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Kübler-Ross, Dawkins und Breivik

In der Diskussion über das Verhältnis zwischen radikalem Antiislamismus und der Bluttat von Oslo könnten zur Versachlichung der Auseinandersetzung – scheint mir – zwei Konzepte hilfreich sein. Eins ist das von Richard Dawkins vorgeschlagene Konzept der Meme, das andere das von Elisabeth Kübler-Ross entwickelte Konzept der fünf Stufen des Sterbens.

Diese Behauptung mag die eine oder andere Leserin überraschen.

Was, bitteschön, hat Kübler-Ross mit Breivik zu tun?

Gar nichts. Aber Breiviks Tat, gedacht als Fanal im Volkskrieg gegen Eurabien, hat in Wirklichkeit der Ideologie des Kulturkampfs den Todesstoß versetzt. Und die Reaktion auf diesen Todesstoß folgt bei den Anhängern und Verbreitern der verschiedenen Spielarten dieser Ideologie den fünf Stufen, die Kübler-Ross bei Sterbenden – und deren Angehörigen – beschrieb: 1. Nichtwahrhabenwollen; 2. Zorn; 3. Verhandeln; 4. Depression; 5. Akzeptanz. Nach meiner Beobachtung befinden sich die meisten Apologeten der Kulturkampfideologie inzwischen in der dritten Phase.

In der ersten Phase – „Nichtwahrhabenwollen“ – wurde schlicht und einfach bestritten, dass Breivik irgendetwas zu tun habe mit der von Populisten der norwegischen „Fortschrittspartei“, der FPÖ, der Partei Geert Wilders’ und rassistischen Sozialeugenikern wie Theo Sarrazin vertretenen Endzeitideologie. Breivik sei schlicht und einfach ein Psychofall.

In der zweiten Phase – „Zorn“ – wurden diejenigen heftigst angegriffen, die diese Verbindung hergestellt und den Tod der Kulturkampfideologie diagnostiziert haben. Sie seien Verleumder, denen es nur darum gehe, Kritiker auszuschalten, die unbequeme Wahrheiten über ihr gescheitertes Multi-Kulti-Gutmenschentum aussprechen.

In der dritten Phase – „Verhandeln“ – hört man nun versöhnlichere Töne. Ja, hier und da mag es Übertreibungen gegeben haben; ja, alles war nicht gut an Sarrazins Buch; ja, man sollte schon klare Grenzen zu den unbelehrbaren Rassisten ziehen. Aber im Kern war und ist doch der Antiislamismus nichts anderes als ein Kampf für die Demokratie und für die Rechte der Muslime selbst, und der ist doch richtig, oder?

Die Äußerungen in der vierten und fünften Phase dürften interessant werden.

Was nun das Konzept der Meme angeht, so sei mir hier kurz erlaubt, etwas weiter auszuholen und es in eine Theorie der Moderne einzubetten.

Beginnend mit Adam Smith und seiner „unsichtbaren Hand“, die das Wirtschaftsgeschehen unabhängig vom Willen der einzelnen  Marktteilnehmer lenkt, hat die Moderne die vor allem christlich bedingte Vorstellung erschüttert, wir seien mit unserem freien Willen Mitwirkende an einer vorbestimmten Heilsgeschichte. Die zentrale Figur ist hier Charles Darwin.

Nur am Rande sei angemerkt, dass sowohl Faschismus als auch Kommunismus die zentrale Einsicht Darwins und der Moderne, nämlich die Kontingenz menschlicher Existenz, leugnen. Der Marxismus missversteht Darwin dahingehend, dass die Evolution eine Teleologie hat hin zum Menschen und sucht in der menschlichen Gesellschaft eine ähnliche optimistische Teleologie. Der Faschismus missversteht Darwin dahingehend, dass der „Kampf ums Dasein“ ein Kampf der Arten und Rassen gegeneinander sei, und überträgt diese pessimistische Sicht der Dinge auf die Gesellschaft. Beide sind Spielarten des „Sozialdarwinismus“.

Tatsächlich legen einige Formulierungen Darwins, der ja die genetischen Grundlagen der Evolution nicht kannte, Missverständnisse nahe. Aber auch nach Mendels Entdeckung der Vererbungsgesetze, und selbst nach der Entdeckung der ihnenzugrunde liegenden Chromosome und der Entschlüsselung der DNA, denken die meisten von uns, auch wenn wir uns als angeblich illusionslose Darwinisten bekennen, das „Ziel“ der Evolution sei der gegenwärtige Zustand der Arten, einschließlich unserer selbst als Individuen; das „Ziel“ der Arten sei die Arterhaltung; und das „Ziel“ der Individuen sei die Weitergabe ihres genetischen Materials an die kommenden Generationen. Es ist das Verdienst Richard Dawkins’, mit seinem populärwissenschaftlichen  Buch „Das egoistische Gen“ diese Sichtweise nachhaltig erschüttert zu haben.

Nach Dawkins sind die eigentlichen Akteure der Evolution nicht die Individuen, und schon gar nicht die Rassen und Arten, wie die Sozialeugeniker meinen, sondern die Gene, die nur ein „Ziel“ kennen, nämlich sich erfolgreich zu replizieren. Die Individuen sind bloß die vorübergehenden Inkarnationen des genetischen Materials. Wohlgemerkt: Dawkins redet von Akteuren der Evolution. Er behauptet nicht, dass menschliche Individuen deshalb egoistisch handeln müssten oder dürften. Im Gegenteil. Sein Buch ist erstens eine Untersuchung über die Frage, unter welchen Bedingungen – den Egoismus der Gene vorausgesetzt – der Altruismus dennoch eine sinnvolle evolutionäre Strategie sein kann, und stellt zweitens die schon von Adam Smith aufgeworfene Frage, wie der Egoismus sozial so genutzt werden kann, dass er altruistische Wirkungen zeigt.

Und nun die Meme. Dawkins postuliert, dass man in der Evolution menschlicher Vorstellungen, Ideen, Theorien einen mit der natürlichen Evolution vergleichbaren Prozess am Werk sehen kann. Demzufolge wären Meme – sozusagen die Bausteine von Weltanschauungen – vor allem „daran interessiert“, sich fortzupflanzen. Der individuelle Denker ist bloß das Instrument, das diese Fortpflanzung – auch mit Hilfe bestimmter Modifikationen, den Mutationen vergleichbar – ermöglicht. Man begreife die Anführungszeichen bitte richtig. Das Gen „will“ gar nichts, und das Mem auch nicht. Es ist das einzelne Tier, das zielgerichtetes Verhalten an den Tag legt, und der einzelne Ideologe, der Ideen formuliert. Dawkins fordert uns aber auf, das Tier eben als Träger (oder Überträger) von Genen zu betrachten, den Ideologen als Träger (oder Überträger) von Memen. Und wie die Gene durch zufällige Mutationen eine Auswahl an Individuen produzieren, die von der Umwelt dann nach ihrer „Fitness“ selektiert werden, so produzieren Meme in den Köpfen diverser Ideologen ihrerseits Mutationen und Permutationen von Ideen, die dann von der intellektuellen Umwelt selektiert werden. Das Mem „Gott“ etwa hat sich durch Mutationen zunehmend gegen Falsifizierung immunisiert, indem es Eigenschaften wie Unsichtbarkeit und Unbestechlichkeit einerseits, Allmacht und Liebe andererseits annahm, die ja sämtlich in dem ursprünglichen Mem nicht vorhanden waren.

Und was, bitte sehr, hat Dawkins mit Breivik zu tun?

Gar nichts. Aber wenn man seine Wahnwelt als eine Ansammlung von Memen begreift, die über die Jahre und Jahrzehnte so mutiert sind, dass sie nicht nur ihm, sondern vielen klugen Köpfen, die gegen frühere Fassungen dieser Meme – Rassismus, Antisemitismus und Xenophobie, Kollektivismus, konservatives Christentum u.v.a. – immun geworden sind, einleuchtend erschienen, dann kann man ohne denunziatorisch oder triumphalistisch zu sein, eben diese Evolution verfolgen – zum Beispiel den Umschlag von Liberalismus, ja libertärem Denken in Antiliberalismus gegenüber Minderheiten, die ihrerseits illiberalen Vorstellungen und Praktiken anhängen, vor allem mithilfe eines missverstandenen Satzes von Karl Popper – und jene Meme in einer Art geistiger Eugenik aus unserem westlichen Mempool ausscheiden. Übrigens ist diese Übung vermutlich der beste Weg, die Betroffenen aus der vierten Kübler-Ross’schen Phase in die fünfte zu begleiten. Wobei es nach dem Tod der Ideologie, anders als nach dem Tod der Person, eine Auferstehung gibt.

