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Deutsche Arbeitgeber begehren gegen den Totalitarismus auf

Je weiter Nationalsozialismus und real existierender Sozialismus zurück liegen, desto heftiger wird der Widerstand dagegen. Das gilt natürlich auch für die deutschen „Arbeitgeber“ sprich Besitzer von Produktionsmitteln.

Dass nicht wenige Unternehmer Adolf Hitler unterstützt; dass selbst die skeptischeren unter ihnen sich mit dem Dritten Reich arrangiert und dass so gut wie alle von Zwangsarbeitern profitiert haben: das ist zur Genüge belegt.

Dass die deutsche Industrie auch gegenüber dem real existierenden Sozialismus – also dem  Poststalinismus etwa in der UdSSR und der DDR – keine Berührungsängste hatte, ist auch bekannt. Ich erinnere an das umstrittene deutsch-sowjetische Erdgas-Röhrengeschäft oder an die Herstellung von Billig-Möbeln und Autoteilen in DDR-Gefängnissen.

In dieser unseligen Tradition steht auch der Besuch von Siemens-Chef Joe Kaeser bei Wladimir Putin mitten in der Krim-Krise und die Lieferung eines hochmodernen Gefechtsübungszentrums an Russland durch die Firma Rheinmetall.

Während sich also die deutschen Arbeitgeber gegenüber rechten wie linken Diktatoren und autoritären Herrschern der tausendfach widerlegten Lüge befleißigen, der Handel würde zum Wandel beitragen, um die Tatsache zu verdecken, dass man gern auf beiden Augen blind ist, so lange der Profit stimmt, haben einige  deutsche Arbeitgeber nun die wirkliche totalitäre Gefahr erkannt. Sie stammt von den „Gutmenschen“ im eigenen Land und von der politisch korrekten Sprache. So schreibt es der Präsident des „Deutschen Arbeitgeber Verbands“, Peter Schmidt, auf der offiziellen Homepage seines Vereins:

http://www.deutscherarbeitgeberverband.de/aktuelles/dav_aktuelles_2014-04-06_gedankenpolizei.html

„(Jede)  Form von Totalitarismus, ob mit rechter, linker oder ökologischer Phraseologie vorgetragen, geht mit gleicher Choreographie vor: Im Interesse des Guten wird nach und nach alles, was nicht ins Weltbild passt erst bestritten, dann bekämpft – und zuletzt ausgemerzt“, so Schmidt. „Es gehört nur wenig Phantasie dazu, dies in einen aktuellen Kontext zu setzen. Den ‚Kampf um die Begriffe’ hat die Linke seit 40 Jahren mit religiösem Eifer geführt, diesen Kampf um die Begriffe scheint die Linke auch gewonnen zu haben. … Der brutale Zwang ist die letzte Executive der Gedankenpolizei. Die braunen und die roten Sozialisten haben all das schon zu Ende geführt.“

Steht also die „Ausmerzung“ von allem, was „der Linken“ nicht ins Weltbild passt, bevor? Müssen „neoliberale Falken“ wie ich, katholische Reaktionäre wie Matthias Mattusek oder Arbeitgeber-Interessenvertreter wie Peter Schmidt um ihr Leben oder um ihre Freiheit fürchten? Ist das von einer christdemokratischen Kanzlerin geführte Deutschland in Gefahr, einer Diktatur zu weichen? Steht ein rot-grüner Putin vor der Tür?

I don’t think so.

Man sollte sich einmal die von Schmidt inkriminierten Beispiele der Verwendung von Sprache durch die „Gedankenpolizei“ anschauen:

Schmidt ereifert sich über

Gender, Diversity und Prekariat, vertikal Herausgeforderte, Angehörige einer mobilen ethnischen Minderheit, „Kulturabgabe“ statt GEZ-Gebühr, „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ statt Weihnachten,  die Ersetzung von „Türke“ und „Chinesenmädchen“ aus dem Buch „Die kleine Hexe“, über „Migrant“ statt Ausländer, „Autonome“ statt Linksfaschisten.

Dazu der Arbeitgeberpräsident:  „Noch aus den kleinsten Ritzen wird der Klassenfeind herausgezerrt, Weltliteratur der Inquisition ausgesetzt und Sprache vergewaltigt.“

Nun ja. Vom Klassenfeind ist in den angeführten Beispielen an keinem Punkt die Rede. „Die kleine Hexe“ ist nicht Weltliteratur. Und die Sprache wird vielfältig vergewaltigt – man denke nur an die gerade in der Wirtschaft üblichen Anglizismen wie Management, Controlling, Multi-Tasking, Outsourcing, die übrigens alle einen verschleiernden Effekt haben; schön ist das alles nicht, aber die Sprache überlebt das.

Es sei der Linken „gelungen, den Neusprech ‚nach 68’ sozusagen ‚flächendeckend’ durchzusetzen“,  so Schmidt. Die meisten der von Schmidt aufgeführten Beispiele haben jedoch mit „68“ nicht das Geringste zu tun. Fast alle haben mit einer neuen Sensibilität gegenüber Einwanderern, Frauen und den Angehörigen sexueller Minderheiten zu tun, die in der Studentenbewegung kaum eine Rolle spielte, wo weiße Machos den Ton angaben. Allenfalls das „Prekariat“ beschreibt einen Teil jener Milieus, die der Studentenbewegung als „Randgruppen“ wichtig waren; doch während die „Randgruppen“ als revolutionär galten, gilt das Prekariat heute als Problem.

Man kann immer über den Sinn von Begriffen streiten, insbesondere solche, die – wie „Gender“ und „Diversity“ – direkt dem Englischen entnommen sind, wodurch sie ihres kulturell-konnotativen Umfelds entkleidet werden. „Diversity“ etwa wäre kürzer und besser als „Vielfalt“ beschrieben; und niemand hat ein größeres Interesse daran, dass Vielfalt hierzulande endlich positiv konnotiert wird, wird, als die deutschen Unternehmer, die auf Zuwanderung angewiesen sind.  „Gender“ bezeichnet die Tatsache, dass es mehr Varianten sexuellen und gesellschaftlichen Verhaltens gibt, als die sprachliche Dichotomie männlich-weiblich nahelegt; eine Butch ist keine männliche Lesbe, eine Queen kein weiblicher Schwuler und so weiter. Was die Anerkennung dieser Tatsache mit einer linken Agenda oder gar dem Klassenkampf zu tun hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Was gewinnt man, wenn man Zugewanderte nicht mehr als „Ausländer“, sondern als „Migranten“ bezeichnet? Nun, zunächst verliert man einen Begriff, der ausgrenzte. Das Wort „Migrant“ leidet nicht an einer linken Belastung (ihn gab es, wie die anderen inkriminierten Begriffe,1968 gar nicht), sondern (wie die anderen) an der Übernahme aus dem Englischen via den akademischen Diskurs. „Einwanderer“ benennt den Sachverhalt klarer.

