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Sarrazin und die Intelligenz

Der frühere Feuilletonredakteur der „Zeit“ und renommierte Wissenschaftsautor Dieter E. Zimmer hat ein Buch vorgelegt, in dem er sich mit der Erblichkeit der Intelligenz auseinandersetzt:
Anlass seines Buchs war die Diskussion über Thilo Sarrazins Buch, „Deutschland schafft sich ab“, in deren Verlauf von manchen Teilnehmern, wie Zimmer meint, die Vererbbarkeit von Intelligenz geleugnet und die Behauptung einer solchen Erblichkeit als „Biologismus“ kritisiert wurde.
Da sich Zimmer in seinem Vorwort besonders Jörg Blech vom „Spiegel“ vornimmt, horchte ich auch. Denn ich hatte ja hier auf „Starke Meinungen“ ebenfalls Jörg Blech kritisiert:
Zwei Wochen später jedoch habe ich meine Ansichten korrigiert:
Um es für diejenigen, die keine Lust haben, das alles nachzulesen, kurz zu machen: Seit langem hat man beobachtet, dass sich angeborene Intelligenzunterschiede erst bei einer gleichen und guten Erziehung und einer entsprechenden sozialen Umgebung bemerkbar machen.
Die primär beobachteten Leistungsunterschiede etwa zwischen bürgerlichen Kindern und Kindern von Hartz-IV-Empfängern haben in erster Linie etwas zu tun mit Umwelteinflüssen, von der Familie über die Spielkameraden bis hin zu Kindergarten und Schule.
Ein wichtiger Mechanismus, der Einflüsse der Umwelt (zum Beispiel Ess- und Trinkgewohnheiten der Eltern, Stress, positive und negative Reize) sozusagen in messbare Intelligenz umsetzt, ist die Epigenetik – das, was der Wissenschaftsautor Peter Spork den „zweiten Code“ genannt hat.
Leider geht Dieter E. Zimmer auf dieses entscheidende Phänomen gar nicht ein. Das Wort „Epigenetik“ kommt bei ihm nur einmal vor, und zwar in einem Anhang, wo es kurz erklärt wird. Es wird aber nicht gesagt, was die Ergebnisse der Epigenetik für die Intelligenzforschung bedeuten.
Eigentlich ist es unverantwortlich, ein Buch zu veröffentlichen, das von sich behauptet, „eine Klarstellung“ zu sein, wenn man sich mit den Arbeiten von Blech und Spork zu diesem Thema nicht befasst hat.
Aber sei’s drum. Mit Sarrazin beschäftigt sich Zimmer hingegen eingehend, nämlich auf 14 Seiten. Da Zimmer eine gewisse Sympathie für Sarrazin hegt, jedenfalls Sarrazins Kritikern vorhält, sie wollten „missliebige Fakten mit einer Fatwa aus der Welt schaffen“, ist seine Kritik am Selfmade-Gen-Experten besonders interessant, der sich ja inzwischen auch als Theoretiker der Pferdezucht hervorgetan hat:
Zimmer stellt zunächst fest, dass Sarrazin in „Deutschland schafft sich ab“ zwei einander widersprechende Aussagen macht:
1. „Man könnte ja auf die Idee kommen, dass auch Erbfaktoren für das Versagen von Teilen der türkischen Bevölkerung im deutschen Schulwesen verantwortlich sind.“ (S.316) Auf dieser Linie liegen Sarrazins Ausführungen über das „Juden-Gen“ für Schlauheit und sein  Vergleich von Pferderassen.
2. „Der Misserfolg (muslimischer Migranten in der Schule A.P.) kann auch wohl kaum auf angeborene Fähigkeiten und Begabungen zurückgeführt werden, denn er betrifft muslimische Migranten unterschiedlicher Herkunft gleichermaßen.“ (S.267)
Dies sind die Ausführungen, die gern von den Vertretern der „Islam-Kritik“ aufgegriffen werden: eine kulturelle Bildungsfeindlichkeit in muslimischen Familien, möglicherweise im gesamten islamischen Kulturkreis, führe zu einer Senkung des Niveaus.
Es versteht sich von selbst, dass Sarrazins Verteidiger sich nie an diesem Widerspruch stoßen. Aber egal.
Dieter E. Zimmer fragt nun nach den empirischen Befunden, auf die man die eine oder die andere Aussage gründen könnte. Er stellt fest, dass die Datenlage außerordentlich dünn sei. Eine einzige Studie  (von Levels / Dronkers / Kraaykamp 2008) habe die PISA-Studie 2003 im Hinblick auf die „Kompetenzdomäne Mathematik“ nach den entsprechenden Kriterien ausgewertet. Sie dürfte Sarrazins „wichtigste, wenn nicht die einzige empirische Basis seiner Hauptthese bilden“. (Und, so sollte man hinzufügen: da die Studie 7403 15-Jährige aus 35 Staaten der Erde umfasst, bildet sie für Deutschland statistisch betrachtet eine recht schmale Basis.)
Die Ergebnisse:
1. Den Mittelwert bildeten 100 Punkte. Den erzielten die deutschen Schüler und Schülerinnen (Ss). Zum Vergleich: Chinesischstämmige Ss in Australien, Neuseeland und Schottland erzielten 110.
2. Türkische Schüler in Deutschland erzielten im Schnitt 87 Punkte. Das ist das viertschlechteste Ergebnis aller Schülergruppen.
3. In den überwiegend muslimischen Ländern Bosnien-Herzegowina, Libanon, Marokko, Pakistan und der Türkei kamen die Ss auf 94 Punkte, die Ss aus den 30 nichtmuslimischen Ländern auf 99 Punkte.
Also hat Sarrazin womöglich mit beiden Aussagen Recht?
Gemach.
1. Der Abstand zwischen den muslimischen und den nicht-muslimischen Kindern weltweit beträgt 5 Punkte – weniger als der zwischen chinesischen Zuwanderern in Kanada und „Biodeutschen“ hierzulande, und erheblich weniger als der Abstand von 26 Punkten zwischen bulgarischen und vietnamesischen Auswandererkindern. Außerdem beträgt der Abstand zwischen Ss aus den einzelnen muslimischen Ländern ebenfalls bis zu fünf Punkten.
2. In den Niederlanden erzielten türkische Ss 97 Punkte. Das ist eine statistisch kaum relevante Abweichung von der Norm deutscher Ss.
3. Mit einem Mittelwert von 90 Punkten lagen Albanien, Bulgarien, Griechenland, Rumänien und Serbien – und die Emigratenkinder aus diesen Ländern – gleichauf mit der Türkei und dem Schnitt der türkischen Emigrantenkinder. Dabei sind diese Länder – mit Ausnahme von Albanien – nicht muslimisch. Diese „Balkan-Senke“ ist (ich zitiere) „nur der tiefste Teil einer sehr viel weiteren Senke, die sich praktisch am ganzen Mittelmeer entlangzieht, von Marokko und Portugal bis zum Libanon. Die Kinder aus den vierzehn PISA-Herkunftsländern dieser Zone kamen auf einen Durchschnitt von 93 und lagen damit einen Punkt unter den muslimischen Ländern.“
Woher kommt diese „Senke“? Jedenfalls nicht vom Islam. Und wenn es dafür „ein Gen“ (oder eine Gruppe von Genen) geben sollte, dann ist das ein mediterranes Gen. (Oder vielleicht die epigenetische Folge des Kochens mit Olivenöl?) Und ein ansteckendes. Denn – und dies findet sich weder in Sarrazins Buch noch bei Zimmer – trotz Besitz eines „jüdischen Gens“ schnitten israelische Ss bei PISA 2009 sehr schlecht ab:
Hier die Tabelle. Israel ist insgesamt fast so schlecht wie das katholische Österreich, das aber in Mathematik immerhin den OECD-Durchschnitt erreicht und Israel und die Türkei als Länder der mathematisch unbegabten mediterranen Senke fast gleichauf hinter sich lässt:
Kurzum: Ob man Sarrazin als „Biologisten“ bezeichnet oder nicht: Er ist ein schrecklicher Vereinfacher. Sein Buch ist, wie es die Kanzlerin zu Recht formuliert: „nicht hilfreich“.
Was nun die mediterrane Senke betrifft, so wage ich eine Erklärung aufgrund eines Phänomens, das bei Zimmer gar nicht erst erwähnt wird: Die im Schnitt niedrigeren Ergebnisse sind ein Ergebnis der im Schnitt höheren Kinderzahl im Mittelmeerraum. Dass der Durchschnitts-IQ mit der Anzahl der Kinder sinkt, ist ein schon länger beobachtetes Phänomen:
Wenn daher Sarrazin, ausgehend von seinen Vorurteilen gegen Zuwanderer, Muslime, Hartz-IV-Empfänger usw. eine Lösung für die Selbstabschaffung Deutschlands darin sieht, dass Akademikerinnen mehr Kinder bekommen, irrt er. Das Ergebnis dürfte nur sein, dass es mehr frustrierte Akademikerkinder gibt, die eine Sozialhilfe-Karriere der aussichtslosen Konkurrenz mit ihren intelligenteren und kinderreichen  Eltern vorziehen.
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161 Gedanken zu “Sarrazin und die Intelligenz;”