 

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50 Gedanken zu “Kübler-Ross, Dawkins und Breivik;”

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    Auch die liberale Islamkritik hat schon vor dem Massaker von Utoya ihren Zenit überschritten.

    Der Westen hat mittlerweile so viele eigene Probleme, da ist es nichts mehr mit dem oberlehrerhaften Auftreten in Nahen Osten.

    Und was soll es an diesem Chaos des Kriegs, das sich dort ausbreitet, auch noch zu „kritisieren“ geben?

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    “Rasse” dagegen ist naturgegebens unausweichliches Schicksal. . . . au-haua-ha!!! Da schreibt der ‚Aufklärer‘. Weiß er denn was er schreibt? Ich meine die ‚Auswüchse‘ seiner, – ooops? – Theorie?

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    @EJ, Roland Ziegler

    Erstmal bin ich EJ dankbar, dass er klarstellte, dass meine Ausführungen nicht auf Reinrassigkeit beruhen oder darauf hinsteuern.

    Roland Ziegler, da ich ein Spaltpilz bin, finde ich es richtig, dass Sie sich um Integration bemühen.

    „Volk“ hat exklusive und inklusive Seiten. Wenn Ihnen der Begriff „Volk“ so negativ im Gegensatz zu Gesellschaft ist, dann bitte ich Sie, das könnte Ihr Meisterstück sein, Alan Posener schleicht darum herum wie der Teufel um das Weihwasser, sich am „Am Israel“, „Volk Israel“ zu versuchen. Hic Rhodos, hic salta!

    Nun will ich versuchen, ob es mir bei meinen Anlagen gelingt, weiss ich nicht, auch integrativ zu sein. Ich verstehe Zugehörigkeit zu einem Volk nicht zuerst als einen objektivierbaren Tatbestand sondern als Subjektivität. Ich empfinde Zugehörigkeit, ich empfinde Loyalität, hier schäme ich mich, hier bin ich stolz; auch wenn ich „mein Volk“ kritisiere, bin ich auch empfindlich und mag es nicht so sehr, wenn es von außen abgewertet wird (vielleicht trifft dies sogar auf die „Anti-Deutschen“ zu; deshalb werten sie vorauseilend selbst ab); wenn ich gefragt werde, sage ich „Ich bin Deutscher“ wie ein Amerikaner „Ich bin Amerikaner“ oder ein Chinese „Ich bin ein Chinese“ sagt oder wie ein Engländer „Wright or wrong, my country“, ich sage nicht „Ich bin Schweizer“ oder „Ähem, ich wohne in Deutschland und bin sozialdemokratischer Genosse, der sich Kubanern näher fühlt als meinen zweifelhaften Volksgenossen.“ Ich begrüße es, wenn z.B. ein Cem Özdemir schwäbelt „Ich bin Deutscher“, werde jedoch etwas unleidig, wenn da ein Mitbewohner daherkommt und sagt „Es ist scheisse, wenn Du Dein Land und Dein Volk liebst, liebe lieber den Kapitalismus“. Ich mache mir Sorgen um mein Volk (und die Gesellschaft), insofern bin ich Frank Schirrmacher um einiges näher als Alan Posener. Ich empfehle den von Moritz Berger verlinkten Artikel von Schirrmacher (http://www.faz.net/artikel/C30.....84461.html): „Der geradezu verantwortungslose Umgang mit dem demographischen Wandel – der endgültige Abschied von Ludwig Erhards aufstiegswilligen Mehrheiten – macht in seiner gespenstischen Abgebrühtheit einfach nur noch sprachlos.“ Das spielt für Alan Posener keine Rolle, man kann ja Elementarteilchen durch andere Elementarteilchen ersetzen, die den Kapitalismus lieben.

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    @Alan Posener: Sicher kann man kaum verhindern, dass der Einzelne und Gruppen sich aus dem Pool der Meme – Bausteinen von Weltanschauungen – eine Ideologie produzieren. Es gibt nun einmal eine Geschichtsschreibung und Geschichtsforschung, mit all ihren Ideen, Verfälschungen und Irrtümern.

    Richtig gefährlich wird es, wenn die intellektuelle Umwelt versagt und diese Ansammlung von Meme (z. B. denen von Ihnen genannten: Rassismus, Antisemitismus und Xenophobie, Kollektivismus u.v.a.) zur Staatsideologie erhoben wird. Während der Diskussion über den Islam, die Araber und die Türken habe ich mir manchmal eine Reaktion wie in Norwegen (Bekenntnis zur offenen Gesellschaft) gewünscht. Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass die offizielle Seite einknickt.

    Vielleicht kann Norwegen im Umgang mit diesem Attentat ein Vorbild sein.

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    @ Kerstin Also auch nicht frei von Rassismus.

    Sicher. Ohne „Rasse“ ging bei den Nazis nichts. Das ändert aber nichts daran, dass „Volk“ sogar für Nazis „erlernbar“ war (auch wenn es – eben: der „Rasse“ wegen – längst nicht jeder „erlernen“ durfte).

    Ich wollte mit dem verlinkten Beispiel, Sie haben ein besseres gebracht, lediglich demonstrieren, dass „Volk“ nicht „Rasse“ impliziert. Auch die – von wem auch immer jeweils ins Feld geführte – „Volks-Norm“ enthält, im Gegensatz zu „Rasse“, noch immer ein binnen-politisches Element, und sei es nur das (der Fiktion) einer allgemeinen Zustimmung. „Rasse“ dagegen ist naturgegebens unausweichliches Schicksal.

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    @EJ: Selbst für Nazis war “Deutschtum” (wenn auch nicht in jedem “rassisch definierten” Falle erwünscht) auch erlernbar. Es gab “systematische” freiwillige und erzwungene “Eindeutschungen”. (Ihr Zitat)

    In gewisser Hinsicht haben Sie schon Recht. Sie meinen vielleicht auch die Lebensborn e. V. – Programme. Ich hab mal den Roman von Nancy Hustons „Ein winziger Makel“ darüber gelesen.

    „Infolge des Krieges wuchs die „arische Elite“ nur mäßig. Daher befahl Himmler, jedes „arisch“ aussehende, blonde und blauäugige Kind in den besetzten Gebieten wie Polen, Frankreich und Jugoslawien zwecks „Eindeutschung“ zu entführen. Diese Kinder wurden vom Lebensborn aufgenommen und an verschiedene Pflegestellen oder zur Adoption vermittelt. Sie erhielten einen neuen Namen und durften nur noch deutsch sprechen, um ihre Muttersprache zu vergessen. Falls sie nicht den Kriterien nach den „Ariertabellen“ entsprachen, wurden sie in ein Vernichtungslager abgeschoben.[6]“ Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Lebensborn

    Also auch nicht frei von Rassismus.

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    …Ich hab soeben etwas zu unbedacht argumentiert; die mathematischen Aspekte und die sich daraus ergebende Neutralität sollte man streichen. (Im Gegenteil bleibt nach Abzug der genetischen Volksperspektive ein sehr positiv bewerteter Rest.) Stehen bleiben soll lediglich die Beobachtung, dass die diametral entgegengesetzten Bewertungen von deutschem „Volk“ und deutscher (=europäischer=westlicher) „Gesellschaft“ miteinander in Bezug gesetzt werden müssen, um eine Verständigung zu erzielen.

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    @EJ: Ich kann aus Ihrer Erwiderung keinen Widerspruch entnehmen und stimme Ihnen also zu.

    Volk ist, wie Sie sagen, eine genetische Metapher. Hierhin gehören Redewendungen wie „Durchmischung und Durchrassung“ oder „ethnische Säuberung“.

    „Kultur“ ist neutral in vder Mitte. Sie gehört einerseits zu „Volk“ („Die Kultur des Volkes, Folklore…“), andererseits aber auch, und durchaus konstitutiv, zu „Gesellschaft“ („multikulturelle Gesellschaft“, „Leitkultur“).

    Mein Punkt ist nun der, dass dieselbe Negativität, die A. Posener gemäß Alt68er dem Volksbegriff Deutschtum zuordnet, der Positivität korrespondiert, mit der A. Posener die deutsche Gesellschaft(als Teil der westlichen Zivilisation) belegt. Sozusagen als Kehrseite der Medaille. Alt 68er fordert in beiden Bewertungen eine Ausgeglichenheit, die bei der Gesamtbewertung gegeben ist (minus 1 + 1 = 0). Auf diese Gesamtbewertung wollte ich hinweisen. Man könnte auch sagen, die beiden Vorwürfe neutralisieren sich gegenseitig.

