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Der Papst-Rücktritt oder die sieben Todsünden. Erstens: Der Stolz

Aus irgendeinem Grund sprachen Maria und ich über die sieben Todsünden. Ich meinte, die von der Kirche des Mittelalters genannten Sünden würde auch ein Atheist als Sünden – nicht gegen Gott, aber gegen den Menschen – anerkennen. Es sind die Sünden Stolz, Faulheit, Habgier, Neid, Völlerei, Wollust und Zorn.

Nun weiß ich – das setze ich in Parenthese – wohl, dass die Definition einer Todsünde durch die Kirche etwas komplizierter ist. (Wer sich dafür interessiert, kann das auf KathPedia nachlesen.) Diese „sieben Todsünden“ sind nach der kirchlichen Lehre eher „Wurzelsünden“ oder  Hauptlaster – sie bringen, wenn sie sich des Menschen bemächtigen, unweigerlich die Todsünde hervor. Mir geht es aber nicht um Theologie, sondern um Moral. Und da scheint mir die Auflistung dieser Charakterfehler oder Laster eine große Menschenkenntnis zu verraten. Die Kirche hätte wohl auch kaum ohne Menschenkenntnis 2000 Jahre überlebt.

Der Stolz ist meine Lieblingssünde, sagt irgendwo der Teufel. Was eigentlich ein Grund für Atheisten und Aufklärer sein müsste, den Stolz zu zelebrieren. Gemeint ist ja – religiös gesehen – die Anmaßung, ohne göttliche Gnade und Erleuchtung Erkenntnis und Heil gewinnen zu können. Trotzig bekennt Goethe diesen Stolz in seinem Gedicht „Prometheus“. Das endet so:

 

Ich dich ehren? Wofür?

Hast du die Schmerzen gelindert

Je des Beladenen?

Hast du die Tränen gestillet

Je des Geängsteten?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet

Die allmächtige Zeit

Und das ewige Schicksal,

Meine Herren und deine?

 

Wähntest du etwa,

Ich sollte das Leben hassen,

In Wüsten fliehn,

Weil nicht alle Knabenmorgen-

Blütenträume reiften?

 

Hier sitz‘ ich, forme Menschen

Nach meinem Bilde,

Ein Geschlecht, das mir gleich sei,

Zu leiden, weinen,

Genießen und zu freuen sich,

Und dein nicht zu achten,

Wie ich!

 

Dieser heroische Stolz ist bewundernswert dort, wo die Religion das öffentliche Leben kontrolliert, wie etwa in großen Teilen der islamischen Welt heute, wo auf ein solches Gedicht – als Zeugnis des Glaubensabfalls – die Todesstrafe stehen würde. Und auch im christlichen Europa  – 1774 – gehörte Mut dazu, so etwas zu schreiben. Daher „Zeus“. Noch in meiner Adoleszenz war der Einfluss der Kirchen so mächtig, dass wir das Gedicht – zusammen mit den Songs der Beatles, Stones und Bob Dylans – als Befreiung empfanden. Wie es heutigen Jugendlichen geht, weiß ich nicht.

Diesen trotzigen Stolz mag die Kirche als Sünde empfinden; ich kann ihn natürlich nur bewundern. Und doch gibt es einen sündhaften Stolz des nichtreligiösen Menschen, der in der Meinung besteht, alles zu wissen; also in mangelnder Demut vor der Unendlichkeit des Nichtwissens und der Komplexität dessen, was der religiöse Mensch ein wenig abschätzig „die Schöpfung“, der nichtreligiöse Mensch den Kosmos nennt.

Übrigens entstammt ursprünglich die ökologische Bewegung dieser richtigen und angebrachten Demut; der Erkenntnis, dass wir Teil der „Umwelt“ sind und nicht über ihr stehen. Und wenn sich manche darüber lustig machen, dass aus der Öko-Bewegung eine neue Religion geworden ist, so ist   es einerseits richtig, sich dem Eiferertum mancher seiner selbstgerechten Heiligen und dem Dunkelmännertum der Fundamentalisten zu widersetzen; andererseits aber ist es Ausdruck unerhörten und völlig unangebrachten Stolzes, wenn man glaubt, sich jenseits der Gesetze der Natur zu befinden und alles unter Kontrolle zu haben.

Echte Wissenschaft hat mit wahrem Glauben die Demut gemeinsam. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ ist ihr Leitsatz. Und sie kritisiert die Religion gerade deshalb, weil – und wenn – diese vorgibt, alles zu wissen. Echte Wissenschaft weiß, dass Erkenntnis relativ ist, die Wahrheit daher nie ganz zu erfassen ist; und echter Glaube weiß das auch.

Ein Beispiel für diese Verbindung ist der tiefgläubige katholische Priester Georges Lemaitre, der zugleich einer der bedeutendsten Kosmologen des 20. Jahrhunderts war. Aus der Relativitätstheorie Albert Einsteins, der Quantentheorie  Werner Heisenbergs und den Beobachtungen Edwin Hubbles entwickelte Lemaitre zwischen 1927 und 1931 die Theorie des „Urknalls“. Als aber Papst Pius XII meinte, Lemaitres Theorie bestätige die Schöpfungserzählung der Genesis – „Es werde Licht!“ – widersprach der Priester öffentlich seinem Kirchenoberhaupt: „So weit ich es sehen kann, bleibt eine solche Theorie völlig außerhalb jeder metaphysischen oder religiösen Fragestellung. Sie lässt dem Materialisten die völlige Freiheit, jedes transzendente Wesen zu leugnen. … Dem Gläubigen nimmt sie jede Möglichkeit des bekannten Umgangs mit Gott.  … Sie entspricht dem Wort Jesajas vom verborgenen Gott, verborgen selbst im Anfang der Schöpfung.“

Lemaitre besaß die Demut des echten Wissenschaftlers und des echten Gläubigen.

Leider hat seine Haltung in der Hierarchie der heutigen katholischen Kirche wenige Vertreter. Unter Joseph Ratzinger ist die Führung der Kirche der Versuchung des Stolzes erlegen. Es gehe nicht an, so Ratzinger, die Kirche „als Weise der religiösen Erfahrung anzusehen, die sich demütig neben andere zu stellen hätte“. Nein, Demut ist die Sache dieses Papstes nicht. Man bekämpft den „Relativismus“ im Namen einer angeblich bereits erkannten Wahrheit; und was die Naturwissenschaften betrifft, so werden sie – wie bereits von Pius XII – dazu missbraucht, als angebliche Beweise dieser Wahrheit zu dienen. So hat Papst Benedikt XVI bei einer Tagung seines „Schülerkreises“ in Castel Gandolfo am 1. und 2. September 2006 die Anwesenden auf die Theorie des „intelligent design“ – in seinen Worten: „il progetto intelligente che è il cosmo“ einzuschwören versucht. Die demütige Haltung Lemaitres schob Ratzinger – ohne den Physiker beim Namen zu nennen – bereits wenige Jahre nach dessen Tod als mit Galileo Galilei aufgekommene „neue Gesinnung“ beiseite, die „jene Frage der Vernunft nach dem Woher der Welt und ihrem Design“ aus der Naturwissenschaft verbannen wolle.