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    @KD: „“das Volksgericht hat sein Urteil in Beton gegossen”
    Mag sein, aber wenn Herr Dr. Sarrazin nicht schon in seiner Zeit als leitender Beamter mit Personalverantwortung jede Gelegenheit dazu genutzt hätte, Leute, denen es aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit eh‘ schon (zumindest psychisch) dreckig geht, als eine Art „Sozialschrott“ zu bezeichnen und seine eigenen Leute als „blass“ und „stinkend“, wäre das Urteil wohl milder ausgefallen.
    Wer so austeilt, muß damit rechnen, es zurück zu bekommen und soll nicht, wie kürzlich im „Focus 2/12“ noch über die Finten seiner Parteigenossen jammern. Es war mit Sicherheit kein „Fehler“ diese Gendebatte loszutreten, sondern Selbstvermarktung – besonders, wenn man „Integrationsprobleme muslimischer Migranten in Europa auf den islamischen kulturellen Hintergrund“ zurückführen möchte, was ja nun gar nichts mit Genetik zu tun hat. Ich gehe davon aus, daß Sie solche Zusammenhänge erkennen, eher als ich.
    Auch sein nächstes Buch wird sich also verkaufen und er hat wie Dieter Bohlen ein Publikum gefunden, daß zum eigenen Wohlbefinden immer höhere Dosen an Schadenfreude braucht.

    Ansonsten: Man kann trefflich über Jazz und Mathematik philosophieren und wer was warum besonders gut kann, denn natürlich hat Kultur auch Einfluss auf die Gene und natürlich auch umgekehrt, das wird doch jedem Abiturienten „irgendwo“ klar, wenn er mal kurz darüber nachdenkt.

    Wenn ich mich aber dazu berufen fühlen würde, darauf hinzuweisen, daß ganze Teile der muslimischen Bevölkerung durch eine inkompatible Kultur wirtschaftlich abgekoppelt werden, würde ich auch genau das sagen, also Religionskritik betreiben und nicht mit schlechten Genen anfangen.
    Wenn ich zusätzlich noch sagen wollte, daß unser Sozialsystem Fehlentwicklungen manifestiert (was ich übrigens tatsächlich denke, allerdings ist es auch eine Subvention der verschupften Personalpolitik unserer Großunternehmen), dann würde ich nicht auf die Bezieher von Sozialleistungen eindreschen, denn die können daran am wenigsten was ändern. Das ist rhetorische Grundfertigkeiten die sich nicht völlig unbegabte Leute automatisch aneignen. Es muß also um etwas anderes gegangen sein.

    Die Gefahr besteht, daß durch solche Gendebatten politisches und gesellschaftliches Versagen auf die Biologie abgeschoben wird. Da sich, was ich stark vermute, Kultur und Gene gegenseitig bedingen, ist eine Gratwanderung beim Menschenbild zwischen einem positivistischen „Erziehung und Sozialisation definieren den Menschen“ und einem deterministischen „gendefinierten Individuum“ erforderlich, um dem wirklichen Menschen gerecht zu werden.

    So wie ich Juden zugestehe, ihre (jüdische) Identität genetisch zu definieren und sich dadurch (auch) abzugrenzen, so gestehe ich jedem die Fähigkeit zu, sein Leben unabhängig von seiner Herkunft gestalten zu können.
    Das ist keine Toleranz, sondern das sind zwei Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache. Physiker (z.B.) können sowas.

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    @Lyoner: Es ist sehr viel Unverstandenes im Spiel, aber es wird oft so getan, als wären das alles klare Fakten und bewiesene Zusammenhänge. Die Frage, ob jemand ein Genie oder ein Dummkopf ist, lässt sich nicht anhand seiner Gene entscheiden. Die Frage selbst ist bereits viel schwieriger als sie aussieht. Selbst wenn man sie vereinfacht, könnten sich die besten Genetikwissenschaftler in ein Labor einschließen und den Rest ihres Lebens mit einer bestimmten menschlichen DNA beschäftigen, ohne diese Frage nur für diese eine DNA beantworten zu können. Weil wir die Zusammenhänge zwischen der DNA und den geistigen Eigenschaften nicht kennen, müssen wir die Genetik als Erklärung für konkretes Verhalten zurückstellen. Zumal sich andere Erklärungen nahelegen: Sozialisationen, Ziele, Praktiken… Als Verursachung kommen die Gene grundsätzlich infrage, ja, aber wir verstehen nicht, wie diese Verursachung genau funktioniert. Es wird immer schwieriger, je mehr wir davon verstehen. Wir sollten keine Illusionen schüren und Kurzschlüsse vermeiden. Weil Sie konkret fragen, wer denn solche Kurzschlüsse macht: Sarrazins Thesen, die soziologische Sachverhalte mit Genetik unterfüttern, stellen einen solchen Kurzschluss dar: Bevölkerungsgruppen mit niedrigerem IQ drücken den Gesamt-IQ, also weg damit, grob gesagt. Das ist die These.

    Die Genetik als Wissenschaft wird hier unangemessen instrumentalisert. Sie erinnert ein bisschen an die Künstliche Intelligenzforschung, die in den 80ern ähnlich optimistisch war (M. Minsky und Co.). Man erwartete, u.a. durch die Analyse von neuronalen Strukturen, innerhalb von wenigen Jahrzehnten ein Programm generieren zu können, das die Intelligenz in einen Computer überträgt. Diese Erwartung wurde enttäuscht: Je mehr man experimentierte und herausfand, desto komplizierter erschien die Intelligenz. Tun wir also nicht so, als wüssten wir, was die Vererbung geistiger Eigenschaften ist und wie sie funktioniert. Halten wir uns an das, was wir wissen.

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    @ Roland Ziegler, EJ

    „Aber umgekehrt gehts nicht: Wir können uns nicht die Gene von einem Unbekannten angucken und folgern, dieses ist ein Nobelpreisträger.

