Martin Schaefer meinte, „Memories“ sei der einzige brauchbare Song auf dem Album „Death of a Ladies‘ Man“. Der Meinung bin ich bekanntlich nicht. Aber „Memories“ ist kein schlechter Song.

Songs von Leonard Cohen (9): Memories

Martin Schaefer meinte, „Memories“ sei der einzige brauchbare Song auf dem Album „Death of a Ladies‘ Man“. Der Meinung bin ich bekanntlich nicht. Aber „Memories“ ist kein schlechter Song.
Fast jeder Mann, der ungefähr vor 1970 geboren wurde und bis 1990 in der DDR lebte, musste dort den Grundwehrdienst in der NVA oder anderen kasernierten Einheiten ableisten. Der Autor, Jahrgang 1960, erinnert sich in neun Kapiteln an seine eigenen entsprechenden Erfahrungen.
Kapitel 9
Als Vater mich abholte, lag das Kapitel Armee hinter mir, versuchte ich mir einzureden. Dabei wusste ich nur zu gut, dass ich lediglich ein erstes großes Hauptkapitel hinter mich gebracht hatte; mehrere kleine würden mit Sicherheit noch folgen, die Frage war nur, wie lange die Schonzeit dauern würde. Denn der Staat betrachtete seine Bürger als Leibeigene und junge Männer ganz besonders, indem er sie nach Ableistung des Grundwehrdienstes zu Reservisten deklarierte. Weiterlesen
Fast jeder Mann, der ungefähr vor 1970 geboren wurde und bis 1990 in der DDR lebte, musste dort den Grundwehrdienst in der NVA oder anderen kasernierten Einheiten ableisten. Der Autor, Jahrgang 1960, erinnert sich in neun Kapiteln an seine eigenen entsprechenden Erfahrungen.
Kapitel 8
Ich hatte jetzt die Hälfte der Dienstzeit hinter mich gebracht, das Bergfest war gefeiert worden, und wir »Vize« genannten Angehörigen des zweiten Diensthalbjahres fassten den Tag der Entlassung zusehends fester ins Auge. Wir blickten voll durch, hatten alle ungeschriebenen Regeln begriffen, die Schlupflöcher ausgekundschaftet und uns Privilegien verschafft. Wir warteten lediglich noch auf den Entlassungstag der gegenwärtigen EK’s, um danach selbst die ungekrönten Könige im Regiment zu sein. Bald würden wir uns untereinander ganz zivilistisch mit »Kollege« anreden können. Weiterlesen
Fast jeder Mann, der ungefähr vor 1970 geboren wurde und bis 1990 in der DDR lebte, musste dort den Grundwehrdienst in der NVA oder anderen kasernierten Einheiten ableisten. Der Autor, Jahrgang 1960, erinnert sich in neun Kapiteln an seine eigenen entsprechenden Erfahrungen.
Kapitel 7
Mit Stefan T. war ich noch bis Ende der achtziger Jahre – wenn auch abnehmend – eng befreundet. Vor allem kulturelle Interessen verbanden uns. Im Sommer nach dem Wehrdienst wanderten und trampten wir überdies gemeinsam durch Bulgarien. Stefan war Mitglied der SED, was eigentlich Grund genug sein sollte, ihn zu verachten und zu schneiden, aber gleichwohl schätzte ich ihn sehr wegen seiner außerordentlichen Aufrichtigkeit und Moralität, die ans Naive grenzen konnte. Da ich gerade viel Hermann Hesse las, definierte ich unser beider Verhältnis als das von Narziss (Stefan) und Goldmund (ich). Weiterlesen
Kapitel 6
Aber das war alles noch sehr ferne Zukunftsmusik. Ende Februar rückten wir wieder in die Potsdamer Kaserne ein, wo uns ein meist unerträglich langweiliger, schier endloser Alltag aus militärischer Ausbildung, diversen Wach- und Bereitschaftsdiensten und hoffentlich nur wenigen Einsätzen erwartete. Wieder und wieder und wieder hetzten wir über die Sturmbahn, stürmten Häuserattrappen, schippten Kohlen, exerzierten, reinigten das Revier, standen bei Appellen herum, putzten die Kalaschnikow, waren GUvD (Gehilfe des Unteroffiziers vom Dienst), dösten im Politunterricht, kloppten Skat. Einmal hatte ich sechsundfünfzig Stunden lang die Felddienstuniform nicht ausziehen können, das war unangenehm, aber entscheidend war, dass jede Stunde, die wie auch immer verging, »gediente Zeit« war und mich dem am fernen Horizont vage schimmernden Entlassungstag ein kleines Stück näherbrachte. Weiterlesen
Kapitel 5
Nach vier Wochen endete die Grundausbildung – eine wichtige Zäsur. Das erste, das härteste Achtzehntel, war abgedient. Für die EK’s, die Entlassungskandidaten aus dem dritten Diensthalbjahr, war das natürlich ein Nichts. Soeben hatten sie mit viel Tamtam und Schnaps den Anschnitt ihres zuvor sorgfältig präparierten und bemalten, 150 Zentimeter langen Schneiderbandmaßes zelebriert. Von nun an würden sie Tag für Tag einen Ein-Zentimeter-Schnipsel entfernen und sich an der immer deutlicher abnehmenden Länge erfreuen. Unter all den Ritualen des Armistenalltags war dies das zentrale. Weiterlesen
Kapitel 4
Alle vier Wochen fand an zwei aufeinander folgenden Tagen Politunterricht statt – verächtlich »Märchenstunde« genannt. Die gesamte Mannschaft saß im Schulungsraum und erhielt »Rotlichtbestrahlung«. So angenehm es einerseits war, an diesen Tagen mal nicht die übliche Einsatzausbildung zu haben, so unendlich dröge zog sich andererseits die ideologische Berieselung hin. Offiziere leierten irgendwelche Phrasen herunter, die nicht einmal sie selbst für voll nahmen, und versuchten vergeblich, die ganz trägen, widerwilligen Soldaten in Diskussionen zu verwickeln. Weiterlesen
Fast jeder Mann, der ungefähr vor 1970 geboren wurde und bis 1990 in der DDR lebte, musste dort den Grundwehrdienst in der NVA oder anderen kasernierten Einheiten ableisten. Der Autor, Jahrgang 1960, erinnert sich in neun Kapiteln an seine eigenen entsprechenden Erfahrungen.