Ein anderer Vertreter dieser „Gesinnung“ – also einer demütigen Naturwissenschaft, die sich nicht anmaßt, Gottesbeweise liefern zu können – ist der Jesuitenpater und Astronom George F. Coyne, der seit 1978 das Observatorium des Vatikans leitete. Gegen die von Ratzinger und seinem Schülerkreis propagierte Einstellung, die Trennung von Wissenschaft und Glaube sei – so Benedikts Schüler und Sprachrohr Christoph Kardinal Schönborn – „nicht haltbar“, hatte Coyne die auch von Lemaitre vertretene Haltung verteidigt, die wissenschaftliche Weltsicht „brauche Gott nicht“ zur Erklärung natürlicher Phänomene. Ja, Coyne legte nach: „Gott zu brauchen hieße Gott verneinen. Gott ist nicht die Antwort auf ein Bedürfnis.“ So ist es. Und wer Gott darauf reduziert, erhebt sich und sein Bedürfnis nach Erklärung (und nach Niederschlagung seiner Feinde) über Gott. Das ist der Stolz. Eine Todsünde.

Coyne wurde übrigens – das war eine der ersten Amtshandlungen Benedikts nach der Entlassung des Vatikanschneiders – wenige Wochen vor der Tagung des Schülerkreises in Castel Gandolfo entlassen.

 

 

 

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133 Gedanken zu “Der Papst-Rücktritt oder die sieben Todsünden. Erstens: Der Stolz;”

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    … ooops … Korrektur. Pardon.
    @KJN, Nachtrag

    … im Übrigen verbiegt sich mein Hamster vor Lachen, wenn kommunistische Alt-Kader und andere Genossen der Kirche Christi Behinderung oder Realitätsverweigerung in Sachen Naturwissenschaften vorhalten.

    Waren es doch vornehmlich der Genosse Stalin und die SED-Kader der ‚DDR‘ – die neue Wissenschaften, wie die Soziologie, die Kybernetic [sic!], die Genetik und die Demographie als unzulässige Wissenschaften dogmatisch verboten und Forschung [sic!] mit bis zu 10 Jahren Zuchthaus bestraft haben.

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    @KJN, Nachtrag

    … im Übrigen verbiegt sich mein Hamster vor Lachen, wenn kommunistische Alt-Kader und andere Genossen der Kirche Christi Behinderung oder Realitätsverweigerung in Sachen Naturwissenschaften vorhalten.

    War es doch vornehmlich der Genosse Stalin und die SED-Kader der ‚DDR‘ – die ein Verbot neuer Wissenschaften, wie die Soziologie, die Kybernetic [sic!], die Genetik und die Demographie als unzulässige Wissenschaften verboten und Forschung [sic!] mit bis zu 10 Jahren Zuchthaus bestraft haben.

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    KJN: …wahrend Benedikt hier eine Art Gottesbeweis sieht. Dieser (erneute) Versuch des Gottesbeweises ist das Unanständige. Jahrhundertelang wurde unabhängige Wissenschaft behindert, verfolgt, nun wird sie zweckdienlich eingemeindet, wie auch der Urknall. Dieser “Zweck” sollte jedem wahren Gläubigen unangenehm sein.

    … die Kirche Christi braucht keinen ‚Gottesbeweis‘. Aber das nur nebenbei.

    Wenn Sie behaupten, die Kirche Christi hat die unabhängige Wissenschaft jahrhundertelang behindert – ist das schlichtweg Quark. Beim Mohammedanismus allerdings stimme ich Ihnen zu.

    Dazu eine Klarstellung von Egon Flaig – auf FOCUS Online.

    ‚Vor allem drei Merkmale zeichnet die europäische Kultur aus. Erstens der Republikanismus: Die politischen Gemeinschaften sind gegründet auf die Partizipation der Bürger; diese nehmen mittels institutionalisierter Verfahren an den Entscheidungen und Beschlüssen teil. Zweitens der menschenrechtliche Universalismus: Ihm verdanken wir die Menschenrechte und die weltweite Abschaffung der Sklaverei. Drittens die Wissenschaftlichkeit: Alle Fragen nach „richtig“ oder „falsch“, die nicht moralischer oder religiöser Art sind, sind zu beantworten im Medium des wissenschaftlichen Forschens. Von diesen Besonderheiten stammen die erste und die dritte aus der griechischen Antike, die zweite ist im christlich-evangelikalen Kontext entstanden. Das Gerede von „unserer jüdischchristlichen Kultur“ bezeugt darum eine ähnliche Ignoranz wie die Behauptung von Herrn Mazyek, Europa stehe auch auf islamischmorgenländischen Beinen. Denn was dem islamischen Kulturraum knappe 500 Jahre lang einen Vorsprung vor dem europäischen verschaffte, seine Überlegenheit in Wissenschaft und Technik, entstammt der griechischen Kultur.‘

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    @dbh (schreibt über Benedikts Zitat:)

    „… und das Benedikt Naturwissenschaften – wie bereits von Pius XII – (au-haua-ha!) missbraucht, kann ich nicht erkennen, schreibt er doch u.a. selber:“

    Ich denke da kann ich weiterhelfen:

    „‘Dabei trägt, wie ich zu zeigen versuchte, die moderne naturwissenschaftliche Vernunft mit dem ihr innewohnenden platonischen Element eine Frage in sich, die über sie und ihre methodischen Möglichkeiten hinausweist.“

    Benedikt meint Mathematik und Logik, nennt das aber „platonisches Element“, warum wohl (?)

    „Sie selber muß die rationale Struktur der Materie wie die Korrespondenz zwischen unserem Geist und den in der Natur waltenden rationalen Strukturen ganz einfach als Gegebenheit annehmen,…“

    Das tut sie (die naturwissenschaftliche Vernunft), aus Praktikabilitätsgründen…

    „..auf der ihr methodischer Weg beruht. Aber die Frage, warum dies so ist, die besteht doch und muß von der Naturwissenschaft weitergegeben werden an andere Ebenen und Weisen des Denkens – an Philosophie und Theologie.’“

    …wahrend Benedikt hier eine Art Gottesbeweis sieht. Dieser (erneute) Versuch des Gottesbeweises ist das Unanständige. Jahrhundertelang wurde unabhängige Wissenschaft behindert, verfolgt, nun wird sie zweckdienlich eingemeindet, wie auch der Urknall. Dieser „Zweck“ sollte jedem wahren Gläubigen unangenehm sein.

    Die Beobachtung, daß mathematische Beziehungen/Gleichungen zu Naturphänomenen passen (können), mag überraschen, sie sagt aber mehr über unsere eigene Naturgesetzlichkeit aus, als alles andere. (Daß daneben noch viel Platz für Glauben ist – um so besser.)

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    @Alan Posener: Lustprinzip gefällt mir, extraordinär!

    Der Gedanke, daß zukünftig der alte und neue Stellvertreter Gottes auf Erden auf dem Areal des Vatikans residieren – das macht Freude, das hatten wir noch nicht.

    Daß der Stellvertreter Gottes auf Erden in den Ruhestand tritt, während ein Großteil seiner Schäfchen immer länger arbeiten muß, sogar Hunderttausende Rentner weit über 70 schon Flaschen sammeln müßen u.ä. nur um mit der Rente zu überleben – ja, das hat wahren Vorbildcharakter für den 1. Mann im Gottesstaat, dem jetzt ein Kloster umgebaut wird, nach seinen Bedürfnissen.

    Schaut man sich den Zustand der Welt an, dann bekommt man den Eindruck „Gott selbst“ ist schon lange in den Ruhestand getreten und sein Stellvertreter macht es ihm bloß nach!!!!!!!!!!!!!!!!

