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Limburg: Der Bischof und die Pharisäer

Wenn dieser Beitrag erscheint, ist der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst möglicherweise schon zurückgetreten. Dieser Schritt erscheint auch angesichts der vielen Unregelmäßigkeiten rund um die Finanzierung des Diözesanzentrums unvermeidlich. Und doch offenbart die Kampagne gegen den Bischof – denn von einer Kampagne muss man sprechen – eine Intoleranz, eine Lust am Fertigmachen eines schwachen Menschen, die ganz und gar unchristlich ist. Überdies scheinen manche der Vorwürfe gegen den Bischof kleinlich und von fragwürdiger Stichhaltigkeit. Insgesamt scheint Tebartz Opfer des kirchlichen Opportunismus zu sein: unter Benedikt konnte einer wie er aufsteigen; unter Franziskus wird er gestürzt. „Hosianna!“ und „Kreuziget ihn!“ liegen auch – vielleicht gerade – in der katholischen Kirche nahe beieinander.

Dass Tebartz ein schwacher Mensch ist, ein seiner sexuellen Identität unsicherer Mann, der sich in seiner Haut unwohl fühlt, das ist ihm ins ängstliche Gesicht geschrieben. Dass er sich einerseits an der  Pracht und der Schönheit der Kirche, ihrer Rituale, Gewänder und Gebäude erfreut, andererseits einer besonders konservativen Auslegung der Sexualmoral das Wort redet, entspricht dieser Unsicherheit, die er mit seinem Lehrmeister Joseph Ratzinger teilt, dessen „Kampf gegen den Relativismus“ – sprich Intoleranz – Tebartz mit seiner Kritik an Christian Wulff und dessen Äußerung zum Islam auf seine Weise – und, übrigens, gegen die Intentionen Papst Benedikts, zugespitzt hat. Die Psychopathologie dieser reaktionären Form des Katholizismus, die noch bis gestern den Beifall der Salon-Katholiken vom Schlage eines Martin Mosebach und der Vertreter der „benedittinischen Wende“ erhielt, hat David Berger zutreffend beschrieben. Man wird mir abnehmen, dass ich jeder Sympathie für diese Art des Glaubens unverdächtig bin.

Andererseits scheint mir manche Anklage gegen Tebartz von Neid und Missgunst motiviert. Nehmen wir die Frage seines Flugs nach Indien. Als ihm vorgeworfen wurde, Erster Klasse geflogen zu sein, ging es um die Kosten für die Diözese. Darauf antwortete Tebartz wahrheitsgemäß, er sei „Business Class geflogen“, sprich, er wurde auf Business gebucht und hat Business bezahlt. Dass er einen Upgrade in die Erste Klasse angenommen hat – was ist daran schlimm? Macht sich die Glaubwürdigkeit eines bischöflichen Einsatzes für die Armen dieser Welt daran fest, dass er möglichst unbequem fliegt? Seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus ist zur Schau getragene Bescheidenheit – also Pharisäertum – die neue Mode im Vatikan und – da die Kirche eine autoritätsgläubige Einrichtung ist – inzwischen auch in den unteren Gliederungen. Aber gemessen an den wirklich Armen lebt natürlich noch der bescheidenste Papst, Bischof oder Pfarrer bei uns in unvorstellbarem Luxus.

So mancher Backpacker fliegt Holzklasse und last Minute billig von einem Elendsgebiet der Erde zum anderen, geimpft mit dem guten Gewissen des Mitleids und der Gegnerschaft gegen Wall Street und den Westen, gesichert mit Papas Kreditkarte und der Hilfe eines machtbewehrten diplomatischen Dienstes im Notfall. Das freilich ist Doppelmoral pur, gepaart mit Selbstbetrug. Da ist es mir lieber, wenn einer gar nicht erst versucht, den materiellen Graben zu überwinden, der ihn von den Elenden trennt; gar nicht erst tut, als könne eine Geste scheinbarer Bescheidenheit Strukturen ändern, die das Elend zementieren.

Wie hieß doch der Jünger, der  Jesus von Nazareth Vorwürfe machte, als dieser sich von den Frauen mit teuren Ölen einreiben ließ? Man hätte, so der Jünger, die Öle verkaufen und das Geld den Armen geben können. Lass mal, erwiderte Rabbi Jesus: Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber nur noch kurze zeit. Lass mal gut sein, Judas.

In seinen Erklärungen zum angeblichen Skandal seines Upgrades hat sich Tebartz aus Unsicherheit und Angst in Widersprüche verwickelt. Aber muss so etwas den Staatsanwalt beschäftigen? Haben die hiesigen Strafverfolgungsbehörden sonst nichts zu tun als der Frage nachzugehen, ob ein Bischof dem „Spiegel“ die ganze Wahrheit über einen Langstreckenflug erzählt hat? Das erinnert an die Petitessen, die mittlerweile vom Fall Christian Wulff übrig geblieben sind.

Bedeutender, gewiss, ist die Frage der Kosten für den Ausbau des Diözesanzentrums. Wenn ich es recht verstehe, wurden zunächst fünf Millionen angesetzt, aus denen mittlerweile 30 Millionen geworden sind. Nun schieben sich der zuständige Finanzrat, die Architekten und Bauleiter und der Bischof gegenseitig die Schuld zu. Wer sich was zuschulden kommen ließ, ist für Außenseiter kaum noch durchschaubar, ähnlich wie beim Berliner Flughafenprojekt, dessen Kosten von  geschätzten 1,7 Milliarden 2006 auf 4,3 Milliarden 2012 gestiegen sind, Ende auf der nach oben offenen Abzockeskala nicht abzusehen, und der als Neubauruine den Steuerzahler jeden Monat so viel kostet, wie das immerhin fertiggestellte Limburger Diözesanzentrum insgesamt – nur um mal die Proportionen ins rechte Licht zu rücken.

Wie gesagt, die Verhältnisse sind schwierig zu durchschauen, und man hat den Eindruck, dass Tebartz auch hier unglücklich agiert hat. Aber in der Kritik bleibt eigentlich nur der Vorwurf hängen, Tebartz habe sich eine Luxuswohnung bauen lassen; solche teuren Bauprojekte gehörten nicht in die Zeit der Austerität. Als ob die Dome des Mittelalters besser in ihre Zeit gepasst hätten! Sie erhoben sich über dem Gestank, der Armut, dem Unwissen und dem Verbrechen der Städte; sie erhoben sich, während ringsum die Menschen an der Pest verreckten; sie erhoben sich inmitten der Kriege und Kreuzzüge, Pogrome und Hexenjagden jener finsteren Zeiten. Sie waren eine monströse Geldverschwendung, teilweise – wie der Petersdom in Rom – finanziert aus dem Ablasshandel, einer Art privater Pflegeversicherung für das Fegefeuer. Und doch bewundern wir in ihnen heute Zeugnisse des Glaubens und der Schönheit, des menschlichen Willens, dem Elend und der Zeitlichkeit zu entkommen. Nun will ich das Limburger Diözesanzentrum nicht mit dem Limburger Dom vergleichen. Und doch ist es ein architektonisches Kleinod (so mancher Protest scheint sich auch an der modernen Ästhetik des Baus zu entzünden), das über den Tag hinaus Bestand haben und für den Schönheitswillen des unglückseligen Bischofs zeugen wird.

Wie heißt es in Lukas 18,9ff:

„Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Beispiel:  Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!  Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“

Tebartz-van Elst mag es sonderbar finden, sich als den Zöllner in diesem Gleichnis zu betrachten. Zweifellos hat es ihm in der Vergangenheit nicht an Selbstgerechtigkeit gefehlt. Aber viele seiner Gegner, scheint mir, müssten sich im Pharisäer wieder erkennen.

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117 Gedanken zu “Limburg: Der Bischof und die Pharisäer;”

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    Err.:
    @hans
    “KJN: Ich kann nichts Geschmackloses daran erkennen, daran zu erinnern, daß Geschiedene, vergewaltigte, oder ungewollt schwangere Frauen die gleiche Barmherzigkeit verdienen (sollten), wie Tote.
    … no comment.”
    Ich denke, der Punkt geht an Sie. Die religiösen Inhalte und Glaubenssätze (kein Sakrament für Geschiedene etc.) muss ich nicht teilen, oder gut finden – die Motivation, die Beerdigungsmesse für Priebke zu lesen, ist aber (so vermute ich) theologisch konsequent.
    Das habe ich vermischt, um meiner “Wahrheit” willen. Soviel zu liberalem Umgang mit Religion.
    (Mein Eindruck, daß die Piusbruderschaft am rechten Rand fischt, bleibt. Sollte ich mich irren: Um so besser.)

