religiösen Menschen erkennen nicht, inwieweit solche Beobachtungen auf die Bedeutung ihrer heiligen (biblischen) Geschichten einen Einfluss hat (z.B. bei der Frage: Welche Rolle spielt die Erde, die auf ihr konkurrierenden Völker und die um Gottes Gunst kämpfenden Menschen in der Schöpfung?). Mag sein, dass die Textfixiertheit Stärke verleiht, aber blind macht sie auch. Mir ist es eigenltich egal, ich will niemandem seinen Text ausreden; ich wundere mich nur darüber. Und ich ärgere mich in letzter Zeit zunehmend über die daraus resultierenden politischen Folgen, die ja wir alle ausbaden müssen.

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    Zur Abwechslung mal das hier. Er ist kein Jesus, aber eine Art jesusförmige Gestalt in rein politischem Sinne, wie auch ObL das ist, so absurd das klingen mag. Beide haben sich mit Gesetzen angelegt, jeder auf seine Art, beide haben ihre Anhänger. Und keinen von ihnen kriegt man durch eine simple Hinrichtung wieder aus der Welt, ganz im Gegenteil. Es ist die billigste Methode:
    „Der Westen versagt im Angesicht seiner Kritiker: Assange, Anonymous, Occupy – wer sich mit dem System anlegt, wird zum Straftäter erklärt und muss um seine Sicherheit fürchten.“
    http://www.spiegel.de/politik/.....50936.html

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    @ APo
    Der Ausdruck „Gottesmord“ ist in sich absurd. Erstens kann man Gott nicht töten, was der große englische Autor Clive Staples Lewis in einem Buch versteckt hat. Der Löwe Aslan, der sinnbildlich für Gott steht, wird getötet (The Lion, The Witch and The Wardrobe) und macht sich null daraus, weil er wieder aufersteht.
    Zweitens war niemand, der damals verantwortlich war, davon überzeugt, dass es sich um Gott handele. Das war nur ein Gerücht.
    Drittens war es zweifellos ein politischer Mord, da Jesus sowohl für die meisten Pharisäer als auch für die Römer ein Ärgernis war.
    Somit ist der Vorwurf „Gottesmord“, an Juden gerichtet, ein Werkzeug des Antisemitismus.
    M.E. ist es ohnehin egal, wer ihn getötet hat, da diese Tat ja die Voraussetzung für die Auferstehung war, weshalb ja auch Judas Ischariot heute gnädiger beurteilt wird.
    Somit ist der Ausdruck „Gottesmord“ ein rein politisches Instrument, denn diese Logik kann niemandem verborgen bleiben. Im Prinzip kann man sogar die, die dafür verantwortlich waren, glorifizieren oder konstatieren, dass der Gott, den wir kennen, so perfide ist, wie er im Buch Hiob dargestellt wird und sich sein Werkzeug sucht.
    Wenn man das auf den N-Sozialismus umrechnet, muss man seine Protagonisten als dumm bezeichnen. Aber das waren sie nur teilweise. Im Prinzip ging es ihnen auch – und das geht in Ihrer Kritik unter – um eine Revitalisierung keltisch-nordischer bzw. indogermanischer Werte. Die Inder verwenden heute noch arglos Hakenkreuze. Die N-S’n haben die Christen nur benutzt, aber wirkliche Christen, die nicht nur Nennchristen mit reservierter Kirchenbank waren, haben nicht mitgemacht.
    Wir haben doch ein ähnliches Beispiel in Anders Breivik, der sich für einen Christen hält oder hielt, aber keiner ist, und der im Namen eines falsch verstandenen Christentums die Morde auf Utoya beging.
    Hannes Stein, den ich großartig finde, versteht übrigens überhaupt nichts vom Christentum. Er weiß effektiv nicht, was das genau ist.

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    @Parisien

    Herzlichen Dank für ihre Darstellung.

    Was ihr Bild von den Bibliotheken betrifft. Sie finden dort genausoviel bullshit wie bei wikipedia.

    Wiki hat allerdings den Vorteil, dasss Sie schneller einen Zugriff auf andere Literatur haben.

    Und im wissenschaftlichen Bereich werden sie in wenigen Jahren weniger auf printmedien zurückgreifen, sondern au e-books die e-libraries verbunden sind.

    Und wenn ich wiki references hier eingestellt habe, dann nicht wegen der eigentlichen Beitraege sondern weil sie e.g Unterschiede in den franzoesischen und angloamerikanischen Texten und Literaturhinweise feststellen koennen.

    Und da werden sie mehr sicherlich zustimmen, die Begriffe Antijudaismus und Antisemitismus weisen eine sehr grosse Vielfalt auf.

    Und frei formuliert, angesichts des copy and paste in den Veroefflichungen in Deutschland und in anderen Laendern, sind sie immer noch der Auffassung dass Printmedien wie Buecher neutral sind?

    Da verlasse ich mich zunehmend mehr auf meinen persoenlichen Zugang zu den internationalen e-book libraries, die mir ein vollstaendigers Bild zur Einschaetzung einer Situation bieten.

    Und allgemein:

    Die Sicht suf eine bestimmtes Thema wie e.g. die Religion ist immer von der Sichtweise des Zuschauers abhängig (exception et la règle)

    Buddist
    Hindu
    Katholik
    Protestant
    Jude
    Konfuzianer
    Atheist
    Animalist

    Und was St.Paul betrifft.

    Diese wiki page ist bereits sehr detailliert und wird von Tag zu Tag besser:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Paul_the_Apostle

    Vielleicht haben sie auch Interesse an der verbesserung mitzuarbeiten.

    Und was die Georgetown University Library betrifft:

    hier eine kurze Auswahl zu St. Paul:

    http://catalog.library.georget.....038;SORT=D

    Lin, Rong-Hua Jefferson.
    Title: Is St. Paul a Jewish deviant or a reformer of Judaism? : the clash of Jewish identity and Christian identity in Asia Minor / Rong-Hua Jefferson Lin ; with a preface by Bruce Corley.

    Ich persönlich ziehe die Library of Congress vor:

    http://www.loc.gov/index.html

    und speziell diesen Bereich:

    http://www.loc.gov/library/libarch-digital.html

    oder auch Hollis:

    http://hollis.harvard.edu/

    P.S. Mein Hinweis:

    http://www.bibelkritik.ch/kirchenkritik/e13.htm

    bezog sich nicht nur auf Paulus, sondern auch auf Johannes
    und auf dieses Buch:

    Das Kreuz mit der Bibel

    http://www.bibelkritik.ch/inhalt.htm

    Im Sinne der Aufklaerung traegt es auch zur Aufklaerung bei.