  6. avatar

    R.Z. Wenn Sie Ihren Kommentar nochmal aufmerksam lesen, könnten Sie feststellen, dass aus dem, was Sie geschrieben haben, folgt, dass man sich – und seine Kinder (!) – aufgibt, wenn man dem anderen nicht um der Wahrheit willen den Kopf einschlagen will. Denn dieses und nur dieses war es, was ich als beschränkt bezeichnet hatte. Wollen Sie diese Aussage wirklich aufrecht erhalten?

    … pardon? Haben Sie schon wieder Rotwein intus? Sie machen mir Angst. Versuchen Sie ’s mal mit einer Entziehungskur. Ich fasse es nicht.

  7. avatar

    @ Alan Posener

    „Och, lasse ich mich mal zum Papst wählen, mal sehen, ob’s geht. Och, ist doch anstrengender als ich dachte, und alle wollen mir Böses: schmeiß ich halt die Brocken hin. Damit folgt Benedikt allerdings nur dem Lustprinzip, das seit einigen Jahren die Leitkultur der herrschenden Klasse zu sein scheint – die uns anderen freilich längeres Arbeiten verordnet, auch wenn wir keine Lust mehr haben.“

    Herr Posener, haben Sie es noch nicht bemerkt, heute ist Aschermittwoch, Karneval ist vorbei.

    Herr Ratzinger ist 85? Welchen Gelüsten soll der Herr denn nach Ihrer Meinung in der nächsten Zeit frönen?

    Lustig finde ich auch, dass das bei Rücktritten je nach Gusto argumentiert wird. Putin wird vorgehalten, dass er von der Macht nicht lassen kann, bei Merkel fordert niemand die Beschränkung der Wählbarkeit zum Amt des Bundeskanzlers auf zwei Wahlperioden. Wojtyla wurde vorgeworfen, dass er nicht zurück getreten ist, Ratzinger, dass er es tat.

    Ich kann den Herrn wirklich nicht leiden und bin u.a. wegen ihm aus dem christlichen Verein ausgetreten, aber ihm als Motiv für seinen Rücktritt jetzt anzudichten, er wäre auf einen Platz in der WG von Rainer Langhans scharf, fände ich dann doch zu weit hergeholt.

  8. avatar

    Ach, Marit, das Schöne an gläubigen Kommunistinnen, ähm, Kathoilikinnen wie Sie eine sind, ist die Bereitschaft, jeden Linienschwenk sofort nachzuvollziehen und als das Selbstverständlichste von der Welt hinzustellen. Hätte ich am Dienstag früh gemeint, es wäre Zeit, dass der Papst zurücktritt, er sehe so alt und gebrechlich aus, wären Sie die eerste gewesen, die mir gesagt hätte, ich verstünde halt nichts vom Papsttum, so etwas tue ein Papst nicht. Und nun ist es schon wieder eine Großtat. Und es ist dieses freiwillige Sichselbstaberziehen des kritischen Geistes zugunsten des Personenkults, der den wahren Totalitarismus ausmacht.
    Benedikt wusste schon, als er sich um das Amt bewarb (und das tat er mit großem Nachdruck), dass er ein alter Mann war (fünf Jahre älter als sein immer noch quicklebendiger und geistig reger damaliger Hofastronom, der angeblich aus Altersschwäche zurücktrat, so viel dazu). So bekommt das Ganze etwas zutiefst Unernstes: Och, lasse ich mich mal zum Papst wählen, mal sehen, ob’s geht. Och, ist doch anstrengender als ich dachte, und alle wollen mir Böses: schmeiß ich halt die Brocken hin.
    Damit folgt Benedikt allerdings nur dem Lustprinzip, das seit einigen Jahren die Leitkultur der herrschenden Klasse zu sein scheint – die uns anderen freilich längeres Arbeiten verordnet, auch wenn wir keine Lust mehr haben.

  9. avatar

    …Der Dalai Lama wirkt eigentlich nicht so, als würde er sich und seine Religion aufgeben. Trotzdem ist der Buddhismus eine Religion – oder Weltanschauung? – der Entsagung und, wenn man will, auch Selbstaufgabe, mit einem Ziel aber: der Erleuchtung. Ich teile diese Anschauung nicht, finde sie aber anerkennenswert. Der Dalai Lama richtet sich dabei gegen bewaffneten Widerstand, und das in einer sehr kritischen Situation, in der nahezu alle anderen Religionsführer irgendwelche heiligen Kriege ausgerufen hätten. In jedem Fall ist hier die so oft beschworene Demut – meist eine leere Worthülse – überzeugend vorhanden, und aus ihr erscheint ein Stolz, der größer ist als der Stolz der meisten Monotheisten.

    Dass ich die Kinder aufgebe: Den Kindern soll man nicht zeigen, wie es ist, sondern wie es sein könnte. Was die Leute so sagen. Was dafür spricht, was dagegen. Und dann sollen sich die Kinder ihr eigenes Bild machen und ihre Entscheidungen treffen. Wer sie von Anfang an in eine Religion oder in den Atheismus hineinzwingt, der hat sie meinetwegen nicht aufgegeben, aber niemals überhaupt ernstgenommen; es sind dann Marionetten.

  10. avatar

    @derblondehans: Von Nietzsche würde ich mich an Ihrer Stelle lieber fernhalten. Über das Christentum hat er noch wesentlich feindseligere Dinge gesagt als über Kant. Von Kant musste er sich als ambitionierter Philosoph absetzen (von Schopenhauer noch viel mehr). Aber das Christentum hat er nicht aus Gründen des Ehrgeizes derartig bekämpft.

    Wenn Sie Ihren Kommentar nochmal aufmerksam lesen, könnten Sie feststellen, dass aus dem, was Sie geschrieben haben, folgt, dass man sich – und seine Kinder (!) – aufgibt, wenn man dem anderen nicht um der Wahrheit willen den Kopf einschlagen will. Denn dieses und nur dieses war es, was ich als beschränkt bezeichnet hatte. Wollen Sie diese Aussage wirklich aufrecht erhalten?

  11. avatar

    Wiederholen Sie Pramatha, den Dieb des Feuers: Mit dem Trinity Test, der J.R. Oppenheimer den indischen Satz eingab: „And now I am Death, the master of worlds.“
    Goethe hat das Sturm und Drang-Gedicht nicht fertiggestellt. Prometheus wurde an einen Felsen gekettet, und ein Adler frass taeglich von seiner Leber. Und wenn unser Felsen die Atombombe waere und unser Adler die Angst?
    Waere dann nicht die Wissenschaft besser dran, wenn die Religion in der Lage waere, ihr rechtzeitig Grenzen zu setzen? Wenn die Religion also ein paar Zentimeter ueber der Wissenschaft stuende und das jeweils letzte Wort haette?
    Das Gegenteil von superbia gleich hubris gleich Hochmut ist wohl die Bescheidenheit. Hierzu muss man Philemon und Baucis lesen, den Gegenentwurf zu hochmuetig-kurzsichtigen Titanen, am besten bei Ovid. Sie hatten die Liebe noch.
    Die zweite Fassung von 1789 erscheint mir besser, nebenbei.

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    @R.E.G.

    .. zu Boff.

    Oberste Richtschnur des katholischen Glaubens ist die kirchliche Tradition, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche.

    Was ist marxistische Befreiungstheologie?

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    R.Z.: @DerBlondeHans: Den Dalai Lama habe ich schon sagen hören, dass er die Wahl der jeweiligen Religion abhängig macht vom Kulturkreis, d.h. die Religionen im Grunde gleichwertig sieht. Ich weiß nicht, ob das Selbstaufgabe ist; das könnte beim Buddhismus durchaus sein. Mir gefällt diese Einstellung aber, und die “einzig wahren” Monotheisten, die sich um ihrer einzigen Wahrheit willen gegenseitig die Köppe einschlagen (ja, auch Ihr Christentum), halte ich für beschränkt.

