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Die Antideutschen und Israel

Wer sich – wie ich – publizistisch für Israel engagiert, wird früher oder später mit Organisationen wie „Stop the Bomb“, „Café Critique“ oder bestimmten Untergliederungen der „Deutsch-israelischen Gesellschaft“ zu tun haben, die mehr oder weniger stark von der Sekte der „Antideutschen“ unterwandert oder Frontorganisationen der Sekte sind. Der wohl eloquenteste Kopf dieser Sekte ist Stephan Grigat, „wissenschaftlicher Direktor“ von „Stop the Bomb“ in Österreich.


Da inzwischen Mitglieder und Sympathisanten dieser Sekte auch die Mainstream-Medien zu infiltrieren versuchen, sollte man wissen, worin ihre Ideologie besteht – eine Ideologie, die sie durch demonstrative und lautstarke Kritik am Antisemitismus und Antizionismus verstecken. Nichts gegen Kritik am Antisemitismus. Jedoch ist der plakative Anti-Antizionismus der Antideutschen rein instrumentell. Wenn es so etwas wie die „Antisemitismuskeule“ gibt, so schwingen sie die Antideutschen. Die Hauptantriebskraft der Antideutschen ist nämlich nicht die Solidarität mit dem Staat Israel und seinen Bewohnern, sondern der Kampf für den Kommunismus. Dies hat mit dankenswerter Klarheit bereits vor einigen Jahren der „wissenschaftliche Direktor“ von „Stop the Bomb“ ausgeführt. Hier ist zum Nachlesen Stephan Grigats Essay:

http://www.cafecritique.priv.at/ktUndZionismus.html

Nun erwarte ich nicht, dass sich jeder Leser dieses Blogs durch den Wust von Adorno-. Horkheimer-, und Marcuse-Zitaten arbeitet und den verqueren Gedankengängen eines Salon-Kommunisten folgt. Deshalb fasse ich Grigats Gedanken hier zusammen. Anhand des Essays kann jeder feststellen, dass ich sie nicht verfälsche.
Was sofort auffällt, ist die Tatsache, dass es im ganzen Essay nicht einmal um das konkrete Land Israel geht, das Grigat nicht einmal zu kennen scheint. Israel ist hier eine Chiffre. Israel ist der „Staat der Shoahüberlebenden“, was dem real existierenden Staat Israel, in dem die Mehrheit der Bewohner sephardische Juden aus dem arabischen Raum sind (um nur einen von vielen Einwänden gegen diese Kennzeichnung zu formulieren), noch weniger gerecht wird, als die Bezeichnung „Land der Täter“ dem heutigen Deutschland. An anderer Stelle beschreibt Grigat Israel als „antinationalistische Nation“. Man fragt sich, ob er überhaupt die Reden der Gründerväter Ben Gurion oder Jabotinsky gelesen hat, von Ariel Sharon, Binjamin Netanyahu oder Aryeh Deri ganz zu schweigen.
Diese Ignoranz gegenüber dem realen Staat Israel und seinen Bürgern hat aber Methode, denn Israel dient Grigat und den Antideutschen nur als Knüppel, um auf ihre Feinde einzuschlagen. Die „materialistische Antisemitismustheorie“, so Grigat, bedeute nämlich „Kritik des Antisemitismus als Gesellschaftskritik“, genauer: „Denunziation der deutschen Ideologie und des Nachlebens des Faschismus in der Demokratie“, noch genauer: des „Bündnisses zwischen Deutsch-Europa (der EU, A.P.) und den zu kurz gekommenen Staates des Trikont (der „Dritten Welt“, A.P.)“, die gemeinsam „einen Kalten Krieg niederer Intensität gegen die USA eröffnet“ hätten.
Über die Absurdität dieser „Analyse“ braucht man keine Worte zu verlieren. Man muss aber betonen, dass die Antideutschen nicht etwa, wie es nach den Bemerkungen über jenen angeblichen „Kalten krieg“ der Deutschen gegen Amerika scheinen könnte, Freunde der USA sind. Im Gegenteil. Der Sieg der USA im wirklichen Kalten Krieg gegen den Kommunismus sehen Grigat und Co. als Unglück an, denn früher habe es „auf Grund der Existenz der Sowjetunion und ihres leider völlig in Verruf geratenen ‚Sozialimperialismus’ noch sehr viel mehr Anzeichen für eine … Dialektik von nationaler und sozialer Befreiung (gegeben) als heute.“ Der „Antiimperialismus Leninscher Prägung“ sei nämlich fortschrittlich gewesen, im Gegensatz zum „Antiimperialismus des Dschihadismus“, gegen den etwa die Sowjetunion zu Recht in Afghanistan gekämpft habe.
Der Aktionismus von Grigat und Konsorten in Sachen Israel hat also weder etwas mit Sympathie für den konkreten Staat Israel zu tun noch mit dem Einstehen für die „Werte des Westens“, als da wären liberale Demokratie, marktwirtschaftlicher Kapitalismus, Pluralismus und individuelle Freiheit. Es geht ihnen vielmehr um „die momentane (!) Aussichtslosigkeit revolutionärer Praxis.“ Diese Praxis nämlich würde, wenn es so weit wäre, „mit der Abschaffung von Staat und Kapital“ (also von Demokratie, Liberalismus, Pluralismus, Kapitalismus und Marktwirtschaft, A.P.) „auch die Notwendigkeit des Zionismus aus der Welt schaffen“. Also Israel abschaffen.
Denn „der Zionismus ist nicht die richtige Antwort auf den Antisemitismus (das wäre die klassen- und staatenlose Weltgesellschaft)“. Israel ist nur „die vorläufig einzig mögliche“ Antwort, und zwar weil er „der bewaffnete Versuch der Juden (ist), den Kommunismus noch lebend zu erreichen.“ Tja, da staunt der Bibi Netanyahu. Das wusste er gar nicht. Aber er ist ja auch kein Dialektiker.
Nun habe ich nichts dagegen, wenn Kommunisten auf „revolutionäre Praxis“ verzichten, und sei es nur „momentan“; ich habe auch nichts dagegen, wenn Kommunisten Israel verteidigen, und sei es nur sozusagen als notwendiges Übel, bis die Weltrevolution Zionismus und Antizionismus, Judentum und Antisemitismus aus der Welt schafft und alle Menschen Brüder sind. Und Schwestern natürlich.
Freilich muss man solchen Ideologen mit Vorsicht begegnen.
Mein Verhältnis zu den Antideutschen entspricht etwa dem Verhältnis jenes Funktionärs der Israel-Lobby-Gruppe AIPAC zum durchgeknallten christlichen Fundamentalisten und Israel-Freund John Hagee (dessen Ansichten zur EU, zum Iran und zum kommenden messianischen Zeitalter durchaus Parallelen mit den Fieberfantasien der Antideutschen aufweist), der mir sagte: „Besser Hagee ist im Zelt und pisst raus, als dass er außerhalb des Zelts steht und reinpisst.“
Aber: Man muss wissen und sagen, dass Hagee ein durchgeknallter Fundamentalist ist, dessen Loyalität letztlich nicht Israel, sondern seinem Messias gilt; man muss wissen und sagen, dass Grigat und Co. durchgeknallte Fundamentalisten sind, deren Loyalität letztlich nicht Israel, oder dem Judentum, sondern dem Kommunismus gilt.
Noch pissen sie aus dem Zelt. Ich würde nicht darauf wetten, dass es so bleibt.