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    Der ganze Zwist unter Religionen oder auch zwischen Atheisten und Religionen rührt oft daher, dass bewusst das Negative ausgestreut wird. Das Negative ist meist ca. 1400 – ca. 2000 bzw. auch gern ca. 3-4000 Jahre alt und hat mit dem Vorleben der Religionsgründer zu tun. Atheisten buddeln gern in der Vergangenheit, weit vor der Aufklärung, während die Aufklärer selbst das Positive in den Religionen wahrnahmen – siehe G.E. Lessing – und lediglich gegen das Fundamentale eines Konstrukts revoltierten, das im Bereich Theokratie jeweils einzuordnen ist.
    So sind auch heute manche Islamkritikerinnen gläubige Muslimas, während sie sich gleichzeitig gegen den fundamentalen menschenrechtsunterdrückenden Herrschaftsanspruch wehren.
    Daher hat Atheismus m.E. mit Aufklärung nichts zu tun, sondern ist eine Gesichtsfeldverengung, also ein Fundamentalismus in sich selbst, eine Art Religion (Dawkins), manchmal angereichert mit Ersatzinhalt im esoterischen oder ökologischen Bereich, um sich Legitimation zu besorgen. Vereinzelt anscheinend auch im Bereich längst erloschener Sterne, Gott NASA als Ersatz.
    Den Paulus selektiv zitieren und dort zitieren, wo er nicht gepredigt wird, ist eine Attacke gegen das Fundament des Christentums.
    Und diese Attacke klingt wie ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Außerdem treibt sie Mutwillen und bläht sich auf.

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    KJN: … lesen Sie meinen Lieblingskulturpessimisten … … nix für ungut, Zeit ist kostbar, daher haben Pessimisten bei mir nicht die gewünschte Aufmerksamkeit, wie die es wohl gerne hätten.

    APo: Und: Wie das nun mit dem Pseudonym? … ich hab mich doch schon offenbart. … oder wie meinen Sie das? … haben Sie was gegen blonde, deutsche Katholiken? dann bitte konkret was.

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    @ Jean-Luc
    Mit Lüg meine ich das Selektive.
    Ich habe mehrere Bücher über den Apostel Paulus. Aus einem geht hervor, dass Paulus viele Male ausgepeitscht wurde und außerdem eine Steinigung überstand, bei der er eigentlich sterben sollte. Um nicht auf dasselbe Niveau abzurutschen, werde ich Ihnen hier nicht hinschreiben, wer diese Strafen praktizierte und auch nicht, aus welcher Quelle das stammt. Folge waren jedenfalls multiple schwere Verletzungen, auch Kopfverletzungen. Am besten stellen Sie sich keinen aufrechten stolzen Mann vor, sondern einen schwer gedemütigten Pharisäer, der später Jesus folgte. Jedenfalls habe ich die Quelle vorliegen. Paulus wurde im Prinzip zu einem Märtyrer.

    Was Sie selbst betrifft: Da Sie viel unterwegs sind, schätze ich, dass Sie nur überaus notwendige Bücher mitnehmen. Ich empfehle Ihnen aber, Bibliotheken Wikipedia vorzuziehen, da Wikipedia nicht neutral ist, während Sie in Bibliotheken Bücher von verschiedenen Autoren finden. Ich bin sicher, dass Sie in Georgetown University genug Material über Paulus finden. Wikipedia ist dieser Gestalt nicht gewachsen.

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    @Roland Ziegler
    „Nach meiner Meinung muss jede Religion sich in ihrer Auseinandersetzung mit der Aufklärung mit der Wirklichkeit, z.B. mit den Ergebnissen der modernen Astronomie, beschäftigen.“
    Wirklichkeit??
    Das was z.B. Astronomen „sehen“ ist Vergangenheit. Vor 100tausend oder Millionen von Jahren.
    Was im Elektronenmikroskop oder Raster-Tunnelmikroskop „gesehen“ wird, sind Bilder, die von der „Brille“ erzeugt werden.
    „Glauben“ Sie nicht zuviel der einen Seite. Und daß Religiöse „textfixiert“ sind, wie sie sagen, ist eine Stärke, sich nicht zu verlieren – z.B. in Neid, Missgunst oder eben auch Antisemitismus (s. Artikel H. Stein).

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    @derblondehans
    „WARUM?“
    ..meine Sicht auf die katholischen Reaktionäre?
    Immer wieder gerne:
    Wenn, wie EJ schreibt, „die Religionen zueinander in (negierender) Substitutionskonkurrenz (stehen)“, gibt es erst dann Frieden, wenn die Scharfmacher auf allen Seiten einen rationalistischen Dämpfer erhalten. Diesen haben kluge Kirchenleute ihrem eigenen Verein mit dem Vaticanum II verpasst, was eben Bischof Lefèbre und seine Piusbrüder auf den Plan brachte. Warum wohl? Weil sie ihre fundamentalistische und antijudaistische Haltung, sowie ihr Menschenbild eines im besseren Fall gelenkten und bevormundeten Individuums, das ansonsten dem Satan anheim fällt, nicht aufgeben wollten. Aber fragen Sie ruhig weiter, ich schicke Ihnen gerne Links mit Inhalten, um dies zu belegen. Oder lesen Sie meinen Lieblingskulturpessimisten: Prof. Dr. Walter Hoeres. Dann bekommen Sie einen Eindruck davon, auf welche weltanschauliche Inseln sich vom Leben enttäuschte Intellektuelle zurückzuziehen in der Lage sind. Ich bin bösartig? Wenn es denn bösartig ist, sich nicht darum zu bemühen, zu glauben, daß der mindestens 1,70 m große Jesus von Nazareth sich allsonntaglich in der Monstranz materialisiert, sondern mich stattdessen darum bemühe, mir ein Menschenbild zu erhalten, daß davon ausgeht, daß die meisten Menschen in der Lage sind, sich sozialverträglich zu entwickeln, wenn man sie nicht mit zuviel Informationsmüll (und -ismen jeglicher couleur) abrichtet.

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    @ Bernhard Torsch: Genau darum geht es mir.
    @ EJ: Bitte genauer lesen. Ich benutze den Dreiklang Aufklärung, Fortschrittshoffnung, Atheismus nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil Hannes Stein sie in seinem Essay verwendet. Das ise nicht identisch sind, ist mir klar.
    @ Parisien. Danke für die Aufklärung hinsichtlich Ihrer Position. Mir ist allerdings unklar, was am Monotheismus besser sein soll als am Polytheismus etwa der Griechen, den Friedrich Schiller so rühmte.
    @ Derblondehans: Danke für den Hinweis auf den Rückzieher seitens der Piusbrüder. Luthers Antisemitismus habe ich ja erwähnt. Ihn allerdings als „Vater“ des christlichen Antisemitismus zu bezeichnen, ist ein katholisches Ablenkungsmanöver. Und: Wie das nun mit dem Pseudonym?