    … tun Sie es. Geben Sie sich und Ihre Kinder auf. Träumen Sie wie EJ&APo Kants Vision vom irdischen Paradies: ‚… Die Euthanasie des Judenthums ist die reine moralische Religion mit Verlassung aller alten Satzungslehren, deren einige doch im Christenthum (als messianischen Glauben) noch zurück behalten bleiben müssen: welcher Sectenunterschied endlich doch auch verschwinden muß und so das, was man als den Beschluß des großen Drama des Religionswechsels auf Erden nennt, (die Wiederbringung aller Dinge) wenigstens im Geiste herbeiführt, da nur ein Hirt und eine Heerde stattfindet.‘

    … tja, so ist das. Daher muss vor allem die katholische Kirche vernichtet werden.

    Nietzsche beschreibt Kants Philosophie als ‚das Recept zur décadence, selbst zum Idiotismus‘.

    … und: ‚Sobald aber Kant anfangen sollte, eine populäre Wirkung auszuüben, so werden wir diese in der Form eines zernagenden und zerbröckelnden Skepticismus und Relativismus gewahr werden‘.

    Und Nietzsche in Zarathustra 5: ‚Kein Hirt und Eine Heerde! Jeder will das Gleiche, Jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig in’s Irrenhaus.‘

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    Ich bin doch einigermaßen erstaunt darüber, daß auch hier Vielen die“Dramatik“ der Amtsführung von Dr. Ratzinger entgangen zu sein scheint. Und ebenfalls scheint Vielen die Widersprüchlichkeit der Ansprüche des Pontifikats entgangen zu sein.

    68er sprach davon, Dr. Ratzinger sei in der causa“Kindesmißbrauch in kirchlichen Institutionen“ nur ein Maulheld gewesen, das dürfte die Untertreibung des Jahrhunderts sein.

    Dr. Ratzinger wollte die klerikalen Verbrecher nach dem Kirchenrecht be- und verurteilen laßen. Das kommt – nach meinem Rechtsverständnis – einer Rechtbeugung beachtlich nahe. Rom wollte nach eigenem Gutdünken die ganze Angelegenheit unter den Teppich kehren.
    Die Jeseuiten haben mit ihrem Aufruf zur Selbstanzeige, bei den weltlichen Gerichten ,damit Dr. Ratzinger einen Strich durch die Rechnung gemacht.
    Dr. Ratzinger schien einfach nicht klar zu sein, daß das römische Reich nicht mehr besteht und röm.katholisch nicht mehr Staatsreligion ist.

    Eines sollte uns doch allen klar sein, wenn wir bei solchen Fällen kath. Kirchenrecht zulassen, müßen wir genau so gut die Scharia zulassen, mit der gleichen Begründung.Hier ist eindeutig eine Überarbeitung der Deutschen Verfassung gefragt.

    Marit wäre zu antworten, daß Vernunft und Kirche, bzw. Religion, sehr wenig miteinander zu tun haben.Der Pontifex erhebt den Anspruch, dogmatisch, unfehlbar zu sein.
    Die mausgraue Polemik weise ich zurück – sie tut mir nicht weh – allerdings scheint Marit die Anziehungskraft – und die Verführungskraft der alleinseeligmachenden Kirche auf besonders einfach gestrickte Menschen weit zu unterschätzen. Und genau diese waren die bevorzugte Klientel des Dr. Ratzinger.

    Welchen verheerenden Einfluß die kath. Kirche auch noch heute hat, hat man heute bei der Entscheidung der Franz. Volksversammlung zur Homo-Ehe gesehen.

    Ich erwarte von einem Papst und der kath. Kirche keineswegs, daß man sich unüberlegt und kritiklos der Moderne anpaßt.
    Allerdings erwarte ich differenzierte Stellungnahmen zu den Lebensrealitäten der Gläubigen.

  15. avatar

    …die Frage ist doch, ob der Papst ein Symbol ist oder etwas Bedeutsames zu tun hat. Als Symbol darf er natürlich beliebig alt und gebrechlich sein. Sollte er etwas Bedeutsames zu tun haben, wär es im Interesse der kath. Kirche vermutlich wünschenswert, wenn er die dazu nötigen Fähigkeiten, Ausdauer und Kraft hat.

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    Worüber ich immer wieder erstaunt bin, dass kluge Mitmenschen wie ein Alan Posener oder Rita E. Groda nicht anerkennen wollen, dass die Una Sancta Catholica wie ein anachronistischer Monolith mit dogmatischen Reibungswiderständen in unsere „Moderne“ hineinragt; mir drängt sich der Eindruck auf, dass die „Moderne“ (wie auch immer diese in unserer „Diktatur der Relativität“ gemeint ist) und Protagonisten wie Alan Posener erst dann sich nicht mehr unglücklich in ihrem Bette wälzen, wenn der Papst seinen Segen zu ihren Worten und Taten gegeben hat, wenn auch der Vatikan die Sprengung der alten Ketten, die Auflösung aller Bande außer denen der nackten Interessen, der gefühllosen baren Zahlung, feiert, die Befreiung der Sexualität und die öffentliche Schamlosigkeit mit ihren krebsartig wuchernden Diskursen zelebriert. Dass die Catholica, an ihrer Spitze der Papst, sich mit der „Moderne“ identifizieren soll, ich sehe darin eine autoritäre Nostalgie verbunden mit einer Verunsicherung, für die allerdings der Papst nicht verantwortlich ist. Wenn man mit den Lehren der Catholica nicht einverstanden ist, kann man (wie ich) austreten und sich (das habe ich nicht getan) unzähligen Denominationen anschließen, die affirmieren und Trost spenden. Warum sollten wir eine Einrichtung nicht zulassen, auf deren Agenda nicht die Gender-Revolution und die Befreiung des Sexus aus generativen Zusammenhängen an der Spitze des Transformationsprozesses steht (ob die Catholica scheitert, ist eine andere Frage)? Eine Einrichtung, die strukturell einem alten Brunnen der Geschichte verpflichtet ist, sub specie aeternitatis sowenig Transformation wie möglich will (ebenso wie das orthodoxe Judentum mit seinen Mitzwot). Ich vermute auch, dass die Modernen von ihrem Unbehagen (an sich selbst und der vorherrschenden Kultur) nicht dadurch geheilt werden, dass jetzt der Papst die „Fortschritte“ abnickt. Extra ecclesiam nulla salus (außerhalb der Kirche kein Heil)? – Nun denn, damit müßten wir Nicht-Katholiken doch zurechtkommen, sind wir denn noch abhängig vom Papst?

  17. avatar

    APo: Coyne wurde übrigens – das war eine der ersten Amtshandlungen Benedikts nach der Entlassung des Vatikanschneiders – wenige Wochen vor der Tagung des Schülerkreises in Castel Gandolfo entlassen.

    … so ein Quark, Coyne, Jahrgang ’33, ging mit 73 Jahren in den ‚Ruhestand‘.