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    @Alt 68 er: Unstrittig bleibt, dass jede Geschichte auch eine Vorgeschichte hat. Vor einiger Zeit bin ich durch Zufall auf eine Mohammed-Biografie von Essad Bey gestoßen und habe dann auch die Biografie von Tom Reiss über Essad Bey gelesen. Ohne große theoretische Erklärungsversuche wurde hier ein sehr interessanter Geschichtsüberblick von 1905 bis 1942 gegeben. Dies war auch für mich gut zu lesen, da keinerlei Bewertungen vorgenommen wurden.

    „Essad Bey wird in den Revolutionswirren des Jahres 1905 als russischer Jude in Aserbaidschan mit dem Namen Lev Nussimbaum geboren. Sein Vater, Abraham, macht im kosmopolitischen Baku, dem östlichen Eldorado für Glücksritter und Spekulanten, mit Ölquellen ein Vermögen, während seine Mutter, bis zu ihrem frühen Selbstmord – der Junge ist gerade erst sechs oder sieben Jahre alt – als kommunistische Revolutionärin in Erscheinung tritt. Quelle: http://www.berlinerliteraturkr.....ichte.html

    „Zerrissen zwischen dem kapitalistischen Ölgeschäft seines Vaters und den subversiven Ideen seiner Mutter, flüchtete der junge Lev Nussimbaum, der den noch unbekannten Stalin in Baku persönlich kennengelernt hatte, in das andere Leben der kaukasischen Stadt: indem er sich in die arabische Welt hineinträumte, in den verfallenden Palast der alten Khane, in die Wüste. Diese Sehnsucht nach einem romantischen Orient wird Levs ganzes Leben prägen.“ Quelle: http://www.tagesspiegel.de/kul.....71844.html

    Der Vernichtungswille des Nationalsozialismus war ja nicht ausschließlich politisch motiviert, sondern im hohen Maße rassistisch. Hier will ich auch noch mal an die Roma und Sinti erinnern.

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    @ Roalnd Ziegler

    Was Sie sagen, ist nicht verkehrt, aber überspitzt. Und fordert deshalb unnötigen Widerspruch heraus, denke ich.

    Ich glaub nicht, dass „Volk“ – auch für „Völkische“ – mehr als eine „genetische“ Metapher ist. Das sollte zur Unterscheidung von echtem „Rassismus“ festghalten werden! Das sollte aber auch festgehalten werden, um den „Völkischen“ ihre eigene Position inhaltlich klar zu machen (und sie in einer verhandlungfähigen Position zu halten).

    Die Begriffsverschiebung in Richtung Gesellschaft, wie Sie sagen, in Richtung Kultur, würde ich sagen, hat „schon immer“ sttgefunden. Selbst für Nazis war „Deutschtum“ (wenn auch nicht in jedem „rassisch definierten“ Falle erwünscht) auch erlernbar. Es gab „systematische“ freiwillige und erzwungene „Eindeutschungen“.

    Im Gegensatz dazu wurden Juden umgebracht, ganz unabhängig davon, wie „deutsch“ sie im Sinne des kulturellen Codes waren.

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    @Alt 68 er: Bin auch Nachgeborene. Rest ist hier unwichtig. Wie denken Sie nun über die Begriffe“ Volk“ und „Gesellschaft“, wie von Roland Ziegler dargestellt?

    Ich habe ein wenig im Netz nach Ernst Nolte gegoogelt. Brauche im Moment keine neue Geschichtsdeutung, ich denke, sie ist gar nicht so neu für mich. Zunächst habe ich dies gelesen: Richard Herzinger Historische Existenz Zwischen Anfang und Ende der Geschichte? http://www.dradio.de/dlf/sendu.....kt/166181/

    Für mich ist die Gemeinsamkeit bei den radikalen Vernichtungsmaßnahmen des bolschewistischen und des nationalsozialistischen Regimes, dass jeweils für eine Ideologie gemordet wurde und ein Menschenleben offensichtlich nichts wert war in dieser Zeit.

    Ein Gulag http://de.wikipedia.org/wiki/Gulag und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau http://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Auschwitz-Birkenau zu vergleichen, finde ich grenzwertig. „Das Judentum als feindliche Kriegspartei“??? Frauen, Alte, Kranke, Kinder???

    Ich denke, das Buch ertrag ich nicht.

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    @ Kerstin

    Ich habe auf diesem Feld keine eigene persönliche Schuld, muß diese damit auch nicht „abwehren“. Es reicht mir, wenn ich das ausbaden muß, was „ich“ persönlich „verbrochen“ habe. Mir scheint, dass mit solchen Formulierungen das Vokabular der Psychoanalyse mißbraucht wird, um eine Schuldneurose als Normativ zu verankern.

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    Ich habe das Gefühl, dass der Dissens aufgelöst werden könnte, indem man sich wieder mal auf die vermeintlich selbstverständliche Begriffsebene bequemt und über den Zusammenhang der beiden Begriffe „Volk“ und „Gesellschaft“ nachdenkt. Alt 68 er macht Alan Posener zwei auffallend komplementäre Vorwürfe:
    1.) „Sie scheinen tatsächlich mit dem Begriff “Volk” nichts als Negatives verbinden zu können.“ sagt er oben.

    2.) Alan Posener würde die aktuelle westliche „Gesellschaft“ als unbegreiflich liebenswert betrachten, sagt er sinngemäß an anderer Stelle.

    „Gesellschaft“ wäre demnach für Posener gut, „Volk“ schlecht. Spätestens an dieser Engführung fragt sich, was denn eigentlich der Unterschied der beiden Begriffe ist. Vielleicht so: „Volk“ ist ethnisch/genetisch definiert; man kommt da von außen per definitionem nicht rein. Entweder man ist eine „blonde Bestie“ oder eben nicht. „Gesellschaft“ dagegen ist eine Struktur, die aus Gesetzen, informellen Regeln, Sitten, Mentalitäten, Kochrezepten usw. besteht, die sich prinzipiell problemlos erlernen und übernehmen (und übrigens auch ändern) lassen. Bier trinken kann jeder, egal ob blonde Bestie oder nicht. Im Interesse einer funktionierenden Gesellschaft herrscht ein gewisser Assimilationsdruck, weniger beim Bier trinken als bei der Forderung, bestimmte Werte zu verinnerlichen oder wenigstens zähneknirschend zu praktizieren (Stichwort Emanzipation). In diesem Sinne ist es kein Problem, sich vorzustellen, dass die deutsche Gesellschaft von Immigranten mit passenden Wertvorstellungen erhalten und fortgeführt wird. Lediglich beim Volksbegriff ist man auf die Erhaltung des „Gen-Materials“ angewiesen, bzw., da das ja zu 99% bei allen Menschen identisch ist, auf die Aufrechterhaltung der genetischen Feinheiten, aufgrund derer die Bestie eben blond ist.

    Dieses Bestehen auf der Aufrechterhaltung erscheint mir absurd. Insofern finde auch ich „Volk“ negativ und „Gesellschaft“ positiv, so wie Alan Posener.

    Wenn man jetzt einen Bocksgesang anstimmt und den Versuch unternimmt, den Begriff „Volk“ umzudeuten und mit semantischen Bestandteilen des Begriffs „Gesellschaft“ auszurüsten, verändert sich der Volksbegriff natürlich und wird genießbarer. Nur darf man dann nicht übersehen, dass man den Begriff soeben geändert hat. Man hat ihn in Richtung „Gesellschaft“ gerückt. Vorsicht also vor Tachenspielertricks.

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    @Alt 68 er: „ Ich empfehle Ihnen wärmstens das großartige Buch “Geschichtliche Existenz” von Ernst Nolte, indem Israel m.E. sehr feinfühlig und differenziert als Paradigma für das Existenzial “Volk” analysiert wird.“

    Ernst Nolte habe ich nicht gelesen. Sie können aber davon ausgehen, dass ich mich im Rahmen meiner eigenen persönlichen Schuldabwehr intensiv mit dem Land Israel, dem Zionismus und dem Judentum als Religion und/oder Volk (Nation) auseinandergesetzt habe. Gerade weil ich Israel auch im Blick habe, gefällt mir der Begriff Volk so wenig.

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    @ Alan Posener

    So, jetzt haben wir uns tief in die Augen geschaut und kennen uns in- und auswendig.