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    Aufklärung ist der Begriff, der gegenwärtig für die Debatte verwendet wird, die den Menschenrechten (mehr oder weniger) zum Durchbruch im abendländischen Bewusstsein verhalfen, und das meist bedacht auf die vergangenen drei Jahrhunderte hin.

    In gewissen Sinn startete jedoch das Aufklärungsprojekt mit dem Entstehen der monotheistischen Religionen, da es dafür sorgte, dass archaische (adelige) Herrschaften, sei es in Mesopotamien, Kleinasien oder in Ägypten, […], keine Ansprüche mehr begründen konnten mit dem Hinweis auf ein behauptetes göttliches Abstammungsverhältnis (Götter gab es ja genug), was heute als angemessene Einsicht weitestgehend akzeptiert ist (auch wenn im Kastensystem in Indien noch Reste der frühen Politik/Ideologie angetroffen werden können). Über die „Götter“ existierte bereits ein vermittelndes Element für einen „zivileren“ Umgang in Gemeinschaften untereinander, der in den Hochkulturen der Stadtstaaten für eine breitere Kommunikation unabdingbar war (neben Priestern, dh. Beamten). „Vom Zorn singe, Göttin…“, es war nicht ein renitenter Dichter, der sprach, sondern eine Gottheit artikulierte sich als Inspiration, was die Enge des sozialen Gefüges erweiterte. Das vorherrschende Naturrecht, speziell im Ausnahmezustand, kennt wie im Verband einer Herde nur den sozialen Rang als gegenseitige Kommunikationsbasis, was die bedeutsame Kommunikation auf gleich zu gleich reduziert oder ansonsten sich in einseitigen Herrschaftsverhältnissen erschöpft. Besonders plastisch stellte dies m.M. nach Homer in der Ilias dar, im Konflikt zwischen Agamemnon und Achilles, wo es um die Rückgabe der Chryseis geht (empfohlen in der Übersetzung von Karl Ferdinand Lempp).

    „Die“ Aufklärung als geschichtliche Epoche seit Diderot oder Voltaire ist somit zwar ein korrekter Begriff des historischen Zusammenhangs, aber das Denken dahinter ist „allgemeiner aufgestellt“, will sagen, es ist der Prozess hin zum sozialen Ausgleich, zum sozialen Zusammenhang, mag er nun völkisch oder global(?) betrachtet werden. Dass die großen monotheistischen Religionen immer weniger den Weg der zivilen Menschwerdung weisen und sich einkapseln um als Institution bestehen zu bleiben(?), kann man als bedauerliche Pointe der Geschichte verstehen oder als das große Versagen von „Scholastik“ an sich, egal welcher Couleur. Da die Welt wieder vermehrt archaische naturrechtliche Züge anzunehmen droht (Macht der Märkte/Ideologen) bleibt für alle, egal ob religiös verpflichtet oder freidenkend, genug zu tun um das Projekt „ziviler Umgang in menschlicher Gesellschaft“ nicht zum Stillstand kommen lassen, außer man findet Befriedigung darin, sich als Hochkultur in dem Sinne, wie sie in der Altertumskunde oder der Ethnologie bestaunt werden kann, zu definieren und das Individuum weitestgehend wieder aus dem historischen Prozess zu eleminieren, für ein funktionales Etwas (aus göttlicher Perspektive).

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    @j.m.backhaus: Aber auch ein bisschen polemisch zurückgefragt, wieso wird das Judentum gerne als rassistische Veranstaltung begriffen? (Ihre Frage)

    Das Judentum? Gibt es das? Ich denke, ein wenig habe ich diese Vorstellung aus meiner Jugend mitbekommen und musste diese auch dann relativieren. Wobei ich hier sicher aus der heutigen (nach dem Holocaust) Perspektive gedacht habe. Bei Shlomo Sand konnte ich auch lesen, dass es einen Erlass von Antonius Pius gab, der seit dem 2. Jahrhundert u. Z. die Beschneidung von nicht als Juden geborenen Männern verbot. So dass eine Missionierung durch Juden sogar unter Strafe (Todesstrafe, Verlust von Besitz) stand.

    @derblondeHans: Bei den Quellen des Antijudaismus kenne ich mich nicht so genau aus. Erstaunt war ich dann doch, in einem Buch Die Lehren des Judentums 1925 Herausgegeben von der Vereinigung für Schriften über die jüdische Religion zu lesen, dass das Judentum schon in sehr früher Zeit mit einem Verbot des Zinsnehmens hervorgetreten war, im Gegensatz zum alt-babylonischen Recht.
    Erst als die Juden im Abendlande vom Grundbesitz und von den meisten Handelszweigen ausgeschlossen waren, mussten sie sich immer mehr dem Geldgeschäft zuwenden.

    Leider habe ich das Buch von Klaus Lohrmann Die Päpste und die Juden noch nicht vollständig gelesen, doch in seinem Vorwort schreibt er: So ist beispielsweise der „wirtschaftlich motivierte Antisemitismus“ kein neues Element im gesamten judenfeindlichen Spektrum, sondern ein auf der Tradition der mittelalterlichen Wucher- und Gewinndiskussion beruhendes Thema.

    Bei Soma Morgenstern hatte ich gelesen, dass … der blutige Canard von den Juden, den Gottesmördern, der fortdauert bis in die heutige Zeit (Quelle: Soma Morgenstern Alban und seine Idole).

    @Roland Ziegler: Warum sich jetzt, in Zeiten der Curiosity, immer mehr Menschen für die Religion statt für die Welt zu interessieren scheinen – wie für ein Märchen – , ist mir ein Rätsel.

    Im obengenannten Buch Die Lehren des Judentums gibt es auch ein Kapitel über die Nächstenliebe im Judentum. Gerne wird ja die Nächstenliebe dem Christentum zugeordnet. Die Themen Einbindung und Loslösung in Zeiten von wirtschaftlichen Problemen und großen sozialen Veränderungen scheinen umso wichtiger.

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    Cher Parisien,

    dass sie von Zeit zu Zeit sehr unsachlich sind, habe ich in der Zwischenzeit verstanden.

    dass sie mich hier als Luegner bezeichnen, ist fuer mich nur eine weitere Facette ihrer oftmals sehr unsachlichen Argumentation.

    Meine Hinweise auf die antisemitische und antijudaischen Argumente in der Bibel basieren nicht nur auf einzelnen Beobachtungen und Zitaten.

    Zur Versachlichung der Diskussion hilft sicherlich der Hinweis auf die folgende wikipedia Beitraege:

    http://fr.wikipedia.org/wiki/Antijudaisme
    http://fr.wikipedia.org/wiki/Antis%C3%A9mitisme
    http://en.wikipedia.org/wiki/Anti-Judaism
    http://fr.wikipedia.org/wiki/Antijuda%C3%AFsme

    Was wir hier machen ist Ursachenforschung, was ist daran unwuerdig??

    P.S.

    very strange ist ihre Argumentation in reference to Paulus.