    … und das Benedikt Naturwissenschaften – wie bereits von Pius XII – (au-haua-ha!) missbraucht, kann ich nicht erkennen, schreibt er doch u.a. selber:

    ‚Dabei trägt, wie ich zu zeigen versuchte, die moderne naturwissenschaftliche Vernunft mit dem ihr innewohnenden platonischen Element eine Frage in sich, die über sie und ihre methodischen Möglichkeiten hinausweist. Sie selber muß die rationale Struktur der Materie wie die Korrespondenz zwischen unserem Geist und den in der Natur waltenden rationalen Strukturen ganz einfach als Gegebenheit annehmen, auf der ihr methodischer Weg beruht. Aber die Frage, warum dies so ist, die besteht doch und muß von der Naturwissenschaft weitergegeben werden an andere Ebenen und Weisen des Denkens – an Philosophie und Theologie.‘ (Quelle)

    Ich fürchte mich mehr vor denen, die wissen was ‚Todsünden‘ sind. Das hatten wir in der Historie zuhauf.

  18. avatar

    68er: Ja. Sie haben offensichtlich mein Buch gelesen…
    Ich finde, es wird zu viel zurückgetreten. Bundespräsidenten, Minister und Ministerinnen, eine Königin, der Papst… Da oben herrscht offensichtlich das reine Lustprinzip. Wenn’s keinen Spaß macht: ab dafür. Was unsereiner sich nicht leisten kann. Das sollen Vorbilder sein? Pfff…
    Und – hier kürzer und spitzer formuliert als gestern, wo es mir eigentlich um etwas anderes ging:
    http://www.welt.de/kultur/arti.....ieren.html

  19. avatar

    …liebe Frau Groda, Ihr Lob freut mich. Dass ausgerechnet ich bei spontsanen Buddeleien ein bedeutendes Fundament des Christentums freilegen würde…Vielleicht sind die Sachverhalte ja gar nicht so kompliziert, wie es die furchteinflößenden scholastischen Bücherwände erscheinen lassen!

  20. avatar

    Ginge es nach mir, würde ich nach der Lektüre der Kommentare doch der Dummheit einen Platz unter den schwerwiegenden Sünden, genannt Todsünde, einräumen.Der Papst ist sich einfach nur treu geblieben.
    Es ist die ihm hier stets abgesprochene Vernunft, die ihn diesen Schritt tun ließ,wissend, dass die Kirche einen Papst braucht, der mehr Kraft besitzt, als er noch aufbringen könnte.Darum ist auch kein Christ entsetzt oder geschockt.Die Entscheidung wird als passend und genau richtig aufgefasst.Ungewöhnlich zu handeln und zu denken ist das Privileg dieses Papstes gewesen.Dagegen kann die hier vereinigte mausgraue Polemik einfach nichts ausrichten.Tut es sehr weh?

  21. avatar

    …ich habe ürigens vorhin von seinem Biografen gelesen, dass Ratzinger sowieso keine gesteigerte Lust auf das Amt gehabt hätte. Keine Ahnung ob das stimmt, ich hätte jedenfalls auch keine Lust darauf, schon gar nicht in dem Alter. Man darf jedenfalls die Vermutung hegen, dass die Kardinäle nicht ohne Hintergedanken einen derart alten Mann in das Amt gehievt haben.

  22. avatar

    @DerBlondeHans: Den Dalai Lama habe ich schon sagen hören, dass er die Wahl der jeweiligen Religion abhängig macht vom Kulturkreis, d.h. die Religionen im Grunde gleichwertig sieht. Ich weiß nicht, ob das Selbstaufgabe ist; das könnte beim Buddhismus durchaus sein. Mir gefällt diese Einstellung aber, und die „einzig wahren“ Monotheisten, die sich um ihrer einzigen Wahrheit willen gegenseitig die Köppe einschlagen (ja, auch Ihr Christentum), halte ich für beschränkt.

    @Frau Groda: Den Stellvertreter Gottes darf man nicht mit allgemeinmenschlichen Maßstäben messen, das ist mir soweit klar. Nur stehen mir leider keine anderen Maßstäbe zur Verfügung als die, nach denen man sich im hohen Alter zur Ruhe setzen darf, ohne dass von Jüngeren gemeckert wird.

  23. avatar

    Wie peinlich“öffentliches Gebrechen und Krakheit“ vielen Menschen ist, merke ich gerade einmal wieder.
    Da wird man zum Realisten oder Zyniker, je nach dem!!!

    Was nicht in diese wunderbare, stromlinienförmige Welt der Schönen und (vermeintlich Reichen) paßt wird wird versteckt und wegdiskutiert, oder als werbewirksam diffamiert.

    Willkommen in der Welt der Euthanasie?

  24. avatar

    Lieber Herr Ziegler, der Stellvertreter Gottes, ein Amt mit Verfallsdatum also???

    Die katholische Kirche, ein Großunternehmen mit ca. 1 Milliarde Angestellter weltweit, deren Firmenleitung jederzeit zurücktreten kann, wie ein Buchhalter, Vorstand oder Politiker, also?

    Wenn Sie schon so demokratisch sein wollen, dann sollten Sie mal kurz darüber nachdenken, welche Deutschen Politiker – von rechts bis links – zurück getreten sind (nicht zurückgetreten wurden) aus“gesundheitlichen Gründen“.

    Das Amt des Papstes ist auf Nachhaltigkeit angelegt, nicht auf Zweckmäßigkeit
    Eine“Vatikan GmbH“ wollen die meisten Katholiken nicht, selbst Kardinäle nicht.

    Wenn ein Traditionalist, wie Dr. Ratzinger, jetzt und entgegen seiner bisherigen Überzeugung so massiv mit der Tradition bricht, dann sollte man den Papst nicht weniger päpstlich einschätzen.

    Nach den letzten Verkündigungen zu der Pille danach – von Kardinal Meisner – erahnte ich eine solche Reaktion. Das war der letzte Verzweiflungsakt eines gescheiterten Machtpolitikers.

  25. avatar

    Gut, wir werden Papst gewesen sein, aber was wird es der Welt gebracht haben, dass wir Papst gewesen sind?

    Der Weltkirche hat es eine weitere Riege neu ernannter konservativer Bischöfe und Kardinäle gebracht, die allem Anschein nach, wieder einen eher rückwärts gewandten Nachfolger wählen werden.

    Der Weltkirche hat es die „Versöhnung“ mit den Piusbrüdern gebracht, bei einer weiteren Entfernung von den reformoffenen Kreisen innerhalb der Kirche. Samuelson wurde zunächst das Herz geöffnet, wogegen Küng, Ernesto Cardenal und wie sie alle heißen, weiter ausgegrenzt werden. Wer mit diesem falschen Schnitt als Katholik leben kann, ist mir mehr als suspekt.

    In der Missbrauchsdebatte war Herr Ratzinger aus meiner Sicht ein Maulheld. Was unter seiner Leitung als Kardinal von München an grausamen Unrecht geschah, wurde auch von ihm nie klar und ehrlich offengelegt. Für die Umsetzung des einschlägig bekannten Kaplans H. war er mit verantwortlich.

    Im Gegensatz zu Papst Johannes Paul den II. hatte Ratzinger aber einen großen Vorteil, er hatte weniger Charisma aber dafür mehr Profil. Er hatte eine klare Meinung, die sich in religiösen Dingen nicht groß von denen seines Vorgängers unterschied, anders als Karol Wojtyla wollte sich Ratzinger aber nie bei den Menschen anbiedern. Ratzinger ging es bei aller berechtigten Kritik immer um die Kirche und den Glauben und nicht um seine Person. Er fühlte sich als Nachfolger Petrus und nicht dazu berufen, die Leiden Jesu medienwirksam nachzuspielen, wie man es bei Johannes Paul II. miterleben musste. Das war damals mehr als unwürdig, zielte auf Quote, bediente den selbstkasteienden und den mythologisierenden Flügel der Kirche und sollte wohl auch der Selig- und Heiligsprechung zuarbeiten.