    Vielleicht können wir noch aus diesem deep encounter einen Schritt zurücktreten; mir gehen diese ewigen Frontstellungen links/rechts, Semitismus/Antisemitismus, deutsch/antideutsch, kapitalistisch/antikapitalisch, kommunistisch/antikommunistisch gehörig auf den Sack. Wenn Mahler bzw. Rabehl irgend etwas Plausibles/Vernünftiges/Realitätsangemessenes gesagt hätten, würde ich das überlegen und nicht behaupten: weil das von Mahler bzw. Rabehl stammt, ist das apriorisch abzulehnen; nur ich kenne weder Mahler noch Rabehl gut genug, um mir ein Urteil über sie zu erlauben. Inzwischen ist es mir auch egal, ob ich von irgend jemanden, der es nötig hat, Antisemit genannt werde. Worum es mir geht, das habe ich formuliert:

    Ich plädiere – hier nicht zum ersten Mal – für eine Philosophie des rechten Maßes, der richtigen Dosis, des Leist- und Machbaren. D.h. in Bezug auf die “Heterogenen”, die bereits unter uns weilen und die noch zu uns kommen werden, welche Chancen und welche Positionen können wir ihnen bieten [in einem Video hat ein Heterogener aus Hackensack oder Tottenham gefragt, ja was haben wir denn, was gehört uns denn, welches Eigentum]? Wollen und können wir sie mit einem Cargo-Kult unserer Konsumgüter ruhig stellen?…Und für uns heißt es zusammen mit EJ zu überlegen, ob wir noch in der Lage sind, “Protektorate”, “Schutzräume”, autonome und teilautonome Subsysteme einzurichten, in denen wir noch selbst bestimmen können, Spielregeln für unsere Teilhabe an der Globalisierung verabschieden können. … Können wir noch unsere “res publica”, “unser Gemeinwesen” definieren und uns abgrenzen?

    Und dies vor dem Hintergrund der Globalisierung, gegenüber der wir alle mehr oder weniger blind umherstochern und uns irgendwie noch einen Reim machen wollen. Diese Fragen habe ich an Sie mehrfach in einem moderaten Ton gestellt. Sie haben erst jetzt darauf reagiert, als ich den Ton radikalisierte und Sie in der Lage waren, mich in die Schublade des Unsäglichen zu stecken. Ich schlage Ihnen vor, über den Mechanismus der Radikalisierung und Ihren Anteil nachzudenken.

    Ich war nie linksradikal. Wie kommen Sie denn darauf? Nachdem ich mich vom Glauben meiner Herkunft gelöst habe, war ich nie mehr in der Lage, einer „Orthodoxie“ welcher Art auch immer anzugehören. Sie sollten mich nicht beneiden, das hat mich eher einsam als gesellig gemacht.

    Sie scheinen tatsächlich mit dem Begriff „Volk“ nichts als Negatives verbinden zu können; deshalb können Sie keine andere Agenda haben, als dieses für Sie durch und durch böse „politische (Propanganda-)Konstrukt“ zu vernichten. Insofern bitte ich Sie nochmals zu prüfen, ob Sie diesen haßerfüllten Affekt auch gegen „Am Israel“ richten (können). Hier geht es mir um eine kohärente Haltung bzw. Doppelstandards. Für mich ist die Zugehörigkeit zu einem Volk nicht etwas, das ich selbst entscheide, sondern etwas, das mir (auf-)gegeben ist. Ich habe nicht irgendwie plötzlich meine „völkische Seele“ oder gar meine Liebe zu biertrinkenden blonden Bestien (wenn das wirklich Ihre Sichtweise ist?) entdeckt. Die Zugehörigkeit ist gänzlich unabhängig von positiven und negativen Bewertungen. Ich möchte Ihnen noch mal den großen Botho Strauss, seinen anschwellenden Bocksgesang ans Herz legen:

    „Selbstverständlich muß man grimmig sein dürfen gegen den „Typus“ des Deutschen als Repräsentanten der Bevölkerungsmehrheit. Die Würde der bettelnden Zigeunerin sehe ich auf den ersten Blick. Nach der Würde – ach, Leihfloskel vom Fürstenhof! – meines deformierten, vergnügungslärmigen Landsmannes in der Gesamtheit seiner Anspruchsunverschämtheit muß ich lange, wenn nicht vergeblich suchen. Wie sähe, denke ich oft, mein protziger Nächster aus, wenn ihn der jähe Schmerz oder Kummer träfe? Vielleicht träte zum Vorschein dann seine Würde. Man muß sie doch wenigstens einmal gesehen haben, bevor man sie ins gesetzliche Glubensbekenntnis aufnimmt. Die meisten Überzeugungsträger, die sich heute vernehmen lassen, scheinen ihren Nächsten überhaupt nur als den grell ausgeleuchteten Nachbarn einer gemeinsamen Talkshow zu kennen. Sie haben offenbar das sinnliche Gespür – und das ist oft auch: ein sinnliches Widerstreben und Entsetzen – für die Fremdheit jedes anderen, auch der eigenen Landsleute, verloren.“

    Die Grundlage ist Loyalität. Botho Strauss und ich schämen sich am Nicht-Stimmigen des Eigenen, wollen her-stellen, was stimmig sein könnte. Sie und noch mehr Ihr Halb-Broder schämen sich nicht, Sie machen verächtlich und noch verächtlicher; deswegen wollen Sie vernichten, was wir (vielleicht vergeblich) retten wollen. Deswegen gehören Sie nicht zu „uns“, sind jedoch – willkommen oder nicht, geliebt oder nicht – unsere Mit-Bürger. Deswegen bin ich auch Verfassungspatriot. Die Verfassung soll garantieren, dass keinem, der hier wohnt, ein Härchen gekrümmt wird. Ich hoffe, dass wir in der Lage bleiben, dies weitgehend zu leisten.

    @ Kerstin

    Ich deute nicht auf Israel, weil ich mich oder uns reinwaschen will. Ich deute auf Israel als ein Paradigma. Ich empfehle Ihnen wärmstens das großartige Buch „Geschichtliche Existenz“ von Ernst Nolte, indem Israel m.E. sehr feinfühlig und differenziert als Paradigma für das Existenzial „Volk“ analysiert wird.

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    @Alt 68er: Auf der Web-Seite der BStU habe ich das Thema: „Wie viel Geschichte braucht der Mensch?“ für eine Tagung gefunden (fiel in die Zeit der Wartezeit zu Akteneinsicht). Ich habe sehr lange darüber nachgedacht.

    Wie ich bereits geschrieben habe, habe ich eine besondere Beziehung zu deutschen Geschichte. Mit 15 Jahren in Auschwitz erfahren zu müssen, was Deutsche gemacht haben, ist unerträglich. Dabei war ich nicht unvorbereitet. Das Ergebnis war Ekel an meiner eigenen Herkunft, obwohl ich aus einer Familie des Widerstandes kam. Mein Großvater war 1933 nach Frankreich geflohen, meine Großmutter 1935 ebenfalls und so haben sie sich kennengelernt. In einem gewissen Grad war ich Antideutsch, auch wenn ich dieses Wort nie benutzt habe.

    Dieser Ekel hat mich noch einmal erreicht als ich das Buch von Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann Das Amt und die Vergangenheit las. Ich denke der Ekel ist angesichts des Mordes an Juden, Sinti und Roma und anderen Menschengruppen und der anschließenden Verhinderung der Aufklärung und Bestrafung der Täter angebracht. Bei den Nürnberger Prozessen und den Folgeprozessen haben die Eliten doch gut zusammengehalten. Oder? In dieser Zeit ging meine Mutter in die Schule und wurde Zuchthäuslerkind beschimpft.
    Wissen die Menschen heute überhaupt wie wenig dazu gehörte, um im Nationalsozialismus ins Zuchthaus oder KZ zu kommen oder ein Todesurteil zu erhalten?

    Glauben Sie, dass wenn Sie ständig nach Israel zeigen, wir uns reinwaschen können? Wir werden das nicht los.
    Ich will auch nicht bei jedem israelkritischen Wort als Antisemit beschimpft werden, werde es aber zur Not aushalten. Zu Schreiben habe ich nicht ohne Grund bei dem Thema: Holocaustverdrängung und Atomphobie http://starke-meinungen.de/blo.....tomophobie begonnen. Als ich auf meine Stasi-Akte wartete, war meine größte Sorge, dass man mir Antisemitismus unterstellen könnte (Vorwurf ging an die DDR), ich hatte ja palästinensische Freunde. Inzwischen kann ich solche Vorwürfe als ungerechtfertigt von mir weisen, dazu gehört auch Selbstsicherheit und Wissen.

    Was sehen Sie bedroht? Die deutsche Kultur oder die deutsche Küche? Sind es nicht die Menschen, die entscheiden, was sie essen oder konsumieren?