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108 Gedanken zu “Die Antideutschen und Israel;”

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    @lucas

    „Ist es eigentlich Rassismus und Hass einen Schutz der afrikanischen Hexenjagdenkultur zu verneinen?“

    Das ist eine Fangfrage. So wie „Was würden sie tun, wenn zwei Rotarmisten ihre Frau vergewaltigen wollen und sie haben ein Gewehr in der Hand?“ bei der Wehrdienstverweigerung. Ich glaube nicht, dass Religionsfreiheit bis zum aztekischem Rausreißen von schlagenden Herzen geht. Und es ist wohl kaum Rassismus, wenn Menschenleben gerettet werden. Nur daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass prinzipiell alles unaufgeklärte platt gemacht werden darf oder sogar muss, geht an dem Problem vorbei. Muslimische Religionsfreiheit geht nicht bis zum Köpfen von Geiseln, wenn aber ein Muslim einer Frau nicht die Hand geben will, dann finde ich das doof, gehört aber zur Religionsfreiheit. Beschneidung von Jungen und Beschneidung von Mädchen ist nicht das gleiche. So kann man von mir aus gerne Amulette und Hühnerbeine gegen den bösen Blick tragen, Hexen grillen ist dann doch was anderes.
    Ich glaube die religiöse Praxis der meisten Menschen besteht nicht in solchen Extremen.

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    Und da schließt sich der Kreis zu den Evangelikalen. Ist Jesus erstmal zurück, werden die Juden ihren Irrtum schon erkennen. Anläufe gab es ja schon bei Paulus, Mohamed, Luther. Dann mit Liberalen, Kommunisten – hey, wir sind jetzt alle aufgeklärt! Die Communisten laufen sich warm. Das Judentum in seinen Irrtümern wird überwunden. Ich kann mir vorstellen, dass die Israelis ihre Beglückung kaum abwarten können.

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    „Solange es Menschen gibt, die sich zwar dem Marxschen Imperativ verpflichtet fühlen, mit ihrem Anliegen aber keineswegs erfolgreich sind, versuchen wir dem Adornoschen Imperativ dadurch gerecht zu werden, daß wir mittels Gewalt die körperliche Unversehrtheit von Juden und Jüdinnen gewährleisten.“

    Puh, wäre ich orthodoxer Jude, würde mir richtig warm ums Herz werden. Ich würde es so verstehen, dass, nach Verwirklichung des marxschen Imperativs, meine Löckchen an der Reihe wären. Wenn man ganz gemein ist, könnte man auch zurückspulen zur UdSSR, die diesen Imperativ angeblich verinnerlicht hatte. Deswegen konnte sich der „aufgeklärte“ Antisemitismus da ja auch ausleben. Befreit war man doch blöd, an eine alte Wüstenreligion zu glauben. Das machte die gläubigen Juden ja so unsympathisch – sie wollten sich einfach nicht befreien lassen. Natürlich wurde „Jude“ dadurch zum Synonym für eine antiemanzipatorische, antisozialistische Haltung, was im Ergebnis zum guten, alten Antisemitismus führt, gerade weil man den überwunden hatte. Nur die Juden waren zu doof, es zu verstehen. War doch bei Mohamed und Luther schon nicht anders. Bricht erst mal der Communismus aus, reden wir über Beschneidung. „leider völlig in Verruf geratenen „Sozialimperialismus““ lese ich genau so.

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    @ Marseillais

    Schlecht ausgedrückt, gebe ich zu. Als bewaffneter Versuch den Kommunismus zu erreichen, steht Israel als solches zur Disposition. Steht ja so auch im Text:

    „Kritische Theorie hingegen hält an der Möglichkeit fest, mit der Abschaffung von Staat und Kapital auch die Notwendigkeit des Zionismus aus der Welt zu schaffen.“

    Es gibt dann keinen Grund, warum Juden an der Klagemauer beten sollten. Im Mittelpunkt steht Emanzipation und der Schutz vor Antisemiten. Entkoppelt von der Religion und Geschichte des Judentums selbst. Jetzt vermute ich mal, dass die Israelis durchaus einen Zusammenhang zwischen Jerusalem und Judentum sehen, der so gar nicht zu einem emanzipatorischen Ansatz passen will. Können sie sich ein Israel ohne Poseners Aufzählung: Zion. Jerusalem. Masada. vorstellen? Und viel wichtiger: Wollen die Israelis sich das vorstellen? Beispiel: Maccabi Haifa. Der Aufstand der Makkabäer war doch antiimperialistischer Djihad pur. Schauen sie, wie viele Vereine Maccabi heißen. Das klingt mir nicht danach, dass Israelis und Antideutsche von derselben Welt träumen. Die Frage, was passiert, wenn die Geschäftsgrundlage der Freundschaft wegfällt, finde ich doch durchaus berechtigt.

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    @ lucas

    „@Don Geraldo
    Ist es eigentlich Rassismus und Hass einen Schutz der afrikanischen Hexenjagdenkultur zu verneinen?“

    Versteh ich nicht………
    Was wollen Sie mir damit sagen ?

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    Zwei Dinge verstehe ich nicht so ganz:
    Das erste sind die Ziele. Nennen wir sie Communismus. Das ist mir zu mystisch und irrational. Damit meine ich nicht das Formulieren einer Vision. Damit meine ich das nicht formulieren einer Vision. Der Begriff der freien Gesellschaft in dem Kontext ist mir zu mystisch. Wo der qualitative Unterschied zur muslimischen Umma liegen soll, verstehe ich nicht ganz. Klar, die Zielsetzung ist eine ganz andere. Aber beide operieren im luftigen Höhen: bei den einen sind die Menschen nicht fromm genug, damit es funktioniert, bei den anderen nicht frei genug, damit es funktioniert. Beide sind sich aber einig, dass wir, wie wir sind, unzulänglich sind. Wenn die Menschen nicht so wären, wie sie sind, wäre alles besser. Von der Flughöhe wird kritisiert. Mit argumentativen Bombenteppich. Bis auf die Begriffe vermag ich da keinen wirklichen Unterschied zu Kulturpessimisten, fundamentalen Christen oder muslimischen Wirrköpfen zu sehen. Wobei diese Gruppen ja durchaus ihre 5minutes of fame hatten, in einer idealisierten, mystischen Vergangenheit. Wenn Communismus und Kommunismus nicht das gleiche sind, dann ist man ja endgültig auf der sicheren Seite. Nur ist Mystik wirklich emanzipatorisch?