    Genau das ist der Punkt!“

    Hat das irgendjemand gemacht oder hat dies jemand behauptet? Kennen Sie die Grundlagen der Statistik?

    @EJ

    Der Unterschied zwischen Ihnen und einem „typisch“ jüdischen Milieu ist, dass Sie sich gegenüber Ihrem hochbegabten Sohn schuldig fühlen, ihn zu mißbrauchen, während eine jüdische Mamme „Meinstein“ jewbiliert hätte und alles in Bewegung gesetzt, dass das kleine Genie zum großen wird. Das ist ein kulturelles Muster, ob das bei der jüdischen Mamme aus den Genen kommt, weiß ich nicht, aber ist auch nicht relevant.

    @ Alan Posener

    „Das Beispiel Israel, so würde ich es zusammenfassen, zeigt, dass selbst bei einem unterstellten höheren Durchschnitts-IQ (also einer – ich wiederhole es – unterstellten höheren erblichen Intelligenz) ein mieses Schulsystem eben miese Leistungen produziert. Das heißt, Sarrazin hat Unrecht.“

    Hat Sarrazin irgendwo behauptet, dass Menschen bzw. Gruppen mit einer „höheren erblichen Intelligenz“ unabhängig von der Qualität des Schulsystems ihre Begabung abrufen können? Soweit ich weiß, postuliert er, dass die Juden in dem grandiosen deutschen Bildungssystem ihre Begabungen besser hätten abrufen können als andere Immigrantengruppen. Im übrigen hat meines Wissens nach kein Forscher (und auch nicht Sarrazin) unterstellt, dass ein höherer Durchschnitts-IQ gleich einer höheren erblichen Intelligenz ist. Einem Review von 2010 zufolge reichen die Schätzungen über den genetischen Anteil der Varianz von Intelligenz von 30 bis 80 %. Da ist also viel Spielraum für unterschiedliche Qualifikationen und für Diskussionen.

    An Sarrazin mag einiges zu kritisieren sein; man sollte es sich allerdings auch nicht so leicht machen, dass man an ihm kritisiert, was er so nicht formuliert hat.

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    @Parisien

    Sie haben Recht, aber wie bei den Ungarn ist es das Amalgan!! und mittlerweile gibt es auch erstklassige Koeche in UK (London) Liegt es daher an der klimaveränderung dass wieder gute Weine in UK angebaut werden? siehe Amalgan vin rouge:-)

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    @ Lyoner: Hier haben wir Poseners sozialpolitisches “Vorurteil” in der Nußschale. Anstatt zu fragen, wie die wirtschaftlichen, sozialpolitischen und die ideologischen Verhältnisse geändert werden müssen, damit auch Akademiker und AkademikerInnen eine Familie gründen bzw. Kinder bekommen (der Wunsch soll ja noch vorhanden sein), klotzt hier Posener mit dem “Vorurteil”, dass dies nur ein Unglück sein könne.

    Berechtigter Vorwurf.
    Ich kann da eine kleine Idee von mir zu beitragen: Ich schlage vor, man bietet Studentinnen ein Elterngeld in einer gewissen Höhe an, außerdem Hilfe bei der Wohnraumbeschaffung. Es ist keine Tragik, wenn das Studium kurz unterbrochen wird. Auf jeden Fall erscheint es mir einfacher, während des Studiums Kinder zu bekommen, als später eine vielversprechende Karriere zu unterbrechen. Ist nur eine Idee, die ich noch von niemandem gehört habe. Nebenbei laufen im Studium möglicherweise auch die Beziehungen noch besser, weil mehr Zeit da ist.
    Die Idee, alles in zehn Jahre zu stopfen, wenn endlich Geld da ist, erscheint verkehrt und kann ein Riesenstress sein.

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    @ Roland Ziegler: Bei Nobelpreisträgern wird dagegen zuerst auf die Gene geguckt, und genau das ist das Absurde. Man muss zuerst fragen, wie diese Nobelpreisträger aufgewachsen sind. Womit haben sie sich beschäftigt, als sie Kinder waren, womit, als sie in der Pubertät waren. Womit beschäftigten sich ihre Eltern. Wenn man das alles weiß, kann man auch versuchen, nach einem Abdruck in den Genen zu fahnden. Aber umgekehrt gehts nicht: Wir können uns nicht die Gene von einem Unbekannten angucken und folgern, dieses ist ein Nobelpreisträger.

    Genau das ist der Punkt!

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    @ Jean-Luc: Ich hab mal irgendwo gelesen, dass die Franzosen früher so miserabel gekocht haben sollen, dass Catarina dei Medici, als sie den König von Frankreich heiratete, alles mitbrachte: Speisen, Gewürze, Köche und Rezepte. Daher dürfen die Franzosen jetzt nicht auf die Italiener schimpfen 😉
    Ob sie Bunga-Bunga auch irgendwie mit einschleppte, ist mir entgangen.

    @ Kerstin: Falsche Adresse, habe nichts über Pisa in Israel geschrieben.

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    @Parisien: Genauso ist es. Nun könnte es allerdings sein, dass die von Ihnen ztierte „Mode“ eine Art Fußabdruck in den Genen hinterlässt (nichts anderes bedeutet ja insb. die Rede von der Epigenetik). Dann könnten wir in den Genen theoretisch das widerfinden, was wir durch die Beschäftigung mit der „Mode“ bereits wissen. Nur ist es sinnvoller, zuerst die „Mode“ zu betrachten und, naturwissenschaftliches Interesse vorausgesetzt, von dort aus auf die Gene zu blicken als umgekehrt. Die Absurdität der umgekehrten Vorgehensweise habe ich versucht, am Beispiel der englischen Sprache vor Augen zu führen. Die Engländer sprechen natürlich deshalb besser englisch, weil sie eben von Kindheit an ständig englisch sprechen. Niemand würde etwas anderes angeben. Trotzdem kann es sein, dass die englische Sprache auch einen entsprechenden Abdruck in den Genen hinterlassen hat.
    Bei Nobelpreisträgern wird dagegen zuerst auf die Gene geguckt, und genau das ist das Absurde. Man muss zuerst fragen, wie diese Nobelpreisträger aufgewachsen sind. Womit haben sie sich beschäftigt, als sie Kinder waren, womit, als sie in der Pubertät waren. Womit beschäftigten sich ihre Eltern. Wenn man das alles weiß, kann man auch versuchen, nach einem Abdruck in den Genen zu fahnden. Aber umgekehrt gehts nicht: Wir können uns nicht die Gene von einem Unbekannten angucken und folgern, dieses ist ein Nobelpreisträger.

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    oder auch hier Vergleich Uganda South Korea:

    He is more than ready to champion the modern village concept because he longs to have Uganda and Africa move faster citing out that Korea in 1960 had a GDP of 90$ less than that of Uganda which was 240$. “Today, Korea’s GDP stands at 27,000$ and that of Uganda staggers at 540$; what happened?”

    http://gilbertbukenya.org/modernvillage.html

    Lag es am Bananenbier oder am Gimchi (koreanisches Sauerkraut)

    Und hatten die Mohawks einen besseren Gleichgewichtssinn als die Weissen?

    Mohawk skyscraper builders

    http://en.wikipedia.org/wiki/M.....r_builders

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    Ein spannende Diskussion,
    wie wäre es mit dem Mathematik-Gen der Ungarn:
    Mathematik-Gen der Ungarn?