Kapitel 3
Zehn Jahre zuvor, im November 1979, war die politische Situation im Land bleiern still und der Herbst ungewöhnlich sonnig. Passender wäre gewesen, hätten über dem Ausbildungsplatz triste, regenschwere Wolken gehangen; stattdessen kroch morgens ein stiller flacher Nebel über den Boden, und bald schon weitete sich über uns verdreckten, verschwitzten, verschüchterten »Anwärtern« ein strahlendblauer Himmel wie sonst nur im späten September. Viele der Märsche, Läufe, Schutzübungen usw. wurden außerdem im gelbrot leuchtenden, heiter anmutenden Mischwald des für seine Schönheit sowieso berühmten westlichen Potsdamer Umlands durchgeführt. Die Kaserne befand sich ja nur ein paar hundert Meter hinterm Park von Sanssouci. Weiterlesen
Fast jeder Mann, der ungefähr vor 1970 geboren wurde und bis 1990 in der DDR lebte, musste dort den Grundwehrdienst in der NVA oder anderen kasernierten Einheiten ableisten. Der Autor, Jahrgang 1960, erinnert sich in neun Kapiteln an seine eigenen entsprechenden Erfahrungen.
Kapitel 2
Neben meiner, der 20., gab es innerhalb der Kasernenmauern noch eine weitere, die 3. VP-Bereitschaft. Jede Bereitschaft besaß fünf Kompanien, welche wiederum in drei Züge und schließlich Gruppen sowie je einen Kompanietrupp unterteilt waren. In der Regel lebten die gut hundert Mann einer Kompanie in je einem separaten Block. Außerdem wurde meinem Fenster gegenüber ein Neubau hochgezogen, welcher demnächst eine strengstens geheime, extrem scharfe Elite-Einheit im Stile der bundesdeutschen Anti-Terror-Truppe GSG 9 beherbergen sollte. So war ich in den kommenden anderthalb Jahren / achtzehn Monaten / 545 Tagen fast ausschließlich von mehr als tausend uniformierten, überwiegend eingesperrten, einem engen Verhaltenskodex unterworfenen Männern umgeben. Weiterlesen
War es Kalkül oder Zufall? Am 26. November 2024 wurde Angela Merkels Erinnerungsbuch „Freiheit“ – gleich auch in 30 Übersetzungen – veröffentlicht. Einen brisanteren Zeitpunkt hätte sich die Altkanzlerin wohl kaum aussuchen können: Die Ampel-Regierung, die ihren Amtszeiten nachfolgte, war gerade mit einem lauten Knall zerbrochen, und die ehemaligen Koalitionäre überhäuften sich gegenseitig mit Vorwürfen, wobei Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Retrospektive dieser Vorgänge wohl die schlechtesten Stilnoten eingefahren haben dürfte. Und während sich ihre Partei, die CDU, gerade für den Wahlkampf in Stellung bringt und dabei auch merklich versucht, inhaltlich eher wie die alte Union zu wirken und einige Entscheidungen und Entwicklungen der Merkel-Ära zu korrigieren, platzt eben diese mit ihren Memoiren auf den Markt. Weiterlesen
Fast jeder Mann, der ungefähr vor 1970 geboren wurde und bis 1990 in der DDR lebte, musste dort den Grundwehrdienst in der NVA oder anderen kasernierten Einheiten ableisten. Der Autor, Jahrgang 1960, erinnert sich in neun Kapiteln an seine eigenen entsprechenden Erfahrungen.
Laut Einberufungsbefehl begann mein Grundwehrdienst am 3. November 1979. Doch hatte dieser gefürchtete Tag X, hinter dessen Wirklichkeit sich das frühere zivile Leben abrupt zu einem unbeschwerten, irgendwie kindlichen Traum verwandelte, seine Schatten schon seit Längerem vorausgeworfen. Bei der Musterung vor anderthalb Jahren waren die jungen Männer meines Jahrgangs der Erweiterten Oberschule „Philipp Melanchthon“ in Wittenberg sämtlich erfasst, begutachtet und einsortiert worden für den künftigen Dienst an der Waffe. Nur zwei von ihnen, und zwar Andreas S. aus der Parallelklasse sowie ich selbst, hatten uns nicht bereiterklärt, drei oder gar fünfundzwanzig Jahre als Unteroffizier bzw. Berufsoffizier zu dienen, sondern wirklich nur den Grundwehrdienst abzuleisten. Spatensoldaten oder gar Totalverweigerer gab es unter uns überhaupt keine. Weiterlesen