    Das zweite ist das intellektuelle Dribbling. Man muss nicht Antisemitismus mit Antiislamismus gleichsetzen. Man muss nicht mal den Begriff Islamphobie verwenden. Aber man muss schon lange seine Sensoren verbiegen, um die wachsende Feindlichkeit gegen Muslime in der Gesellschaft nicht zu bemerken. IS, Hamas, Hisbollah…schon alles klar. Wenn aber Mersad, Ali, Gunes und Fatima nicht in Discos dürfen, an der Kasse übergangen werden oder eine Wohnung nicht vermietet bekommen, dann muss der Islam nicht richtig und gut sein, aber dass Muslime in Sippenhaft genommen werden, sollte man schon bemerken. Wenn sich das ganze entkoppelt und zum Selbstläufer wird, d.h. ein Muster entwickelt wird, wie Muslime an und für sich sein sollen und Personen nicht als Personen, sondern nur als dieses Muster wahrgenommen werden, tja, wie soll man das dann nennen? Deswegen wundert mich auch die Abgrenzung zu PI. Für mich klingen beide nach Säuberung der aufgeklärt-bürgerlichen Gesellschaft von unreinen Elementen. Man muss sich schon arg verdribbeln, um nicht zu merken, dass man auf das gleiche Tor schießt.
    Die größte gesellschaftliche Wirkung der Antideutschen ist die Munitionierung der bürgerlichen Mitte mit Argumenten, um sich gegen einzelne wie ein Arschloch zu benehmen. Die gleichen Leute, die früher Kümmeltürken und Kanacken nicht wollten, berufen sich nun auf aufgeklärte Ablehnung des Islam als Ideologie – womit jeder Schwarzkopf zum Abschuß frei gegeben ist.

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    @ Stevanovic
    Sie sind hier auf einem schwierigen Pfad. Bananenschale. Sie können nicht einfach einen Staat in Grönland errichten. Dort leben Leute. Wenn Sie für eine Gruppe einen Staat als safe haven errichten müssen, weil sie gefährdet sind, können Sie das allenfalls dort, wo sie vorher vertrieben wurden. Die Wikinger sind nicht mehr am Leben. Sie können nicht einfach damit ankommen, dass eine neue Bevölkerung dort Eis und Schnee beseitigen würde. Man sollte das für die Eskimos übersetzen. Die würden sagen, dass die Deutschen immer noch sehr merkwürdig sind. Die Baltendeutschen vor allem.
    Posener hat das geflissentlich übersehen, weil er Ihre Einträge schätzt.
    Ich hoffe, die USA sind nie wirklich gefährdet, denn dann würde es hier richtig voll. Insofern kann man nur hoffen, dass ihre gegenseitige Abschreckung mit Russland nicht aus dem Ruder läuft eines Tages.
    Was Eis und Schnee betrifft: Arbeiten Sie für die Öl-oder Gasindustrie? Die hätte da Spaß dran.

    @ Lucas
    Ich habe Ihre Einträge gezählt. Bei Roland Ziegler habe ich das vor zwei Jahren auch mal gemacht und auch bei mir. Mit der Zeit wird das besser. Vorübergehende blog-Obsession. Manches kann man später nicht mehr sehen von den eigenen Ergüssen. Bloß vertrackt: Die Anderen hören dann auf zu lesen bei Monologen.

    1. avatar

      Lieber Marseillais, ich habe die Tücken in der Argumentation von Stevanovic nicht übersehen. Ich habe sie aber als Kritik der rein abstrakten Ableitung des Judenstaats durch die Antideutschen verstanden. Es gab ja einen solchen Staat in der Sowjetunion. Die Briten spielten zeitweise mit der „Uganda-Lösung“. Es kam anders – vor allem deshalb, weil eine große geschichtliche Idee, hier die Neuerfindung eines hebräischen Volks im Geist der Moderne, auch irrationaler, quasi-religiöser Symbole und Motivationen bedarf: Zion. Jerusalem. Masada. Es bringt wenig, die Geschichte nachträglich korrigieren zu wollen. Der Widerspruch bleibt freilich, dass eine rein säkulare, teils sozialistische, teils nationalrevolutionäre Bewegung sich auf die Verheißungen der Bibel berief. All das können natürlich Leute nicht reflektieren, denen es nur darum geht, „die deutsche Ideologie zu denunzieren“.

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    @Ziegler

    Nein, nein- ich ziehe keine Forderung. Ich finde Israel gut wie es ist und wo es ist.

    Mir ging es eher darum darauf hinzuweisen, dass ich in der Begründung für den Zionismus und für die Staatlichkeit Israels viele Argumente gelesen habe, die schon richtig sind, letztlich aber abstrakt bleiben. Ich kenne die Werke Adornos, der Antideutschen und der anderen Ideengeber nicht, vielleicht wird das irgendwo behandelt.

    Es wäre natürlich nicht das gleiche, Israel in Grönland zu errichten oder zu ermöglichen, dass Juden an der Klagemauer beten können. Mir fehlt der Bezug zum Judentum selbst. Es ist ja kein Zufall, dass Israel dort ist, wo es ist. Was ich im Text über Emanzipation gelesen habe, passt nicht zum realen Israel, aber das wird im Text ja auch angesprochen und für mich auch schlüssig erklärt. Diese Emanzipation passt aber noch weniger zum Judentum als Religion selbst. Allerdings erklärt doch erst dieser Bezug, warum ein erwachsener Mann mit neckischen Löckchen an einer alten Mauer beten darf. Israel ist ja nicht nur die Zuflucht vor dem Antisemitismus, sondern auch Heimat des Judentums.

    Ich denke da an die Diskussion um die Beschneidung. Solange sich das Judentum in seiner mondänen, bürgerlichen Form präsentierte, oder hier halt mit den Kibbuz, gab es ja mit der Religionsfreiheit keine Probleme. Als es an den „archaischen Teil“ des Glaubens ging, war es ja recht schnell vorbei damit.

  9. avatar

    Marx ein Antideutscher?
    „Gutmütige Enthusiasten dagegen, Deutschtümler von Blut und Freisinnige von Reflexion, suchen unsere Geschichte der Freiheit jenseits unserer Geschichte in den teutonischen Urwäldern. Wodurch unterscheidet sich aber unsere Freiheitsgeschichte von der Freiheitsgeschichte des Ebers, wenn sie nur in den Wäldern zu finden ist? Zudem ist bekannt: Wie man hineinschreit in den Wald, schallt es heraus aus dem Wald. Also Friede den teutonischen Urwäldern!

    Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings!“
    http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_378.htm

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      Marx war mit seinem kommunistisch begründeten Antisemitismus wenigstens in der Hinsicht ehrlicher als die Antideutschen, Lucas.