    Mit dem Thema hier hat das vielleicht dahingehend zu tun, daß es gut wäre, wenn wir das als innerkirchliche Angelegenheit betrachten könnten. Das geht aber nicht bei dieser unseligen Vermischung von Staat und Kirche, Kirchensteuer etc. So kam ich auf die Piusbrüder, die genau das abschaffen möchten.

  2. avatar

    @hans
    „Ich kann nichts Geschmackloses daran erkennen, daran zu erinnern, daß Geschiedene, vergewaltigte, oder ungewollt schwangere Frauen die gleiche Barmherzigkeit verdienen (sollten), wie Tote.
    … no comment.“

    Ich denke, der Punkt geht an Sie. Die religiösen Inhalte und Glaubenssätze (kein Sakrament für Geschiedene etc.) muss ich nicht teilen, oder gut finden – die Motivation, die Beerdigungsmesse für Priebke zu lesen, ist aber (so vermute ich) theologisch konsequent.
    Das habe ich vermischt, um meiner „Wahrheit“ willen. Soviel zu liberalem Umgang mit Religion.
    (Mein Eindruck, daß die Piusbruderschaft am rechten Rand fischt, bleibt. Sollte ich mich irren: Um so besser.)

    Mit dem Thema hier hat das vielleicht dahingehend zu tun, daß es gut wäre, wenn wir das als innerkirchliche Angelegenheit betrachten könnten. Das geht aber nicht bei dieser unseligen Vermischung von Staat und Kirche, Kirchensteuer etc. So kam ich auf die Piusbrüder, die genau das abschaffen möchten.

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    @68er: Ja, das ist eigentlich unbegreiflich fahrlässig. Unter Kollegen ist hier in Berlin natürlich v.a. der Flughafen ständiges Gespräch und Lachnummer. Aber es ist schlichtweg überall, wohin man blickt, dasselbe, d.h. zu gängiger Praxis ausgeartet.

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    @ Roland Ziegler

    Man muss nicht unbedingt die Haftungsverpflichtungen stärken sondern sie überhaupt anwenden.

    In Hamburg bei der Elbphilharmonie sollten Herzog & de Meuron einen Bau für 77 Mio. planen, der jetzt wohl mehr als das zehnfache, d.h. ca. 789 Mio. kosten soll.

    Da würde man denken, irgendetwas könnte da bei der Planung vielleicht fahrlässig falsch gelaufen sein und das Büro muss vielleicht etwas vom Schaden tragen. Falsch gedacht, das Büro Herzog & de Meuron soll nun allein für seine „Leistungen“ ca. 90 Mio. Honorar erhalten und gleichzeitig für möglicherweise begangene Planungsfehler noch eine Haftungsfreistellung bekommen.

    http://www.spiegel.de/wirtscha.....81056.html

    Und dieser Herr Scholz darf gerade in mit unserer unabhängigen Autokanzlerin verhandeln, wie man in Zukunft unseren Selbstbedienungsladen regiert.

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    @KJN: Die Kalkulationen sind deshalb so niedrig, weil es eine fatale Win-Win-Situation zwischen Auftraggebern (Bauherren) und Auftragnehmern (ausführenden Firmen) gibt: ein extrem niedriger Kostenvoranschlag der Firma sichert ihr den Auftrag – einerseitsw – und ermöglicht – andererseits – dem Auftraggeber, den Auftrag zu realisieren. Denn dieser zahlt ja, wie wir auch in Limburg sehen, nicht aus eigener Tasche, sondern muss andere überzeugen. Und wenn er sagen kann, dass das tolle Projekt läppische 5 Millionen kostet und dies anhand der Kostenvoranschläge belegen kann, dann sagen alle: „OK!“, und er kann mit dem Bau beginnen. Sagt er aber die Wahrheit, so wie es sein sollte, und gesteht, dass es wohl 30-40 Millionen kosten würde, dann sagen die Geldgeber: „Vergiss es.“ Und damit ist das Projekt gestorben und es gibt keinen Bischofssitz (allenfalls einen Zweckbau).

    In diesem Sinne hat der Bischof sein Ziel erreicht.

    Es liegt also nicht an Unfähigkeit irgendeines Beteiligten, sondern es hat Methode; es liegt am System der Projektplanung, dass die Kostenvoranschläge so lächerlich niedrig sind. Durch stärkere Haftungsverpflichtung und bessere Absicherungen könnte man das ändern. Natürlich würde das dazu führen, dass die Projekte für die Geldgeber/-bewilliger von vornherein unangenehm teuer aussehen, aber genau das ist ja das Ziel: Wenn etwas teuer wird, dann soll man es auch sagen.

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    KJN: Ich kann nichts Geschmackloses daran erkennen, daran zu erinnern, daß Geschiedene, vergewaltigte, oder ungewollt schwangere Frauen die gleiche Barmherzigkeit verdienen (sollten), wie Tote.

    … no comment.

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    @RZ
    Ich denke, die Kalkulationen sind deswegen so niedrig, weil sich die Projekte dann besser in den Gremien durchsetzen lassen, zum Wohle der eigenen Karriere.
    @hans
    Ich kann nichts Geschmackloses daran erkennen, daran zu erinnern, daß Geschiedene, vergewaltigte, oder ungewollt schwangere Frauen die gleiche Barmherzigkeit verdienen (sollten), wie Tote.
    Geschmacklos finde ich allerdings, Politik mit dem Tod des Massenmörders zu machen – von allen Seiten, wie ich bereits schrieb.
    Und wenn die Piusbrüder als konservative religöse Kraft ernst genommen werden wollen, sollen sie endlich damit aufhören, mit rechtsnationalistischen „Mutigkeiten“ zu kokettieren. Auch das ist für mich Geschmacklos. Aber die Geschmäcker sind wohl verschieden.

    @Stevanovic
    Mir hat dieser Artikel von de Winter, den ich verlinkt hatte, die Vorstellung vermittelt, daß wir uns mit der repräsentativen Demokratie vielleicht überfordern. Wir stimmen z.B. bei der Wahl über Einwanderungsgesetze ab. Da wir das für alle Regionen entscheiden sollen, überfordert das einerseits, andererseits betrifft es uns vielleicht regional gar nicht, oder aber wir bewirken mit unserer Stimme nichts. Wenn das vorort für die eigene Region abgestimmt und beschlossen würde, wären die Interessen besser vertreten. Ich denke auch nicht, daß immer gegen Einwanderung getstimmt würde, denn leerstehende Wohnungen wollen auch vermietet werden (nur als Beispiel). Vielleicht brauchen wir wirklich Dezentralisierung in allen Bereichen.

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    @KJN

    Gutenberg wurde nicht wegen politischem Irrlichtern abgesetzt, sondern wegen dem Plagiat. Ein Hansdampf schottert unseren Verteidigungsapparat mit 500.000 Mitarbeitern und wir echauffieren uns über die Doktorarbeit. Wulff und die Übernachtungen, gleichzeitig gab es den Konsens, dass unsere Banken „to big to fail“ sind, was im Bundestagswahlkampf keine Rolle spielt. 50.000 Asylanten? In Deutschland gibt es 10.000 Gemeinden, dh pro Gemeinde sind das 5(!) Personen. Ich will keine Grenzen aufmachen, aber sind 5 Menschen in einer Gemeinde etwas, was man ein Problem oder (noch besser Überfremdung) nennt? Bis jetzt gibt es keinen Fall von Krebs, der im Zusammenhang mit einem AKW steht – ich hör jetzt einfach auf, sie wissen worauf ich hinaus will. Sagen wir doch einfach, es gibt einen Bedarf an Irrationalität, losgelöst von den konkreten Fällen.

    Man könnte auch gemein sein und die Diözese Limburg fragen, sowohl Gläubige als auch Kirche, wie sehr sie sich über Drogen, Prostitution und Menschenhandel aufregen, was alles in Frankfurt, das zu Limburg gehört, stattfindet. Sind freistehende Badewannen das Problem? Hilft der Glanz der Kirche den vergewaltigten Mädchen? Ich weiß: das sind vollkommen unfaire vergleiche, Äpfel und Birnen, man kann nicht das eine, gegen das andere…und so weiter.