    „Er gilt ja als krank. Er hatte irgendeine mentale Erkrankung, evtl Epilepsie. Man muss ihn daher tatsächlich auseinandernehmen, das von ihm verwerten, was wirklich gut ist.“

    „Außerdem stellt sich die Frage, ob sie authentisch sind“

    Für mich stellt sich daher auch die Frage, ob ihre Aussage, dass Paulus irgendwie mentale Erkrankungen gehabt hat auch authentisch ist.

    Und noch eine Randbemerkung:

    Bringen sie bitte nicht wieder das Argument, als Nicht-Deutscher duerfte ich mich nicht an der Diskussion beteiligen.

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    Israels Gesetze stammen auch vom Islam ? PBS – das TV der gebildeten Elite in USA heute: „Constitutional System in U.S., Israel, Canada“. Ginsberg vom U.S. Supreme Court, ein Superior Court Richter on Canada, ein arabischer Richter vom National Gericht Israels. Cherif Bassouni ein Araber, Jura Professor von DePaul Univ. USA erklaert: Israel’s Recht stammt from Recht der Ottomanen welche 400 Jahre in Palestina herrschten. Und dieses ottomanische Recht stammt auch von islamischen Recht welches 637 in Palestina eingefuehrt wurde: Jede Religionkulturgemeinschaft kann nach ihren Gesetzen handeln. Die Islamisten 637 hebten auch das Verbot auf gegen die Anwesenheit der Juden in Palestina, welches durch die Roemer im Jahre 70 eingefuehrt wurde. Deshalb, besteht im Recht Israels heute noch in gewissen zivilen Rechtsstreiten die Wahl zwischen dem Recht der Religionsgemeinschaft oder sekulaeren Recht Israels. (—Also: Mal was Neues gelernt!)

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    @ KJN Religion und Wissenschaftsgläubigkeit

    Während Aufklärung Religionen nicht negiert, sondern nur limitiert, stehen die Religionen zueinander in (negierender) Substitutionskonkurrenz, sie versuchen sich wechselseitig zu ersetzen. Und genau in den Zusammenhang (negierender) Substitutionskonkurrenz gehören Atheismus und das, was Sie Wissenschaftsgläubigkeit nennen: Beide wollen Religion ersetzen. Das hat nichts mit Aufklärung, sondern wieder nur mit dem Umschlag in ihr Gegenteil zu tun – Fortschritt als (extremer) Rückfall.

    Offenbar ist der Aufenthalt in jederzeit falsifizierbarem, „in ungesichertem Zustand“ der schwierigste. Robert Musil, examinierter Ingenieur, verlangte aber sogar noch das „Wohlgefühl in ungesichertem Zustand“. Von solcher freudig selbst-limitierenden Aufklärung sind wir wohl noch [Kalauer!:] himmelweit entfernt.

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    KJN: Warum musste Schmidtberger das widerrufen? Wg. des II. vaticanums? Oder nicht doch eher, weil es in seinem Verein “hoffähig” ist..

    … keine Ahnung. Fragen Sie ihn. Er hat auch nix widerrufen. Er hat seine Aussage, die Juden seien schuld am Gottesmord, in seinem Werk „Die Zeitbomben des II. Vatikanischen Konzils“ ausdrücklich korrigiert. Im Übrigen liegt ’s bei Ihnen, wenn Sie Schmidbergers Aussage nun boshaft, möglicherweise als unglaubwürdig, auslegen. Das scheint Ihnen, APo und anderen wohl nicht zu passen? Dann wäre meine Frage: WARUM?

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    @EJ
    „..um die praktischen Übergriffe der Religion auf Anders- und Nicht-Gläubige begründet (praktisch) verhindern zu können.“
    Um die Übergriffe, den Zwang, den Machtanspruch – darum geht es. Bei Religion und Wissenschaftsgläubigkeit. Der Machtanspruch folgt dem Wahrheitsanspruch. Dieser allerdings ist bei der Wissenschaft bzw. der Aufklärung einer der größten Missverständnisse, denn die arbeitet schließlich mit Theorien.

    @derblondehans
    „Auch Pater Franz Schmidberger hat eine dahingehende Aussage, die Juden seien schuld am Gottesmord, in seinem Werk „Die Zeitbomben des II. Vatikanischen Konzils“ ausdrücklich korrigiert.“

    Warum musste Schmidtberger das widerrufen? Wg. des II. vaticanums? Oder nicht doch eher, weil es in seinem Verein „hoffähig“ ist..
    @derblondehans

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    Eine grundlegende Eigenschaft religiöser Menschen ist ihre Textfixiertheit. Sie glauben an den Inhalt bestimmter heiliger Bücher. Dies unterscheidet sie von Aufklärern, die nur von einer relativen Richtigkeit ihrer Theorien, die ebenfalls in Büchern niedergelegt werden, ausgehen, ansonsten aber eine geradezu entsprechende Wirklichkeitsfixiertheit haben. Deshalb hat Herr Posener Recht und das Christentum ein Problem mit antisemitischen Bibelstellen (entsprechendes gilt auch für die Bücher anderer Religionen): Wenn es antisemitische (oder anderweitig problematische) Bibelstellen gibt, ist Antisemitismus (oder andere Probleme) in das Christentum „eingeschrieben“. Diesem Sachverhalt kann man begegnen, indem man die entsprechenden Passagen für ungültig erklärt und gleichsam aus dem „heiligen Textkorpus“ herausoperiert. Aber dabei erntet man vermutlich Widerspruch, weil es dafür kein gültiges Kriterium gibt. Historische Wahrheit/Faktizität ist jedenfalls kein solches religiöses Kriterium.

    Nach meiner Meinung muss jede Religion sich in ihrer Auseinandersetzung mit der Aufklärung mit der Wirklichkeit, z.B. mit den Ergebnissen der modernen Astronomie, beschäftigen. Dort wird davon ausgegangen, dass es 100 Milliarden Galaxien gibt, in jeder davon 1oo Milliarden Sterne, auf ein paar mehr oder weniger kommt es nicht an. Man geht davon aus, dass die Anzahl der Planeten die der Sterne um ein Vielfaches übertrifft. Vor diesem Hintergrund müssen die Religionen die Bedeutung des Menschen in der Schöpfung/in dem Universum neu und einigermaßen passend erklären. Viele Astronomen sind diffus-gläubige Menschen, aber eine orthodoxe Religionsausübung nach einem Urtext ist unter diesen Umständen kaum mehr vorstellbar.

    Warum sich jetzt, in Zeiten der Curiosity, immer mehr Menschen für die Religion statt für die Welt zu interessieren scheinen – wie für ein Märchen – , ist mir ein Rätsel. Und Staaten, die dies schamlos ausnutzen, wie z.B. Russland aktuell, sind mir ein Graus.