  10. avatar

    Eigentlich ist schon die Fragestellung „Die Antideutschen und Israel“ falsch.

    Diese Leute interessieren sich nicht die Bohne für Israel. Das einzige das sie interessiert tragen sie schon im Namen, nämlich das „antideutsche“.

    Eigentlich sollte man sich mit diesen Leuten nicht politisch auseinandersetzen, vielmehr sollte man versuchen zu ergründen, woher dieser Hass auf alles deutsche kommt.
    Israel ist nur deshalb das Objekt ihrer Zuneigung, weil sie aufgrund der Geschichte von einem natürlichen Antagonismus zwischen Juden und Deutschen bzw. Israel und Deutschland ausgehen.
    Daß diese Sichtweise rassistisch ist kommt den sich selbst antirassistich wähnenden Antideutschen bestimmt niemals in den Sinn, Hauptsache man kann seinen (verspäteten) Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime zelebrieren.

    Mir kommt bei diesen Typen ein Satz in den Sinn, den ein kluger Mann schon vor 30 Jahren sagte:
    „Im Grunde genommen regiert Hitler immer noch Deutschland: Bei jedem Problem fragen sich die Deutschen, was hätte wohl Hitler gemacht, um dann das Gegenteil davon zu machen.“

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      Nicht schlecht, Don Geraldo. Ich frage mich manchmal auch, was mich mehr ärgert: der verlogene Hyper-Zionismus der Antideutschen oder ihre bescheuerte Revolutionstheorie.

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    ähh, ich wollte erst irgendwas an sie, Alan Posener schreiben, was ich jetzt schon vergessen habe. Der Kommentar ist also an alle gerichtet.

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    @Alan Posener
    die ersten Absätze des Kommunistischen Manifests
    „Ein Gespenst geht um in [Deutschland] – das Gespenst [der Antideutschen]. […]“ oder wie? 😀

    Mir geht es wohl gerade wie manchen hier, als Alan Posener und ich Google verteidigt haben, ich versteh einfach nicht, wo das Problem ist.

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    „hielt die Kritische Theorie beharrlich an ihrem Ziel fest: die befreite Gesellschaft auf dem höchstmöglichen Stand von Zivilisation und Luxus.“

    „Die Einsicht, daß man zumindest die Rudimente der wie auch immer beschränkten bürgerlichen Freiheit verteidigen muß, was selbstverständlich nicht heißt, daß man die Beschränkung dieser Freiheit nicht immer wieder thematisiert, ist durchaus eine naheliegende Antwort.“

    „Kommunistische Kritik kreidet der bürgerlichen Gesellschaft nicht an, daß sie bestimmte Freiheits- und Individualrechte hervorgebracht hat, sondern weist darauf hin, daß eine Gesellschaft, die solche Rechte notwendig hat, weiterhin eine gewalttätige Gesellschaft ist.“

    „Zudem weiß Kritische Theorie, daß es etwas Schlimmeres gibt als den Kapitalismus und die bürgerliche Gesellschaft: ihre barbarische Aufhebung. Für diese negative Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft steht Deutschland, dafür stehen Nationalsozialismus und Faschismus, dafür stehen auch panarabisch-nationalistische und islamistische Ideen.“

    hmm, klingt gar nicht nach antizivilisatorischer Weltrevolution… Widerspricht auch irgendwie so gar nicht dem Kommunistischen Manifest (oder?)

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      Ja, Lucas, das ist ABC des Antifaschismus, wie er von Georgi Dimitrov auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationalen vorgetragen wurde. Man muss dabei immer im Auge haben, was die Kommunisten dann aus der antifaschistischen Einheitsfront gemacht haben. Nicht, dass ich den Antideutschen auch nur annähernd so viel Macht und Einfluss und Ernsthaftigkeit und revolutionären Machtwillen zuschreiben würde wie den Parteien der Komintern. Nur: Die bürgerliche Gesellschaft musste und muss immer gegen Fanatiker von links und rechts verteidigt werden. Auch wenn sie sich als Freunde Israels verkleiden.

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    @Stevanovic: Ihre Beobachtung, dass der Standort Israels nicht clever gewählt war, ist völlig richtig. Aber die Folgerung, die Sie daraus ziehen, ist m.E. falsch. Dieser Ort ist in der Tat ungünstig, nicht nur wegen der Wüste oder der Muslime, auch wegen der ultrareligiösen Juden, die sich auf heiligem Boden glauben und entsprechende Besitzansrpüche ableiten. Aber diese Frage hätte zu Zeiten der Staatsgründung besser entschieden werden müssen, nicht jetzt, wo Generationen von Israelis sich eingerichtet haben. Der Staat Israel ist jetzt da, wo er ist.

    Man ging damals mit der Utopie falsch um. Ich halte utopisches Denken für unverzichtbar – nicht nur, weil man grundsätzlich über den Tellerrand gucken sollte, auch weil jeder einzelne und auch die Menschnheit insgesamt Ziele benötigt, um sich auszurichten. Das ist ein elementares Bedürfnis und eine menschliche Notwendigkeit.

    Im Sinne eines harten Realismus anzunehmen, dass immer alles so bleibt, wie es ist – dass der Mensch immer des Menschen Wolf ist, beispielsweise -, ist auffallend unrealistisch. Alles ändert sich mit der Zeit, aber es sind eben große Zeiträume. Wir haben sogar mit unserem Geist Einfluss auf unsere Gene (Epigenetik) und können uns zu friedlicheren Menschen erziehen. Auf die Dauer.

    Derzeit sind wir noch bestimmt von wölfischem Verhalten. Dies wird in anrachischen Zuständen wie im Irak deprimierend deutlich.
    Es ist u.U. eine Frage von Jahrhunderten und länger, bis man sich einigermaßen verlässlich verträgt – bei Wahrung der Unterschiede – und auf Kooperation statt auf Konfrontation setzt. Hier einen Kurzschluss oder eine Abkürzung zu versuchen, wie es die Zionisten bei der Staatsgründung gemacht haben, hat sich dann wieder einmal als – unrealistisch erwiesen.

    Aber nun ist es wie es ist, man kann die Zeit nicht zurückdrehen, sondern muss ab jetzt das Beste draus machen. Deshalb setzen sich eben auch die Antideutschen für Israel an seinem aktuellen Ort ein.