    Ist das aber nicht genau der Punkt: Unsere vollkommene Machtlosigkeit gegenüber den wichtigen Themen? Unser Unvermögen, den Lauf der Welt zu beeinflussen? Die Frustration, dass wir zwar immer mehr Informationen haben, unsere Machtlosigkeit dadurch aber nur deutlicher wird? Die Komplexität einer Welt, die wir immer weniger verstehen, je mehr wir wissen? Oh, Gott, langsam verfalle ich in einem Wort zum Sonntag Ton, deswegen komme ich zum Ende:

    In das alles platzt der Freak rein und es ergießt sich die aufgestaute Frustration des Kollektivs der machtlosen und unglücklichen Individuen. Es scheint einen Bedarf an Frust-Ventilen zu geben und wenn es einen Bedarf gibt, dann sind die Frust-Ventile auch zu etwas gut. Kann man zynisch werden, man kann aber diesen Mechanismus auch nutzen – was die Populisten und Medien ja auch tun. Und das haben sie schön gesagt: am besten da, wo es am gefahrlosesten für einen selbst ist. Muss uns alles nicht gefallen, ist aber so.

    Disclaimer: Das bezieht sich nicht auf die Diskutanten hier, von denen sich offensichtlich viele mit dem Thema katholische Kirche beschäftigt haben und deswegen TvE in einem anderem Zusammenhang sehen. Auch wenn ich TvE für einen modernen Sündenbock halte, kann man durch den konkreten Fall über selbstherrliche kirchliche Strukturen sprechen.

  9. avatar

    …nebenbei zur Erbauung: über die Eigenart der Kirche, soviel Geld wie möglich zu nehmen, um gegen den Mammon zu kämpfen, wird sich schon bei Faust amüsiert:

    So ist man recht gesinnt!
    Wer überwindet, der gewinnt.
    Die Kirche hat einen guten Magen,
    Hat ganze Länder aufgefressen
    Und doch noch nie sich übergessen;
    Die Kirch allein, meine lieben Frauen,
    Kann ungerechtes Gut verdauen.

    Besonders gelungen auch der Auftritt des Erzbischofs (mit Auslassungen zitiert):

    KAISER.
    Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt;
    Die Grenze sei von dir nach eignem Maß gesteckt.

    (Erzbischof fordert eine teure Kathedrale ganz wie in Limburg, geht ab, kehrt aber beim Ausgang um, weil noch nicht genug hat.

    ERZBISCHOF Dann widmest du zugleich dem Werke, wie’s entsteht,
    Gesamte Landsgefälle: Zehnten, Zinsen, Beth‘,
    Für ewig.

    KAISER.
    Die Sünd‘ ist groß und schwer, womit ich mich beladen;

    ERZBISCHOF abermals zurückkehrend, mit tiefster Verbeugung.
    Verzeih, o Herr! Es ward dem sehr verrufnen Mann
    Des Reiches Strand verliehn; doch diesen trifft der Bann,
    Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle
    Auch dort den Zehnten, Zins und Gaben und Gefälle.

    KAISER verdrießlich.
    Das Land ist noch nicht da, im Meere liegt es breit.

    ERZBISCHOF.
    Wer ’s Recht hat und Geduld, für den kommt auch die Zeit.
    Für uns mög‘ Euer Wort in seinen Kräften bleiben!

    KAISER allein.
    So könnt‘ ich wohl zunächst das ganze Reich verschreiben.[

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    KJN. … medienwirksam gewährt. Wem gefällt das wohl mmh? Ist das Ihr Geschmack?
    Wie lange haben die gebraucht, bis sie sich von dem über Abgasprobleme bei der “Kremation” sinnierenden Williamson getrennt haben?

    … nein, das ist nicht mein Geschmack. Ich zitiere aus dem Artikel: ‚Die Totenmesse am Priorat der Piusbruderschaft sollte ohne Medienöffentlichkeit stattfinden, aber öffentlich zugänglich sein. Der linke Bürgermeister der Stadt machte Ort und Uhrzeit jedoch bekannt und fand sich selbst vor dem Prioriat ein, um die Gegendemonstranten anzufeuern. Nachdem Demonstranten das Gelände zu stürmen versuchten, wurde der Zugang abgesperrt.‘

    … und weiter aus dem Artikel: es gab keinen Aufmarsch rechtsextremer Gruppen … Gekommen sind … gewalttätige Linksextremisten und der ewige Mob, der noch zu jeder Zeit nach der Kreuzigung verlangte.

    Warum die Piusbruderschaft, Ihrer Meinung nach, zu lange gebraucht hat, ‚bis sie sich von dem über Abgasprobleme bei der “Kremation” sinnierenden Williamson getrennt haben‘ – dazu müssen Sie die schon selber fragen.

    (Ihr Vergleich: Geschiedene … Vergewaltigung … Abtreibungen … mit Priebkes Beerdigung – finde ich geschmacklos.)

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    @Moritz Berger: nunja, als „Führungskraft“ hat er sein Projekt ja immerhin sehr trickreich realisieren können. Und was unter „Verantwortung“ bei einem Bischof zu verstehen ist, weiß ich nicht zu sagen. Vielleicht so, dass es seine Verantwortung ist, einen prachtvollen Bischofssitz zu bauen? Vielleicht auch anders, aber das ist (wie gesagt) das Bier der Kirche. Die müssen intern regeln, was sie wollen, und der Bischof muss das dann verantwortlich umsetzen. Hier scheint es nun ein kircheninternen Disput zu geben. Wenn sie sagen, Geld ist schlecht, drum lasst es uns zum Fenster hinauswerfen, um Gott zu huldigen! so ist das auch eine Ansage, gemäß der man verantwortlich handeln kann.

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    Das Problem scheint sich auf das Verhältnis Kirche-Staat zu konzentrieren. Die Kirche ist ja eine Institution, die sich dem Kampf gegen den schnöden Mammmon verschrieben hat (weiter oben gibt es demensprechend geschriebene Kommentare zu lesen) und deshalb das Geld gern verachtungsvoll zum Kirchenfenster herauswirft. Vorher aber saugt sie sich mit Mammon voll, so gut es geht: neben Kirchensteuern, Kompensationszahlungen, staatlichen Transfers bettelt sie noch um Omas letzten Cent, der am Sonntag im Klingelbeutel landen soll. Von ihren Besitztümern, Anteilen, Rück- und Anlagewerten ganz zu schweigen. Die Kirche nimmt den Leuten ihre Sorgen, ihre Geldsorgen und ihr Geld. Das war schon immer so, und es nutzt nichts, diese Eigenschaft z.B. als „Missbrauch“ zu kritisieren.

    Der Staat, auf der anderen Seite, quetscht die Hartzer wie eine Zitrone aus, schnüffelt ihren Geldbewegungen hinterher und bedeckt sie zudem noch mit diesem albernen Spottreim „Fördern & Fordern“. Der Kirche dagegen schiebt er seit Jahrhunderten Gelder zu, ohne irgendein „Fordern“ damit zu verbinden.

    Angesichts der soeben beschriebenen Eigenschaft der Kirche, grundsätzlich alles Geld, dessen sie habhaft werden kann, als Feind zu betrachten, den man wie ein Schwamm aufsaugen muss, ist es lächerlich, wenn der Staat (bzw. seine Vertreter der „4. Gewalt“) plötzlich jammert, dass man ihn bzw. seine Gelder missbraucht. Davon kann keine Rede sein; ER ist es, der seine eigene Dummheit korrigieren muss.
    Wenn mir jemand Geld zahlt, ohne damit klare Forderungen zu verbinden, dann muss er sich nicht wundern, wenn ich das Geld ausgebe und im Zweifelsfall auch immer wieder gern verprasse.

    Die Moral von der Geschicht: Wer Geld an jemanden zahlt, sollte sich nicht wundern, wenn dieser Jemand es auch ausgibt. Wenn man will, das es nur in einem bestimmten Sinne ausgegeben wird, sollte dies VOR der Zahlung klar vereinbart sein. Inkl. eindeutiger Forderungen, Kontrollen und Nachweise.

    @KJN: Ich glaube schon, dass es ein systematisches Problem ist (das nichts mit Kirche/Staat zu tun hat), dass die Kalkulationen, die am Anfang eines Projektes stehen und über seine Umsetzung entscheiden, IMMER viel zu niedrig sind. Unabhängig von den jeweils beteiligten Leuten. Vielleicht sollte man die Firmen, die diese Kostenvoranschläge einreichen, um den Auftrag zu bekommen, viel stärker in Haftung nehmen und im Zweifelsfall pleite gehen lassen, wenn sie ihre Kostenvoranschläge nicht realisieren können. Nach dem Motto: höhere Gewalt gibt es nicht. Schließt im Zweifelsfall eine Versicherung ab, die für den Ausfall aufkommt.