    Norbert Kroo, Generalsekretär der Ungarischen Akademie der Wissenschaften glaubt an eine Art Mathematik-Gen seiner Landsleute. Der ausgebildete Mathematiker meint damit das Vermischen der Gene und Kulturen in Ungarn:
    “Wir haben den Weinbau von Römern, das Bier von den Deutschen und Österreichern, Vodka von den Russen und den Kaffe von Türken“. Dieses kulturelle Amalgam habe auch intellektuelle Spitzenleistungen in der ungarischen Mathematik hervorgebracht.
    aus:
    http://sciencev1.orf.at/science/news/9002

    Wenn wir schon bei den Genen sind:

    Warum waren die Franzosen und die Italiener bessere Koeche als die Briten. Lag es am vin rouge ??

    Oder warum sind die Jamaikaner immer noch nicht Bobweltmeister?

    http://en.wikipedia.org/wiki/Cool_Runnings

    @KN

    Sie wissen es vielleicht nicht, aber die Israelis sind bereits in der Demokratischen Republik Kongo ohne greencard.
    Aber leider nicht mit Ihrer Vision:

    Und sollte die Demokratische Republik Kongo morgen 200.000 Israelis eine niederschwellig erhältliche Greencard inklusive weitgehender Steuerbefreiung anbieten, wäre das Land und halb Afrika innerhalb von 10 Jahren befriedet und von glücklichen und wohlhabenden Menschen bewohnt.

    Sondern so:

    http://www.tagesanzeiger.ch/au.....y/19379732

    Sind das nun die Gene ???

    Es ist schon etwas makaber, wie sie hier die Dinge simplifieren!!

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    Können die Engländer so gut englisch, weil sie eine besondere genetische Disposition zur englischen Sprache haben? Ich würde sagen: Auch deshalb, ja, warum nicht, wer kann das bestreiten. Aber eine andere Erklärung ist wichtiger.

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    @ KD: Sie sollten schon lesen, bevor Sie urteilen. „Epigenetik“ ist keine Wortschöpfung von Spork. Zimmer erläutert auch den Begriff auf Seite 263, erklärt aber nicht, was er möglicherweise für das selbst gewählte Thema bedeutet. Und was Sarrazins „mit Nachdruck vorgetgragenen Satz“ angeht, so beweist ja Zimmer mit den gleichen Statistiken, die Sarrazin benutzt, eben NICHT mit neuen, dass er falsch ist. Und Sarrazin beweist mit seinem Lippizzaner-Vergleich, dass er das auch nicht so meint. Noch einmal: Erst den Text lesen, dann die Kommentarfunktion benutzen.
    @ Poznanski und Co. Ich habe das schlechte Abschneiden Israels bei PISA nicht erfunden. Es hat aber niemanden überrascht, der die Verhältnisse in Israel kennt (und nicht bloß schwadroniert). Meine dortige Familie umfasst drei Generationen von Lehrern in leitender Position, und meine Cousine war schon vor zehn Jahren Mitautorin einer vom Erziheungsministerium in Auftrag gegebene Studie, die Vorschläge zur Belämpfung der selbst der Regierung bekannten Misere entwickelt hat. Auch mein Cousin, ein bekannter Soziologie-Professor und Friedensaktivist, entwickelte Vorschläge. Sie wurden allerdings – hauptsächlich wegen des Widerstands der Lehrergewerkschasft – nicht umgesetzt. Das Beispiel Israel, so würde ich es zusammenfassen, zeigt, dass selbst bei einem unterstellten höheren Durchschnitts-IQ (also einer – ich wiederhole es – unterstellten höheren erblichen Intelligenz) ein mieses Schulsystem eben miese Leistungen produziert. Das heißt, Sarrazin hat Unrecht. Die Ergebnisse im methematischen Bereich sind im islamischen Staat Türkei und im jüdischen Staat fast gleich. Weder Gene noch Religion scheinen hier den Ausschlag zu geben. Ich vermute, die Qualität der Lehrer gibt den Ausschlag.
    @ Alle: Was ich an Zimmers Buch gut finde, ist, dass er nicht moralisch oder ideologisch gegen Sarrazin argumentiert, sondern mit Zahlen, also mit eben jenem Mittel, das dem Banker Sarrazin so wichtig ist. Ich halte Sarrazin für einen Rassisten mit Judenknacks, und habe das auch verschiedentlich begründet. Aber man muss auch die Argumente selbst argumentativ entkräften.

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    Es ist merkwürdig, dass man sich einerseits darüber wundert, dass das eine Volk gut in Mathematik ist, das andere aber nicht, und es andererseits für selbstverständlich hält, dass die Engländer im Gegensatz z.B. zu den Türken so bewundernswert gut englisch können.

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    @Parisien: Die Pisa-Ergebnisse Israels sind interessant, habe ich mir mal angesehen, auch unter dem Aspekt jüdische und arabische Schüler. Jetzt müssten Sie mir nur beweisen, dass in Israel ein im Sinn Elsbeth Stern gerechtes Bildungssystem existiert, dann lasse ich diesen Einwand gelten und vielleicht könnten wir das Bildungssystem dann übernehmen.
    Ich glaube, Herr Sarrazin denkt zu stark im Dreisatz, die Welt aber ist viel komplizierter. Sein Beispiel bildungswilliger Rabbi und reiche Tochter, zeigt doch eigentlich nur, dass Bildungserfolg einen Bildungswillen und auch entsprechendes Geld voraussetzt. Das in der DDR keine guten Schüler aus der Arbeiterklasse zu filtern waren, kann ich mir auch mit der starren Klassendefinition der DDR erklären: Meine Mutter war Arbeiterkind, ich aber war nach ihrem Studium nicht mehr Arbeiterkind, aber nach Absolvierung einer Berufsausbildung mit Abitur, dann doch wieder Arbeiterklasse. Ich finde Quoten und Statistik einfach schrecklich, man übersieht dabei gern den Einzelnen.

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    Wieso ist eigentlich Sarrazin wegen der Sache in dem Link noch nicht rechtskräftig verurteilt?

    http://www.bild.de/politik/201......bild.html

    Einen verurteilten Beleidiger braucht man doch nicht mehr ernst nehmen, nicht wahr? Umgekehrt: jemanden, der sich von Leuten wie Sarrazin Arschloch nennen lassen muß, kann man eigentlich lässig in der Pfeife rauchen, oder?

  16. avatar

    @ KD und Roland Ziegler: Hier fehlt eine zweite naheliegende Erklärung:
    Zitat 1, KD: Sarrazin´s mit Nachdruck vorgetragener Satz: “Wenn Sie mein Buch gelesen haben, wissen Sie, dass ich die Integrationsprobleme muslimischer Migranten in Europa auf den islamischen kulturellen Hintergrund zurückgeführt habe” – wird ihm nicht mehr helfen, das Volksgericht hat sein Urteil in Beton gegossen, er wird bis zum Ende seiner Tage das bleiben, was jeder schon vor der Lektüre seines Buches wußte: ein kaltherziger Herrenreiter und Rassist.
    Das nötige Beweismaterial lässt sich locker in einer halben Stunde zusammengoogeln und mit jedem schrägen Bericht von der Spanischen Hofreitschule gewinnt das Bild der eigenen moralischen Überlegenheit neuen Glanz.
    Dumm nur, das die Frage warum 54 Prozent aller Schachweltmeister mindestens ein jüdisches Elternteil haben, – und warum die die Aschkenasim 25 Prozent der amerikanischen Literaturnobelpreisträger und 40 Prozent der Nobelpreisträger in Naturwissenschaft und Ökonomie stellen – noch immer nicht erschöpfend geklärt ist.