    Bei aller Rückwärtsgewandtheit war Ratzinger immer mehr dem Wort verpflichtet als der Tat, er war kein Heiliger und wollte es auch nicht sein und das ist etwas, was von ihm vielleicht einmal im Gedächtnis bleiben wird.

  26. avatar

    Herr Posener hat das natürlich besser formuliert. Was ich Liebe titulierte, das nannte er trefflich die „Trägheit des Herzens“.

    Was der durchschnittliche Katholik Heern Dr. Ratzinger hauptsäcjlich vorwerfen kann, ist, daß er seinen“kirchlichen Intellekt“ über die Botschaft aus dem I. Korintherbrief gestellt hat.

    Großzügig verziehen und geliebt hat er in seinem klerikalen Mikrokosmos, Sekrätären die verraten und betrogen haben, klerikalen Bankern und katholischen Fundamentalisten.

    Hingegen ging sein Hochmut so weit, daß er sein Amt als Hirte verraten hat.
    Kein verirrtes Schaf hat er mit Freunde heimgeholt in die Herde(z.B. bei den Geschiedenen). Seine Freude über den verlorenen Sohn beschränkte sich anscheinend auf die Pusbrüder.

    Dieser Deutsche Papst hinterläßt in den Reihen der Deutschen Christen eine Spur der Verbitterung und der Kirchenaustritte. Und sein Rücktritt macht die Folgen eigentlich noch wesentlich schlimmer.

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    @Lieber Herr Ziegler, Ihr nachfolgendes Zitat“Der Glaube geht trotzdem hindurch; er macht dem Wissen dabei keine Konkurrenz und sollte auch jeden Anschein vermeiden“gehört zu den Fundamenten des christlichen Glaubens, bzw. sollte gehören.
    Dafür vielen Dank!!!!

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    Bei allem Respekt für den Vorgängerpapst und seinem Willen bei größtmöglicher Hinfälligkeit – ich finde, mit 85 Jahren darf man schon mal kneifen, wenns eng wird. Warum sollte man da nicht Platz für einen anderen machen, der noch im Vollbesitz seiner Kräfte ist? Ich kneife ja selber oft genug schon auf der Hälfte dieser Strecke.
    Der Papst geht in die wohlverdiente Rente, er hat sein Bestes versucht, nehme ich an. Wieso sollten für den Papst andere Regeln gelten als für uns? (Ein Theologe würde gleich darlegen, warum dies beim Papst genau so ist und sein muss, und ich würde es wieder einmal nicht verstehen.)
    Gucken wir mal, was der Nachfolger so macht. Wird er schwarz sein? Wahrscheinlich nicht. Ein Südamerikaner? Nein, meint Herr Posener, zu gefährlich. Eine Frau oder schwul sowieso nicht; Überraschungen sind kategorisch ausgeschlossen.

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    R.Z.: @Olaf Kröger: vielleicht haben Sie recht und Ratzinger meint nicht das Verhältnis Christentum – Wissenschaft, sondern Christentum – andere Religionen. Ich mag das eigentlich nicht recherchieren. Dann ist er jedenfalls noch viel weniger demütig, d.h. viel stolzer, weil er das Christentum über wesensähnliche – kompatible – Modelle stellt, ohne eine Begründung dafür geben zu können.

    Wie schon mal geschrieben: Jede Religion, die etwas auf sich hält, muss sich für die einzig wahre halten, da sie ansonsten qua Selbstaufgabe überflüssig ist – was dem deutschen Protestantismus faktisch schon widerfahren ist.

    … anders: … Demut gegenüber Sozialisten und Kannibalen … mhmm? … ich glaub mein Hamster bohnert.

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    @Olaf Kröger: vielleicht haben Sie recht und Ratzinger meint nicht das Verhältnis Christentum – Wissenschaft, sondern Christentum – andere Religionen. Ich mag das eigentlich nicht recherchieren. Dann ist er jedenfalls noch viel weniger demütig, d.h. viel stolzer, weil er das Christentum über wesensähnliche – kompatible – Modelle stellt, ohne eine Begründung dafür geben zu können. (Außer natürlich: „Ich als Christ GLAUBE, dass es sich so verhält wie ich sage und nicht wie der Schamane sagt, denn meine Rede steht in der Bibel und die Rede des Schamanen nicht.“ Aber wenn man diesen Glauben nicht teilt, hat diese Begründung wenig Überzeugungskraft.)
    Die religiöse Auffassung, dass Wissenschaft unvollständig bleibt, weil sie auf bestimmte Fragen – z.B. nach dem Sinn, oder was vor dem Urknall war – keine Antworten geben kann, ist korrekt. Das darf man nicht vergessen oder unterschlagen. Die wissenschaftliche Antwort auf solche Fragen ist: „Das wissen wir nicht, das werden wir auch nie wissen, diese Fragen sind sinnlos.“ Die Religion gibt hier Antworten, an die man glauben kann oder eben nicht. Diese Antworten des Glaubens sind eine andere Bauart als die der Wissenschaft, sie sehen nur wie Erklärungen für offene Fragen aus, in Wirklichkeit sind sie eher Beschwörungen. Ihr Sinn ist es, ein menschliches Problem zum Verschwinden zu bringen (die Lösung eines Problems erkennt man bekanntlich am Verschwinden des Problems).
    Der Glaube steht – als geistiger Modus – neben dem Wissen und kann das Wissen ggf. in einem Bereich ergänzen, zu dem das Wissen keinen Zugang hat, dem sich das Wissen aus guten Gründen den Eintritt verwehrt. Der Glaube geht trotzdem hindurch; er macht dem Wissen dabei keine Konkurrenz und sollte auch jeden Anschein vermeiden.

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    „A Reactionary Papacy“ Leitartikel (Editorial Board) WASHINGTON POST. ———————————–Agencia Brasil: Regierung hat letztes Jahr 800 Millionen Kondome verteilt.

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    Olaf Kröger > R.Z.: Ich lese die Stelle so, dass er sich nicht dagegen ausspricht, dass sich die religiöse Erfahrung demütig neben andere Erfahrungen stellt (ist zwar garantiert seine Meinung, er kriegt Geld dafür, diese Meinung zu vertreten, aber die Stelle gibt es nicht her), sondern er will nicht, dass christliche Erfahrungen demütig neben anderen religiösen Erfahrungen stehen.

    Moraltheologische Spitzfindigkeiten… Username “derblondehans”… Quellenangabe “KKK”
    Ich lachte.