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    EJ: Anti-jüdisch, anti-christlich, anti-muslimisch ist Aufklärung nur in dem Sinne, dass sie die Religionen auf ihre Koexistenzfähigkeit hin be- und zuschneidet.

    … ooops? verstehe ich Sie richtig? Aufklärung ist eben doch anti-jüdisch, anti-christlich, anti-muslimisch weil Sie deren Koexistenzfähigkeit (untereinander? mit ‚Ungläubigen?) be- und zuschneidet? oder zugeschnitten hat?

    Dann ist die sogenannte ‚Aufklärung‘. beginnend mit Luther, menschenfeindlich und ursächlich für die millionenfachen Morde im 20.Jahrhundert (und noch mehr).

    Mein schreiben seit anno Schnee.

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    @ Alan Posener: Aufklärung … Fortschrittshoffnung … Atheismus

    Sie machen Ihre Frage unnötig schwer. Atheismus, die Negation der Existenz eines Gottes, hat mit Aufklärung nichts zu tun. (Historisch natürlich schon – als der Umschlag von Aufklärung in sein Gegenteil.)

    Der Satz „Gott existiert nicht“ ist so wenig aufklärerisch wie der gegenteilige Satz. Aufklärerisch bzw. aufgeklärt ist der Satz: „Ich weiß nicht, ob Gott existiert.“ Und der lässt den Glauben an die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes völlig unberührt.

    Aufklärung klärt nicht die Existenz Gottes auf. Sie klärt Religion auf. Das geschieht theoretisch im Sinne obigen Absatzes – um die praktischen Übergriffe der Religion auf Anders- und Nicht-Gläubige begründet (praktisch) verhindern zu können. – Anti-jüdisch, anti-christlich, anti-muslimisch ist Aufklärung nur in dem Sinne, dass sie die Religionen auf ihre Koexistenzfähigkeit hin be- und zuschneidet.

    „Anti“ in einem darüber hinaus gehenden Sinne, also etwa anti-semitisch, ist Aufklärung überhaupt nicht. Sie ist es nur dann, wenn sie (weil sie etwas über das vermeintlich nicht koexistenzfähige „Wesen“ der Juden „weiß“) in ihr Gegenteil umschlägt.

    Faktisch gibt es diesen Umschlag. Und in großem Stil. Aber das, was dann antisemitisch ist, ist nicht mehr (auf Koexistenz hin aufklärende und selbst auf Koexistenz hin angelegte) Aufklärung, sondern das – so oder so auf Elimination der Juden, auf das „Verschwinden“ der Juden hin angelegte – Gegenteil.

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    Ihre „Würde“ und „fortdauernde Aktualität“ verlieren Ideen stets dann, wenn sie ideologisch vereinnahmt werden.
    Das ist das Drama aller großen Geister.Seien es Propheten,Philosophen oder Dichter – sobald die weniger großen Geister sich ihrer Ideen bemächtigen, erleiden sie das Schicksal der Trivialisierung, der Vulgarisierung , der Simplifizierung.Das Ergebnis ist Fundamentalismus,Intoleranz,Totalitarismus.
    Anstelle von Poseners hier viel beworbenem Benediktbuch empfehle ich doch lieber die Jesusbücher Benedikts.Dort offenbart sich das Denken des Papstes zumindest authentisch.

  31. avatar

    Lieber Alan Posener!
    Danke für Ihre ausführliche Antwort. Sie verwechseln allerdings etwas: Prokatholisch ist meine Brille nicht, sondern pro-monotheistisch. Schließlich führte ich in dem comment, der hier (noch) nicht steht, die Ringparabel an. Aufklärung muss gerade heute bedeuten, die großen Geister der drei Religionen und natürlich auch Buddha zu revitalisieren. Das Christentum hat sich ja besonders unter JPII bemüht, eine Brücke zu Rabbinern und nach Israel zu bauen. Die Anerkennung der Pius-Bruderschaft durch den jetzigen Papst war unglücklich. Dieser Papst will ein Riesenbollwerk Katholische Kirche und macht dabei faule Kompromisse.
    Paulus war ein großartiger Mann. Seine Ausfälle sind heute nicht mehr so wichtig. Und dann stellt sich immer die Frage, ob er sie a) bei klarem Verstand sagte, b) ob er tatsächlich Epilepsie hatte, c) ob ihm Schlimmes widerfahren war und d) ob seine Abneigung im damaligen Griechenland fest verankert war. Seine Schwierigkeiten mit Frauen dürften rein sexueller Natur gewesen sein, denn zu Schwestern soll er ein durchaus herzliches Verhältnis gehabt haben. Seine Bemerkungen gegen Homosexualität ergaben sich aus der Zeit und dem Umfeld. Seine Ode allerdings, Ko.1,13, ist das Gebäude, und darin sieht man den Rabbiner, den Weisen, den Nathan. Ich nehme Jean-Luc sehr übel, dass er den Apostel selektiv zitiert und merke plötzlich mal, was die Muslime empfinden, wenn man Abwegigkeiten aus dem Koran selektiv zitiert. Halten wir fest: Sie haben die genannten Zitate nicht gebracht, sondern die Ringparabel. Und noch was: Ich halte es für wichtiger denn je, in dieser Wirtschaftskrise, die noch lange dauern mag, jeden Tag an die Ringparabel zu denken, bzw.an 1929-1945. Ich bin sicher, dass Frau Merkel das auch gelegentlich tut. Zumindest hoffe ich das.

  32. avatar

    @ Jean-Luc
    Ihre Bibelzitate werden nicht mehr benutzt(i.d.R.).
    Ausnahmen bestätigen die Regel.

    Außerdem stellt sich die Frage, ob sie authentisch sind. Schließlich wurde der Apostel von den Römern hingerichtet, genau wie Petrus, genau wie Jesus. Wenn Sie diese isoliert hier vorführen, ist das nicht anders als die isolierten Sprüche über „Juden hinter jedem Baum“ aus dem Koran. Sie können ebensogut unsinnige Passagen über die Verfolgung von Andersgläubigen aus dem Tanach ziehen oder aus dem Psalter.
    Wie Posener sagt, gibt es nur ein gutes Ding, um Unheil zu vermeiden: Die überaus großartige Ringparabel von Lessing. Der wahre Aufklärer ist nie ein Ungläubiger. Er ist nur kein Fundamentalist seines eigenen Kirchengebäudes.
    Noch ein Wort zu Saulus/Paulus: Er gilt ja als krank. Er hatte irgendeine mentale Erkrankung, evtl Epilepsie. Man muss ihn daher tatsächlich auseinandernehmen, das von ihm verwerten, was wirklich gut ist.

    Jean-Lüg:
    Wir kennen alle diese Tour. Die Christen kennen sie und die Muslime auch. Isoliert Passagen bringen, die nicht gepredigt werden oder, im Islam, nur von Fundamentalisten oder gar Terrorsupporteuren. Congrats! Unwürdig.