    Zitat 2, RZ: Stellen wir eine alternative Frage: Wieso sind unter den Jazzmusikern soviele Schwarze? Antwort 1: Weil die diese immense rhythmisch-musikalische Intelligenz (…was für ein IQ 2.0!) im Blut haben. Antwort 2: Weil die im Gegensatz zu den meisten Weißen eben seit Generationen Jazz hören und praktizieren.

    Das muss keineswegs genetisch sein. Es ist ebensogut möglich, dass es in jüdischen Milieus Mode wurde, Schach zu spielen und Ökonomie oder Naturwissenschaften zu studieren. Außerdem, Talente auszuleben wie Musik oder Schreiben, die Freiheit zu haben, Künstler zu sein. In manchen Familien mag es Tradition geworden sein, z.B. Ökonomie zu studieren. So studierte das z.B. auch Vanessa Strauss-Kahn und, soweit ich weiß, auch die Jüngste.
    Genauso ist es unter Schwarzen oft Tradition, rythmische Musik zu machen. Den Faktor Tradition sollte man nicht vergessen.
    In islamischen Milieus (vorsichtshalber, was alle wissen: natürlich nicht in allen) dagegen war es die längste Zeit Tradition, sich im Studium mit dem Islam als Lehre zu begnügen und die Töchter nicht weiterzubringen, sondern früh zu verheiraten. Genau darauf will Sarrazin hinaus, wenn er – ungeschickt – kleine Kopftuchmädchen sagt. Im Prinzip ist der Mann damit nicht rassistisch, denn wenn er das bemängelt, will er es ja ändern, und mehr Bildung, u.a. für Frauen einzufordern, ist fern von Rassismus.
    Außer Traditionen bei anderen Gruppen, die gepflegt und konsequent erlernt werden, fehlt dem Islam die Geschichte der Entwicklung der Frau, was wiederum zu viele ungebildete Mütter zur Folge hat, so dass die Entwicklung der Kinder in den ersten Lebensjahren entscheidend zurückfällt.
    Dann ist die Entwicklung des Islam zum Fundamentalismus natürlich hemmend. Wenn man sich allein den Namen Boko Haram (keine Bücher) anschaut oder aber die Jagd auf Salman Rushdie oder die Ausstattung von Buchhandlungen in manchen islamischen Ländern und Regionen, weiß man schon genug.
    Im Prinzip war alles bekannt, was in Sarrazins Buch steht. Mich hat es gelangweilt. Die Hexenjagd auf ihn begann, weil der Mann aus der Rolle fiel (aus Stallordern ausbrach) und das zum Thema machte.
    Die komplexe Genetik hätte er weglassen sollen. Ich kenne auch etliche überaus dumme autochthone Deutsche, selbst in besseren Milieus. Falls er das selber glaubt, kann er ja noch mal umdenken.
    A propos Mode: Vor dem Krieg studierten die meisten begabten Juden Physik, auch eine Mode. Vor ihrer Pandorabüchse erschraken sie dann. Ich finde es nicht besonders intelligent, nicht vorauszusehen, was aus Atomspaltung werden kann. Wenn man immer nur fortschrittsgläubig fachbezogene Intelligenz misst, macht man den selben Fehler, soll heißen, Intelligenz führt nicht zu Fehlerfreiheit.
    Außerdem sollte man bei dieser Diskussion den entwicklungsfördernden Faktor Freiheit sowie Demokratie nicht vergessen.

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    Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst. Weitgehend Übereinstimmung in der Literatur besteht darin, dass man mit dem Intelligenzquotienten aus den vorliegenden Tests wirtschaftlichen Erfolg oder Leistungen in intellektuellen Disziplinen (Schach, Mathematik, Programmieren u.a.) prognostizieren kann, dies nicht nur individuell, sondern auf der Ebene definierter Kollektive. In unserer Wirtschaft bzw. „Leistungsgesellschaft“ haben Menschen(-gruppen), die hier gut abschneiden, einen evolutionären Vorteil. Nun stimme ich denen in dieser Diskussion zu, die das Menschenbild des homo intellectus für eindimensional, beschränkt halten; die „Weisheit“ eines Alexis Sorbas, eines Dalai Lama oder einer Mutter Teresa wird hier nicht erfasst.

    Die heiße Kartoffel dieser Diskussion ist natürlich, wieweit es gruppen-, kultur- und volksspezifische Unterschiede in dem gibt, was die Intelligenzquotienten messen, und wie diese Befunde zu bewerten sind. Für mich ist dabei (vorläufig) sekundär, wie dabei das Verhältnis zwischen genetischen und epigenetischen, also Umweltfaktoren sind. Wenn hier Sarrazin als terrible simplificateur, genetischer Stümper und statistischer Dillettant vorgeführt wird, wäre zu verlangen, dass die Kritik und die Gegenargumente auf einem höheren Niveau angesiedelt sind. Das ist hier (bei APo) über weite Strecken nicht der Fall; es geht wohl weniger um wissenschaftliche Offenheit und Neugier, sondern um die „rechte“ Sichtweise, da werden eben die Studien herangezogen, die den Standpunkt bestätigen, die ausgelassen, die ihn nicht bestätigen. KD hat schon auf den einen oder anderen Punkt hingewiesen. Kurios wird die Argumentation, wenn APo auf die schlechten PISA-Ergebnisse in Israel hinweist und als Erklärungshypothese den Kinderreichtum anführt (derartig hemdsärmlig begründet ein Sarrazin nicht). Posener vermeidet es, auf die kulturellen und ethnischen Gräben im segregationistischen Schulsystem Israels hinzuweisen. Informationen darüber sind leicht zu finden

    http://de.wikipedia.org/wiki/A.....ungssystem
    http://www.hagalil.com/archiv/.....ngssystem/

    Was die Frage nach dem „jüdischen Gen“, bzw. die Frage nach dem Verhältnis zwischen genetischen und epigenetischen Faktoren in der unzweifelhaften Erfolgsgeschichte der ashkenasischen Juden angeht, wird das in USA und Israel viel unbefangener diskutiert als bei uns, wo dies eher tabuisiert bzw. fast schon als antisemitsche Fragestellung diffamiert wird. Hier einige nützliche Links

    http://www.commentarymagazine......sh-genius/
    http://ieet.org/index.php/IEET/more/4828
    http://seedmagazine.com/conten.....are_great/

    Posener schreibt „Wenn daher Sarrazin, ausgehend von seinen Vorurteilen gegen Zuwanderer, Muslime, Hartz-IV-Empfänger usw. eine Lösung für die Selbstabschaffung Deutschlands darin sieht, dass Akademikerinnen mehr Kinder bekommen, irrt er. Das Ergebnis dürfte nur sein, dass es mehr frustrierte Akademikerkinder gibt, die eine Sozialhilfe-Karriere der aussichtslosen Konkurrenz mit ihren intelligenteren und kinderreichen Eltern vorziehen.“

    Hier haben wir Poseners sozialpolitisches „Vorurteil“ in der Nußschale. Anstatt zu fragen, wie die wirtschaftlichen, sozialpolitischen und die ideologischen Verhältnisse geändert werden müssen, damit auch Akademiker und AkademikerInnen eine Familie gründen bzw. Kinder bekommen (der Wunsch soll ja noch vorhanden sein), klotzt hier Posener mit dem „Vorurteil“, dass dies nur ein Unglück sein könne. Hat das Hand und Fuss oder ist das ein Ressentiment? Darüber hinaus kann man sich überlegen, welche ökonomischen, sozialpolitschen, pädagogischen, psychologischen Ressourcen bereit gestellt werden müssen, um die Handicaps von Zuwanderern, Muslimen, Hartz IV-Empfänger (in unserer Gesellschaft) zu kompensieren. Wie wär´s mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung statt Emotion? M.E. kann ein Land, dessen Bevölkerung demografisch selbstbewußter ist und nicht schwächelt, die Probleme einer Zuwanderung und Integration besser lösen.