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    Fiel mir auf:
    Lieber Herr Posener,

    Sie schreiben:

    „Mir schreibt ein bekannter Rechtsanwalt aus Hamburg:……“

    Was wäre wohl gewesen. wenn Sie geschrieben hätten:

    Mir schreibt ein Rechtsanwalt aus HH

    oder

    mir schreibt „Otto Normalverbraucher“ aus HH

    🙂 🙂 🙂

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    @KJN

    „Nee, wir brauchen nicht unbedingt immer irgendein (neues) System, sondern einfach Leute, die ihren Job machen (und dabei eigene nachvollziehbare Maßstäbe behalten, oder überhaupt entwickeln) – das wär’ schon ein enormer Fortschritt“

    Wieso eigene Maßstäbe entwickeln ???

    Es ist doch alles da:

    9. Gebot:

    Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten

    Das 11. Gebot:

    Du sollst realistische Kostenplanungen machen.

  15. avatar

    @RZ
    „Wir brauchen irgendein System der Projektplanung, das verhindert, dass die Kostenvoranschläge größerer Projekte die tatsächlichen Kosten geradezu verspotten.“
    Nee, wir brauchen nicht unbedingt immer irgendein (neues) System, sondern einfach Leute, die ihren Job machen (und dabei eigene nachvollziehbare Maßstäbe behalten, oder überhaupt entwickeln) – das wär‘ schon ein enormer Fortschritt..

    @hans
    Zitieren Sie doch besser das aus dem Artikel:
    „Rache und Haß soweit zu treiben, dem Feind ein Grab zu verweigern, bedeutet nicht, die Opfer dieses Feindes zu ehren. Erst recht nicht hat es etwas mit Gerechtigkeit zu tun.“
    Hat es nämlich auch nicht, weil es die, die da pöbeln mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine Opfer waren und sich Rache anmaßen.
    Wer weiß, was damit kompensiert werden soll – widerlich.
    Und einem, der selber Barmherzigkeit nicht kannte, eine menschenwürdige Beerdigung zu ermöglichen – unter den jetzigen Umständen – geschenkt. Das ist barmherzig oder zivilisiert, je nachdem ob man religiös oder Atheist ist.
    Die Piusbrüder allerdings scheinen durchaus, zumindest für mich ersichtlich, bei der Bemessung der Barmherzigkeit bemerkenswerte Unterschiede zu machen:
    Während Geschiedene oder nach Vergewaltigung abgetrieben habende Frauen keine Barmherzigkeit mehr erhalten, wird sie dem aktiven Massenmörder, der bis zuletzt keine Reue zeigte, ganz demonstrativ und..
    „Die Totenmesse am Priorat der Piusbruderschaft sollte ohne Medienöffentlichkeit stattfinden, aber öffentlich zugänglich sein.“
    .. – was ja wohl ein Witz ist –
    medienwirksam gewährt. Wem gefällt das wohl mmh? Ist das Ihr Geschmack?
    Wie lange haben die gebraucht, bis sie sich von dem über Abgasprobleme bei der „Kremation“ sinnierenden Williamson getrennt haben?

  16. avatar

    @Roland Ziegler

    Zum Projektmanagement hier nochmals Flyvbjerg:

    http://www.spiegel.de/wirtscha.....76610.html

    Was den Bischof betrifft:

    auch wenn er kein Kaufmann ist trägt er doch Verantwortung (auch wenn Alan Posener nur anerkennt dass er den “ Heiligenschein trägt “ 🙂

    Und er hat sicherlich nicht nur aufgrund seiner Leistungen im Theologiestudium den Posten als Bischof erlangt, sondern auch weil er eine
    “ Führungskraft “ ist.

    „Den guten Steuermann lernt man erst im Sturme kennen.“

    Seneca

    „Ein gescheiter Mann muss so gescheit sein, Leute anzustellen, die viel gescheiter sind als er“

    Kennedy

    „In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst.“

    (Heiliger Augustinus)

  17. avatar

    Stevanovic: Er tut mir immer noch leid, nur je mehr ich nachdenke, desto einleuchtender ist mir die gesellschaftliche Notwendigkeit einer Figur des Sündenbocks.
    Nach Griechen, Hartz IV und Gutmenschen, warum nicht mal ein Bischoff?

    (Wiki: ‚Als Sündenbock wird umgangssprachlich jemand bezeichnet, dem man die Schuld für Fehler, Misserfolge oder sonstiges Konfliktpotential zuschiebt.‘)

    … mag sein, dass archaische Kulturen/Lehren den Sündenbock benötigen, warum auch immer.

    Die ‚Kirche Christi‘ braucht keinen Sündenbock.

  18. avatar

    Massenhafter Missbrauch wird keinesfalls durch die Regelmäßigkeit der Vorkommnisse legitimiert. Dafür braucht man nicht einmal zu wissen, was Missbrauch genau ist. Die Frage ist vielmehr, wann ist es legitim, aus der Masse der Fälle einen Fall herauszunehmen, ihn zu isolieren, auf ihn zu zeigen und zu maßregeln? Immer? Ich würde sagen: als Einzelfall nur dann, wenn er besonders schlimm oder besonders eindeutig ist. Beides kann ich im vorliegenden Fall nicht erkennen. Wenn das so ist, hat man sich an die Regelmäßigkeit des massenhaften Missbrauchs zu wenden und den Einzelfall nur als Beispiel zu verwenden. Aber das geschieht hier nicht. Im Gegenteil wird der Einzelfall skandalisiert, mit dem Effekt, dass von der Regelhaftigkeit abgelenkt wird. Nach dem Motto: „Seht was für ein schlimmer Mensch! Er hat unser Geld und unser Vertrauen arg missbraucht! Aber wir – wir machen sowas nicht; wir haben damit nichts zu tun. Wir vertrauen einander, glauben unseren Kostenvoranschlägen, sind Optimisten und optimieren unsere Bilanzen.“

  19. avatar

    In einem Punkt sind wir uns alle einig: Wir brauchen irgendein System der Projektplanung, das verhindert, dass die Kostenvoranschläge größerer Projekte die tatsächlichen Kosten geradezu verspotten. Dieses Phänomen ist ein echtes, ständig auftauchendes, anprangerungswürdiges Problem. Und vom blondenhans abgesehen können wir uns sicher auch noch darauf einigen, dass die Zahlungen des Staates an die Kirchen besser durchleuchtet und hinterfragt werden sollten, oder?

  20. avatar

    @EJ: (Massenhafter) Missbrauch – das ist ein sehr schillernder Begriff. Bevor ich das näher ausführe, will ich kurz erklären, was ich meinte, als ich sagte, dass das wir das alle so machen. Wir leben alle (mehr oder weniger) in vorgefundenen Verhältnissen, erfassen unsere Möglichkeiten, fassen Ziele und versuchen, diese Ziele zu erreichen. In diesem Sinne setzen wir uns z.B. in ein Flugzeug, um unser Ferienziel zu erreichen; dfie Tatsache, dass mit dem Kerosinverbrauch ein „Missbrauch“ verbunden ist, ändert an unserem Verhalten gar nichts.

    In diesem Sinne gab es mal einen jungen Tebartz-van Elst, der irgendwann anstrebte, eines Tages als Bischof in einem glanzvollen Sitz zu residieren, um die Ehre seiner Kirche zu erhöhen, nehmen wir mal an. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er die knauserige Kirche dazu bewegt, 30-40 Millionen auszugeben. Das ist nicht übel. Soweit ich sehe wurden dabei keine illegalen Mittel, nicht mal unübliche angewendet. Dass der Kostenvoranschlag das Papier nicht wert war, auf dem er gedruckt ist, ist ein vorgefundenes Verhältnis: das ist immer so. Das MUSS sogar so sein; sonst kann man so ein Projekt von vornherein vergessen. Er hat den Bedingungen entsprechend gehandelt und sein Ziel erreicht. (Fast ereicht, weil man ihn und sein Projekt kurz vor Schluss doch noch scheitern lassen möchte.) Weder wurden dabei die Bedingungen (zumindest quantitativ) außerordentlich ausgeweitet, noch hat die öffentliche Hand einen bezifferbaren Schaden erlitten.

    Ist der Bischof ein lausiger Kaufmann, wie Moritz Berger meint, einer, der von Treu & Glauben (im Sinne des alten Buddenbrooks) nichts versteht?
    Ja und nein. Ja, weil er für unrealistische Kalkulationen verantwortlich ist. Nein, weil er gar kein Kaufmann ist, sondern ein Bischof. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob er ein guter oder schlechter Kaufmann ist, weil er überhaupt kein Kaufmann ist.