    Wird meine Liebe zur deutschen Kultur nicht auch durch das Vertrauen, das ich eben in diese Kultur habe, gefördert? Halte ich das Vertrauen in Deutschland gegenwärtig für gerechtfertigt? Ja.

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    @ Alt-68er: Bei Ihnen kann man – wie bei Mahler und Rabehl – den Umschlag von Linksradikalität in Rechtsradikalität mit antisemitischem Touch („Apfelbaum alias Sinowjew“) gut beobachten: Eigentlich haben Sie das ganze NS-Arsenal (Kommunistgen gleich Kapitalisten gleich Judenfreunde gleich Gegner des „Volkes“ und der „natürlichen“ Bindungen) drauf. „Natürlich“ sind Sie kein Nazi; „natürlich“ sind Sie nicht einmal Antisemit (Sie haben viele jüdische Freunde usw.); aber offenbar sind die Meme fruchtbar noch, aus dem das kroch. Sie waren m. W. nicht immer so: Was ist also passiert? Wo war der Punkt, an dem Sie plötzlich Ihre völkische Seele und die Liebe zu biertrinkenden blonden Bestien entdeckten? Fragt, ehrlich interessiert, Ihr A.P.

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    Interessante Diskussion, meine Herren (da Frau Groda eine Auszeit genommen hat, nehme ich an, dass wir unter uns sind), sehr anregend.

    Ich nehme an, dass die von Posener ins Spiel gebrachte Dawkins´sche Parallelisierung von Evolutionsbiologie und Evolution von Memkomplexen mit den Mechanismen Selektion, Adaption und Koadaption von nicht geringem heuristischen Wert ist. Ich habe gerade in GEO (8/2011, S. 24ff) die Reportage „Aktion Tod + Leben“ gelesen. Es geht dort um das „Problem“ der im Zuge einer frühen Globalisierung auf der Insel Südgeorgien, dem wichtigsten Vogel-Biotop der Südhalbkugel, eingeschleppten Ratten, die die Populationen von Millionen von Seevögeln bedrohen. Das „Team Rat“ hat das Ziel, in einem systematischen Feldzug die eingeschleppten und sich massiv, da ohne natürlichen Feinde, vermehrenden Ratten zu vernichten, damit die bedrohten Vogelarten zu retten. M.E. sprechen Wissenschaftler zu Recht von einem neuen Erdzeitalter des Anthropozäns, auch auf der Ebene der „Natur“ sind die evolutionären Prozesse anthropogener Natur und nicht naturwüchsige, von einer unsichtbaren Hand (nicht) „gesteuerte“ Prozesse. Insofern bin ich sehr dankbar für die Einwände gegen Poseners schöne neue Welt der Globalisierung durch Roland Ziegler, dass auch „Globalisierung und Heterogenisierung“ trotz ihrer Faktizität eine Ideologie sein könnte, oder durch EJ mit seiner m.E. glücklichen Formulierung eines „kapitalistisch-demokratischen ES-denkt-und-lenkt-uns-Objektivitätswahns“. Dass der Widerstand gegen die Entropie der Globalisierung und „Heterogenisierung“ (in Wirklichkeit Auflösung jeder Heterogenität in einem homogenen Aggregat von Elementarteilchen) nur noch, so Herr Schönberg a.k.a. Don Altobello, als unnütze und vergebliche Verzweiflungstat von „übelsten Nationalsozialisten“ gedacht werden soll, halte ich für defätistisch. Ebenso, wenn EJ die Opposition dagegen für „kontrafaktisch“ erklärt. Wenn dem so wäre, wären wir zwischen der Scylla einer entfesselten, unkontrollierbaren Globalisierung, deren Horrorversion uns Don Altobello vorstellte, dass „es eine internationalisierte Elite gibt, die mit ganzen Volkswirtschaften zur eigenen Bereicherung Schlitten fährt und dabei weder ethnisch noch konfessionell zugeordnet werden kann“ und der Charybdis einer verzweifelten gegen-terroristischen Reaktion eines Breivik und seinesgleichen. Vielleicht lassen sich Akte wie die Breiviks dadurch miterklären, dass der Widerstand gegen diese Entropie von Posener und seinesgleichen diffamiert und als das Böse schlechthin dargestellt werden. Ich plädiere – hier nicht zum ersten Mal – für eine Philosophie des rechten Maßes, der richtigen Dosis, des Leist- und Machbaren. D.h. in Bezug auf die „Heterogenen“, die bereits unter uns weilen und die noch zu uns kommen werden, welche Chancen und welche Positionen können wir ihnen bieten. Wollen und können wir sie mit einem Cargo-Kult unserer Konsumgüter ruhig stellen? Da reicht es nicht, wie es der Kollege Böhme in seinem neuen Beitrag hier tut, les miserables unserer Epoche als Krawallbrüder abzukanzeln oder wie es der Springer-Boy Wergin tut, von ihnen mehr individuellen Einsatz zu fordern. Und für uns heißt es zusammen mit EJ zu überlegen, ob wir noch in der Lage sind, „Protektorate“, „Schutzräume“, autonome und teilautonome Subsysteme einzurichten, in denen wir noch selbst bestimmen können, Spielregeln für unsere Teilhabe an der Globalisierung verabschieden können (wenn Sie, lieber EJ, jedoch vom „Kulturprotektionismus“ durch Broder sprechen, zeigt das, wie sehr wr bereits auf den Hund gekommen sind. Broder scheisst auf unsere Kultur, macht sie so verächtlich wie möglich; wenn er z.B. von deutscher Küche spricht, präsentiert er die zweifelhaften Etablissements, auf denen „Deutsches Haus“ steht („Wenn Sie sagen, Sie sind ein gewöhnlicher Deutscher aus dem Sauerland und essen gerne Königsberger Klopse – mit dieser Biographie können Sie doch nichts werden“), hat jedoch keine Ahnung von den vielen großartigen Restaurants und Gasthäuser, in denen die Vielfalt der deutschen Regionalküchen auf höchstem Niveau gekocht werden). Können wir noch unsere „res publica“, „unser Gemeinwesen“ definieren und uns abgrenzen?

    Ceterum censeo – ich will noch versuchen, ein Licht auf die Rolle Alan Poseners in diesem Treiben zu werfen. Ich stimme sehr mit Frau Heckel und Moritz Berger überein, dass es Sinn macht, die Akteure dieser internationalistischen Elite zu identifizieren, die mit uns, so Don Altobello Schlitten fahren bzw., so Alan Posener, unser Bestes wollen. Deswegen sollen wir den Kapitalismus lieben. Da ich weder Financial Time noch die Boulevardpresse regelmäßig lese, bin ich mit dem Geldadel, sei er cum, sei er sine nobilitate, wenig vertraut. Stattdessen kann ich nur die publizistische Begleitflotte verweisen, hier den Springer-Verlag mit Dr. Matthias Döpfner an der Spitze, dessen trinitarisches Credo lautet „Über die Jahre hat sich daraus ein Dreieck entwickelt: Da ist die Überzeugung, dass Amerika und England die freiheitserprobtesten Demokratien sind. Dann Israel. Ich bin ein nichtjüdischer Zionist. Israel ist ein Land, dessen Existenz gesichert werden muss. Und schließlich die Freiheit des Eigentums, des Handels. Sie können es auch Kapitalismus nennen…“ und sein wild bunch of Neocons. Alan Posener und sein Halb-Broder im Geiste sind sich darüber einig, dass sie europäischen Völker aufgelöst werden sollten; während Broder die Kerle noch als Kanonenfutter im Kampf gegen die Muslime nutzen will, weil er weiss, dass diese noch ein paar Merkmale mitbringen, die nicht ganz kompatibel, zu heterogen sind, verkauft Alan Posener das Halluzinogen „lebens- und liebenswürdigste Gesellschaft aller Zeiten“. Beide zielen auf eine Gesellschaft, in der die Elementarteilchen von „freien Individuen“, die vom Eros jeglicher familiärer, sozialer, religiöser, nationaler Bindung frei sind und sich polymorph-pervers verwirklichen dürfen. Bei Alan Posener ist die Evolution des Memkomplexes von einer inzwischen antiquierten Form der klassenlosen Gesellschaft, in der die störenden Elemente nach Maßgabe des Philanthropen Apfelbaum alias Sinowjew („Die Bourgeoisie kann einige Personen töten, wir aber bringen ganze Klassen um“) liquidiert werden, zu einer noch menschenfreundlicheren Gesellschaft, in der alle atavistischen Elemente, so z.B. „Volk“ und „Volkszugehörigkeit“ im Jargon der 68er „eskamotiert“ sind, schön zu beobachten; die Fossile der alten Gesellschaft haben zugestimmt, sich demographisch „abzuschaffen“.