Dass in den Büchern, die von Einwandererkindern benutzt werden, Bezeichnungen vermieden werden sollen, die womöglich als beleidigend empfunden werden, scheint mir ein Gebot der Höflichkeit. „Die kleine Hexe“ wird durch behutsame Redaktur nicht zu einem schlechteren Werk.  Und dass eine einzige Kita in Bad Homburg (gewiss, da leben viele Arbeitgeber) das St.-Martin-Fest – nicht Weihnachten, wie der Arbeitgeberpräsident behauptet, aber was soll’s, Feiertage sind ohnehin bloß lästige Anlässe für die Belegschaft, blau zu machen oder übertarifliche Zulagen zu verlangen – dass also eine einzige Kita das St. Martins-Fest in „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ umbenennen wollte: davon geht das Abendland nicht unter, obwohl ich die Idee – im Einklang mit so ziemlich der Gesamtheit der veröffentlichten Meinung und übrigens dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime – blöd fand.

Und die Autonomen? Ja, es sind „kriminelle Banden, die feuerzündelnd und marodierend unsere freiheitliche Grundordnung verspotten“; und darum auch „Autonome“, weil keine etablierte linke Partei mit ihnen irgendetwas zu tun haben will.

Was die GEZ-Abgabe mit linker Politik zu tun hat, bleibt ebenfalls ein Rätsel. Gut, das Personal in den öffentlich-rechtlichen Anstalten mag sich mehrheitlich als Linke verstehen, aber die Umbenennung in „Kulturabgabe“ scheint mir eher auf der Ebene der üblichen staatlichen Schönrednerei zu liegen – „Mehrwertsteuer“ statt „Verbrauchssteuer“, „Solidaritätsbeitrag“ statt „Ost-Subvention“ und so weiter. Es gibt ja auch kein „Kriegsministerium“ mehr, sondern ein Verteidigungsministerium, die Arbeitslosen werden im „Job-Center“ betreut, und so weiter.

Viele dieser Umbenennungen folgen dem Beispiel der Wirtschaft. So haben wir angeblich keinen Kapitalismus, sondern eine „soziale Marktwirtschaft“; von „Profit“ redet niemand, allenfalls von „Gewinn“; werden, weil „die Märkte“ nun mal so sind, „Arbeitnehmer“ entlassen, gibt es keine Abfindung, sondern einen „Sozialplan“. Vor allem aber: Unternehmer sind keine Kapitalisten, sondern „Arbeitgeber“. Wie großzügig von ihnen!

Und ausgerechnet der – zugegeben selbsternannte – Präsident einer Klasse, die ein Heer von PR-Beratern beschäftigt, um die schlichte Tatsache vergessen zu machen, dass ihr wirtschaftlicher Daseinszweck das Geldverdienen ist, ausgerechnet der DAV-Chef will uns etwas über Sprachverdrehung erzählen? Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

 

P.S.: All das hätte mich vielleicht kalt gelassen, hätte  Peter Schmidt sein Machwerk nicht eingeleitet mit einer literaturgeschichtlichen Bemerkung: „George Orwell hat gegen diese Folter am Verstand zwei Bücher geschrieben die so aktuell sind wie je – und so ungelesen wie nie. ‚1984’ und ‚Farm der Tiere’ haben ein perfides Schicksal erlitten: beide Bücher wurden von der Linken vereinnahmt als ausschließliche Abrechnung mit dem deutschen Faschismus.“

Bullshit.

Die Linke hat mit Orwells „1984“ so manchen Unsinn angestellt. Wie Peter Schmidt behaupten manche Linke – und nicht nur Linke –,  das Buch beschreibe unsere Gegenwart. (Während für  Schmidt die Gedankenpolizei aus Gutmenschen besteht, sehen andere sie in der NSA und Co. verwirklicht.) Tatsächlich enthält „1984“ Elemente einer Satire über die Verhältnisse bei der BBC, für die George Orwell 1948 arbeitete. Aber man täusche sich nicht: die Sprachregelungen im Staate Big Brothers sind nichts ohne die Machtmittel der Partei und ihrer Geheimpolizei. Und die will weit mehr als „die Freiheit“ ausmerzen, wie Schmidt behauptet, der das Buch offensichtlich nicht gelesen hat. Die Freiheit ist längst ausgemerzt. Die Partei will vor allem die Liebe ausmerzen, die Liebe zwischen Menschen, zwischen Kindern und Eltern, zwischen Mann und Frau, und sie ersetzen durch die Liebe zur Partei und zu Big Brother. Darum heißt das Folterzentrum der Geheimpolizei das „Ministerium der Liebe“. Dass dies bei Winston Smith gelingt – dass der letzte Satz des Romans dies bezeugt – , macht den Roman zum Albtraum.

Niemand hat jedoch behauptet, „1984“ sei eine Beschäftigung mit dem „deutschen Faschismus“, der 1948 ja schon erledigt war. Und schon gar nicht ist das jemals von „Farm der Tiere“ behauptet worden, jener trotzkistisch inspirierten Satire auf die russische Revolution und den beginnenden Stalinismus. Das kann nur jemand schreiben, der nie auch nur den Klappentext des Romans gelesen hat.

Wie kann ein gebildeter Mensch, der sich als Sprecher der deutschen Arbeitgeber ausgibt, für die ich wiederholt – auch hier – eine Lanze gebrochen habe, einen solchen Unsinn verzapfen? Es ist hochgradig deprimierend.

 

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77 Gedanken zu “Deutsche Arbeitgeber begehren gegen den Totalitarismus auf;”

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    Ich fürchte, das liegt daran, dass Herr Broder und Herr Pirinçci keine Lust haben, für eine solche Zeitung zu schreiben. Herr Pirinçci wollte sowieso nur mal die Deppen verarschen und sie obendrein abkassieren, und Herr Broder unterwirft sich prinzipiell keiner wie immer gearteten Chefredaktion.