    Jetzt kurz zum Missbrauch. Das ist etwas, was in der Sphäre der Legitimität ansiedelt ist – nicht in der Legalität (es sei denn, Sie meinen Kindesmissbrauch o.ä., also Straftatbestände). Wann etwas missbräuchlich ist und wann es eine „Optimierung“ darstellt, ist völlig unklar. Optimierung bedeutet, den maximalen Profit unter minimalem Einsatz, d.h. optimaler Ausnutzung aller Bedingungen, herauszuholen. Wann wird das zu Missbrauch? Wer legt sowas fest? Ist erlaubt, was nicht verboten ist? Im Sinne des Staates: ja. Die Moral gibt oft eine andere Antwort, aber weil es verschiedene Moralen gibt, gibt es entsprechend verschiedene Antworten.

    Ich würde die Frage gerne an Sie zurückgeben und Sie fragen, was genau hier der Missbrauch ist und inwiefern dieser Fall aus der Masse derart herausragt, dass man ihn der Öffentlichkeit vorführen muss?

    Sind 30-40 Millionen für einen Bischofssitz so viel, dass es klarer Missbrauch ist? Und 200 Millionen für eine Eingangshalle nicht? Oder handelt es sich im Gegenteil um eine besonders gute, besonders lobenswerte Verwendung von Kirchengeldern, die ansonsten in irgendelchen An- oder Rücklagen vor sich hinschimmeln würden? Und als Gedankenexperiment: Nehmen wir spaßeshalber mal an, die 30- 40 Millionen wären eine sehr günstige Summe für einen solchen exorbitanten Prachtbau; wäre es dann immer noch Missbrauch?

  21. avatar

    Er tut mir immer noch leid, nur je mehr ich nachdenke, desto einleuchtender ist mir die gesellschaftliche Notwendigkeit einer Figur des Sündenbocks.

    Nach Griechen, Hartz IV und Gutmenschen, warum nicht mal ein Bischoff?

  22. avatar

    Lieber Herr Posener,

    ein wenig muß ich doch bei diesem Satz schmunzeln:

    „@ Moritz Berger: einmal geht es natürlich um die absolute Summe Je teurer das Projekt, desto kleiner fallen prozentual die Mehrkosten an“

    Ich hatte Ihr Beispiel aus Berlin gebracht:

    “Höre gerade, das neue Eingangsgebäude für die Museen auf der Museumsinsel in Berlin wird schon mal 30 Mio. teuerer als veranschlagt, also 200 Mio. statt 170 kosten.

    Daher noch einmal von vorne:

    Planungskosten 170 Mill.
    (wahrscheinliche) Herstellkosten 200 Mill.

    Wenn mein %Rechnung stimmt, komme ich auf eine Kostenüberschreitung von 18 %

    Limburg:

    Planungskosten 5 Mill.
    (wahrscheinliche Herstellkosten 40 Mill.

    Wieviel % ist hier die Überschreitung?

    Oder nehmen Sie die Elbphilharmonie:

    Planungskosten 70 Mill.
    HSK (wahrscheinlich) 770 Mill.

    Ich gebe zu , der Umgamg in diesen Tagen mit den Zahlen sprengt oftmals jede gedankliche Dimension, siehe onshore banking, Rettungsschirm oder auch Menschenhandel etc.

    Und bei der Prozentrechnung muß ich auch oftmals nachdenken 🙂

    Dennoch :

    Machen Sie hier mit Ihrer aussage nicht eine Fehler;

    „Je teurer das Projekt, desto kleiner fallen prozentual die Mehrkosten an“

    P.S Im Zusammenhang mit Kostenüberschreitungen illustriert der Bau der Oper in Sydney immer noch sehr gut die Kostenüberschreitungen:

    „Dies trug dazu bei, dass die ursprünglich festgesetzten Baukosten von 3,5 Millionen £ am Ende bei über 50 Millionen £, also dann 100 Millionen Australische Dollar“

    Von 3,5 Mill. auf 100 Mill. !!!

    aus:http://de.wikipedia.org/wiki/S.....Entstehung

    Und was die Vermutung betrifft, dass die usprünglichen Planungskosten bereits höher gewesen ist. Da kann ich Ihnen durchaus zustimmen.

    weil:

    Die Methode, erst einmal ein sehr niedriges “ Preisschild “ an geplante Bauvorhaben im öffentlichen Bereich zu setzen ist “ üblich „..

    weil sonst das Bauprojekt nicht akzeptiert werden würde. Daher werden auch oftmals Gesamtbauvorhaben in kleinere “ Kostenmodule “ zerlegt (siehe wahrscheinlich auch Limburg)

    “ Nachtragsmanagement “ kennen alle am Bau Beteiligten !!:-) 🙂

    siehe auch:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Nachtragsmanagement

    Und da Sie sich (schon aufgrund Ihrer Gene) mit baulichen Dinge beschäftigen, hier ein paar Gedanken von einem zu Kostenüberschreitungen im öffentlichen Sektor (ich bin so frei die kirchlichen Bauten hinzuzurechnnen):

    http://www.ibl.uni-stuttgart.d.....gesetz.pdf

    Und für Sie als Germanist sicherlich interessant:

    Auch im Narrenschiff von Sebastian Brand wird bereits 1494 die Kostenüberschreitung zum Thema gemacht.

    In neuerer Zeit ist es vor allem Flyvbjerg Holm:

    http://flyvbjerg.plan.aau.dk/JAPAASPUBLISHED.pdf

    http://flyvbjerg.plan.aau.dk/T.....NTJAPA.pdf

    der dieses “ Phänomen “ untersucht.

    Außer den “ Ratiogründen “ sind es oftmals auch psychologische Gründe die zum Versagen bei den Kostenschätzungen führen.

    Meine These ist daher, wir sollten nicht immer den homo oeconomicus als Ratgeber heranziehen, sondern uns vielleicht auch öfter von einer “ intuitiven “ Einschätzung leiten lassen, um solche Fehlallokationen zu verwenden.

    Der Berliner Wissenschaftler Gerd Gigerenzer ist für mich persönlich zunehmend Vorbild bei der Betrachtung von wirtschaftlichen (und auch sozialen) Vorgängen:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Gigerenzer

    „Bauchentscheidungen
    Gigerenzer kritisiert kognitive Modelle, die das Fällen von Urteilen und Entscheidungen als das Resultat komplexer unbewusster Algorithmen betrachten, die eine möglichst rationale Entscheidung aus der Gesamtheit der verfügbaren Informationen errechnen. Diesem Ansatz folgt die oftmals in der Ratgeber- und Unternehmensberatungsliteratur zu findende Empfehlung, bei Entscheidungsfindungen möglichst analytisch vorzugehen, Vor- und Nachteile aufzulisten und genau gegeneinander abzuwägen. Gigerenzer sieht das aber als Beispiel für eine Abweichung von der alltäglichen Entscheidungsfindung, die er für wenig erfolgreich hält.“

    Hier ein paar Buchtipps:

    Risk Savvy. (…), deutsch: Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. C. Bertelsmann Verlag, München 2013, ISBN 978-3-570-10103-2.

    Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. Bertelsmann, München 2007, ISBN 978-3-570-00937-6 (engl.: Gut Feelings. Viking, New York 2007, ISBN 978-0-670-03863-3)

    Das Einmaleins der Skepsis. Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. Berlin Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8270-0079-3

    oder auch:

    Rationality for Mortals (2008)

    Viel Spaß bei der spannenden Lektüre

    P.s. Wer würde vermuten dass Gigerenzer Direktor des Max Planck Instituts für Bildungsforschung in Berlin ist :-9

  23. avatar

    Bei solchen Fällen wie dem des Limburger Bischofs schlägt wieder die Stunde der Heuchler – das hat übrigens absolut nichts mit 68ern oder so zu tun.Heuchler gibt es links wie rechts.Ich hatte mal einen sehr gutverdienenden Nachbarn.Er und seine Frau hatten dann auch ganz begierig alles Skandalträchtige aus dem Kirchenbereich aufgegriffen,bis sie dann endlich einen Vorwand,sprich:eine Ausrede hatten,um aus der Kirche austreten zu können.Die waren erzkonservative Unionswähler,also keine 68er,und lediglich darauf bedacht,keine lästigen Kirchensteuern mehr zahlen zu müssen.Sie waren schlicht geldgierig.Dafür brauchten sie nur einen Vorwand,denn als Konservativer kann man ja schon aus ideologischen Gründen nicht so mirnichtsdirnichts die Kirche verlassen…

  24. avatar

    @ Alan Posener

    Welcher Architekt hat gesagt, Kosten von 30 Millionen Euro hätten von Anfang an im Raum gestanden? Es gab ja mehrere Planungen.