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    Gehen wir davon aus, dass alles so stimmt, was Stephan Grigat in dem verlinkten Artikel geschrieben hat. Warum dann gerade Jerusalem, Tel Aviv oder Haifa? Dann haben die Araber ja nicht ganz Unrecht, Grönland wäre sicherer. Wer die Wüste Negev zum Blühen bringt, der könnte das auch in der Wüste Gobi oder in Utah. Würde ich Leute schützen wollen und wäre der Islam eine faschistoide Ideologie (verkürzt), dann würde ich diese Leute doch nicht in Mitte ihrer Feinde setzen. Wenn die Araber ihre Waffen niederlegen, gibt es Frieden. Wenn die Israelis es tun, gibt es kein Israel mehr. Also scheint mir der Standort nicht gerade clever gewählt. Der Holocaust war ein europäisches Projekt. Selbst der Großmufti war gegen die Nazis nur ein Schwätzer. Israel wäre nicht mal ausgleichende Gerechtigkeit, denn dann wäre es in Niedersachsen (oder in Ungarn oder Holland).
    Es macht alles doch gar keinen Sinn, wenn man nicht doch glaubt, dass Juden gerade nach Jerusalem gehören. Oder bei Liedern wie Rivers of Babylon nicht doch feuchte Augen bekommt. Nur diese Haltung ist doch von Emanzipation und Aufklärung sehr weit entfernt, den rational ist dies nicht.
    In dem Text gibt es gute Gründe, warum ein Staat der Juden notwendig ist. Aber aus den gleichen Gründen macht er genau an der Stelle keinen Sinn.

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    Lieber Herr Posener,
    ch meinte mit „Vernünftiges“ nicht Grigats Artikel, den hatte ich noch gar nicht gelesen. Sie verteufeln pauschal die „Antideutschen“ die es in organisierter Form nicht gibt, als „Sekte“ schon gar nicht. Es wird alles, was sich von links gegen Antisemitismus positioniert,in eine „antideutsche“ Schublade gesteckt – Sie schreiben, dass es selbst Ihnen widerfährt, der Sie doch eines ganz bestimmt nicht sind: links. Und was den Artikel Grigats betrifft, den ich jetzt gelesen habe: Ich fürchte, er hat Sie schlicht überfordert.

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      Doch, doch, AddiB, links bin ich schon, nur nicht antideutsch. Die Tatsache, dass auch Leute der Sekte zugeschlagen werden, die ihr nicht angehören, heißt ja nicht, dass sie nicht existiert. Lesen Sie dazu die herrlichen ersten Absätze des Kommunistischen Manifests von Karl Marx.

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    Grigat als Antikommunist: „In den dreißiger Jahren gelangte die arabische Nationalbewegung in Palästina dann endgültig unter die Führung Amin al-Husseinis. Sie war geprägt von religiösem Fanatismus, reaktionären Gesellschaftsvorstellungen und radikalem Antisemitismus, der sich keineswegs ausschließlich gegen das zionistische Projekt, sondern gegen alle in Palästina lebenden Juden richteten. Diese Ausrichtung führte die arabische Nationalbewegung unter Führung des Mufti in eine Koalition mit den faschistischen und nationalsozialistischen Kräften in Europa. Dieses Bündnis funktionierte nicht nach dem Motto »Der Feind meines Feindes ist mein Freund«, wie von einigen Vertretern der israelischen Linken bis heute behauptet wird, sondern erklärt sich aus den ideologischen Übereinstimmungen.“ http://jungle-world.com/artikel/2010/27/41305.html

    @Alan Posener
    Was denken sie, was die Antideutschen tun würden, wenn die Demokratiebewegung im Iran siegte und die Ultrareligiösen und Nationalreligiösen in Israel eine Mehrheit bekämen? Was würden Sie dann tun?
    Warum denken sie, dass Antideutsche ihren Proisraelismus vortäuschen und nur Kommunisten seien? Kann man nicht beides gleichzeitig sein?

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    Lieber Herr Posener,

    ich freue mich immer, wenn ich etwas Vernünftiges zum Thema „Nahostkonflikt“ lese. Dabei ist mir egal, ob dieses Vernünftige von erzreaktionären Teapartyheinis kommt. Ich habe von deren politischer Motivation keine Ahnung, werfe ihnen also auch nicht vor, ihre Solidarität mit Israel erfolge aus unlauteren Beweggründen. Mir ist der Beitrag zur Solidarität wichtiger. Warum halten Sie es nicht so mit den „Antideutschen“? Von denen haben Sie offensichtlich keine Ahnung.

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      Lieber AddiB, wenn Sie das, was Grigat hier geschrieben hat, unter „Vernünftiges zum Nahostkonflikt“ rubrizieren, kann ich Ihnen auch nicht helfen.

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    Tja, schon scheiße wenn der Neid auf ihnen intellektuell Überlegene sie zerfrisst, da muss gleich eine (lol!) „starke“ Meinung her.

    Armer Schmirant.

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      Lieber „Zionist“ (ein „Zionist“, der im sicheren Österreich wohnt): Wer als Mailadresse „fuckyou@gmx.at“ angibt, disqualifiziert sich intellektuell selbst.

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    @Alan Posener: Bei uns hier ist das wohl Konsens, aber ich weiß nicht, inwiefern die Antideutschen, um die es geht, oder die Mehrheit der Israellobby dem zustimmen würden. Wobei der Ausdruck „problematische Entwicklungen“ derart dezent ist, dass er möglicherweise tatsächlich konsensfähig ist.

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    „das, was die Kritische Theorie befreite Gesellschaft nannte, ist der Sache nach nichts anderes als der Kommunismus, ein Kommunismus im Sinne der Kritik alles Bestehenden, einer Kritik, die sich jedoch spätestens nach Auschwitz zu Einigem dieses Bestehenden positiver verhalten muß, als es ihr lieb sein kann.“ Kritik ungleich Ablehnung. Ich kann eine in Summe positive Kritik über einen Film schreiben, die teilweise negativ ausfällt und (vielleicht aus rhetorischen Gründen) verschwurbelt formuliert ist: 0,5-1+(-0,5)+2=1

    „Dennoch lohnt es sich in Erinnerung zu rufen, daß dieser Antiimperialismus das eine mal zur partiellen Emanzipation der Frauen, zu Alphabetisierung, sozialer Absicherung und humanistischer Gesinnung geführt hat, während er ein anderes mal in Völkermord, Intellektuellenverfolgung, Rassismus und Antisemitismus seine Erfüllung fand. […] Bei all seiner staatssozialistischen Borniertheit beinhaltete der traditionelle Antiimperialismus immer auch ein Element der Befreiung, daß in den trikontinentalen Entwicklungsdiktaturen, die sich an der Sowjetunion orientierten, Ansätze jener emanzipativen Entwicklungen hervorgebracht hat, gegen die sich der djihadistische Antiimperialismus wendet.“

    Folgen des…
    Leninismus: -7+2=-5
    Djihadismus: -2+0,5=-1,5
    mögliche Folgen des Djihadismus: -7+0,5+0,1=-6,4
    (Diese Quantifizierung dient nur illustrativen Zwecken, vielleicht sollte ich besser Variablen verwenden)

    Bisher hat Djihadismus weniger Schaden angerichtet als Leninismus, bei weiterer Auslebung des djihadistischen Wahns ist aber von größeren negativen Folgen auszugehen. Wobei sich Djihadismus und Leninismus trotzdem nicht viel geben, letzterer bekommt aber mehr Gummipunkte für Bildung.
    Falls jemand damit kommt: Nö, Hitler hat nicht mal die Autobahn geplant.