    Aber sonst gibt es keine Leute, denen die schweigende Mehrheit regelmäßige Artikel abkaufen würde. So muss es also beim rotgrünen Siff der Mainstreammedien bleiben. Das ist aber weniger schlimm als es sich anhört. Das Geschrei täuscht; Herrn Broder und Herrn Pirinçci stört es jedenfalls nicht, im Gegenteil: Es ist ihre Geschäftsgrundlage.

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    …man könnte aber auch vorschlagen, dass eine Zeitung gegründet wird, und in der Chefredaktion sitzen Herr Sarrazin und Herr Schmidt? Die Artikel schreiben dann Herr Broder und Herr Pirinçci. Dann gäbe es eine Feiheitsinsel im Meer der rotgrün versifften Mainstreammedien.

    Warum passiert das eigentlich nicht? Herr Broder und Herr Pirinçci können sogar schreiben. Die Zeitung würde ein Knüller werden.

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    …das geht nicht, weil auch die Konservativen rotgrün versifft sind, hat der selbstaufpulvernde Herr Pirinçci gesagt. Alle sind rotgrün versifft, außer die Mehrheit, die in den goldenen 70ern am Drücker war, aber inzwischen von ihren Erben zur Sprachlosigkeit verdammt wurde. Fast jedenfalls, denn einige wenige Inseln der Freiheit gibt es vorläufig noch. Die Cayman Islands zum Beispiel. Aber auch die werden demnächst dem rotgrün versifften Meeresspiegel zum Opfer fallen.

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    Mich würden Vorschläge interessieren, wie man den „Mainstream“ von seinem „rotgrünen Siff“ reinigen könnte. Gibt es überhaupt Vorschläge oder ist alles nur Nörgelei (ich bin da überhaupt nicht im Bilde)? Könnte man z.B. eine Quote einrichten für Konservative in öffentlichrechtlichen Medien? Würde eine solche Quote von den nörgelnden Freunden der total freien Marktwirtschaft unterstützt werden?

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    @RZ
    Ich habe nix gegen vegan Fahrrad fahren und teure unversicherbare AKWs waren mir mindestens genauso unsympathisch wie die jetzige Energiewende-Veranstaltung. Man ist sicher eher schlanker, wenn man vegan Fahrrad fährt und Fahrradfahren muss man nicht propagieren, weil es in der Stadt das einzig brauchbare Fortbewegungsmittel ist, es sei denn man hat ein funktionierenes U-Bahn-Netz, wie in Berlin und nicht so ein doofes, wie in Bonn. Ein großer und guter kommunaler Luxus.
    Es geht m.E. um Folgendes: Politiker, Lobbyisten, Aktivisten (und Journalisten) formulieren immer neue Schutzbedürfnisse und – klar – jeder findet sich irgendwann in einem wieder, weil das Leben nun mal an sich hat, gemein & ungerecht zu sein. Es geht um’s Geld, bzw. um es schmerzhafter zu sagen, wofür wir zu arbeiten haben: Für die Ideen einiger Wichtigtuer oder für die eigene Vorstellung vom Leben. Ich (z.B.) möchte nicht von einem Herrn oder einer Frau Deppenleerzeichen bezichtigt werden, den Sex mit Abhängigen besser zu finden, als den mit Karrierefrauen, weil ich (persönlich) Vollweiber und Machos (Liz Taylor & Richard Burton) attraktiver finde, als, sagen wir die rennende Franca Potente oder die Schnullis aus diesen unsäglichen Mankell-Krimis, die bei allem, wa sie tun, erst mal ihre Chef-Mami fragen. Ob das was mit „Alter“ zu tun hat, wie Sie vermuten, bezweifele ich.

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    à propos Ukraine:

    Wenn er mal nicht Recht hat, ist Sommer und es schneit. Zu dumm, oder, er hat Recht.
    http://www.spiegel.de/politik/.....60834.html
    Das kommt daher, dass er raucht. Malochende Leute rauchen, auch geistig malochende. Das ist un-pc. Der un-pc-Paffende äußert seine un-pc-Meinung. Das ist selten geworden. Was ist mit ihm los? Er verteidigt Putin und raucht. Er sollte über Gendern und die Vorzüge von Genderstudies und das Verschieben von Steuergeldern in fünf/sechs Toilettenarten an jeder Bahnstation reden. Oder über windelnde Männer.
    Aber doch nicht so was: Den ganzen Mainstream bringt er durcheinander. Man hat gegen Putin zu sein, weil Putin gegen Schwulendemos ist. Nur deswegen.
    Tatsache: Etwa am 37.Längengrad, zwischen der Krim und Aleppo, verläuft eine Grenze. Die NATO sollte das zur Kenntnis nehmen, weil niemand Bock auf Krieg hat.
    Außerdem hat keiner Bock auf das Windelnwickeln von Minoritäten. Worauf die meisten Leute Bock haben: Arbeiten und zwar anständig bezahlt und nicht in Dauerpraktika oder in Konkurrenz zu importierter Billigarbeit. Von dem Geld konsumieren, reisen, Autos kaufen, Wohnungen bezahlen, Kinder finanzieren. Das ist alles nicht mehr garantiert. Statt dessen muss in Zukunft für diesen Ukraine-Blütenzauber mit geblecht werden, Gratulation.

    Und hier finden wir den Vertreter einer faschistoid mutierenden Partei, anders ist nicht zu erklären, dass er Faschisten verteidigt:
    http://www.spiegel.de/politik/.....63453.html
    Tja, ich halte ihn ohnehin für den gefährlichsten deutschen Politiker.

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    „Das ist nicht mehr wie früher und macht einige Ältere traurig und böse.“

    Wobei früher nicht 1923 ist, auch nicht die 60er, sondern 2003; bei der Taktung des Wandels ist früher eine Dekade, nicht eine Generation. Deswegen sind „Ältere“ heute auch die 35+, was in den Wutbürger-Kommentarspalten ja zu genüge dokumentiert ist. Digital-Natives leben in der Jetzt-Zeit, der Rest (egal welchen Alters) sind die „Älteren“. Die haben Angst. Beispiel: Wenn einem Bildungsbürger wegen Wikipedia die Bildung nichts nütz…

    Also so ganz unbegründet und dämlich ist das alles nicht…aber nicht jeder Aspekt ist neu:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Weber

    „Sind Sie sicher, dass die Nörgerlei über den heutigen “rotgrün versifften” Mainstream nicht reine Sentimentalität ist?“

    Natürlich können wir alles durch den Kakao ziehen, natürlich sind wir nicht in Schlesien des 19. Jahrhunderts, natürlich schreien die am lautesten, denen es noch am besten geht… aber so ganz irrational ist die Sache eben nicht.