    Ich selbst bin ein eher pessimistischer Mensch. Vielleicht geht aber von der Schweiz ein Ruck aus:

    „Es lohnt sich, gegen die neue Rechte anzutreten: Sie sind keine konservative Partei, sondern eine revolutionäre. Sie sind eine Gefahr für die Wirtschaft. Sie sind Totengräber der Mittelklasse. Und Verbündete einer neuen Oligarchie des Geldes. Sie sind die Feinde der Zivilisation.“
    Moritz Berger sei gedankt, dass er darauf verlinkt hat.

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    Mit Islamisierungsangst argumentierende nationalistische Terroristen ordnen sich durchaus noch in Huntingtons Theorie des Kampfs der Kulturen ein.

    Als Auftakt des Klassenkampfs lassen sich die Unruhen in England einordnen. Hier überfällt in den Großstädten ein ethnisch nicht mehr eingrenzbarer Unterschicht-Mob ethnisch nicht mehr eingrenzbare Ladenbesitzer. Sicher werden aber dabei begleitend auch noch hier und da ethnische Animositäten gleich mit ausgetragen.

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    @Posener

    Die Idee, den Kulturkampf jetzt verbal herunterzufahren, wenn er mit Kindermord assoziiert wird, ist jetzt für jeden Intellektuellen eine plausible Handlungsanweisung.

    Auf Dauer wird man aber menschenfeindliche und antidemokratische Tendenzen im Islam weiterhin nicht unbenannt lassen können.
    Die kulturellen und ethnischen Konflikte sind auch nach wie vor nicht ausgeräumt, sie werden sich mit sozialen Konflikten (Moslem-Unterschicht) verbinden und ungeheuer explosiv sein.

    Zum Thema Psychologie und Politik:

    Ich würde vorschlagen eher mit dem politologischen Modell des Extremismus zu arbeiten: Breivik ist in Anschauungen und Methode ein Extremist, jemand der von 95% seiner Herkunftsgesellschaft nicht verstanden, und wegen der Mittel, die er einsetzt, verabscheut wird.
    Die Absonderlichkeit der Ansichten mag sich nach der Entscheidung für den Terrorismus, bei Breiviks Suche nach Vorbildern, etwa bei der Auseinandersetzung mit dem Unabomber, und die selbstgewählte erforderliche Isolation noch verstärkt haben.

    Ich kann keine psychische Labilität bei dem eiskalten Breivik erkennen. Und Psychotiker sind zu so komplexen Handlungen gar nicht in der Lage.

    Die Psychiatrisierung ist selbst ein Mittel der Politik und der Terroristenbekämpfung. Irgendeinen Psychiater werden Sie schon finden, der sich bereit erklärt, Breivk für plemplem zu erklären, dann können Sie ihn lebenslang wegschließen. Bei der journalistischen Analyse würde ich aber derartigen Gutachten mißtrauen.

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    @Don Altobello: Hoffen wirs mal. Die Zukunft ist offen, und die Transformationsmöglichkeiten der Gesellschaften sind vielfältig. Wohin würde es beispielsweise führen, wenn die EU wieder in ihre Bestandteile zerfiele? Wenn parallel dazu die Leitwährung wechselt, die klassischen Allianzen sich weiter auflösen, neue Verbindungen entstehen, wenn die Widerstandsbewegungen der Straßen zu kräftigen politischen Bewegungen in den Staaten führen?
    Da kann schnell wieder ein Zeitalter des Regionalismus einkehren, und wenns schlecht läuft, ein Nationalismus entstehen, der die Globalisierung/Internationalisierung alt aussehen lässt. Ich hoffe es nicht, aber ausschließen würde ich das nicht.

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    @EJ

    Sind Sie tatsächlich der Auffassung, das mit ein paar subversiven Sägen unser System wieder ins Lot gebracht werden kann??

    Und wenn die Politiker nicht so dumm wären…..

    Lesen Sie doch einmal den Artikel im Tagesanzeiger:

    http://www.tagesanzeiger.ch/au.....y/22710602

    Da zweifeln doch selbst bisher Neoliberale an ihrer eigenen Philosophie.

    Für mich isr letztlich auch auffällig mit welcher Vehemenz Alan Posener immer noch an seinem Wealth of Nation festhält, er müßte doch auch selbst langsam zur Besinnung kommen und sich eingestehen, dass sein Konzept der Markt reguliert alles nur eine Fiktion ist.

    Leider wird vergessen, dass Adam Smith nicht nur ein Nationalökonom war, sondern auch ein Moralphilosoph:
    The Theory of Moral Sentiments

    Die Reagans, die Thatchers und auch die McBlairs und Schröders waren und sind immer noch der Auffassung der Markt regelt alles.

    Schade, dass man sie nicht regresspflichtig machen kann.

    Die Sägen reichen leider nicht mehr. Legen Sie die Axt an.

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    @ Roland Ziegler
    Ich meine, dass Globalisierung und Heterogenisierung (ein blödes Wort, tut mir leid, mir fiel nichts besseres ein) de facto so weit fortgeschritten sind, dass selbst übelste Nationalsozialisten es nicht schaffen würden, dies rückgängig zu machen. Wie gesagt, damit meine ich nicht einen etwaigen ideologischen Überbau, sondern die Transformation der Gesellschaft und die Entwicklung der Weltwirtschaft.
    @ EJ
    Ich denke, dass das noch nicht globalisierte „Unten“ schlicht Zeit braucht, um im Organisationsgrad nachzuziehen. Oft machen diese und deren (selbsternannte) Vertreter den Fehler, die Globalisierung als Ganzes abzulehnen, statt die Chancen darin zu sehen. Deswegen habe ich auch keine Hoffnung, dass Organisationen wie „Attac“ etwas zur sinnvollen weltweiten Vernetzung der einfachen Bürger beitragen können. Sie nutzen nur die Mittel, die die Globalisierung bietet, um diese zu bekämpfen bzw. rückgängig zu machen, was ich für äußerst töricht halte. Dabei bietet das Internet heutzutage wunderbare Möglichkeiten.

    Wie Protest von „Unten“ aussieht, kann man gerade in Israel bewundern. Klein angefangen, ist es zu einer Riesenprotestbewegung ausgewachsen. Das ganze friedlich bei einer äußerst heterogenen Zusammensetzung. Wobei ich mit „Unten“ auch die mittlerweile in vielen westlichen Industrieländern abgehängte Mittelschicht und die gebildeten Bürger meine, die trotz guter Ausbildung kein vernünftiges Auskommen finden. Ich hoffe, das Beispiel Israel macht Schule.

    Denn das, was sich derzeit in Großbritannien abspielt, ist genau das, was sich die Breiviks dieser Welt und ihre intellektuellen Wegbereiter wahrscheinlich als Startsignal für einen großen Bürgerkrieg entlang konfessionell-kultureller Grenzen wünschen.

    Ich bin kein Freund von Verschwörungstheorien, aber manchmal kommt es mir so vor, als ob die Sarrazins und wie sie alle heißen vor allem dazu da sind, die Bürgerschaft zu spalten und in Stellung gegeneinander zu bringen, damit diese nicht die Zeit hat, sich gedanklich mit den wirkliche Ursachen für wirtschaftlichen Niedergang zu beschäftigen. Vor allem mit der Misere im Bildungsbereich, die, so habe ich manchmal das Gefühl, vor allem deswegen nicht angegangen wird, damit soziale Missstände zementiert werden und Arbeiter- und Bürgerkindern der gesellschaftliche Aufstieg verwehrt word.

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    drängt sich eine Frage auf: in welcher Stufe befindet sich einer, der von der Breivik-Keule faselt…? Ist das noch Stufe zwei oder bereits Stufe sechs (Rückfall in alte Verhaltensmuster) -frei nach Kübler-Ross,..These kreativ erweitert) ?

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    @ Don Altobello: Aber inwiefern das auf fruchtbaren Boden fällt, wage ich nicht zu prognostizieren.

    Schauen Sie sich den Orient an. Was da geschieht, verstehe ich als Globalisierung und Heterogenisierung und – als Angst davor. Und der Rechtsdrall in Europa und in den USA ist wohl ebenfalls als Abwehr von Globalisierung und Heterogenisierung zu verstehen. Oder nicht?

    Unabhängig von den Deteils: Ihre Vision eines globalisierten „Oben“ und eines nicht-globalisierten (zurückgelassenen/ ausgebeuteten/ sich verweigernden …) „Unten“ scheint mir viel für sich zu haben. Soweit ihre Vision nicht ohnhin schon Wirklichkeit ist.