  33. avatar

    Es sollte in dieser immer aufgeregter werdenden Debatte nicht vergessen werden, dass es immer noch Menschen gibt, die Religionskritik, auch fundamentale und radikale, üben und TROTZDEM das Recht, sich religiös zu betätigen, verteidigen.

  34. avatar

    Lieber Parisien, wenn Sie etwas weniger bestrebt wären, alles durch die prokatholische Brille zu lesen, würden sie meine Ausführungen nicht so eklatant missverstehen.
    1. Ich habe die Franzosen nicht als solche verteidigt. Die Katholiken unter ihnen haben ja, wie sie schreiben, die Hugenotten massakriert und verfolgt, und die Grausamkeiten der Revolution gegen die Katholiken in der Vendée sind zum Heulen. Ich sage nur, dass die Revolution als aufklärerisches Projekt – und trotz ihres antireligiösen Furors – die Juden nicht verfolgte.
    2. Ich hätte schreiben sollen: „Der Antijudaismus ist dem Christentum eingeschrieben.“ Wohlgemerkt dem Christentum, das ja nicht von Jesus erfunden wurde, sondern von Paulus. sie werden von Jesus kein Wort gegen sein Volk finden, nur gegen einzelne Gruppen, etwa die Sadduzäer oder Pharisäer. Da aber die hellenisierten Juden Paulus – und Matthäus – von „den Juden“ schreiben, musste das – in die frühen Texte eingeschrieben – in demAugenblick, da sich das Christentum endgültig vom judentum ablöste, antisemitisch gedeutet werden, und wurde auch so gedeutet, was Sie wohl kaum leugnen können.
    3. Zweifellos wollte Jesus „Israel ein bisschen heiliger“; und das sehe ich auch bei vielen jüdischen Antizionisten. Die Behauptung, wer Israel kritisiere, müsse ein selbsthassender Jude sein, stammt ja nicht von mir.
    4. Was die Mimosenhaftigkeit des Vatikan angeht, so empfehle ich Ihnen die Lektüre meines Papst-Buchs, insbesondere die Reaktion Benedikts und seiner deutschen Nachplapperer auf das Pius-Brüder-Desaster. Könnte Ihnen auch den Brief zeigen, den der hiesige Nuntius an den Chefredakteur des Cicero schrieb, nachdem dort ein Artikel von mir erschienen war. Freilich, ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert. Inzwischen wäre der Vatikan vermutlich froh, wenn jemand mal wieder irgendeinen Brauch kritisieren würde, statt einen Sex- oder Geldskandal aufzudecken.

  35. avatar

    Werter APo, lesen Sie hier:

    5. Die Bruderschaft verurteilt aufs Schärfste die Aussage, die heute lebenden Juden seien schuld am Gottesmord Jesu Christi. Dieses pauschale Falschurteil war schon im Hochmittelalter obsolet. Thomas von Aquin lehrt in seiner Summa theologica, dass dieser Satz nicht einmal zur Zeit Jesu richtig gewesen wäre. In der Tertia pars (q. 47 a. 5) erklärt er, dass keine Pauschalverurteilung des Volkes zur Zeit Jesu möglich ist. „Populares vero, qui mysteria Scripturae non noverant … decepti fuerunt a suis prinicipibus ut eum non crederent neque Filium Dei neque Christum. – Ein Großteil des [jüdischen] Volkes, welcher die Geheimnisse der Schriften nicht kannte, wurde von seinen Anführern getäuscht, so dass sie weder als Sohn Gottes noch als Messias an ihn glaubten.“

    Noch viel unsinniger ist es also, heute lebenden Juden die persönliche Schuld zu geben für die Tötung Jesu. Der einflussreichste Vertreter dieser falschen These ist nachweislich Martin Luther, der in seinem im Jahr 1543 in Jena erschienenen Buch „Von den Jüden und ihre Lügen“ einen derart nachhaltigen Antisemitismus grundgelegt hat, dass der Kirchenhistoriker Martin Brecht urteilt: „Luther wurde so fatalerweise zum protestantischen Kirchenvater des Antisemitismus.“ (Siehe Beitrag pius.info: Luther, der Vater des Antisemitismus) Gerade für die anstehende Luther-Dekade wird es für die protestantische Kirche in Deutschland nicht leicht werden, die schwerwiegenden Verirrungen dieses Kirchenkritikers und Ablehners des Papsttums aufzuarbeiten.

    Auch Pater Franz Schmidberger hat eine dahingehende Aussage, die Juden seien schuld am Gottesmord, in seinem Werk „Die Zeitbomben des II. Vatikanischen Konzils“ ausdrücklich korrigiert. (Stellungnahme vom 20. Jan. 2009)

  36. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,

    wie stehen zum das jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Einsatz der Bundeswehr im Inneren)?

    Beste Grüsse

  37. avatar

    „Doch was auch immer die französische Revolution etwa an Grausamkeiten und Massakern hervorgebracht haben mag, und die Liste ist lang: Pogrome gegen Juden waren nicht darunter.“

    Respekt für die Verteidigung der Aufklärer, APo, aber die Franzosen sind genauso aggressiv wie andere Völker. Erst haben sie ihre Probleme an den Hugenotten abgelebt (und waren damit beschäftigt), dann, nach der Revolution, an ihresgleichen, später an den Algeriern, und von dem Genozid an den Tutsi, geht das Gerücht, hätten sie vorher gewusst.
    Wenn sich jemand für Humanismus einsetzte und Juden wie auch Hugenotten förderte, war das der Meister aus Sanssoucis, der ja mit Voltaire befreundet war.

    Ich komme langsam zu dem Schluss, dass es verkehrt ist, Antisemitismus ein Label zu geben. Antisemitismus findet sich gewiss in jeder Glaubens- oder philosophischen Richtung, aber nicht bei allen Mitgliedern der jeweiligen Richtung. Und, wie Sie ja erkennen:
    „Muss aber Religionskritik notwendig zum Antisemitismus führen? Ich glaube nicht.“

    Es wäre also wichtig für die jeweiligen Mimosen, zu erkennen, wo sinnvolle Kritik aufhört und AS anfängt, und das ist schwer. Am wenigsten Mimose scheint mir übrigens heute der Vatikan. Die Muslime, neuerdings auch Juden in der Beschneidungsangelegenheit und vor allem die östlich-orthodocxe Kirche erscheinen mir bedeutend dünnhäutiger.

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    Nachtrag: Apo: ‘Denn der Antisemitismus ist dem Christentum eingeschrieben, …

    … diese Aussage ist auch in sich unlogisch. Denn Antisemitismus kommt auch ohne Goyim, Nichtjuden, aus.