    EJ: Abstiegs-, Untergangsängste. Die Befürchtung (des gesamten Westens), im Zuge der Globalisierung radikal marginalisiert, überrannt zu werden.

    Vollkommen zu Recht!!! Das ist die Kernbotschaft der Liberalen. Ändert euch – oder geht unter.

  8. avatar

    Verhängnisvoll, dass Orwell seine Dystopie, die eigentlich die globalen Verhältnisse in den 40er Jahren wiederspiegelt und übertreibt, in unsere Gegenwart verlegt hat. Das lässt ständig Leute rätseln, ob wir im Totalitarismus leben. Ich finde Huxleys Dystopie „Schöne neue Welt“ mit seiner süßlichen Einlullung kommt unserem kollektiven Freizeitpark viel näher als die brutalen stalinistischen Methoden und die Ärmlichkeit der Lebensverhältnisse, die in 1984 beschrieben werden. Aber wer weiß, kommen ja Großvaters Verhältnisse wieder, wenn Europa weiter wirtschaftlich den Bach runtergeht.

    Zur Political Correctness: Die Übersetzung ins Bürgerliche mit „Höflichkeit“ oder „Anstand“ ist ungenau. Bei PC geht es um Zuweisung von Unterdrücker- und Opferrollen an ganze gesellschaftliche Gruppen, womit sich entscheidet, wer einerseits beleidigt, angeklagt oder zurechtgewiesen werden kann oder muss, wer andererseits in Schutz zu nehmen ist. Höflichkeit ist hingegen gegenüber allen Menschen zu üben, auch männliche weiße christliche Unterdrücker kommen in ihren Genuss.

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    Zusatz:
    Einer meiner Söhne sagt, ich hätte lieber „Call of Duty“ anführen sollen. Oder Indiana Jones 4. Es nützt alles nichts, was da auf die Beine gestellt wurde: Die meisten Europäer sind nicht antirussisch, wollen keinen Krieg und fragen sich, was zum Teufel die Europäer oder Uncle Sam mit der korrupten, verarmten Ukraine bloß wollen, nachdem sie größte Mühe haben, sich von den etwas weniger, aber genügend korrupten mediterranen Staaten zu erholen.
    Da keine antirussische Stimmung zu machen ist, schon gar nicht 2014, muss ich davon ausgehen, dass es auch völlig schnuppe ist, was für Ausdrücke in Büchern stehen. Der eine hat Toleranz, der andere nicht. Was Herrn Schmidt vielleicht nervt,ist die Überhäufung der Allgemeinheit mit Minoritätenspezifika und das Packen in Watte, das einem langsam über wird. Wer es als „Migrant“ nicht aushält, kann wieder zurück migrieren, und wer zu seinem Schwulsein nicht steht, soll es am besten nicht zeigen. Was nervt, ist, wenn Regierungen sich wie Psychotherapeuten benehmen und die Gesellschaft zum kollektiven Sozialarbeiter umerziehen wollen. Das nervt. Gründlich. Außerdem das Negieren der Kernfamilie, welche dann doch die meisten haben.
    Eine Lachnummer ist das Tätscheln von Muslimen und Homosexuellen zusammen.
    Also zusammengefasst: Es nervt. Alles. Auch die Ukraine-Größenphantasie. Der Westen nervt. Aber gründlich. Er hat was Tantenhaftes. Tante Nervensäge mit der Teetasse, kleiner Finger abgespreizt.

  10. avatar

    @ Don Geraldo/Alan Posener

    Wenn ich in Frankreich/GB/US bin, bezeichne ich mich als étranger/foreigner, wenn ich gefragt werde und sehe keinerlei Ausgrenzung für mich darin.
    Es handelt sich um eine primär deutsche Marotte. Dieselben Leute, die ständig an der Sprache doktern, habe ich im Verdacht, den größten inneren, also sublimierten, Hass auf foreigner/homosexual/Jew – you name it – zu beherbergen. Sonst müsste man nicht an der Sprache basteln, was zum Gegenteil führt. Für heutige Schüler ist alles Doofe „schwul“, während Schwarze cool sind und Negerkuss eine ursprünglich unbelastete Süßigkeit, die keinen störte und sicher besser ging als dieselbe, die wie dick klingt.
    Am schlechtesten angesehen sind sowieso Fette, egal woher/welches Geschlecht/welche Farbe.
    Was wie bei Preusler ausgedrückt ist, ist sowieso egal, denn das Hauptproblem besteht darin, dass Jugendliche, vor allem Jungs, zu wenig lesen. Sie ballern im Internet lieber auf Russen (Uncharted). Ob das besser ist, möchte bitte ein NATO-Unbelasteter beurteilen.

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    @KJN: Es gab früher vielleicht auch Windmühlen, aber jedenfalls nicht so viele. Vegan essen und Fahrrad fahren heute auch mehr als früher. Und die Altväter bekommen beim Baggern häufiger und intensiver eine schmerzhaftere Abfuhr als früher.

    Sind Sie sicher, dass die Nörgerlei über den heutigen „rotgrün versifften“ Mainstream nicht reine Sentimentalität ist? Eine Erinnerung an bessere Zeiten, in denen die Fäden noch in den richtigen Händen zusammenliefen? Heute ziehen andere an den Fäden, und manche Fäden werden einfach abgeschnitten (AKWs). Das ist nicht mehr wie früher und macht einige Ältere traurig und böse.

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    @Deppenleerzeichen
    „In der Abwehr des Gender-Themas geht es im Kern aber um die Verteidigung von Sex mit Abhängigen, um die Verteidigung von Sex, von Sexualverhalten auch im weitesten Sinne, in einer Geschlechter-Hierarchie. Das Gender-Thema bedroht die Identität von Sex und männlicher Macht.“
    Wenn Sie noch mitlesen: Dieser Einwand ist so intelligent, wie falsch: Es geht um die Verteidigung von Männlichkeit und Weiblichkeit., wenn sie das so wollen oder brauchen, auch umgekehrt. Wenn Sie mit diesen Begriffen ‚oben‘ und ‚unten‘ verbinden, ist das Ihre persönliche Sichtweise (oder Problematik), hat aber mit mit dem selbstgewählten Lebensentwurf anderer (z.B. Frau & Mutter, böse, böse, nicht, oder zeitweise nicht berufstätig) erstmal nichts zu tun. Macht – Sex, Sex – Macht: ja, das gibt es, vor allem bei denen, die ständig darüber schwadronieren.