    … Sie glauben nicht, wie ich lachte, so: *rofl*

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    Liebe Rita Groda, in der Tat kennt die Verlogenheit der meisten Medien kaum Grenzen. De mortuis nihil nisi bonum – gut, aber Joseph Ratzinger ist nicht tot. Und: Seine Bücher und seine Reden sind noch zu haben und wirken fort – auf unselige Weise, wie ich meine. Aber ich muss betonen – auch weil Sie, lieber Lyoner, das offenkundig nicht mitbekommen haben, dass ich dieses Stück am Vormittag VOR dem Papstrücktritt geschrieben habe. Wie mein Vater gesagt hätte: Es gibt keine Zufälle.
    Lieber Herr Kröger, die Zusammenhänge können Sie ausführlicher in meinem Buch „Benedikts Kreuzzug“ nachlesen. Die Behauptung, der Papst werde „bezahlt“, um dieses oder jenes zu meinen, ist m.E. falsch. Sie meinen, das gehöre zu seinem Amt, aber die Wortwahl ist doch bezeichnend. Und: Sie haben Unrecht. Nichts hindert den Papst daran, zweierlei festzustellen:
    1. Naturwissenschaft und Religion sind zwei Weisen, die Wahrheit zu suchen. Wer die Religion benutzt, um der Wissenschaft Vorschriften zu machen, versündigt sich so sicher an der Religion und an der Wissenschaft, wie es jene Taten, die im Namen der Wissenschaft die Religion unterdrücken wollten.
    2. Dem Menschen ist es nicht gegeben, die volle Wahrheit zu erkennen. Religionen sind, dieses Bild hat der Mönch Anselm Grün verwendet, wie Fenster in einer Kathedrale: jedes ist verschieden, aber jedes bricht auf seine Weise das göttliche Licht. Streben wir danach, das schönste Fenster in diesem Bau zu sein.
    Das sind im Grunde genommen die Positionen des 2. Vatikanischen Konzils. Ratzinger hat nach 1968 sein ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet, diese Positionen, die er zu Recht als „relativistisch“ bezeichnet, zurückzudrängen zugunsten der Behauptung, allein die Kirche – und vor allem er als das Oberhaupt der Kirche – sei im Besitz der Wahrheit. Das ist Superbia, Hochmut, Stolz. Er kommt vor dem Fall.
    Lieber Lyoner: Keine Sorge: Ich dekliniere nicht alle Todsünden am Ex-Papst durch. Wie es sich herausstellt, war er nicht so bedeutend, wie ich befürchtet habe, als ich vor vier Jahren meine Streitschrift gegen Benedikt verfasste. Faulheit allerdings – und damit ist gemeint: Trägheit des Herzens – wird man ihm vorwerfen müssen. Zwei Bände seiner Jesus-Biographie schrieb er im Amt, während der Missbrauchsskandal seine Kirche an den Abgrund führte. Denn Ratzinger war es wichtiger, seinen theologischen Gegnern – den historisch-kritisch arbeitenden Bibelwissenschaftlern – eins auszuwischen, als den Tempel zu reinigen und die Opfer zu trösten. Jan Z. Volens wird uns vielleicht demnächst berichten, welcher Saustall unter den Soutanen der lateinamerikanichen Kardinäle verdeckt ist. Weshalb ich es für unwahrscheinlich halte, dass einer von ihnen zum Nachfolger gewählt wird. Das wäre zu gefährlich.

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    @Mein lieber Herr Posener, über ihren schönen, beinahe lyrisch zu nennenden Betrag, bin ich nicht erstaunt, da ich Sie für einen Mann von Charakter halte!!!!

    Erstaunt bin ich ebenfalls nicht über die sich höchst prostituierenden Medien heute, die den Mann ohne Demut in den höchsten Tönen „wegloben“, so wie sie ihn in den wenigen Jahren seiner Amtszeit verrissen haben.

    Nun, ich mag die verlogene Moral nicht und mein Charakter ist mir ebenfalls egal.
    Als Katholik – dem Mann ohne Demut zur Fürsorge anvertraut – kann ich mich leider nicht auf die Worte des Prometheus beschränken.

    Herr Dr. Ratzinger hatte in meinen Augen“die Liebe“ nicht. Er setzte auf die Macht der Institution. Er hatte die Liebe nicht, für alle die ihm als oberstem Hirten der Kirche anvertraut waren. Für die Armen, die Geschiedenen, die Homosexuellen, die vergewaltigten Frauen, die mißhandelten Kinder. Dagegen reichte seine Liebe für die Wiedereingliederung der Piusbrüderschaft.

    Er war leider ein Papst ohne Charisma, erbarmungslos in seiner religiösen Starre, der beinahe schon die Kath. Kirche gespalten hat.
    In meinen katholischen Auge ist er ein Feigling, der demissioniert, wenn es brennt.

    Sein Amtsvorgänger, der Polnische Papst, war vielleicht genau so konservativ; aber er war der richtige Mann zur richtigen Zeit im Vatikan.
    Auch er war schwer krank und furchtbar von seiner Krankheit gezeichnet.
    Dieser Papst aber hat uns bis zu seiner letzten Stunde vorgeführt, daß zum Leben Leiden und Krankheit gehört, daß man Alter und Krankheit nicht wegsperren soll, in Seniorenresidenzen usw.
    Er hat uns bis zum Ende das Leben vorgeführt.
    Damit hat er sich meinen Respekt verdient!!

    Und unser Papst macht es, wie heute die meisten Deutschen Intellektuellen; wenn es eng wird, kneift er.

    Das ist alles andere, als modern. Das ist einfach nur typisch.

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    Jetzt bin ich aber gespannt, wie die sieben Todsünden anläßlich des Papst-Rücktrittes von Allen Posener durchdekliniert werden

    Zweitens: Faulheit
    Drittens: Habgier
    Viertens: Neid
    Fünftens: Völlerei
    Sechstens: Wollust
    Siebtens: Zorn

    Der Benedikt hat soviel auf dem Kerbholz, dass Alan Posener ihm am Tage seines demütigen Rücktritts in den Allerwertesten treten muss. Aber Posener will die Heilige Katholische Kirche wohl vor den Herren auf dem Heiligen Stuhl retten?

    P.S. das muss doch ein traumhafter Tag für Alan Posener gewesen sein? Der Papst im Climax, Augstein & Schirrmacher im Aszendenten

    „Alan Posener, einer von den Autoren, die Springers „Welt“ den Ruf eingebracht haben, zur Kaderschmiede intellektueller Vorderlader geworden zu sein, war schon im Dezember in Vorleistung gegangen. …“ (http://www.spiegel.de/politik/.....82547.html)

    Vorderlader! Da muss man aber froh sein, nicht Hinterlader tituliert zu werden.

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    The Pope ? „America’s priorities“: CNN News 5:00PM: 1. Bin Laden’s killer breaks silence. 5:09PM: What the Pres. will say tomorrow. (Sate of Union: China, Afghanistan, Europe.) —What will the Republicans reply?: Marco Rubio (Tea Party-Cuban Latino), Rand Paul (Tea Party – Old Anglo-celtic stock.)5:13 PM Commercials. 5:19 PM: Where is Christopher Donner ? 5:31: What’s behind the Pope’s resignation ?

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    @Roland Ziegler: Am besten googeln Sie selbst einmal „die sich demütig neben andere zu stellen hätte“, um Ratzingers Ausführungen im Kontext zu lesen. Ich lese die Stelle so, dass er sich nicht dagegen ausspricht, dass sich die religiöse Erfahrung demütig neben andere Erfahrungen stellt (ist zwar garantiert seine Meinung, er kriegt Geld dafür, diese Meinung zu vertreten, aber die Stelle gibt es nicht her), sondern er will nicht, dass christliche Erfahrungen demütig neben anderen religiösen Erfahrungen stehen.

    @Alan Posener: Er postuliert also das Primat des Christentums neben anderen Religionen, und Sie präsentieren das, als hätte er das Primat der Religion neben der Wissenschaft behauptet? Waren Sie evtl. in Eile? Wie gesagt, es würde mich wundern, wenn das nicht seine Meinung wäre, aber er sagt es an der zitierten Stelle nicht.

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    APo: ‚Aus irgendeinem Grund sprachen Maria und ich über die sieben Todsünden.‘

    Werter APo, Sie erwähnen im Artikel die 7 Hauptsünden. Was eine Todsünde ist, wird letztendlich ‚ganz oben‘ entschieden.