    @ Roland Ziegler: Obs ganz ohne geht, weiß ich nicht

    Ohne Ideologie? Eher nicht. Was Opposition umso wichtiger machen würde.

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    @ Scrutograph: Selbstverständlich wurde die 68er Bewegung durch die RAF arg diskreditiert. Selbstverständlich haben die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki die Behauptung, man führe einen gerechten Krieg, ein wenig fadenscheinig erscheinen lassen usw. Wie gesagt, es gibt noch Leute, die es nicht wahrhaben wollen (oder „merkwürdig“) finden, aber als intellektuelle Bewegung ist der Antiislamismus so tot, wie es der Antikommunismus war, als der Senat endlich Joe McCarthy das Handwerk legte. Was nicht heißt, dass man den Islam oder den Kommunismus nicht kritisieren sollte. Sondern nur, dass die kohärente Weltanschauung, die aus dem Kulturkampf die zentrale Frage der Gegenwart konstruiert, erledigt ist.

  27. avatar

    @EJ: Ja. Das rechtzeitige Absägen eines einsturzgefährdeten Überbaus ist eine wichtige Schutzmaßnahme. Obs ganz ohne geht, weiß ich nicht, aber man kanns ja mal versuchen, d.h. in der Zwischenzeit, wenn das eine weggesägt oder zusammengeklappt und das andere noch nicht nachgebaut ist, selber denken.

    @Don Altobello: Globalisierung und Heterogenisierung könnten ebenfalls Ideologien sein. Sie fassen sie zumindest als Einbahnstraßen auf; ich bin da skeptisch.

    Die Fragen von Scutograph finde ich berechtigt. Verantwortlich am Mord ist zunächst mal der Mörder. Das gesellschaftliche Klima trägt dazu was bei; das ist klar, der Mörder hat diese Verbindung ja selber gezogen. Aber wäre dieses Klima anders gewesen, wer kann garantieren, dass dieser Mord nicht geschehen wäre? Wohl niemand kann das. Der Mörder hätte seine Wut vielleicht von etwas anderem auslösen lassen bzw. an anderen ausgelassen. Wir wissen es nicht. Die Umkehrschlussmöglichkeit besteht jedenfalls nicht.

  28. avatar

    @ EJ
    Das mag sein. Aber inwiefern das auf fruchtbaren Boden fällt, wage ich nicht zu prognostizieren. Auf Basis historischer Fakten Analogieschlüsse für die Zukunft zu ziehen, finde ich äußerst schwierig.

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    @ Don Altobello „Den “point of no return” bezog ich auf die Globalisierung und Heterogenisierung“

    Was (oppositionelle/ kontrafaktische) Ideologien und Politiken aber umso krasser herausfordern kann. Das 20. Jahrhundert ist voll davon.

  30. avatar

    Die Hinterlassenschaft des Anders Breivik im Internet ist selbst ein Mem, ein Mem, dass den Terror und antiislamisches und antilinkes Gedankengut verbreiten soll.

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    Ich finde das alles merkwürdig. Glauben Sie auch, die 68er-Bewegung sei durch das Wirken der RAF oder der Aktivismus der Grünen durch Ökoterrorismus, die katholische Kirche durch die Kreuzritter, der Islam durch den Terror der Islamisten und die USA durch den Atombombenabwurd diskreditiert und widerlegt?

    Und wenn der Papst ermordet ist, ist dann Ihre Papstkritik auch am Ende?

    Und warum sollen die Islamkritiker das letzte Glied in der Kausalkette zum Counterjihad sein und nicht der Jihad?

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    @ Roland Ziegler
    Vielleicht haben Sie mich missverstanden. Den „point of no return“ bezog ich auf die Globalisierung und Heterogenisierung, nicht auf etwaige Ideologien.

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    @ Roland Ziegler

    Ich teile Ihre Skepsis. Ohne „Überbau“ können wir anscheinend nicht leben. (Jetzt wäre eigentlich wieder ein bisschen politische Theologie angesagt 😉 Und das Klügste, was wir machen können, ist gucken, wo gerade welcher Überbau in welcher Größe errichtet wird. Damit wir die passenden subversiven Sägen schon mal bereitlegen könnnen. (APOs „Meme“ gehören genau in den kapitalistisch-demokratischen ES-denkt-und-lenkt-uns-Objektivitätswahn, der gerade wie eine riesige Seifenblase zerplatzt. Kulturprotektionismus (Broder) haben wir schon, fehlt nur noch ökonomischer und – z.B. Europa! – nationaler. Fern sind beide nicht mehr.)

  34. avatar

    @Apo & Burak

    … ich habe nicht von ‚Gene(n)‘, sondern von Alan Poseners ‚Dawkins – Meme – Breivik‘ – Analogie geschrieben.
    Apo schreibt:
    Und was, bitte sehr, hat Dawkins mit Breivik zu tun?

    Gar nichts. Aber wenn man seine Wahnwelt als eine Ansammlung von Memen begreift, die über die Jahre und Jahrzehnte so mutiert sind, dass sie nicht nur ihm, sondern vielen klugen Köpfen, die gegen frühere Fassungen dieser Meme – Rassismus, Antisemitismus und Xenophobie, Kollektivismus, konservatives Christentum u.v.a. – immun geworden sind, einleuchtend erschienen, dann kann man ohne denunziatorisch oder triumphalistisch zu sein, eben diese Evolution verfolgen – zum Beispiel den Umschlag von Liberalismus, ja libertärem Denken in Antiliberalismus gegenüber Minderheiten, die ihrerseits illiberalen Vorstellungen und Praktiken anhängen . . .

    Apo unterstellt hier der ‚Islam-Kritik‘, was immer das überhaupt sein soll, Rassismus, Antisemitismus und Xenophobie u.v.a. als Ergebnis einer Ansammlung von Memen, die über die Jahre und Jahrzehnte mutiert sind. Logischerweise wäre der nächste Schritt: ‚Islam-Kritik‘ ist für Breiviks Tat nicht verantwortlich.

    Dies Schlussfolgerung ist, von Ihnen beiden, milde ausgedrückt – ‚Friendly Fire‘, oder ein Eigentor, und bestimmt nicht ‚triumphalistisch‘. Es sei denn man erfreut sich an den gegenwärtigen Bildern aus London.

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    @Don Altobello: Ich fürchte, es gibt bei Ideologien keine „points of no return“, sondern allenfalls ein An- und Abschwellen. (Und beim Nationalismus sehe ich eher ein Anschwellen.) Insofern glaube ich auch nicht, @Alan Posener, an deren schrittweises Siechtum zum Tode.

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    „Oder wird doch alles von den Weisen von Mekka ausgehandelt?“ — Diese Volte traue ich so einigen zu, wird vermutlich schon praktiziert. So genau weiß ich das aber nicht, weil es bei mir Übelkeit hervorruft, mich mit derartigen Elaboraten zu befassen.
    Ich denke, dass wir uns in puncto Fremdenhass, Nationalismus etc. in einer Phase des letzten großen Aufbäumens gegen die unaufhaltsame Globalisierung befinden, die selbst bürgerliche Kreise zutiefst verunsichert (deswegen rennen auch Broder, Sarrazin u.a. eher offene Türen ein, als Tabubrecher zu sein). Ich meine, wir haben, was die Globalisierung und die Heterogenisierung (z.B. Multiethnizität) der Gesellschaften angeht, mittlerweile einen „point of no return“ überschritten, und das ist es, was vielen Angst macht. Vielleicht steckt oft eher eine diffuse Neophobie dahinter, die im Nachhinein rationalisiert werden soll. Das alte Schubladendenken funktioniert nicht mehr bzw. stellt sich als nicht alltagstauglich heraus, wenn beispielsweise hierzulande im 21. Jh. schwule Schützenkönige diskriminiert werden während gleichzeitig in Pakistan ein drittes Geschlecht anerkannt wird (wovon Transgender und Transsexuelle in Europa nur träumen können).

    Ich denke nicht, dass Weltwirtschaftskrisen diese Veränderungen in unserer Welt rückgängig machen können. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass den Menschen früher oder später weltweit ein Licht aufgehen wird, dass es eine internationalisierte Elite gibt, die mit ganzen Volkswirtschaften zur eigenen Bereicherung Schlitten fährt und dabei weder ethnisch noch konfessionell zugeordnet werden kann. Die monokausalen Schuldzuweisungen der Vergangenheit sind ein Auslaufmodell.

  37. avatar

    @ Burak: So isses.
    @ Emporda: Sie widersprechen sich selbst. Wenn „Religidiotie“ durch „Indoktrination“ verursacht wird, dann ist die Doktrin, mit der indoktriniert wird, eben mitverantwortlich für das, was mit der Psyche geschieht.