    Ich habe Churchills „[No one pretends that democracy is perfect or all-wise. Indeed, it has been said that] democracy is the worst form of government except all those other forms that have been tried from time to time.“ als eine die Möglichkeit einer besseren nur bisher unbekannten Regierungsform implizierende Formulierung verstanden.

    Naja, vielleicht leide ich ja auch unter Stockholmsyndrom und kognitiver Dissonanz, weil ich schon zu viel antideutsche Literatur gelesen habe.

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    Wer die politische Praxis der „Antideutschen“ betrachtet, wird wohl eher zu dem Ergebnis kommen, dass ihr „Kommunismus“ eine Tarnung ist, um weiter in den sozialen/politischen Bereichen, aus denen sie stammen (Stalinisten mehr oder weniger maoistischer Prägung und „autonome“ Antifa), zu wirken, als dass ihr Pro-Zionismus ein Ablenkungsmanöver wäre. Kurzum: Die „Antideutschen“ stehen rechts und nicht links.

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    @Alan Posener
    Warum sind die Juden aus den arabischen Ländern nach Israel gekommen? http://jungle-world.com/artikel/2012/42/46432.html

    Guido Westerwelle als Vertreter Deutsch-Europas, dass sich mit arabischen Staaten gegen Israel verbündet? http://www.bild.de/news/aktuel......bild.html
    Ach, stimmt, die Vertreter der USA Kerry und Obama wünschten sich das ja zuerst auch. Na, dann müssen die Antideutschen ja wirklich antiamerikanisch sein:
    http://www.spiegel.de/internat.....43819.html

    @Stevanovic
    Wenn das Judentum nach den Antisemiten dran ist, gibt’s doch noch Antisemiten und den Staat Israel gilt es somit wieder zu verteidigen.

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    Vielleicht sollte man sich lieber mal Gedanken darüber machen, was es für Pisser und Zelte zu bedeuten hat, wenn USA mit Jordanien, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Bahrain jetzt beiläufig Assad die Bahn freischießt. Die Frage plagt mich grad entschieden mehr. Bevor ein falscher Eindruck entsteht: ich finds gut, dass die Luftschläge stattfinden, aber alles, was Assad politisch und militärisch wieder aufwerten könnte, eben nicht. Dazu ne Idee re: Pisser/Zelte?

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    Vermutlich ist es auch den Antideutschen nicht entgangen, dass es in der Ex-Sowjetunion Verfolgungen gab (das ist ja inzwischen Konsens) und dass es in Israel problematische Entwicklungen gibt (das ist zwar kein Konsens, aber man kann sich schon fragen, ob die Gaza-Kriege oder die Siedlungspolitik zielführend sind, was die Verhinderung von Raketenangriffen bzw. die Zweistaatenlösung angeht).

    Diese Probleme werden von den Antideutschen teilweise legitimiert, indem auf eine Höherrangigkeit des jeweils ursprünglichen Problems, das zur Staatsgründung geführt hat (nämlich die Entrechtung der Armen/die Verfolgung der Juden), verweisen wird.
    Sozusagen der Nebenwiderspruch zum ursprünglichen Hauptwiderspruch, den man nur zögernd einräumt und sofort wieder relativiert.

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      Ich denke, lieber Roland Ziegler, damit das hier klargestellt wird, dass es auch einen Konsens gibt hinsichtlich der „problematischen Entwicklungen“ des Zionismus gibt, die nicht erst mit den Siedlungen anfangen. Ich denke an die Vertreibung der Araber aus Lydda etwa oder das Massaker von Deir Jassin. Nicht annähernd mit den Schrecken des Kommunismus vergleichbar, aber auch nicht zu verschweigen.

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    …hm, die vorherigen Ausführungen sind vielleicht etwas unklar geworden. Ich wollte sagen, dass die Antideutschen die Ex-Sowjetunon aus demselben Grund unterstützen wie Israel: um Verfolgte zu schützen (im einen Fall: Arbeiter, Arme, Bauern; im anderen Fall: Juden).
    Utopischerweise würden sich Gesellschaften entwickeln, in denen dieser Schutz nicht mehr nötig ist, so dass also die Schutzfunktion (nicht die Versorgungsfunktion) eines Staates komplett entfällt. Sofern Israel nur auf dieser Schutzfunktion basiert, würde die Legitimation utopisch wegfallen. Sofern aber die staatliche Versorgungsfunktion (z.B. Umverteilung über Steuern) bestehen bleibt, wäre Israel auch in utopsicher perspektive legitimiert.
    Aber die zwischenmenschlichen Unterschiede – Religionen, Geschlechter, Ethnien – bestünden auch in der Utopie weiter. Sie führen lediglich nicht (oder nicht systematisch) zu Benachteiligungen.

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    Mir erscheint in erster linie erklärungsbedürftig, warum die „Antideutschen“ den einen Staat, Deutschland so schlecht finden und einen anderen, Israel, so gut, und beides zudem mit Emphase. Dies ist umso überraschender, weil beide Staaten einander sehr ähnlich sind, weshalb man ja Israel trotz seiner Lage im Osten zum Westen rechnet. Gleichzeitig fällt die positive Bewertung der Sowjetunion ins Auge.

    Meines Erachtens liegt die Erklärung darin, dass es aussichtsreicher und besser sein kann, die Unterdrückten, Verfolgten, Erniedrigten und Beleidigten in separaten Staaten vor ihren typischen Peinigern zu schützen, als die Peinigung selber zu stoppen. Das hat dann aber nichts mit dem Plan zu tun, erst den Antisemitismus und danach auch den Semitismus zu beseitigen, wie hier angedeutet wurde; im Gegenteil: die menschlichen und soziologischen Unterschiede sollen ja gerade durch die Staaten geschützt werden.

    Echte Schwiergkeit bereitet mir die Idee der klassenlosen Gesellschaft, des herrschaftsfreien Raums o.ä., d.h. einer anarchischen, aber trotzdem (!) friedlichen Staats bzw. Nicht-Staats (denn ein Staat wird ja geradezu durch seine Herrschaft definiert). Wenn man glaubt, dass der Mensch des Menschen Wolf ist, würde die Abschaffung des Staates direkt in die Gewalttätigkeit führen; deshalb muss man einen anderen, optimistischeren Glauben an den Menschen haben, um so diese Idee überhaupt verfolgen zu können.

    Diese linksradikale Staatsfeindlichkeit ist übrigens eng verwandt mit der Staatsfeindlichkeit der Liberalen, insofern ist es eine eigene Überlegung wert, warum die Liberalen sich immer so gerne in die entgegengesetzen Ecke setzen. Ihre Seelenverwandtschaft mit den Anarchos ist viel tiefer als sie es selber wahrhaben wollen.