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    @R.Z.
    „Inzwischen hat sich die Welt geändert“
    Wo hat sich denn die Welt geändert? Alles was Sie anführen gab es früher auch.
    Sie verteidigen Windmühlen. Im Wirklichen, wie in allen möglichen übertragenen Bedeutungen. Die Öko-Babyboomer werden ekelhaft bräsig selbstgerecht und feiern sich ständig selber. Früher nannten die das selber ‚Spießer‘. Darum geht’s.

    @EJ
    „Selbstaufpulverung“
    Richtig. Und sehr schade. Der Katzenkrimi war genial.

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    EJ: …. Schuld an unserem Abstieg und Untergang? Die Etepetetness der westlichen Werte!. .. nicht zu vergessen: Der Held ist immer Held, auch und gerade noch im Untergang. …

    … nö. Nicht wegen ‚geziert und pingelig‘ – wegen Lüge und Betrug. … im Übrigen stehen Helden in einem Gegensatz zum Schurken und/oder Feigling. Daher!

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    @ Stevanovic was ist los?

    Abstiegs-, Untergangsängste. Die Befürchtung (des gesamten Westens), im Zuge der Globalisierung radikal marginalisiert, überrannt zu werden.

    (Und wer ist – nach den Schmidts dieser Welt – Schuld an unserem Abstieg und Untergang? Die Etepetetness der westlichen Werte! Und was schafft nach Meinung der Neu-Rechten Abhilfe? Der Rückgriff auf das alte Rezept: Auf die Kacke hauen und die Sau rauslassen. Selbstaufpulverung (à la Pirinçci)! Und – nicht zu vergessen: Der Held ist immer Held, auch und gerade noch im Untergang.)

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    Vielleicht hängt es mit der Allterstruktur zusammen – Altersdurchschnitt liegt bei 42 Jahren. Der Durchschnitt der deutschen Männer kommt in die Midlife-Crisis. Themen wie Macht und Impotenz beginnen in dem Alter zu beschäftigen, vielleicht spiegelt sich das in dem Trend gerade wieder.

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    @Deppenleerzeichen: Stimmt. Mir ging es auch nicht darum, die Bedeutung von „Migrant“ korrekt zu erklären (die inländische Erklärung hatte ich nur auf die Schnelle aus dem Ärmel geschüttelt), sondern darum aufzuzeigen, dass sie sich von „Ausländer“ unterscheidet.

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    „Ohne das soziale Viagra “Macht” versagen bei Männern gern schon mal die notwendigen biologischen Funktionen. “Gender” heißt für viele Männer nichts anderes als “Potenzschwäche” und “Impotenz”.“

    Wäre vielleicht eine Erklärung – erklärt aber nicht den gesammten Trend, der sich langsam verdichtet. Impotenz, Angst vor Impotenz (am wenigsten sexueller Natur)ist ein roter Faden – „man wird doch mal sagen dürfen“ (als Kampf gegen die Impotenz jeder Art) geht ja in die Richtung.

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    Über die einzelnen Punkte kann man bestimmt streiten. Viele sind auch so flach, dass man sie schwer ertragen kann und in vielen steckt ein wahrer Kern. Aber das ist nicht der Punkt.

    Wie kommt Schmidt auf die Idee, diese Positionen einzunehmen? Viele sind Konträr zu den Forderung aus der Wirtschat, wie Herr Posener es schon sagte. Warum ist Pirinçci Bestseller, warum geht Sarrazin immer? Warum ist „man wird doch mal sagen dürfen“ so in Mode? Warum fordert Schmidt nicht mehr Migration, wenn er Applaus will? Warum fühlen sich viele aus der Mitte in der Ecke?

    Arbeitslosigkeit niedrig, Freiheiten und mittelschichtiger Wohlstand wie noch nie und trotzdem artikuliert sich eine subkutane Depression in den Verkaufszahlen und geht bis zu den Statements eines Herrn Schmidt (dessen Punkte man natürlich alle zerlegen kann; manches versteht man nicht mal, wenn man die Depression nicht kennt). Kurz: was ist los?

    Warum ist das plötzlich so einfach?

    http://www.welt.de/kultur/lite.....itten.html

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    Doch noch mal, weil ich etwas übersehen habe.

    Zwei meiner oben erwähnten Bekannten arbeiten seit Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Deutschland sind meine Bekannten nur als „Migranten“ oder „Arbeitsmigranten“ zu bezeichnen, Herr Ziegler.

    „Migration“ bezeichnet (auch soziologisch) ein soziales Phänomen, dem Sie mit Ihrer „nur inländischen“ Perspektive – Ziegler: „Mensch nichtdeutscher Herkunft“ – nicht gerecht werden.

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    „Altväterlich angraben“ zielt schon in die richtige Richtung, sehr geehrter Herr Ziegler. In der Abwehr des Gender-Themas geht es im Kern aber um die Verteidigung von Sex mit Abhängigen, um die Verteidigung von Sex, von Sexualverhalten auch im weitesten Sinne, in einer Geschlechter-Hierarchie. Das Gender-Thema bedroht die Identität von Sex und männlicher Macht.

    Wenn die Herren der Schöpfung mit ihrer – hierarchisch gesehen – Schwester oder mit ihrer – hierarchisch gesehen – Mutter oder Chefin verkehren sollen, wird es schwierig für sie. Ohne das soziale Viagra „Macht“ versagen bei Männern gern schon mal die notwendigen biologischen Funktionen. „Gender“ heißt für viele Männer nichts anderes als „Potenzschwäche“ und „Impotenz“.

    Hübsch haben Sie es hier. Leider fehlt es mir für weitere Besuche an der Zeit. Leben Sie wohl!

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    @ Deppenleerzeichen

    Ich wage zu bezweifeln, daß die Urheber des Wortes Migrant sich des Lateinischen bedient haben, aber auch dort bedeutet das Wort, wie Sie selbst richtig bemerkt haben, „Wanderer“.

    Wenn ich jemanden als Wanderer bezeichne, bezeichne ich diesen damit als Nichtseßhaft, als jemand der ggf. weiter wandert, also nicht dazu gehörend.
    Für mich ist das mindestens genauso ausgrenzend wie die Bezeichnung als Ausländer.
    Warum also nicht der klare und selbsterklärende Begriff „Einwanderer“ ?