  38. avatar

    Sie sollten, wenn Sie Dawkins – Meme – Breivik ‘verbinden’, konsequenterweise schreiben, dass es keine Verantwortung, kein echtes Urteil des Menschen gibt und es somit auch keine juristische und moralische Verurteilung geben kann. Es gibt nach Ihrer Analogie kein Gut und Böse – und somit auch keinen moralischen Maßstab und keine ethische Verantwortung.

    Quatsch. Das geschieht, wenn man ein paar Dinge durcheinander bringt.
    Die typische Behauptung, wenn man Dawkins Argumente ausbaut, dann ist die Person, gehen wir von einem Mann aus der gemordet hat, nicht verantwortlich für seine Tat, weil diese ja schon genetisch irgendwo bestimmt ist und somit keine wirkliche Verantwortung ensteht, eine völlige Fehlinterpretation (siehe Rose).

    Dawkins & Co. zeigen die Ursprünge gewisser Handlungen auf, erklären nicht, dass diese eine überwältigende Kraft auf den Mensch haben, welchen dieser er sich nicht entziehen kann.
    Der Mensch kann seine Aktionen selbst bestimmen, ist kein Sklave seiner Genetik und hat völlige Verantwortung durch sein handeln.

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    Die Handlung Breiviks ist einzig ein Problem seiner Psyche

    Religiotie (religiöse Idiotie) ist eine Form geistiger Behinderung verursacht von religiöser Indoktrination vornehmlich im frühen Kindesalter. Sie führt schnell zu unterdurchschnittlich kognitiven Leistungen und Einschränkungen des affektiven Verhaltens in Glaubensfragen. Im Unterschied zu den pathologischen Formen der Intelligenzminderung bedingt Religiotie nicht automatisch einen generell reduzierten Intelligenzquotienten. Wie es beim autistischen Syndrom eine „Inselbegabung“ gibt, so gibt es auch eine „Inselverarmung“. Religiotie sollte vornehmlich als eine „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Psychologe Franz Buggle gebildet hat. Religiotie hält die absurdesten Dinge für wahr.

    Rassismus ist der übelste Aspekt aller Religionen. Andersgläubige werden erschlagen, verbrannt, versklavt, vergewaltigt, gequält, missioniert, ihnen wird die Ehe verweigert, der Job gekündigt, öffentlich diskreditiert, zur Ermordung aufgerufen usw. Die Menschenrechte verankert in der UN-Erklärung von 1948 werden von den Religionen abgelehnt. In der üblichen Doppelmoral feiert die RKK die Menschenrechte, diskriminiert besonders in eigenen Reihen nach Geschlecht, Glauben, Lebensweise und Denken. Nur Gläubige kennen den Pfad der Tugend, Verbrecher und Massenmörder wie Adolf Hitler und Adolf Eichmann sind Sünder, denen nach Kardinal Antonio Caggiano im Fall Ricardo Klement/Adolf Eichmann zu vergeben ist. In den religiösen Kirchen und Sekten finden sich Fanatiker, Irre, Kriminelle, Geisteskranke und Persönlichkeitsgestörte, die als Propheten, Heilsbringer, Unsterbliche, Allwissende, Retter der Nation usw. auftreten. Das Auserwählt wähnen ist nach ewig wahren Dogmen Grundlage des Christentums, die jeden Andersdenkenden massiv bedroht. Es gibt keine Religion, die sich nicht alle anderen Religionen als überlegen erklärt.

    Bei den Religionen steht Prestige über den Ressourcen; Eroberung, Herrschaftsstreben, und Mordlust wird zum Gottesbefehl gemacht und als heilige Handlung umgedeutet. Der Christ mordet auf höheren göttlichen Befehl, er selber kann überhaupt nichts dafür. Breivik ist psychisch derart krank als paranoider Auserwählter und Egozentriker, er wäre immer zum Massenmörder geworden, ganz gleich ob er seine Wurzeln als Katholik, Evangele, Jude, Mormone, Moslem hat.

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    Ja, herr Posener, Ihre akribische vergleiche verdeutlichen nur die Germanisierungspolitik des Jugendamtes, also der Deutsche Regierung. Verdeckte Ideologie des Kulturkampfes des Jugendamtes mit Nazihintergrund, Vernichtung der Kultur, Familienbeziehungen und Beziehungen zu Heimat der Menschen mit Migrationshintergrund und Folgen der „Jugendhilfe“ ähnelt sehr der Ideologie den fünf Stufen, die Kübler-Ross. Es ist alles einkalkuliert.

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    @ Derblondehans: Der erste Teil Ihres Kommentars. bedenkenswert. Der zweite Teil („Afterreligion“ usw.) einfach Nonsens. Schade. Über die Frage der Verantwortung – etwa für die Verbreitung von Memen – denke ich doch ständig nach; nur Ihnen scheint das nicht aufzufallen.
    @ Don Altobello: Mhm, vielleicht. Es dürfte interessant sein zu sehen, ob die neuerliche Wirtschaftskrise dazu führt, dass sich die Leute fragen: Warum schrieb ausgerechnet ein Bundesbanker ein Traktat, in dem behauptet wird, die Zuwanderung sei für Deutschland eine tödliche Gefahr – und nicht etwa ein Buch darüber, wie die nächste Schuldenkrise zu vermeiden sei, für die er immerhin mitverantwortlich ist. Oder ob sie sagen: Da wir den Gürtel enger schnallen müssen, kicken wir die Türken raus, damit wir nicht mit ihnen teilen müssen. Oder: Weil Wirtschaft kompliziert ist, Rassismus aber einfach, kicken wir die Muslime raus, sozusagen als Übersprungshandlung. Oder: erst kicken wir die Muslime raus aus Deutschland, dann die Griechen aus der Eurozone, dann die Banker aus den Vorstasndsetagen, das wäre klassischer National-Sozialismus. Das Problem hierbei ist: sie können nicht, wie beim Antisemitismus, die Muslime auch noch für die Schulden- und Aktienkrise verantwortlich machen. Oder wird doch alles von den Weisen von Mekka ausgehandelt?

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    Sie sollten, wenn Sie Dawkins – Meme – Breivik ‚verbinden‘, konsequenterweise schreiben, dass es keine Verantwortung, kein echtes Urteil des Menschen gibt und es somit auch keine juristische und moralische Verurteilung geben kann. Es gibt nach Ihrer Analogie kein Gut und Böse – und somit auch keinen moralischen Maßstab und keine ethische Verantwortung.

    Das Sie so denken, werter Apo, nehme ich Ihnen nicht ab.

    So wie Schmidt-Salomon, ‚humanistische‘ Giordano-Bruno-Stiftung, geschrieben hat: ‚Je genauer wir hinsehen, desto klarer erkennen wird, dass die Täter stets auch die Opfer der Geschichte sind. Echtes Verständnis macht moralische Verurteilung unmöglich.‘

    Übrigens – das ist die ‚Vereinigung‘, die das Projekt ‚Grundrechte für Menschenaffen‘ neu gestartet hat.

    Wer weiß, was diese ‚Herrschaften‘ meinen noch fordern zu müssen.

    Dawkins ‚Idee‘ Kultur, Politik und Religion mit (s)einer ‚Memen – Theorie‘ zu erklären – ist keine Wissenschaft, sondern eine Afterreligion, wie der reale Sozialismus in der ‚DDR‘ es eine war. Die Genossen ‚begründeten‘ auch eine wissenschaftliche Weltanschauung. Nicht zu fassen.

  43. avatar

    Ich habe nur kurz Zeit, deshalb nur kurz folgende Anmerkung:
    Sehr geehrter Herr Posener,
    ich fürchte, Sie überschätzen die von Ihnen angesprochenen Protagonisten. Ich denke, die meisten werden in Phase 2, allenfalls in Phase 3 hängenbleiben. Einen Automatismus, die Phasen 4 und 5 zu erreichen, sehe ich leider nicht.

    Ich denke aber, die Aussichten sind gut, dass Ansichten bzw. Ideologien wie Antiliberalismus ggü. Minderheiten, Xeno- und Islamophobie u.a. zwar nicht aus unserem westlichen Mempool ausscheiden, aber zumindest marginalisiert werden. An ein Verschwinden derselben glaube ich nicht, dafür sind derartige Geisteshaltungen in der Geschichte zu hartnäckig gewesen (sehr gutes Beispiel: der Antisemitismus, für den immer nur ein neues Erscheinungsbild gesucht und dann auch leider gefunden wird).

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