    Jedenfalls: Mir ist es rätselhaft, wie man an die Abwesenheit von Herrschaft und Gewalt bei der Organisation des Zusammenlebens vieler Menschen glauben kann. Ich denke, es ist schon ein wichtige Verbesserung, wenn diese Herrschaft und Gewalt indirekt wird, d.h. wenn statt unmittelbarer Gewalt strukturelle Gewalt einsetzt. Das nennt man dann Zivilisation. Die Antideutschen (und generell Revolutionäre) scheinen das aber umgekehrt zu sehen.

    Aber nicht nur die diametral unterschiedliche Bewertung einander ähnlicher Staaten ist erklärungsbedüftig, sondern auch die emphatische Bewertung von Staaten als solche, gerade angesichts der generell negativen Haltung zu Staaten. Es ist auch außerhalb der Linken weitgehend Konsens, einen Staat grundsätzlich eher als notwendiges Übel zu betrachten und zu bewerten, welcher Staat denn das kleinere und welcher das größere Übel darstellt. So dass es eigentlich darum gehen müsste, das Übel jedes Staates so weit wie möglich zu reduzieren, ohne dabei die staatlichen Grundfunktionen (Leute sichern und versorgen) über Bord zu werfen.

    Wen man das so sieht, wird man Israel deswegen unterstützen, weil es der beste Staat dieser Region ist. Das bedeutet, in Israel lässt es sich am besten leben, sogar wenn man arm oder arabischer Herkunft ist. Hier muss man gar nicht ins Detail gehen, sondern nur das Kontrastprogramm wahrnehmen, unter welchen Bedingungen die Staatsbürger der umgebenden Staaten leben müssen. Klar kann man für diesen Missstand wie immer viele Gründe angeben, aber unabhängig von diesen Gründen bleibt der Missstand bestehen (und würde übrigens auch bestehen bleiben, wenn von einem Tag auf den anderen alle Israelis den panarabischen Traum wahrmachen und ihre Koffer packen würden, um nach Kanada oder Schleswig-Holstein auszuwandern.

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    Endlich mal eine tiefgründige Analyse, was das Phänomen der Antideutschen betrifft, die über das, was man als Außenstehender auf Wikipedia nachlesen kann hinaus geht. Das,was Sie beschreiben haben Herr Posener macht einen schon nachdenklich über diesen Verein. Das, was Gerd Buurmann geschrieben hat trifft auch zu.

    Trotzdem bleiben noch viele Fragen.

    Im Netz fällt auf, dass die klassische Linke und die sog Antideutschen sich spinnefeind sind. Liegt glaube ich daran, dass die Antideutschen an die klassische Linke blöde Fragen stellen, was eigentlich damals in Entebbe, in den jüdischen Gemeinehäusern und anderswo los gewesen ist.

    Gibt ja viele, die sich damit auseinandersetzen. Z.B. solche Unruhestifter wie Wolfgang Kraushaar und Götz Aly, einer der ganz wenigen 68er, der sich tatsächlich und ernsthaft mit dem deutschen Nationalsozialismus beschäftigt.

    Sind Leute Wie Wolfgang Kraushaar, Götz Aly, Matthias Küntzel und Tilman Tarach eigentlich auch Antideutsche? Außerdem fällt auf, dass zum Beispiel Henryk M. Broder im Netz als alles mögliche tituliert wird, aber nie als „Antideutscher“ warum eigentlich nicht?

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      Ich bin mit Aly, Kraushaar und Broder befreundet. Ihre Positionen sind von denen der Antideutschen meilenweit entfernt, Julius.

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    Ich habe die Kommentare nicht gelesen, nur den Artikel, daher wurde das, was ich aus dem Artikel herausgreifen will, vielleicht schon problematisiert. Nämlich dieser Satz: „Wenn es so etwas wie die „Antisemitismuskeule“ gibt, so schwingen sie die Antideutschen.“

    Es gibt Begriffe, mit denen man meiner Meinung nach lieber nicht herumhantiert. Die „Keule“ ist ein rhetorisches Rüstzeug des Antisemiten. Und wie für den Antisemitismus selbst gibt es für sie keine Rechtfertigung oder Bestätigung. Also selbst, wenn alle „Antideutschen“ – vermeintlich oder tatsächlich – den Antisemitismusvorwuf missbräuchlich austeilen würden, so hätte das, was hinter dem Rückzug vieler Deutscher in eine Opferrolle des vermeintlich zu Unrecht Verdächtigten oder geradezu Unterdrückten steht, immernoch nichts mit ersteren zu tun.

    Ihre wiederholte Antideutschenschelte hat sicher seine Berechtigung, sie ist aber aufgrund des Fehlens einer tieferen Analyse sowohl des Begriffs als auch der gesellschaftlichen wie „linksinternen“ Entwicklungslinien ihrer Kernthemen wenig substanziiert, kommt eher als flotte Polemik daher, wobei durch ihren Einstieg in diesen Beitrag – „Wer sich – wie ich – publizistisch für Israel engagiert […]“ – der Verdacht aufkommen kann, es handele sich hier um eine auf andere projizierte aggressive Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhältnis zu Israel.

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    Lieber Alan Posener,
    in der jüngsten Vergangenheit hatte ich diverse Diskussionen mit Israelfreunden. Wenn es jedoch um pragmatische Lösungen ging, dann versandeten die Ideen. Es scheiterte z. B. an dem Willen, deutsche Behörden oder Institutionen in eine Lösung einzubeziehen. Das ging überhaupt nicht. Da hatten dann Israel und die Israelis eine untergeordnete Priorität. Schade.
    Ihr Artikel unterstreicht leider meine Erfahrungen.

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      Lieber Stefan, ich glaube weder, dass die israelische, noch dass die deutsche Regierung eine deutsche Beteiligung jenseits von Vermittlung will.

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    @ Gerd Buurmann
    „Ich weiß nur, dass immer wenn ich Israel nicht kritisiere, irgendwo wer sitzt und behauptet, ich sei antideutsch.“
    Das würde bedeuten, dass man nur deutsch ist, wenn man Israel kritisiert. Kann ich mir also nicht vorstellen. Überhaupt sind das theoretische Konstrukte. Man ist deutsch, wenn man einen deutschen Pass hat, fertig. Ich bin nicht antideutsch, kritisiere Israel nie, weil die Israelis das satt alleine können und keine deutschen Nannies oder wichtigtuerischen Opis brauchen, mag einige Länder lieber als Deutschland, z.B. Holland, Skandinavien, die USA und Großbritannien, trotzdem bin ich nicht antideutsch. Das ganze Antideutschending erscheint mir ebenso altbacken wie der Kommunismus, der ja nur mit Diktatur existieren kann. Wenn jemand aber nach Syrien reist und kommt dann mental voll gerüstet als Schläfer für irgendwelche Überraschungen zurück, ist der für mich antideutsch und nicht nur das, sondern auch antiwestlich, denn wir sind ein Teil vom Westen. Antideutsch ist für mich jemand, der Deutschland schaden will. Die Nichtkritiker und Unterstützer Israels wollen das in aller Regel nicht.