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    Vielleicht ist es auch so, dass der „normale Mensch“ am liebsten nur seinem eigenen Bauch begegnen will, aber stattdessen die Verhältnisse anderer Leute zu sehen kriegt. Und dafür muss er auch noch GEZ bezahlen. Das gefällt ihm nicht, darüber regt er sich auf.

    Ich habe zwar keinen Fernseher, aber mir scheint, dass trotzdem noch genügend normale Menschen öffentlich abgebildet werden. Für meinen Bedarf reichts jedenfalls.

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    @Don Geraldo: die semantische Genealogie eines Wortes ist volkommen wurst, wenn es darum geht, die aktuelle Bedeutung des Wortes zu kapieren. Bei Migrant ist es egal, ob das Quellwort ursprünglich Wanderarbeiter oder meinetwegen Krähenhorst bedeutet hat. Heute heißt es eben NICHT Ausländer, sondern Mensch nichtdeutscher Herkunft (egal ob Ausländer oder Staatsbürger).

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    Es gibt auch einen Wunsch nach rotziger Unflätigkeit, der früher mal die Linken ausgezeichnet hat, aber inzwischen von den notorisch zukurzgekommenen Junge-Unionisten übernommen und modifiziert worden ist.

    Innerhalb des antilinken Lagers würde ich diesen Wunsch normalerweise eher den Liberalen als den Konservativen zurechen. Er führt z.B. dazu, dass man sehr gerne „Zigeuner“ sagen möchte, nicht obwohl, sondern gerade weil es für die damit angesprochenen Sinti und Roma abwertend ist. (Das kann sich allerdings ändern, so wie viele Schwarze sich inzwischen selber als „Nigger“ bezeichnen.) Man möchte Frauen nicht nur altväterlich angraben, sondern ihnen, wenn sie sich wehren, statt eines Penis wenigstens den Stinkefinger zeigen.

    Dieser Wunsch nach rotziger Unflätigkeit ist nicht sehr gentleman-like, aber die Vorstellung, dass Konservative auf gute Manieren achten und grundätzlich eher Gentlemen wären, muss ich. auch nach Martin Luther letzte Woche, wohl gründlich renovieren.

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    @Don Geraldo

    Jeder Migrant ist Ausländer, aber nicht in jedem Land. Ich habe mehrere Bekannte deutscher Staatsangehörigkeit, die z.T. seit vielen Jahren und teils mit und teils ohne Familienbegleitung Migranten sind, Arbeitsmigranten. Wenn ich meine Bekannten „Ausländer“ nennen würde, wäre das falsch. Und so falsch liegen Sie, wenn Sie meinen, „Migrant“ durch „Ausländer“ ersetzen zu können.

    Verglichen mit „Ausländer“ ist „Migrant“ der allgemeinere Begriff. Anders als Sie anscheinend meinen, kommt der Begriff nicht aus dem Englischen, sondern aus dem Lateinischen und ist abgeleitet von lateinisch „migrare“, deutsch „wandern“.

    Ich nehme aber an, das interessiert Sie nicht wirklich. Sie wollen mit „Ausländer“ nur diejenigen Migranten bezeichnen, die Sie wieder los werden wollen. Zu Ihrem Ausländerbegriff gehört die ablehnende Konnotation. Insofern ist Ihr Sprachgebrauch durchaus verständlich, wenn auch, und zu Ihrem Ärger, nicht durchgängig üblich.

  27. avatar

    @KJN: Früher standen herrlich rauchende Schlote herum, keine Sau interessierte sich Tiere und alle fuhren wunderbar Auto. Inzwischen hat sich die Welt geändert: Windräder drehen sich, die andere Vögel schreddern als leckere Gänse, Hühner und Enten; es gibt Leute, die „vegane Rohkost“ essen und Fahrrad fahren usw. Trotzdem rauchen noch Schlote, fressen Leute Fleisch und fahren wunderbar auto. Wo ist das Problem?

    Ausgerechnet früher, mit Atomkraft, Massentierhaltung und Umweltgiften übelster Art sollte es keine Ideologie gegeben haben? Man kann überlegen, welche Ideologien besser sind und welche schlechter. Konservatismus oder Liberalismus sind auch Ideologien.

  28. avatar

    …hinter dem Ekel vor neuen Begriffen steht eine Art ältlicher Weltekel, denn die Welt wird von den Begriffen in zerlegter Form präsentiert. Und da die Begriffe sich wie die Welt und mit ihr ändern, beide Sphären also voneinander abhängen, muss jede Generation ihre Begriffe in Bezug auf ihre veränderte Welt prägen. Dies passt einigen älteren Leuten nicht.

  29. avatar

    zum Neusprech: Es gibt zwei Möglichkeiten:

    1.) Entweder ist der „Neusprech“ ein Synonym für einen „Altsprech“. Z.B. könnte „Homosexuelle“ als ein Synonym für „Schwule und Lesben“ durchgehen. Wobei ich hierbei nicht weiß, was „Neusprech“ und was „Altsprech“ ist, aber das ist bei Synonymen auch wurscht. In diesem Fall verstehe ich nicht, was am Neusprech schlecht und am Altsprech gut sein soll.

    2.) Oder der „Neusprech“ bildet einen Begriff, der einen Bedeutungsaspekt hat, den der korrespondierende Begriff aus dem „Altsprech“ nicht hat. Dies ist z.B. bei „Migrant“ (Neusprech) vs. „Ausländer“ (Altsprech) der Fall. Oben wurde sich zum Einen darüber aufgeregt, dass die Umbenennung Migrant aus Liebe erfolgen würde (das wäre, wenn es denn stimmen würde, doch prima), andererseits darauf hingewiesen, dass „Ausländer“ im Altsprech ja gar keine rechtlichen Ausländer seien. Woraus sich ein Selbstwiderspruch ergibt, denn das ist doch gerade der Grund, warum man neuerdings „Migrant“ sagt: um nicht den Rechtsstatus, sondern Herkunft und Aussehen eines Menschen zu bezeichnen.
    Der vermeintliche Neusprech ist also gar keiner, sondern ein neuer Begriff, eine Art Fachbegriff (wie auch der Fachbegriff „Gender“), der etwas auf den Punkt bringt und zu Kommunikationszwecken differenziert, was vorher verschmolzen war.
    Auch in diesem Fall verstehe ich nicht, was am „Neusprech“, der hier eine Präzisierung bildet, schlecht und am Altsprech gut sein soll.