    Kommen Sie und Maria daher ein wenig herunter. 😉

    ‚Die Todsünde zerstört die Liebe im Herzen des Menschen durch einen schweren Verstoß gegen das Gesetz Gottes … Die lässliche Sünde lässt die Liebe bestehen, verstößt aber gegen sie und verletzt sie.‘ (KKK 1855)

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    Anscheinend war es die Maxime Ratzingers, in die quälend langsamen Verrichtungen des Vatikans bremsend einzugreifen… Anders kann ich mir nicht erklären, warum eine 14 Monate nach Amtsantritt verkündete Personalie „eine der ersten Amtshandlungen Benedikts“ sein soll.

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    Als Lösung bietet der Artikel an, dass Stolz als Todsünde nur dann entstünde, wenn man Gott auf das menschl. Bedürfnis „reduziert“. Aber die Floskel „für uns Menschen ist die Religion ein Bedürfnis, aber Gott ist noch viel mehr, nämlich ALLES“ ist eine fromme, nur scheinbar demütige Redewendung zum Zweck der Umgehung des Problems, dass wir nicht über Dinge reden können, zu denen wir keinen Zugang haben (Kant).

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    Mein Kommentar war glaube ich etwas unverständlich. Ich wollte meinen Einwand, dass man den Gegenstand der Religion – bei uns: Gott – nicht dem Menschen entrücken kann, ohne die Religion selber zu entrücken und zu entkräften, mit zwei Aspekten erläutern:

    1. Wissenschaft benötigt keine Religion, beiden Sphären sind völlig unabhängig voneinander. Das stimmt. Der Erkenntnischarakter ist inkompatibel; wenn die Religion von „Wissen“ spricht, ist jedenfalls etwas anderes gemeint (leider ist unklar, was). Aber: Die Frage des „Woher“ legt die Wissenschaft durchaus nahe, sie sagt lediglich dazu: „Das können wir wissenschaftlich nicht beantworten.“ Die Religion gibt hier eine wortreiche Antwort (wie überzeugend die ist, ist offen, weil es keine Kriterien gibt. Es ist mehr eine Beschwörung als eine Argumentation wie die Wissenschaft. Eine Beschwörung kann klappen oder nicht).

    2. zu „„Gott zu brauchen hieße Gott verneinen. Gott ist nicht die Antwort auf ein Bedürfnis.“ (Coyne) Dies steht im Gegensatz zur religiösen Praxis der meisten Gläubigen, in der immer wieder gesagt wird: „Ich brauche Gott“. Und es steht in einem erklärungsbedürftigen Verhältnis zur persönlichen Offenbarung/Mystik aller Religionen.

  42. avatar

    O.T.

    Heute auf der ersten Seite der Welt:

    * Fußgänger stirbt nach Kollision mit Auto (in Aue in Sachsen)

    * Blitz aus heiterem Himmel – Der Papst tritt zurück

    * 300 missglückte Penisvergrößerungen pro Monat (Thailand)

    * Hat die US-Navy 1943 ein Schiff teleportiert?

    * Der Hammer Gottes, der seine Kritiker Lügen straft

    * Wie die Methode der Samwer-Brüder funktioniert

    * Jetzt noch schnell zwei Vierer-Packs Papst-Bier

    Und von der Konkurrenz dem Spiegel:

    * Der Papst und die Taube

    Er kam lächelnd, und er ging leise.

    * Papst-Rückzug ins Kloster Allein mit sieben Frauen

    * Gründe für Papst-Rücktritt Skandale, Intrigen, Schwäche

    Allein diese Überschriften dürften doch ideale Drehbuchvorlagen für Almodovar und Tarantino sein

    Ich vergaß: Bei uns ist heute im Büro eine Blimenvase umgefallen, kein Reissack!!!

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    Das ist ein schöner Arttikel und ein tolles Gedicht. Ich habe aber einen Einwand. Ich verstehe Theologie nicht, mir scheint aber folgendes Problem in Ihrer Darstellung zu bestehen: Wenn man die Religion und die Gottesoffenbarung aus der menschlichen Sphäre herausnimmt, um den Stolz zu umgehen, verliert sie an Bedeutung und droht, sich aufzulösen.

    Wer sich mit Astronomie/Kosmologie beschäftigt, kommt meistens an den Punkt, über die überaus stabilen (Milliarden von Jahren um sich selber kreisenden), hyperkomplexen und einfach unglaublich austarierten Systeme „dort draußen“ – von denen wir eines sind – zu staunen. Wie ist es dazu gekommen, fragt man sich. Man beginnt zu glauben, dass es so und nur genau so sein kann, damit überhaupt etwas sein könne. Und warum ist es überhaupt und nicht vielmehr nicht – hier wissen wir keine befriedigende Antwort und werden voraussichtlich nie eine haben; es ist einfach so. (Es gibt auch Theorien von Multiversen, bei denen „unser“ Universum mit seiner seltsamen, definierten Anzahl von Naturgesetzen ud -konstanten nur eines ist; andere Universen haben demnach andere Naturgesetze und -konstanten. Dabei wird diese staunenswerte Merkwürdigkeit versucht aufzulösen, aber das bleibt eine interessante logische Spekulation, die man nicht falsifizieren kann).
    Dieses renitente, sich während der Forschungen sogar verstärkende Staunen bringt manche Wissenschaftler dazu, quasi durch die Hintertür, nach einer Reise durch die Welt – a posteriori – wieder religiös zu werden. Die Religion gibt keine zusätzliche kausale Erklärung o.ä., sie ist aber dazu da, die uns zugängliche Erklärung, die immer komplexer wird und vollkommen auszuufern droht, weich einzuhüllen und transportabel-verträglich zu machen.
    Mich wundert es außerdem, dass es zur Todsünde des Stolzes führen soll, wenn man die Religion/Gott als eine Antwort auf ein menschliches Bedürfnis sieht. (Aus neurologischer Sicht gibt es im Hirn eine bestimmte Region, in der das religiöse Bedürfnis zuhause ist.) Ich fürchte, die meisten Gläubigen machen sich dieser Todsünde schuldig. Ich hatte geglaubt, dass Gott sich in solchen Bedürfnissen offenbaren würde, dass es also eine direkte Verbindung des Menschen und dem Gott – der als Lösung für die individuellen Sorgen des Einzelnen da sein soll (was für ein Gedanke!) – gäbe. Vielleicht wär es eine Todsünde, wenn man es damit bewenden ließe, dass Gott also darin aufginge. Aber wenn man das Bedürfnis komplett aus der Betrachtung herausnimmt, dan, fürcht eich, erleidet die ganze Religion Schiffbruch.

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    Für mich gilt sogar: ein perfekter Gott ist einer der sich niemals zeigt. Es wäre sonst wie die Rechtfertigungsversuche eines Menschen, der sich nicht sicher ist seiner bekundeten Meinung.

    Ein solches höchstes Wesen wäre DIE Absolutheit und per se auch dadurch redundant. Wenn nicht letzteres dann wenigstens in unserem Wahrnehmungskreis redundant oder sogar störend. Wie sollte ich einen Gott als perfekt akzeptieren, der sich zeigt, also seine selbst geschaffenen Naturgesetze außer Kraft setzt?

    Alle anderen unterhalb dieser Absolutheit angesiedelten Gottesbilder – das sind Wesen wie Aliens – sehr fortgeschritten, uns überlegen, aber eben nicht GOTT.

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