    Mein Kenntnisstand ist, dass das Büro Frielinghaus im Mai 2010 beauftragt wurde und damals allen „EIngeweihten“ angeblich klar war, dass die neuen Planungen ca. 30 Millionen Euro an Kosten verursachen würden.

    http://mobil.n-tv.de/panorama/.....34891.html

    Und 2010 war TvE ja schon im Amt.

    Bischof Kamphaus hätte dem Bau in seiner jetzigen Form wohl nie zugestimmt.

    http://www.stern.de/panorama/u.....64325.html

    Wenn ich es richtig erinnere, stand mal in der Bild, dass Bischof Kamphaus auf einen nicht kleinen Teil seines Bischofssoldes während seiner Dienstzeit verzichtet hat. Er fuhr einen Polo und wohnte in einer Wohnung im Priesterseminar. In seine Dienstwohnung ließ er zeitweise eine Flüchtlingsfamilie wohnen.

    http://www.stern.de/panorama/u.....64325.html

    Wenn es nur Bischöfe wie Franz Kamphausen gäbe, würden sicherlich weniger Leute aus der Kirche austreten.

  25. avatar

    [Um Roland nicht falsch zu zitieren, noch mal mit korrekter Formatierung:]

    @ Moritz Berger: mir schreibt ein bekannter Blogger

    Danke für den Hinweis. Interessant! Guter Mann!

    @ Roland Ziegler: geradezu klassische Spießerei, davon nichts wissen zu wollen und stattdessen lammfromm in die Kirche zu gehen.

    Hm … und wenn diese Haltung, wie in diesem Thread, auch noch auf den Staat ausgedehnt wird – das machen alle, wie Sie sagen – dann ist das keine klassische Spießerei mehr?

    Das ist aber nicht schlimm; das machen alle. – “Massenhafter Missbrauch (von wem oder was auch immer) legitimiert den Missbrauch” – das wäre dann die gesuchte Formel?

  26. avatar

    @ Moritz Berger: einmal geht es natürlich um die absolute Summe Je teurer das Projekt, desto kleiner fallen prozentual die Mehrkosten aus. Übrigens scheinen sich die „5 Millionen“ zunehmend als Gerücht aufzulösen. Der Architekt meint, Kosten von 30 Mio. hätten von Anfang an im Raum gestanden. Und der Anfang lag vor der Amtszeit TvEs.
    Und dann:
    http://www.welt.de/wirtschaft/.....Griff.html

  27. avatar

    @ Moritz Berger: mir schreibt ein bekannter Blogger

    Danke für den Hinweis. Interessant! Guter Mann!

    @ Roland Ziegler: geradezu klassische Spießerei, davon nichts wissen zu wollen und stattdessen lammfromm in die Kirche zu gehen.

    Hm … und wenn diese Haltung, wie in diesem Thread, auch noch auf den Staat ausgedehnt wird – das machen alle, wie Sie schreiben – dann ist das keine klassische Spießerei mehr?

    Das ist aber nicht schlimm; das machen alle. – „Massenhafter Missbrauch (von wem oder was auch immer) legitimiert den Missbrauch“ – das wäre dann die gesuchte Formel?

  28. avatar

    @68er
    Warum deligiert denn unsere Nomenklatura ureigenste Aufgaben? Weil sie nur verwalten möchte.
    Ich kenne Katholiken, die empfehlen aus genau diesem Grunde Kirchenaustritte. Leider sind die auch
    durchgeknallt..

  29. avatar

    .. und was die „Expertenkommission“ betrifft: Anscheinend auch hier wieder mehr Schein als Sein, mehr „Funktionsträgerschaft“ als Arbeit, mehr Titel als Funktion, mehr Form als Inhalt usw. usf:
    Des Kaisers neue Kleider. Das macht schon langsam Angst..

  30. avatar

    @ KJN

    Grundsätzlich hätten Sie recht, wenn die katholischen Kirche nicht jährlich mit Milliarden Steuergeldern subventioniert würde. Allein der Verlust an Einkommensteuer, der durch die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer entsteht, beträgt jährlich mehr als 1,5 Milliarden Euro. Da würde mich auch als Nichtkatholik interessieren, was die Katholiken so treiben.

    Den Einfluss des katholischen „Kapitals“ sollte man nicht unterschätzen. Gerade im Gesundheitswesen gehören die Kirchen zu den Big Playern. Und wenn man sich in einer katholisch geprägten Gegend die Lokalpolitik anschaut, wird man nicht selten feststellen, dass strategisch wichtige Citygrundstücke der katholischen Kirche gehören, die dann bei Investitionsentscheidungen ein Wörtchen mitzureden hat. Das Problem mit der mangelnden Mitbestimmung hatte Herr Posener schon angesprochen.

    Dann sitzend die Kirchen immer noch in den Rundfunkräten, lassen ihre Steuern von den Finanzämtern eintreiben etc. pp.

    Wenn sie darauf verzichten, würde Liberalismus herrschen und erst dann ginge das Bauprojekt von Tebartz-van Elst keinen Nichtkatholiken etwas an.

  31. avatar

    @Stevanovic
    „Kennt jemand einen Funktionär, bei dem das passiert ist? Einen Politiker, Wirtschaftskapitän, jemand von Bedeutung der wirklich tief gefallen ist?“
    Ich kenne nur die, die geopfert werden.
    Damit ich mich jetzt mal ganz unmöglich mache:
    Unsere hochangepasste, quasi kristalline Elite muss ab und zu einen Fremdkörper herauswerfen, um ihren hochreinen kristallinen Zustand zu erhalten. Die „Leistung“ in unserer „Bildungs, Wissens- und Leistungsgesellschaft“ besteht vor allen Dingen darin, Energie darauf zu verwenden, die jeweilige „reine Lehre“ der jeweiligen Nomenklatura zu verinnerlichen, also Anpassungsleistung. Das geht natürlich nicht ohne Verluste. Die tatsächliche Arbeit wird von den, wie Sie sagen, „Morlocks“ nach den Vorgaben dieser Nomenklatura geleistet (Qualitätssicherungssysteme). Das ganze basiert auf einer alternativlosen rational verbrämten Religion. Das Problem hierzulande ist wirlich, aus allem, aber auch allem direkt eine Religion zu machen.
    Liberale hingegen würden das Thema hier als innerkirchliche Angelegenheit einsortieren und es würden sich nur die aufregen, die es angeht: Katholiken.

  32. avatar

    Lieber Herr Posener,

    „Höre gerade, das neue Eingangsgebäude für die Museen auf der Museumsinsel in Berlin wird schon mal 30 Mio. teuerer als veranschlagt, also 200 Mio. statt 170 kosten. Aber er wird sich über solche Kleinigkeiten aufregen? Berlin hat ja das Geld.“

    Im Baubereich sind 18% Abweichung nicht sehr gravierend oder?

    Vielleicht machen Sie einmal die %Rechnung in Limburg auf.

    Ursprünglich 5 Mill. jetzt 31 Mill. (wahrscheinlich aber 40 Mill.)

  33. avatar

    @EJ: Das mit der Spießerei beziehe ich ausdrücklich nicht auf Ihren Standpunkt. Das Verhältnis Kirche-Staat und die dazugehörigen Machtstrukturen zu problematisieren ist natürlich keine Spießerei, ganz im Gegenteil: normalerweise ist es umgekehrt geradezu klassische Spießerei, davon nichts wissen zu wollen und stattdessen lammfromm in die Kirche zu gehen.

    Das meine ich aber nicht. Wir sollten Symbolpolitik vermeiden und deshalb dagegen angehen, wenn anhand eines Kirchenbaus ein Exempel statuiert und der Bischof zum Sündenbock für generelle Versäumnisse im Verhältnis Kirche-Staat gemacht wird. Ich will nicht behaupten, dass er damit nichts zu tun hätte; er nutzt das bestehende Verhältnis aus, um sein Haus zu bauen. Das ist aber nicht schlimm; das machen alle.