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    @KD

    … Ihr ‚Nigeria-Experiment‘ wage ich anzuzweifeln. Der gegenwärtig von Mohammedanern ‚praktizierte‘ Genozid an Christen gibt mir Recht.

    Die Idee, dass Juden besonders intelligent seien, gehört zu den Grundbausteinen des modernen Antisemitismus. Und sie ist kaum auszurotten. Um so wichtiger ist Gilmans Buch, das dieses Klischee in die Zeit seiner Entstehung zurückverfolgt und seine Virulenz bis zu unserer Gegenwart aufzeigt. Ein notwendiges Stück Aufklärung.
    Diese scheinbar positive Diskriminierung spielte schon in den Rassetheorien des letzten Jahrhunderts eine entscheidende Rolle.

    Einzig Sarrazins vorgetragenen Satz: ‚Wenn Sie mein Buch gelesen haben, wissen Sie, dass ich die Integrationsprobleme muslimischer Migranten in Europa auf den islamischen kulturellen Hintergrund zurückgeführt habe.‘ – mag ich zustimmen.

    Einstein wäre in einer Wojewodschaft aufgewachsen – sicher nicht Einstein.

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    @KD

    … Ihr ‚Nigeria-Experiment‘ wage ich anzuzweifeln. Der gegenwärtig von Mohammedanern ‚praktizierte‘ Genozid an Christen gibt mir Recht.

    Die Idee, dass Juden besonders intelligent seien, gehört zu den Grundbausteinen des modernen Antisemitismus. Und sie ist kaum auszurotten. Um so wichtiger ist <a href="http://www.hagalil.com/buch/cl.....ot;Gilmans Buch, das dieses Klischee in die Zeit seiner Entstehung zurückverfolgt und seine Virulenz bis zu unserer Gegenwart aufzeigt. Ein notwendiges Stück Aufklärung.
    Diese scheinbar positive Diskriminierung spielte schon in den Rassetheorien des letzten Jahrhunderts eine entscheidende Rolle.

    Einzig Sarrazins vorgetragenen Satz: ‚Wenn Sie mein Buch gelesen haben, wissen Sie, dass ich die Integrationsprobleme muslimischer Migranten in Europa auf den islamischen kulturellen Hintergrund zurückgeführt habe.‘ – mag ich zustimmen.

    Einstein wäre in einer Wojewodschaft aufgewachsen – sicher nicht Einstein.

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    Zur Frage der mediterranen Senke: Wir haben hier ja mittlerweile vier Erklärungen gefunden:
    – Kinderreichtum (A.Posener)
    – mediterrane Leichtigkeit (= Siesta in der mediterranen Senke) (ich)
    – Armut (Parisien)
    – Ergebnisse der Zwillingsforschung (KD)

    Letztere kenne ich zwar nicht, aber wenn man alle zusammenpackt, wird eine wunderbar nicht-monokausale Erklärung daraus. So dass diese Frage also abschließend geklärt sein dürfte.

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    @KD: Zur Frage der Schachweltmeister: Stellen wir diese Frage doch mal anders und fragen, warum z.B. keine Schwarzen unter den Schachweltmeistern sind. Eine mögliche Antwort wäre, weil die das Schachspielen eben genetisch, also IQ-mäßig, nicht so drauf haben; eine andere, weil sie gar kein Schach spielen (von dem bewundernswerten schwarzen Straßen-Simultanschachspieler in New Orleans abgesehen, den ich beim Spielen zusehen durfte und der beim Ziehen immer brummelte: „If you got the money I’ve got the brain; if you got the brain I’ve got the money 🙂 Er gewann an diesem Abend immer und wurde reich an Kleingeld.)

    Stellen wir eine alternative Frage: Wieso sind unter den Jazzmusikern soviele Schwarze? Antwort 1: Weil die diese immense rhythmisch-musikalische Intelligenz (…was für ein IQ 2.0!) im Blut haben. Antwort 2: Weil die im Gegensatz zu den meisten Weißen eben seit Generationen Jazz hören und praktizieren.

    Ockham würde sicher die jeweils ersten Antworten einfach abrasieren. Trotzdem ist es plausibel und wahrscheinlich, dass eine gelebte Kultur sich im Lauf der Generationen auch in die Gene einprägt. Auch, dass individuelle Talente vererbbar sind. Nicht jeder kann Mozart werden. Wir sollten aber nicht von den Genen ausgehen und von dort auf die Kultur schließen. Wir sollten v.a. keinen Wertmaßstab aufstellen und sagen: unsere IQ-Kultur, die wir geschaffen haben und die wir beherrschen, ist besser als, sagen wir, eine Jazz-Kultur, die wir nicht beherrschen.

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    @KJN

    „sonst wären die meisten von uns bereits zu körperlich unbeweglich-schlaffen Augenwesen mit mehreren USB-Schnittstellen und riesiger Festplatte, die man regelmäßig löscht, mutiert.“

    stimmt 🙂

    Aber haben Sie noch eine Festplatte….. wir sind doch alle schon in der Wolke 🙂

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    Klar, nach eineinhalb Jahren „Deutschland schafft sich ab“ werden die Messer mit neuen Statistiken gewetzt. Macht ja auch Spaß. Dass die „mediterrane Senke“ nicht durch das Kochen mit Olivenöl zurückzuführen ist, bedarf allerdings keiner Statistik und mit dem Ausbleiben des „Flynn-Effekts“ ist sie auch nicht zu erklären. Eher schon durch die Ergebnisse der modernen Zwillingsforschung.

    Dieter E. Zimmer argumentiert ja nicht weniger anspruchsvoll als Peter Spork, da sollte man schon vorsichtig sein, wenn man ihm Nachlässigkeiten unterstellt. (Der Begriff „Epigenetik“ ist – glaube ich – eine sonst nicht weiter benutzte Wortschöpfung von Spork selbst, damit erübrigt sich z.B. der Vorwurf Zimmer sei darauf nicht eingegangen) Man sollte auch nicht vergessen, das sich Menschen zwar nur durch etwa 0.1% ihrer DNA unterscheiden aber relativ dazu eine weitaus größere Variation von Krankheitsrisiken und unterschiedlichen Reaktionen auf Umweltreize aufweisen. Den größten Einfluss auf die Entwicklung eines Organismus hat nun mal sein Genotyp. Und wenn schon namedropping mit Jörg Blech, Ruth Hubbard und Elijah Wald – dann bitte auch das volle Programm: Richard Lynn, James Watson, Richard Dawkins, Richard Haier, Steven Pinker, George Church, James Lupski, Craig Venter usw.