    Die ganze Diskussion ist einfach nur lachhaft dämlich, ins Feld geführt von Leuten, die Bildung immer hochhalten, aber selber furchtbar ungebildet sind.

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    Alan Posener:“Wer sagt und tut was, und wie einflussreich ist das?“
    Wenn man oberflächlich die Meldungen der GEZ- und anderen Mainstream-Medien so oder so wertet, könnte man zu dem Schluss kommen, daß sich die Renterrepublik anschickt, sich identitätsmäßig in gefühlte 103 Geschlechter aufzulösen, die dennoch alle gemeinsam – die historisch richtigen Lehren aus der Vergangenheit und Fukushima gezogen habend – Windräder bauen und vegane Rohkost essen. Das ganze bei täglich gutem Sex (mit wem oder was auch immer, oder was dieser Begriff mittlerweile überhaupt umschreiben mag), glatter Haut und den richtigen Schwingungen zwischen Ying & Yang, sowie einer Arbeitslosigkeit, die demnächst wohl nur noch mit negativen Zahlen zu beschreiben ist.
    In der Wirklichkeit sehe ich hingegen täglich gestresste hilflose Menschen im Stau, Angst vor Arbeitslosigkeit und agressive Radfahrer, die von weitem aussehen, wie ein Plakat von der Telekom oder Kradfahrer WK II.

    Haben wir denn keine anderen Sorgen?
    Mir hat noch keiner das Steak verboten und wenn mir das Sortiment in deutschen Supermärkten nicht zusagt, gehe ich zu einem türkischen Gemüsehändler, die es ja jetzt auch gibt, dank Chancenungleichheit oder mangelnden migrantischen Bildungswillens.
    Ich glaube mittlerweile, nicht Deutschland ist ‚von Sinnen‘, sondern das veröffentlichte Deutschland. Dagegen hilft: ABSCHALTEN (und damit meine ich nicht die AKWs).

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    Lieber Alan Posener,

    ich habe keine Ahnung, was meine seinerzeitigen Lehrer eigentlich vorhatten. Da ich die Unsinnigkeit der gestellten Aufgabe (Animal Farm mit dem Nationalsozialismus vergleichen) mit fortschreitendem Alter auch selbst erkannte wurde ich halt sehr mißtrauisch gegenüber Lehrern, insbesondere denen aus der 68er-Generation.
    Dieses Mißtrauen – nicht nur gegenüber Lehrern – habe ich heute noch.

    Ein anderer Satz von Ihnen hat mich beschäftigt:

    „Was gewinnt man, wenn man Zugewanderte nicht mehr als „Ausländer“, sondern als „Migranten“ bezeichnet? Nun, zunächst verliert man einen Begriff, der ausgrenzte.“

    Ich würde mir nicht anmaßen, mich in der englischen Sprache besser auszukennen als Sie, daher habe ich den Begriff „migrant“ im Online-Wörterbuch LEO mal nachgeschlagen. Die dort gefundenen Übersetzungen lauten Nomade, Wanderer, Wanderarbeiter.
    Meines Erachtens grenzen diese Begriffe mehr aus als das wertneutrale „Ausländer“.

    Wahrscheinlich hat irgendwann einmal ein Idiot gemeint, den Begriff Immigrant (=Einwanderer) denglischen zu müssen in Migrant, ohne zu bedenken, daß es diesen mit ganz anderer bedeutung im Englischen auch gibt. Erstaunlich, daß das von den Medien nie hinterfragt wurde.

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    Lieber Herr Paoli, Sie habebn Recht, und das wird nirgends sichtbarer als in „Animal Farm“, wo ja die Kritik darauf hinausläuft, es habe sich nach der Revolution – „All animals are equal“ – eine neue Klasse herausgebildet: „But some are more equal than others“. Das ist die trotzkistische Kritik an der Sowjetunion, und schon deshalb, ich habe es oben geschrieben, kann man „Animal Farm“ nicht als Kritik an Nazideutschland missverstehen. Es ist übrigens auch kein „antitotalitäres“ Werk, anders als „1984“, das – wie der blonde Hans richtig gegoogelt hat – aus der Auseinandersetzung mit dem Buch des (Ex-Trotzkisten) James Burnham über die Machtübernahme der Manager entstanden ist. Schon allein deshalb übrigens ist es absurd, wenn ein Manager wie Peter Schmidt Orwell für sich reklamiert.

    Lieber BvG, alle Ihre Beiträge enthalten Wendungen wie „hierzulande wird…“ oder „die Linke hierzulande versucht“. Dadurch werden sie unkonkret; unangreibar zwar, denn sicher „wird“ dies und das von irgendwelchen „Linken“ gesagt. Die Frage ist: Wer sagt und tut was, und wie einflussreich ist das? Die stete Beschwörung eines drohenden Totalitarismus, ob von rechts oder links, ist nicht nur angesichts der stabilen Demokratie „hierzulande“ absurd; sie entwertet auch den Begriff selbst, so dass er nur noch meint: „Die Dominanz von Ansichten, die ich nicht gut finde, in meiner Lokalzeitung“.

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    Zum Begriff Migrant statt Ausländer. Hier wird ein rechtlicher Terminus, der hart aber klar benennt, das jemand rechtlich nicht dazu gehört, mit Konsequenzen wie fehlendem Wahlrecht aber auch keiner Wehrpflicht, durch einen soziologischen ersetzt. Dabei muss in Wirklichkeit ein Migrant gar nicht Ausländer oder umgekehrt sein.

    Linke heute wollen Nationalhass aber auch Nationalliebe beseitigen. Deutschen und Männer sollen sich schämen, dass sie Deutsche bzw. Männer sind. Die Liebe wird auf Migranten, Ausländer, Frauen und Schwule umgelenkt, die sprachlich mit Watte angefasst werden. Geliebt werden soll nach wie vor der Staat, von dem sich Linke nach wie vor alle möglichen wirtschaftspolitischen Wunder und Segnungen erwarten.

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    Natürlich wird von Linken oft auch die Existenz von Linksextremismus bestritten, manchmal auch das Extremismus-Modell als untauglich kritisiert.

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    Mal abgesehen von der möglichen Vereinnahmung von 1984 wird doch hierzulande und anderswo stets die Gefahr eines neuen Totalitarismus von „rechts“ zuförderst beschworen, dem es es mit dem „Kampf gegen rechts“ schon im Ansatz zu begegnen gelte. Das Schreckensbild eines neuen linken Totalitarismus spielt in den Medien hingegen keine Rolle. Und die politisch korrekt umgeformte Sprache kann man pointiert im Meinungskampf als „Neusprech“ bezeichnen, wieso nicht? (Habe das Buch gelesen und den Film gesehen, ist aber schon länger her.)