    @Stevanovic: Einerseits wird anhand des Bischofs ein Stellvertreterkrieg geführt: Kirche vs. Staat. Das finde ich wie gesagt unfair. Andererseits gibt es journalistische Anstifter, die gezielt eine Kampagne gefahren haben. Dies ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine Verschwörung (nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind), die ich anhand der Berichterstattung des FAS (andere Quellen habe ich nicht zur Kenntnis genommen) belegen könnte, wenn ich die Mühe bezahlt bekäme. Keine Ahnung warum, vielleicht hat der Bischof es versäumt, die betreffenden Journalisten bei irgendeinem Galaempfang mit einzuladen? Oder die Journalisten wollen sich profilieren? Es kann irgendein nichtiger, persönlicher Anlass sein, der das Ganze in Gang gebracht hat. Der Bildzeitung ist fast jeder Skandal, der lange genug gekocht wurde, recht, um ihn zu übernehmen und zu verstärken. Insb. wenn es gegen einen Freak geht. (Bei Guttenberg dauert das deutlich länger.)

  34. avatar

    Stevanovic: …. was macht es so wichtig, dass die ARD einen Brennpunkt macht? Eigentlich nichts.

    … doch, doch, das sind die Machtansprüche der Scheindemokraten. Derjenigen, die bis zur Erzwingungshaft selbst den Ärmsten der Armen eine ‚Demokratieabgabe‘ i.H.v. etwa 8.000.000.000 €/Jahr abknöpfen. (In Worten etwa 8 Milliarden €uro/Jahr.)

    Pfui Teufel. (Und hier gestatte ich meinen Hamster mal wieder einen 3-fachen Liebermann.)

  35. avatar

    Wie jeder Fall, hat auch dieser einen wahren Kern. Überforderte Funktionäre, Verschwendung, Doppelmoral. Gibt es was aufzuregen? Na auf jeden Fall. Aber so? Heute kommt das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes raus: Im Radio habe ich 3 Fälle gehört, in denen mehr Geld ohne jedes Ergebnis verbuddelt wurde, ohne Konsequenzen. Was soll das also mit TvE, was macht es so wichtig, dass die ARD einen Brennpunkt macht? Eigentlich nichts. Außer das, dass Volk eine rituelle Schlachtung will (treffendes Bild).
    Jetzt mal eine provokante These, die mir eben kam, also noch unausgegoren ist: Ich kenne einige Durchschnittsbürger, deren Karriere nach Fehlern ein jähes Ende nahm. Ohne Erbarmen, denn so ist die Welt. Kennt jemand einen Funktionär, bei dem das passiert ist? Einen Politiker, Wirtschaftskapitän, jemand von Bedeutung der wirklich tief gefallen ist? Vielleicht sind wir Spießbürger wirklich die Morlocks aus HG Wells „Time Machine“, leben im gefühltem Dunkeln und greifen uns via Medien ab und zu einen der empfundenen Eloys, für die wir arbeiten und von denen wir uns dauererregt ausgenutzt fühlen. Das gibt uns dann Kraft, weiterhin unser Tagewerk zu verrichten. Wir erleiden nicht nur Druck, wir können nur Druck ausüben. Dann wäre TvE tatsächlich ein Opfer zum Wohle der Gemeinschaft. Ein Opfer, das regelmäßig erbracht werden muss, damit die Morlock in der Höhle bleiben und die Eloys die Sonne genießen können. Womit die ganze Aufregung über TvE und die Aufregung über die Aufregung ziemlich sinnlos ist, weil es ohne Menschenopfer gar nicht geht. (?)

  36. avatar

    Höre gerade, das neue Eingangsgebäude für die Museen auf der Museumsinsel in Berlin wird schon mal 30 Mio. teuerer als veranschlagt, also 200 Mio. statt 170 kosten. Aber er wird sich über solche Kleinigkeiten aufregen? Berlin hat ja das Geld.
    Höre auch, dass der Vatikan seit 2010 über die Kosten des Limburger Diözesanzentrums informiert war. Anscheinend wussten alle bescheid, nur nicht die zuständige Expertenkommission.

  37. avatar

    @ Roland Ziegler: Die Angelegenheiten des Staates gehen mich als Staatsbürger etwas an […] die Empörung über den Bischof [ist] im Gegensatz zu denen über den Minister und den BuPrä eine reine Spießerei.

    Ihr Wort in Gottes Ohr! Aber ein bisschen kommt es mir so vor, als hätten Sie von Religion, ihrem Machtanspruch und ihrer Macht (insbesondere in Kombination mit der von KJN genannten universal verfügbaren Volksseele) noch nie gehört. Oder als glaubten Sie an das „Ende der Geschichte“ und hielten den „erreichten“ Limburger status scurrilis für den finalen.

  38. avatar

    Lieber Herr Posener,

    mir schreibt ein bekannter Blogger:

    „Im Grunde handelt es bei dem, was gerade geschieht, um die Fortsetzung der Auseinandersetzung um die Öffentlichkeitsfrage im kirchlichen Missbrauchsskandal. Die Kirche wollte den Missbrauchsskandal weitgehend als eine innerkirchliche Angelegenheit behandeln, hatte kircheneigene Verfahren und Regeln entwickelt usw. usf. (Wir haben diese Unmöglichkeit damals hier, auf dem Blog, diskutiert.) Die Auseinandersetzung gipfelte 2010 dramatisch im Streit zwischen Zollitsch und Leutheusser-Schnarrenberger, die darauf bestand, dass die Kirche “endlich konstruktiv mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten” müsse.

    Die Öffentlichkeits- bzw. Machtfrage ging damals in der berechtigten Empörung über die konkreten Missbrauch weitgehend unter, zumal sie für den konkreten Fall auch mehr oder weniger improvisiert “gelöst” wurde. (Runde Tische.) Im Gegensatz dazu schlägt die Öffentlichkeits- bzw. Machtfrage jetzt so hohe Wellen und spitzt sich auf eine (dumm sture) Person zu, weil es in diesem Falle um nichts geht, was sie verdecken könnte. Insofern es jetzt konkret nicht um ein abgründiges Verbrechen oder dergleichen, sondern geradezu “um Nichts” bzw. allenfalls um Koppers Peanuts geht, geht es jetzt auch nur um die pure Öffentlichkeits- bzw. Machtfrage.

    Es geht, anders gesagt, in diesem vergleichsweise harmlosen und unkomplizierten Fall – “nix Glaube, nur Geld” – eben weil er harmlos und unkompliziert ist, geradezu paradigmatisch um die Frage, ob der demokratische Staat innerhalb seiner Grenzen Institutionen anerkennen, mit ihnen interagieren oder sie auch nur dulden darf, die sich ihm in ihrem institutionellen Charakter prinzipiell oder auch nur weitgehend verschließen und ein “Eigenrecht” behaupten.

    Mit seinem Schweigen behauptet Tebartz implizit, die ganze Angelegenheit sei ausschließlich eine innerkirchliche, und innerkirchlich auch nur eine, die ausschließlich die höchste Kirchenhierarchie betreffe. Damit schließt Tebartz jede Art von Öffentlichkeit aus, auch die innerkirchliche. Er praktiziert und symbolisiert damit ein Maximum an kirchlicher Öffentlichkeitsverweigerung. Andersherum formuliert: Er praktiziert und symbolisiert ein Maximum an klassischer Herrschaft – im demokratischen Staat! Die Kampagne gegen ihn – sie ist eine, und ich freue mich darüber – richtet sich genau dagegen.“

    Und mir schreiben auch bekannte Wirtschaftsprüfer:

    Der Bischof und sein Verwaltungsrat haben allem Anschein nach, nicht nicht den guten alten Kaufmannsregeln gehandelt:

    Klarheit und Wahrheit

    Und der Hamburger Pfeffersack, der hier Vergleichsmaßstäbe mit Thyssen etc. heranzieht der scheint alte Kaufmannsregeln, die auch immer noch in HH gelten, nicht zu kennen.

    Aber ich habe sogar Verständnis für Ihren Anwalt aus HH,

    weil… es soll in HH auch noch ehrbare Kaufleute geben, die Geschäfte per Handschlag abschließen und dazu braucht es keinen Rechtsantwalt 🙂

    Aber für Sie lieber Herr Posener sind die Grundsätze der ehrbaren Kaufleute der Ballast von vorgestern.