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    Zu Hiob:
    „Eine Ebene tiefer als der abendländische Atheismus, der aus dem oben skizzierten Widerspruch zwischen Güte und Allmacht Gottes zu dem Ergebnis kommt: also gibt es ihn gar nicht, schlägt Karmani eine andere Auflösung vor: vielleicht, so sein Vorschlag, schuf Gott (Jhwe, Allah) den Menschen nicht primär deswegen, damit dieser ihn erkenne sondern umgekehrt: Vielleicht bestand der ursprüngliche Sinn der Schöpfung des Menschen durch Gott darin, daß Gott sich ein Gegenüber schaffen wollte, ein Objekt für seine Launen, aber auch für seine Gnade und seine Allmacht. So gesehen, ist es keineswegs ausgeschlossen, daß Gott gerade den Menschen besonders liebhat, der ihm zürnt, der ihn anschreit, der ihn beleidigt – da er sich hier am stärksten widerspiegelt bzw. von diesem die intensivste Resonanz erfährt.“ Kundenrezension Dr. Gerhard Volz
    http://www.amazon.de/Schrecken.....038;sr=8-4

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    @ Alan Posener
    Aus Irren Ausführungen: „Denn der Antisemitismus ist dem Christentum eingeschrieben, vom Matthäus-Evangelium über die Ausfälle des Paulus“

    Sie können nicht hingehen und die Anklage des Paulus gegen die Juden, Römer 2,17, einfach unter antisemitisch einordnen, denn, wie Sie weiter oben anführen, war Paulus selbst Jude. Paulus machte nichts anderes als vor ihm schon Jesus oder Moses oder Gott (Sodom und Gomorrha) oder Jonas oder andere. Er wollte sie ein bisschen heiliger, gehorsamer. Er machte im Prinzip auch nichts anderes als Johannes Calvin in der Schweiz, und trotzdem ist Jean Calvin kein Anti-Helvetiker.
    Dies entspricht einer momentanen Tendenz, Juden und Jüdinnen (verwende das weibliche Geschlecht hier bewusst), die Israel kritisieren, als Antisemiten oder Antisemitinnen zu bezeichnen. Und im Prinzip wollen sie genau dasselbe: Israel ein bisschen heiliger.
    Das Problem dabei ist, dass einem die weitaus besten Leute abhanden kommen, ob das jetzt der Jesus ist oder der Paulus von Tarsus, der Szilárd oder auch der Barenboim. Herzlichen Glückwunsch!

  41. avatar

    P.S.
    Der Begriff Judenhasser wäre vielleicht im Sinne eines Diskurses noch einiger Erläuterung bedürftig.

    Ich unterstelle einmal, es soll aber im Grund kein Diskurs geführt werden, sondern eher eine amtliche Verlautbarung bestimmter gut alimentierter Kreise, die einfach immer das letzte Wort behalten müssen.
    Aber auch ein bisschen polemisch zurückgefragt, wieso wird das Judentum gerne als rassistische Veranstaltung begriffen? Was spricht dafür, oder ist dies eine dieser unhaltbaren Unterstellungen der Antisemitisten? Wieso funktioniert die Wahrnehmung von „wahrhaft gläubigen“ Juden „problematisch“, ein ästhetisches Phänomen gar?
    Der geschichtliche Diskurs ist jedenfalls weniger „gefährlich“ als die direkte Konfrontation mittels „Befragung“ und erscheint mir als Königsweg einer notwendigen Verständigung geeigneter. Die verschiedenen Konzeptionen von Gott und ihre Abhängigkeit von der geschichtlichen Wirklichkeit bleiben allerdings immer problematisch, man studiere zB. die Ilias (Schiffskatalog), wobei Homer (und Hesiod) bereits relativ „junge“ Phänomene sind, und nicht die oben angesprochenen kulturellen Verbindungen berühren, die die Monotheisten gemeinsam zu teilen scheinen. Was unterscheidet den Gott der Liebe von dem Gott der Gerechtigkeit, das ist im Kern ein „hartes“ Thema der Dogmatiker und ihrer Ansprüche und damit verliert sich die Theologie im Nebel von Ideologien und Besserwisserei (Kant lässt grüßen). Zu meiner Entschuldigung, ich tue mich mit Offenbarungen und ihren dokumentierten Fakten etwas schwer und halte mich so weit wie möglich bedeckt (Epikur lässt grüßen).

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    @derblondehans: Soma Morgenstern schreibt in seinem Buch Alban Berg und seine Idole , wie er Alban Berg auf den Antijudaismus in einer Bach-Kantate aufmerksam machte. Soma Morgenstern: „Bach drückte den christlich-mittelalterlichen Judenhaß aus.“ „Alban war zunächst erstaunt.“
    Als Beispiel nannte Soma Morgenstern das „tierische Chorgeheule „Barrabas! Barrabas!“ in der Matthäus-Passion von Bach. Soma Morgenstern und Alban Berg haben offensichtlich öfter über den Antisemitismus in der Literatur und Musik diskutiert. Alban Berg war ja ständig auf der Suche nach geeigneten Texten zum Vertonen und ein Bewunderer von Karl Kraus und eifriger Fackel-Leser.
    Über ein Gespräch, das Soma Morgenstern und Alban Berg über Peter Altenberg führten, beschrieb Soma Morgenstern seinen wohltuenden Schock:
    „Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß es in Wien, in ganz Österreich-Ungarn, ja in der ganzen christlich-germanischen Zone Mitteleuropas auch nur einen Katholiken gäbe, der vergessen könnte, daß einer ein Jud war.“

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    @Alan Posener

    ein interessanter Artikel. Vielleicht erste Kapital zu einem Buch ?

    Hier zur Ergaenzung einige citations zu den Juden:

    (Röm 2,9): „Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die Böses tun, zuerst der Juden und ebenso der Griechen.“

    1. Thess 2,14-16): „Die (Juden) haben den Herrn Jesus getötet und die Propheten und haben uns verfolgt und gefallen Gott nicht und sind allen Menschen feind. Und um das Maß ihrer Sünden allewege voll zu machen, wehren sie uns, den Heiden zu predigen zu ihrem Heil. Aber der Zorn Gottes ist schon in vollem Maß über sie gekommen.“

    (Titus 1,10-11): „Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer, besonders die aus den Juden, denen man das Maul stopfen muss, weil sie ganze Häuser verwirren und lehren.“

    (Röm 2,17-29)
    „Du (Jude) predigst, man solle nicht stehlen, und du stiehlst?“, lästerte er. „Du rühmst dich des Gesetzes, und schändest Gott.“

    Da sind wahrscheinlich die Ursachen fuer den Antisemitismus zu finden:

    „Der Antijudaismus war in den Bibelversen des Neuen Testaments geboren, wuchs heran zum Antisemitismus und fand seinen schrecklichen Höhepunkt in den Konzentrationslagern von Auschwitz“

    http://www.bibelkritik.ch/kirchenkritik/e13.htm

  44. avatar

    @ Derblondehans (Wollen Sie nicht endlich wie ein echter deutscher Mann mit offenem visier kämpfen und Ihre absurde Verkleidung abnehmen?):
    Franz Schmidberger, Distriktoberer der Piusbrüder in Deutschland, schrieb im Oktober 2008 an alle 27 deutschen römisch-katholischen Bischöfe: „Mit dem Kreuzestod Christi ist der Vorhang des Tempels zerrissen, der Alte Bund abgeschafft, wird die Kirche, die alle Völker, Kulturen, Rassen und sozialen Unterschiede umfasst, aus der durchbohrten Seite des Erlösers geboren. Damit sind aber die Juden unserer Tage nicht nur nicht unsere älteren Brüder im Glauben, wie der Papst bei seinem Synagogenbesuch in Rom 1986 behauptete; sie sind vielmehr des Gottesmordes mitschuldig, so lange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren. Im Gegensatz dazu behauptet das II. Vatikanum, man könne die Ereignisse des Leidens Christi weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen (§ 4)“
    Daran sehen Sie, dass bis zum II. Vaticanum die Kollektivschuldthese galt, und dass sie zumindest für Herrn Schmidberger noch gilt. Sie beruht auf dem Matthäus-Evangelium, wo die Juden diese Schuld annehmen. Mehr dazu finden Sie – etwa – in meinem Papst-Buch.
    Ich verstehe nicht, wieso Christen, sich auf solche Diskussionen einlassen, ohne ihre eigenen heiligen Schriften und die Dokumente ihrer Geschichte zu kennen.

  45. avatar

    Liebe Frau Backhaus, natürlich ist die wissenschaftliche Religionsforschung und -kritik längst über die Beschränkung auf die drei monotheistischen Religionen hinausgegangen. Bahnbrechend – und eine wunderbare Lektüre – ist etwa J.G. Frazer, „Der goldene Zeig“. Dennoch ist es so, dass bis heute in der Publizistik und Politik – und zu Zeiten der Aufklärung, um die es hier geht, ohnehin – die drei monotheistischen Religionen im Vordergrund stehen, wenn man über die Frage des Nutzens und des Nachteils der Religion spricht. Exemplarisch ist hier Lessings „Nathan der Weise“.

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    Zitate:(1)“Da die Religionskritik in Europa und Amerika aus naheliegenden Gründen hauptsächlich Kritik am Christentum und am Islam ist,[…].
    (2)Freilich ist Unkenntnis der Religion ein Haupteinfallstor für Gruppenvorurteile,[…].
    (3) Man mag im Rahmen der Religionskritik das Judentum dafür kritisieren,[…].

    Herr Posener, Ihr Bemühen um unbefangene Zeitgeschichte schätze ich sehr. Es gibt viele Geschichten, die aufgrund der Wirren des XX.Jahrhunderts nicht erzählt, nicht zu Ende erzählt wurden und die zum Teil noch ganz der „Aufklärung“ gewidmet waren, im Resultat jedoch aus dem öffentlichen Interesse verschwanden (wie viele Details der Zeitgeschichte ständig unter Verschluss gehalten werden).
    Die Altertums- und Kulturenforschung, wie sie einmal nennen möchte, hat sich bis in die Weimarer Zeit hinein mit den Mythen und Epen der Menschheit und ihrem Auftreten in Raum un Zeit beschäftigt. Das älteste und vermutlich bedeutenste (?) Epos der Menschheitgeschichte wird Gilgamesch-Epos genannt, und darüber wurden eben noch vor dem Weltkrieg1 auch Theorien entworfen, eine, die in gewisser Erinnerung geblieben ist, heißt „Bibel-Babel“-Theorie oder der damit gleichnamige Streit.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Babel-Bibel-Streit
    Dass ich das Thema hier nur nenne aber nicht thematisieren kann, weil mir dafür der wissenschaftliche Background fehlt, sei zugegeben. Jedoch gilt den Religionen aus diesem Blick heraus das Interesse der Philologen, und nicht erst das der klassischen Epochen, die den Humanismus kolportierten. Ich denke, im Interesse aller Agnostiker/lernfähigen Dogmatiker bietet sich hier ein breites Feld der Forschung dar, das Vorurteilen und „falschen“ Lehren ein lohnendes Ziel, zur Versachlichung der menschlichen Religion/en ermöglichte. Dem transzendentalen Aspekt der menschlichen Existenz wird damit zwar nicht abgeholfen, aber Irrtümer und Zusammenhänge der realen Kulturentwicklung könnten damit weiter verfolgt werden. Mir wäre wohler, wenn die sogenannten Schriftgelehrten aller monotheistischen Verfahrensweisen sich hierbei mit dem nötigen Ernst beteiligen würden. Die Zitate habe ich erwähnt, weil sie offensichtlich um das gleiche Problem kreisen. Wenn Benedikt16 seine kulturellen Vorgänger ernst nimmt, dann kann man auch erwarten, dass er dies auch für die Vorgänger der Vorgänger bekundet, heißen sie nun Zarathustra, Gilgamesch oder Enkidu? Wenn man also nicht in gegenseitigen Ressentiments verhaftet bleiben will, könnte man die einst begonnene Forschung weiterführen, oder wer könnte dies in berechtigter Weise in Frage stellen?

  47. avatar

    Apo: ‚Denn der Antisemitismus ist dem Christentum eingeschrieben, vom Matthäus-Evangelium über die Ausfälle des Paulus gegen die Juden bis hin zur Theologie der Kollektivschuld für den „Gottesmord“, die in der Polemik des Kirchenvaters Tertullian gegen Marcion formuliert, von Martin Luther mit der Aufforderung zur Judenvernichtung verbunden und noch heute von der Pius-Bruderschaft vertreten wird.‘

    Unsinn. ‚Antisemitismus‘ – ist ein Terminus der in der Neuzeit ‚er/geschaffen‘, wurde/ist. In den Evangelien gibt es kein Antijudaismus, Antisemitismus.

    Tertullian war ein Kirchenlehrer, kein Katholik. Das in einer Zeit zu der Christen (Frauen, Kinder, Alte, Schwache) bei lebendigem Leib als Fackeln im Kolosseum angezündet oder Löwen zum Fraß vorgeworfen worden sind. Dem Pöbel zum Wohlgefallen.

    Auch schreibt Tertullian nicht von Kollektivschuld, sondern:
    ‚Wenn sich Israel auch jeden Tag an allen Gliedern wünsche, so ist es doch niemals rein. Ohne Zweifel sind seine Hände immer unrein, das Blut der Propheten und es Herrn selbst klebt an ihnen in Ewigkeit.‘

    Dass die ‚Pius-Bruderschaf eine Kollektivschuld für den „Gottesmord“ behauptet‘ ist ein schwerer Vorhalt. Können Sie, werter APo, das belegen?

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