    Das Thema gemessene (!!!) Intelligenz ist sicher die heikelste wissenschaftliche „Gretchenfrage“ überhaupt und es gibt wohl niemand, der dazu nicht parallel die Begriffe Eugenik und Auslöschung „unwerten“ Lebens im Hinterkopf hat. Allein durch das „Weglassen“ und „Nichterwähnen“ bestimmter Studien und Statistiken werden aber schon wissenschaftliche Ergebnisse gefälscht und ganze Weltbilder verrückt und ideologisch umgebogen. Ein um Neutralität bemühter Humangenetiker oder Wissenschaftsjournalist hat heute keine Chance der blitzschnellen Zuordnung und Vorverurteilung zu entkommen – entweder ist er ein gutmenschelnder Lamarckist oder eben ein übler Sozialdarwinist. Ein „Dazwischen, ein sowohl als auch“ gibt es nicht, darf es allein deshalb nicht geben, weil man ja BILD-und Facebookkompatible Sätze wie diesen formulieren muß: „Die Entwicklung oder Charaktereigenschaften eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen sind nicht durch ein bestimmtes Erbgut vorgezeichnet“ (Andrea Nahles)

    Sarrazin´s mit Nachdruck vorgetragener Satz: „Wenn Sie mein Buch gelesen haben, wissen Sie, dass ich die Integrationsprobleme muslimischer Migranten in Europa auf den islamischen kulturellen Hintergrund zurückgeführt habe“ – wird ihm nicht mehr helfen, das Volksgericht hat sein Urteil in Beton gegossen, er wird bis zum Ende seiner Tage das bleiben, was jeder schon vor der Lektüre seines Buches wußte: ein kaltherziger Herrenreiter und Rassist.

    Das nötige Beweismaterial lässt sich locker in einer halben Stunde zusammengoogeln und mit jedem schrägen Bericht von der Spanischen Hofreitschule gewinnt das Bild der eigenen moralischen Überlegenheit neuen Glanz.

    Dumm nur, das die Frage warum 54 Prozent aller Schachweltmeister mindestens ein jüdisches Elternteil haben, – und warum die die Aschkenasim 25 Prozent der amerikanischen Literaturnobelpreisträger und 40 Prozent der Nobelpreisträger in Naturwissenschaft und Ökonomie stellen – noch immer nicht erschöpfend geklärt ist. Die Juden Osteuropas waren schließlich sozial benachteiligt, sie waren verarmt, schlecht ernährt und hatten denkbar schlechte „Umwelt“-Bedingungen und dennoch sind sie nur 3 Generationen nach ihrer Immigration in die USA in nahezu allen Wissenschaften in die Spitzenstellungen vorgedrungen und heute um etwa den Faktor 10 überrepräsentiert.

    Und sollte die Demokratische Republik Kongo morgen 200.000 Israelis eine niederschwellig erhältliche Greencard inklusive weitgehender Steuerbefreiung anbieten, wäre das Land und halb Afrika innerhalb von 10 Jahren befriedet und von glücklichen und wohlhabenden Menschen bewohnt.

    Mag ja sein das PISA 2009 israelische Studenten als genauso blöd ausweist wie den Rest der Welt, aber dafür gibt es wenigstens eine naheliegende Erklärung: Es liegt an ihren Liebschaften mit den blonden Kommilitoninnen in Berlin und Wien – denn was passiert wenn eine Blondine von Deutschland nach Österreich übersiedelt? – Genau: in beiden Ländern sinkt der Intelligenzquotient…

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    Vor vielleicht 150 Jahren noch waren Männer erfolgreich, die praktische Fähigkeiten mit Körperkraft und schneller Auffassungsgabe für offensichtliche Dinge verbanden, bei Frauen war vermutlich statt Körperkraft eher Geschicklichkeit ausschlaggebend.
    Heutige Intelligenztests hingegen erinnern an „Gehirnjogging“, Sudokus u.Ä.; jedenfalls sind sie, wie die PISA-Tests sehr einseitig auf’s Kognitive ausgerichtet. Natürlich wird eine solche Intelligenz, wie so vieles andere (auch) erblich sein, das hat jeder geahnt, gewusst, was auch immer, aber was spielt das eigentlich für eine Rolle?
    Gut, daß die Evolution sich über die Jahrtausende eine gewisse Trägheit zugelegt hat und nicht auf alle Kapriziösitäten des Arbeitsmarktes einiger postindustrieller Staaten sofort reagiert, sonst wären die meisten von uns bereits zu körperlich unbeweglich-schlaffen Augenwesen mit mehreren USB-Schnittstellen und riesiger Festplatte, die man regelmäßig löscht, mutiert.

    Das Erschreckende an Sarrazin & Co ist das absolut reduzierte Menschenbild.
    Wenn man, wie EJ, auf die eigenen Kinder sieht, wird das klar.

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    Ist Herr Posener zum Rassisten mutiert? Er vergisst die 22% Nobelpreisträger jüdischer Herkunft mit den netten Lebensbedingungen in KZ’s zu korrelieren.

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    @ APo: Kleiner Zusatz: Ich habe aber eine sehr gute Beobachtungsgabe statt Empirie, die Widersprüche bemerkt (z.B.) Meine Beobachtungsgabe sagt mir, dass Kelek und Hirsi Ali von ihren Eltern unterdrückt waren und einen sehr starken Willen hatten, da raus und weiter zu kommen.
    Ähnliche Beispiele ließen sich auch unter unseren ehemaligen 68ern finden, die gegen ihr Umfeld aufstanden. Musterbeispiel: Henryk Broder. Ein bisschen angeboren vermutlich, der Rest Willen. Kämpfernatur. Hat nicht immer Recht wie alle Kämpfer. Der Prototyp des Einwanderers, der den Willen hatte, brillant deutsch zu lernen.
    Übrigens: Wenn Sarrazin seine Genetikeinlassungen alle weggelassen hätte, wäre das Buch genauso niedergemacht worden, denn es ist eine niederschmetternde Systemkritik von innen. „Nicht hilfreich“ für unser System, meinte sie. Einzelnen Muslimen hat die Diskussion, die danach aufkam, nicht geschadet.

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    @ APo: Mit dem Willen meine ich mehr die Eltern, und ich glaube, dass man hier die deutschen Juden vor 1933 als Vergleich nehmen kann, die einen steten Aufstieg durchmachten. Die „Mamme“ dürfte dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben, zumal Juden kein so gorßes Problem mit intelligenten und aufgeklärten Frauen hatten oder schon lange nicht mehr. Katja Pringsheim z.B. war eine der ersten Frauen, die in München Abitur machten, extern nach Hausunterricht. Fanny Mendelssohn allerdings, ein Jh, früher, durfte ihre Kompositionen nicht vermarkten, weil sich das nicht gehörte.

    Ich gebe Ihnen eine einfache Erklärung für die „mediterrane Senke“: Armut. Ich kam darauf, als Sie Süditalien anführten. Wer arm ist, ist verückt, wenn er für seine Kinder ca. 20 Jahre Ausbildung plant. Allerdings kriege ich Israel da nicht mit untergebracht.

    Ich glaube nicht, dass hier jemand in Abrede stellen will, dass Intelligenz auch vererbt wird, nur kann man daran nichts ändern, daher sollte man das wohl nicht, wie Herr Sarrazin, zum Thema machen. Dass aber Intelligenz, egal welche, ab dem ersten Lebensjahr steigerbar ist, mit je nach Alter unterschiedlichen Mitteln, ist das Interessantere.

    @ EJ: Ihre persönliche Beschreibung ist eindrucksvoll.

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    @Claus Wagner: Ich weiß allerdings nicht, worauf die Erkenntnis, dass Intelligenz erblich ist, tatsächlich beruht. Meines Wissens sind es statistische Beobachtungen, die diese Erkenntnis ausmachen; die Ursachen liegen im Dunkeln und werden von der Genetik zu erhellen versucht. Auf dem Weg zur Epigenetik hat die Genetik nun leider sämtliche deterministische Kraft verloren und den Kontext in die Erklärung hereingelassen, könnte man sagen; wir sind eigentlich so klug wie vorher und haben nur den statistischen Befund. So scheint es mir, ich bin auch hier kein Fachmann.