    @ Alan Posener
    Wenn Sie dieses Thema aufgreifen, bekomme ich regelmäßig den Eindruck, dass Sie postulieren, dass Deutsche von Natur aus Israel nicht unterstützen oder gar lieben können und daher ein Motiv schlechter Natur haben müssen. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass nur ca. 35 Prozent der Deutschen R. (von hinten) gewählt hat und der Rest dann entweder freiwillig oder gezwungenermaßen mitschwamm. Außerdem übersehen Sie, dass bei Meinungsumfragen regelmäßig in D der geringste Antisemitismus und -zionismus zu verzeichnen ist. Da die Unterstützung Israels mit „deutscher Staatsräson“ zu tun hat, frage ich mich, wie Sie Israelunterstützer per definitionem zu Antideutschen erklären können. Punkt 3 ist, dass Sie den mittelmeernahen Anteil am Antisemitismus in Deutschland übersehen. Eine Umfrage in einem Gefängnis wäre hilfreich.

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    Lieber Alan,

    entschuldigen Sie meine Verharmlosung dieser Ideologie. Darf ich fragen, wo sie Ihren Einschätzung gefahrengechnisch anzusiedeln ist? Islamismus, Neonazis, Scientology oder Kaninchenzüchterverein?

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    Was für die Antideutsche Treue spricht ist der Umstand, dass die Gesellschaft, die den Antisemitismus überwunden und den Menschen frei macht, so unkonkret und luftig ist, dass sich die Frage, ob Israel noch nötig ist, sich erst gar nicht stellt und zu unseren Lebzeiten auch nicht stellen wird. Die Argumentation, warum Israel und nicht jemand anders, ist so sehr an den Holocaust und die Person Adorno geknüpft, dass sie bereits heute keinen Sinn macht. Sollte es zu dem Iran-Szenario kommen, wird sich bestimmt ein Argumentationsfaden knüpfen lassen (oder man Spaltet sich in Grüppchen). Nicht zu vergessen, selbst ein demokratischer Iran ist nur eine Etappe ohne bleibende Legitimation, der Antisemitismus weltweit deswegen noch lange nicht überwunden. Wenn ich das richtig verstehe, ist das Judentum erst nach den Antisemiten dran.

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    Herr Posener!

    eine Frage: in Bezug auf die Blasenentleerung vor oder aus dem Zelt. Ist die Analogie identisch oder nur bedingt vergleichbar mit
    „der Feind meines Feindes ist mein Freund“
    ?

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      Lieber Stephan, die Analogie ist nur bedingt vergleichbar. Übrigens teile ich nicht die Auffassung, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist. Er kann vielleicht mein Verbündeter sein.

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      Ich veröffentliche das, lieber Fabian B., aber nur um klarzustellen, dass ich pseudopsychologische Erklärungen für politische Haltungen ablehne. Es ist doch völlig egal, wer wessen Vater ist; und der Sohn muss erst geboren werden, der nicht nach väterlicher Anerkennung strebt. Über Grigats „Verhalten“ habe ich nichts geschrieben, sondern über seine Ideologie.

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    „Wenn Adorno davon spricht, daß Praxis auf unbestimmte Zeit vertagt ist, meint er damit jene Praxis, die auf die Herstellung eines gesellschaftlichen Zustandes zielt, in dem freies Handeln überhaupt erst möglich wäre.“

    „Kritiker, die Propaganda verabscheuen, sollten sich weigern, allzu detaillierte Beschreibungen einer befreiten Gesellschaft zu liefern.“

    Würden wir eine freie Gesellschaft überhaupt erkennen, wenn sie vor uns steht? Immerhin ist diese Gesellschaft ja nicht ganz auf Transzendenz aufgebaut, auch sie hätte ihre Widersprüche und wäre kein Paradies.
    Es fällt mir ebenfalls furchtbar schwer ernst zu bleiben.

    Wobei ich zugeben muss, dass ich die Antideutschen zwar immer als intellektuell-verspielten gnostischen Zirkel wahrgenommen habe, aber nicht als jemanden, der großen Schaden anrichtet. Selbst die Evangelikalen in Deutschland sind eher etwas für Liebhaber der Materie, aber in bestimmten Kreisen relevanter als der Einfluss der Antideutschen. Aggressiv in der Außendarstellung sind eher die Rechtspopulisten mit der Verteidigung des christlich/jüdischen Abendlandes. Ich glaube, die haben der Solidarität mit Israel einen größeren Schaden beigebracht. Für jeden, der seinen muslimischen Nachbarn als Vorreiter der islamischen Weltverschwörung sieht, ist die israelische Fahne ein Muss.

    Allen gemein ist natürlich, dass Israel eine Funktion hat. Nur durch diese Funktion wird Israel gesehen und bewertet. Antideutsche und Evangelikale sehen es als die letzte zu beseitigende Instanz vor dem großen Weltfrieden (in dem weder Israel noch Juden gibt), Rechtspopulisten mögen Israelis nur so lange, wie diese auf Moslems umlegen.

    Ich frage mich, was passiert wohl, wenn es tatsächlich zu einem Frieden in Nahen Osten kommt.

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      Stimme eigentlich allem zu, Stevanovic. Gegen die Rechtspopulisten (wie Wilders, PI usw.) habe ich ja auch gelegentlich geschrieben, auch hier.
      Man könnte auch eine zweite Frage stellen: Was würden die Antideutschen tun, wenn die Demokratiebewegung im Iran siegte und die Ultrareligiösen und Nationalreligiösen in Israel eine Mehrheit bekämen?

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      Liebe Petra, sollte es nicht bei Ihrer E-Mail-Adresse „Zonenschlampe“ heißen? „Zonenschlame“ ergibt doch gar keinen Sinn.

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    Ich habe mir mal von einem selbsternannten Antideutschen erklären lassen, was antideutsch ist. Ich habe es nicht verstanden. Die Kritik von Alan Posener hier hat mir die Haltung auch nicht verständlicher gemacht. Ich weiß nur, dass immer wenn ich Israel nicht kritisiere, irgendwo wer sitzt und behauptet, ich sei antideutsch.

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      Dann lesen Sie bitte den Beitrag nochmal, Gerd. Ihr Kommentar ist nicht „tapfer“, wenn auch sicher intellektuell und politisch im „Nirgendwo“ angesiedelt. Sie verharmlosen mit diesem flapsigen Kommentar eine kommunistische Sekte, die der Solidarität mit Israel großen Schaden zufügt.

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