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    Dennoch: So gern Orwell heute von Liberalen beansprucht wird, er selbst bezeichnete sich als Sozialist (manchmal auch als „tory anarchist“) und das aus soliden Gründen, die keineswegs überholt sind. Eine Neuveröffentlichung von Der Weg nach Wigan Pier wäre sehr zu wünschen.

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    ‚Auf der anderen Seite wollte Orwell sein Buch keineswegs ausschließlich als anti-kommunistische Kampfschrift verstanden wissen. Den Anlass für „1984“ lieferte die Konferenz von Teheran, bei der sich Ende November 1943 die drei Alliierten Roosevelt, Stalin und Churchill über die künftigen Einflusssphären in der Welt verständigten.

    Daher!

    Drei Jahre später rezensierte Orwell James Burnhams einflussreiche Schrift über die kommende „Revolution der Manager“ (1940). Burnham sagte für die nahe Zukunft die Herausbildung weniger Superstaaten in den industriellen Zentren Europas, Asiens und Amerikas voraus.‘

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    Ich verbitte mir den billigen Spott über unsere Arbeit Geber und Leistungs Träger und über das deutsche Unter Nehmer Tum!

    Was kann Herr Schmidt dafür, dass die anglo amerikanische Globali Sierung, die kleine Chinesen Mädchen und Tür Ken zu Mi Granten Unge Heuern macht, auch noch die deutschen Kom Posita anglizistisch aus ein ander reißt.

    „Menschen in jedem Alter brauchen hochwertige, angstfreie Bildungsangebote“, schreibt der Deutsche Arbeitgeber Verband bescheiden und selbstkritisch in seinen „Prinzipien“. Statt ihn zu verhöhnen, sollten Sie ihm seine Angst nehmen und seine Bitte barm herzig und so zial Verantwor Tungs bewusst erfüllen. Sozial Staat auch für Herrn Schm Idt!

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    Unter Berücksichtigung der Hinweise von Tobias habe ich den Text ein wenig abgeändert. Der „DAV“ ist in der Tat eher ein Verein von Spinnern als ein legitimer Arbeitgeberverband. Das „Deppenleerzeichen“ habe ich Depp in der Tat übersehen.

  40. avatar

    Der so genannte „Gender-Unsinn“, Maximilian Krah, ist weder Unsinn, noch ist er links. Dass Identitäten, auch solche geschlechtlicher Natur, auch gesellschaftliche Konstrukte sind, das ist Beobachtungstatsache. Eine Beobachtung freilich, die man im real existierenden Sozialismus nicht machen durfte. Da durfte die Frau arbeiten – und danach das Kind abholen und dem Mann das Essen kochen. Nirgends waren die Rollen klarer verteilt als im Sozialismus. Vielfalt entsteht eher dort, wo es einen freien Markt gibt.

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    Lieber Don Geraldo, das ist bestürzend. Denn es gibt doch so gut wie gar keine Parallelen zwischen der Handlung von „Farm der Tiere“ und der Geschichte des Nationalsozialismus. Aufstand der Tiere gegen den ausbeuterischen Bauern? Wollten Ihre Lehrerinnen Ihnen ernsthaft einreden, die Machtübergabe an Adolf Hitler sei ein Volksaufstand gewesen? Und am Ende der Orwell-Geschichte sind die Schweine (also die Führer der Revolution) von den Menschen (also den Kapitalisten) nicht zu unterscheiden. Wollten Ihre Lehrerinnen Ihnen ernsthaft einreden, die Tragödie des Nationalsozialismus sei gewesen, dass die sozialistischen Ideale verraten wurden? Was haben Sie denn geschrieben?

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    Ein kleine Anmerkung zur „Farm der Tiere“:

    Ich war gerade dreizehn, als uns in der Schule die Verfilmung vorgeführt wurde, und anschließend mußten wir einen Aufsatz schreiben. Allerdings wurde uns aufgetragen, die im Film geschilderte Gesellschaft mit dem Nationalsozialismus zu vergleichen.

    Daß der Kommunismus ähnlich dem Nationalsozialismus Opfer gefordert hat habe zumindest ich nicht in der Schule gelernt.

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    Auch Schmidt drückt das berechtigte Unbehagen gegen die Diskursherrschaft linker Ideologie – nichts anderes ist z.B. der Gender-Unsinn – in Medien und Politik aus. Das juste milieu verliert den Bezug zur Bevölkerung; Schmidt, auch Sarrazin und Pirincci drücken es aus, jeder auf seine Art.

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    Der „Deutsche Arbeitgeber Verband“ (nur echt mit Deppenleerzeichen) ist kein Verband, geschweige denn ein Arbeitgeberverband. Das ist ein ganz gewöhnlicher Verein, bei dem natürliche, nicht juristische Personen Mitglied werden können. Ist in etwa so bedeutsam wie das „Institut für Medienverantwortung“ aus Erlangen, das die Rechtsform UG hat oder das „The Berlin International Center for the Study of Antisemitism“, das gar keine Rechtsform hat.

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    Ich finde, das Ansinnen ausgerechnet des Arbeitgeberpräsidenten, die deutsche Sprache von säubernden Ausdrücken zu säubern, ist deutlich lächerlicher als deprimierend. Ich habe mich jedenfalls gut unterhalten. „Soziale Marktwirtschaft“ ist m.E. kein Äquivalent für „Kapitalismus“, sondern eine Unterabteilung desselben. Apropos neumodische Ausdrucksformen: Vielleicht sollten Sie die riesigen Textzeilen nochmal in normaler Formatierung einpasten, so ist das ja fast unlesbar.

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    ..ich hatte Schmidts Machwerk bereits gestern gelesen und mich schon gefragt was das von dieser Seite her soll. Danke, daß Sie darauf hinweisen, daß gerade die hiesige Großwirtschaft gerne mit Euphemismen’experimentiert‘. Offensichtlich der billige Versuch, Emotionen für eigene Interessen zu nutzen. Wer das konservative Unwohlsein mit der political correctness teilt (wie ich, ich gebe es ja zu), wird sich verarscht fühlen.

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    Lieber Herr Posener,

    ich bin ja Weiss Gott nicht immer Ihrer Meinung,und das ist auch gut so.

    Aber gratuliere zu diesem Beitrag : Volltreffer!

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