    Daher zur Erinnerung:

    „Das fachliche Wissen wird ergänzt durch einen gefestigten Charakter, der sich an Tugenden orientiert, die die Wirtschaftlichkeit fördern. Redlichkeit, Sparsamkeit, Weitblick, Ehrlichkeit, Mäßigkeit, Schweigen, Ordnung, Entschlossenheit, Genügsamkeit, Fleiß, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Reinlichkeit, Gemütsruhe, Keuschheit und Demut muss der Kaufmann in einem Lern- und Erziehungsprozess erwerben, um ein Ehrbarer Kaufmann zu werden. Die Tugenden dienen nicht primär dazu gute Taten zu vollbringen. Sie dienen der eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit, für ein erfülltes Leben mit langfristig ausgerichteter Geschäftstätigkeit. Weiterhin stärken sie die eigene Glaubwürdigkeit, die Vertrauen schafft, das für gute Geschäftsbeziehungen unerlässlich ist (Grundsatz von Treu und Glauben). Der feste Charakter schützt den Kaufmann auch vor unüberlegten Handlungen, um sich kurzfristig auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen. Im Ehrbaren Kaufmann sind Wirtschaft und Ethik nicht voneinander zu trennen, sie sind zu einer Einheit verschmolzen, mit dem Ziel erfolgreich zu wirtschaften (Wert zu schaffen).

    aus:http://de.wikipedia.org/wiki/Ehrbarer_Kaufmann

  39. avatar

    …nochmal zum Mitleid: nicht nur weil er etwas freakig wirkt, habe ich Mitleid. Sondern weil er sich angeblich zu Schulden kommen ließ, ein schönes teures Gebäude zu errichten. Wer schöne Gebäude baut und deswegen verfolgt wird, bekommt mein Mitleid. Ob er es haben will oder ihm damit gedient und nicht geschadet wird, sind wieder andere Fragen 🙂

    Das Mitleid entziehe ich ihm sofort, wenn das Gebäude so hässlich sein sollte, wie es Alexander Wallasch in seinem Cicero-Artikel vermutet.

  40. avatar

    @AP: Danke!
    @Stevanovic: Ähnliches hätte man doch auch schon bei Wulff über die sich in ihrer Reaktion selbst gleichschaltende Meute sagen können. Ich habe gar nicht soo doll viel Mitleid – jetzt mit TvE – aber ich finde die Haltung, die ich vielen – zugegeben – unterstelle, abstoßend, erst dann den Mund aufzumachen, wenn die Chance hoch ist, daß damit jemand effektheischend zur Strecke gebracht werden kann. Daß man gleichzeitig auch auf die katholische Kirche eindreschen kann, kommt vielen dabei gerade recht. Damit kann man derzeit bekanntermaßen zeitgeistig gefahrlos mutig sein. Und „Freaks“ sehe ich eher wonders, aber das lass‘ ich mal lieber hier.

  41. avatar

    @Stevanovic/KJN: Die Lust am Niedergang hoher Tiere mag ein Aspekt sein, der den Skandalen gemein ist, aber ich glaube trotzdem, dass es nennenswerte Unterschiede gibt. Selbst wenn die Lust am Skandal überall dieselbe ist, so ist der Skandal doch jeweils ein anderer und anders zu bewerten. Zu Guttenberg hat betrogen, geleugnet und wissentlich gegen ausformulierte akademische Regeln verstoßen; deshalb musste er aus einem staatlichen Ministeramt weichen. Wulff (der das Gegenteil des Freaks darstellte) entsprechend aus dem Amt des Staatspräsidenten. Diese Angelegenheiten des Staates gehen mich als Staatsbürger etwas an.

    Der Bischof dagegen baut seinen opulenten Sitz zumindest in erster Linie mit kirchlichen Geldern. Ich kann keinen Betrug oder sonst ein Vergehen feststellen, weswegen der Staat und mit ihm die Staatsbürger in Aktion treten müssten (lassen wir mal die eidesstattlichen Erklärungen beiseite). Hier wurden keine Regeln gebrochen, und inoffizielle, ungeschriebene Regeln gelten nicht, deshalb dürfen auch Bücher wie „1000 legale Steuertricks“ veröffentlicht werden. Also ist die Empörung über den Bischof im Gegensatz zu denen über den Minister und den BuPrä eine reine Spießerei.

    Zum Mitleid: Klar hat man mit Freaks und Außenseitern eher Mitleid als mit feist auftrumpfenden Seehofertypen. Das ist doch selbstverständlich; wieso sollte das anders sein? Mitleid ist bestimmt nicht die schlechteste menschliche Eigenschaft.

  42. avatar

    @KJN

    Sehe ich auch so, würde es aber nicht auf die heutige konkrete Lage beziehen. Vor 1000 Jahren hätten die Menschen auch ihre Freude gehabt. Ob das unsympathisch ist, naja, ich ertappe mich auch dabei, solche Fälle voyeuristisch zu genießen. Es ist auf jeden Fall nicht wirklich aufgeklärt, das war es in den Plagiats und Übernachtungsaffären aber auch nicht. So gesehen hat das keine Person verdient, deswegen hält sich mein Mitleid mit der konkreten Person auch in engen Grenzen. Es gab schlimmere Fälle der medialen Kreuzigung, ohne besinnliches Mitleid von Springer-Redakteuren.

    Die Frage ist also nicht, warum alle auf TvE einhacken, das ist business as usual. Warum haben wir gerade mit ihm Mitleid? Ich habe es und ich glaube aus nur einem Grund: weil er wie ein hilfloser Freak wirkt. Was mein Mitleid als wieder als unaufgeklärtes Vorurteil outet.

    Also Frage: Warum Mitleid GERADE mit TvE, wenn uns die anderen bis jetzt weitgehend schnuppe waren?

  43. avatar

    Lieber 68er: Nach der Definition von „Kampagne“, die Sie anführen, würde ich nicht von einer Kampagne reden. Denn ich unterstelle keineswegs, dass es so etwas wie ein geheim agierendes, die Fäden ziehendes Zentrum gibt, das TvE stürzen will, um … ja weshalb eigentlich?
    Jedoch glaube ich schon, dass es viele öffentlich agierende Zentren gibt, mit je unterschiedlichen Agenden, die gemeinsam eine Zuspitzung der Angelegenheit betreiben. Verschiedene Medien, klar: die einen aus Gegnerschaft gegen die Kirche oder gegen die „benedittinische Wende“, die anderen getrieben von der Lust, einen vermuteten Homosexuellen und „Rice Queen“ zur Strecke zu bringen; wieder andere schlicht und einfach aus Quotengeilheit. Dann gibt es natürlich die innerkirchlichen Querelen nach dem Abgang Benedikts. Dann wiederum die eigentlich Verantwortlichen für den Bau in Limburg, die allen Grund haben, einen Sündenbock zu finden. Und so weiter.
    Was nun die Empörung in der Öffentlichkeit betrifft, so spielen neben Homophobie, Romfeindlichkeit und Sozialneid („Badewanne für 15.000 Euro“) gewiss jene Faktoren eine Rolle, auf die Sie anspielen. Insbesondere das Gefühl, von reichen Abzockern verarsacht zu werden. Auch hier ist natürlich TvE eher Sündenbock als Täter, denn an die wirklichen Abzocker und Verantwortlichen kommen die Leute nicht heran, bzw. wählen sie ungerührt immer wieder ins Amt.
    Mir schreibt ein bekannter Rechtsanwalt aus Hamburg:

    „Bei der Pleite des Freizeitparks am Nürburgring, der den „Steuerzahler keinen Cent kosten sollte“ (Kurt Beck) wurden 254 Mio. Euro Steuergeld komplett versenkt. Statt der 1,7 Mrd. Euro (Wowereit, 2003) soll der Berliner Flughafen jetzt 4,3 Mrd. Euro und die Elbphilharmonie statt 114 Mio. Euro (2007) gute 789 Mio. Euro kosten. Das neue Stahlwerk von Thyssen in Brasilien belief sich in der Kalkulation auf 1,9 Mrd. Euro und wies am Ende 8 Mrd. Euro an Kosten aus. Aber öffentlich hingerichtet – wie kein anderer – wird Bischof Tebartz-van Elst, der einen Bau verantwortet (allein?), welcher statt 2,5 Mio. Euro nun über 40 Mio. Euro kosten soll. Die Vergleiche sollen ihn nicht rechtfertigen – nur aufzeigen, dass diese mediale Empörung inzwischen zur Inszenierung verkommt. Es geht in Wahrheit eben auch darum, sich am konservativen Katholizismus (dem ich als Protestant nicht nahe stehe) abzuarbeiten und mit Empörung und Hass Auflage zu machen. Es sollte uns nachdenklich stimmen, was hier geschieht und wie wir uns emotionalisieren lassen.“

  44. avatar

    Anscheinend ist der Frust über die Verhältnisse so verbreitet, daß in regelmäßigen Abständen jemand mit Position und Erfolg rituell geschlachtet werden muss, damit die Volksseele wieder beruhigt wird.
    Daß man sich dazu anscheinend nicht die Robustesten aussucht, macht diesen Charakterzug nicht sympathischer.

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