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    @A.Posener: Viele Eltern mit Migrationshintergrund aus bildungsfernsten Schichten z.B. aus Anatolien haben allerdings überhaupt keine Ahnung, worum es in der Schule geht. Viele von ihren Kindern entwickeln dann nicht etwa Lethargie, wie bei dem sich ausklinkenden biodeutschen Nachwuchs, sondern allen möglichen Ehrgeiz, manchmal extrem starken Ehrgeiz, allerdings keinen, der sich auf schulischen Lernerfolg richten würde, sondern z.B. aufs Rollenbild, auf Stärke, auf Anführerschaft in der Clique. Dies ist bei vielen asiatischen Familien offenbar völlig anders, u.a. wegen des konfuzianischen Arbeitsethos und der sehr hoch bewerteten Disziplin, die sich aufs Regelbefolgen richtet. Durch die Betrachtung solcher tradierten Werte wird man zu Ursachen kommen, die die Unterschiede der Migrationshintergründe viel besser erklären können als Gene, bei denen wir allenfalls über eine höchst vorläufige Theorie verfügen.

    @EJ: Sehr interessant, was Sie da zu Hochbegabung sagen: Hochbegabung, wenn das Kind keine eigene Welt hat, sondern sein Selbstbewusstsein in der Welt, d.h. mit den Mitteln u. Maßstäben, der Erwachsenen aufbaut, wenn ich Sie richtig verstehe. Ja, so etwas kann ich von einer Freundin meiner Tochter bestätigen.

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    Ich mag dazu nicht mehr allzu viel sagen, außer, dass ich entsetzt bin, dass man im Jahr 2012 immer noch Thesen diskutieren muss, die hinter den Forschungsstand von vor 20 Jahren zurück fallen (und selbst diesen noch nicht mal ansatzweise erreichen). Leute, wie der unsägliche Herr S. (und seine Cheerleader sowie die unvermeidlichen Trittbrettfahrer), pflegen eine Art selektiver Pseudointellektualität nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip: Ich mache diese Welt, widde widde, wie sie mir gefällt. Was ich daran vor allem so ärgerlich finde, ist, dass selbst der größte Kokolores im vollen Brustton der Überzeugung in die Welt posaunt wird. Die Fähigkeit, die eigenen intellektuellen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen, ist nicht allzu weit verbreitet. Leider lässt sich diese nicht in Zahlen fassen, sonst könnte vielleicht auch der Herr S. etwas damit anfangen und bitte die Konsequenzen daraus ziehen.

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    @Parisien: Sie haben im Prinzip recht, besonders was Hinwendung, Liebe und Ruhe für die Kinder betrifft, und auch, dass man eigentlich die Eltern ausbilden müsste. Allerdings kommt man oft genug nicht mehr an die „Mütter“ heran; der Zug ist abgefahren. Viele Eltern sind zu sehr mit sich selbst oder mit ihrer Karriere beschäftigt, andere haben verquere Vorstellungen und halten umso stärker an ihnen fest, je unsicherer sie sind. In solchen Fällen bleibt nur, sich direkt an die Kinder zu wenden und ihnen etwas zu bieten, das die Eltern nicht zu bieten haben, ein Bildungserlebnis, in der Hoffnung, dass sie es gern aufnehmen, z. B. um einen Vorsprung gegenüber den Eltern aufzubauen, auf den sie dann – im Gegensatz zu ihrer Herkunft – zurecht stolz sein können.

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    @ Roland Ziegler: Kinderreichtum erklären könnte: die “mediterrane Leichtigkeit”

    Sie vermuten „mediterrane Leichtigkeit“ als Produktionsfaktor. Da wird auch in dem von Ihnen gemeinten Sinne was dran sein. Dazu gehört aber auch die Akzeptanz von Kindern und ihrer Kinderwelt überhaupt.

    Mein ältesten Sohn, J, wurde zwei Mal als „hochbegabt“ qualifiziert. Einmal von einem Kinderarzt und Kinder- und Jugendpsychiater und einmal im Gymnasium. J war „schwierig“, er spielte nicht. Der 5-jährige wurde vom Kinderarzt und Kinder- und Jugendpsychiater in Gesprächen untersucht und nachdem der Arzt bei einer darauf spezialisierten Kollegin einen Intelligenztest hatte machen lassen, verweigerte er eine Behandlung des Kindes, weil, wie er sagte, im Gespräch mit einem Erwachsenen „der Schuss nach hinten losgehen“ würde. Stattdessen sprach er mit mir.

    Ich kürze radikal ab: J, drei Jahre lang unser einziges Kind, spielte nicht, weil wir Eltern ihm keinen Raum dazu gelassen hatten. J hatte keine eigene Kinderwelt. Er wollte (deshalb) nur das tun, was in der Erwachsenenwelt zählt. Und das ist im Prinzip seine Hochbegabung, bis heute.

    J.s Bruder, B, um sechs jünger und drittes Kind, ist völlig unauffällig und nicht hochbegabt. Er wird, aller Voraussicht nach, sein Abitur mit „1 Komma irgendwas“ machen. Philosophie, Geschichte, Sprachen, Mathe – alles irgendwie gleich gut. Er hat eine Freundin, mal verbringt er das Wochenende bei ihr, mal sie bei uns. Während J.s Freundin über Jahre quasi Familienmitglied war (er hat jetzt eine neue), weiß ich über B.s Freundin nur sehr wenig. Es ist seine(!) Freundin. Ähnlich verhält es sich mit allem anderen: B hat seine eigene Welt, sammelt seine(!) Filme, er plündert unsre Bücherregale, um seine(!) Bibliothek zusammenzustellen, liest viel, hört seine(!) Musik, pokert mit seinen(!) Freunden, macht seine(!) Lan-Partys usw. usf.

    B träumt. J plant (und realisiert). B träumt, „autonom“, kind- und jugendangemessen, wie ich meine. J hat sein Leben lang das liefern müssen, was dumme Erwachsene ohne Kinderverstand von ihm erwarteten, hat, die Dummheit seiner Eltern kompensierend, „hochbegabt“ sein müssen

    Soll heißen: Ich fürchte, dass unsere Intelligenztests, die die „mediterrane Senke“ messen, die Intelligenztests dummer Erwachsener sind, die keinen Kinderverstand haben. Unsere nordeuropäischen Intelligenztests erfassen nur die Welt von Einzelkindern in erwachsener Umgebung, keine Kinderwelt. Und das ist kein Zufall. Wir Nordeuropäer mögen die Welt der Kinder und Jugendlichen nicht. Wir kommen mit dieser Welt nicht klar. (Ein wesentlicher Teil unseres „Ausländerproblems“, und vertrackte Folge von 68, denke ich.)

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    Sarrazin ist Religionsfeind (Opium des Volkes). Daher sein Schluss, der Mangel könne auch durch Bildung nicht behoben werden (was andererseits ein Dogma hiesiger Bildungspäpste ist).
    Nimmt man diesen Schwenk weg, ist Sarrazins Buch die Beschreibung einer elitären Gesellschaft, deren Oberschicht fürs Gebären honoriert wird (gleichviel aus welchem Kulturkreis). Eine Art Funktionselite, zu der er sich vermutlich zählt.

    Dass Intelligenz erblich ist, ist seit längerem ganz herrschende Erkenntnis der Wissenschaft. Und zwar ebenso stark, wie phänotypische Merkmale. Das mag man bedauern, es ist aber der selbstreferentielle Befund eben jener gemeinten Eliten.

    Sarrazins Buch ist nicht rassistisch, sondern elitär.

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    @ Jens Christian Heuer: eine hoch interessante Studie! Danke!
    @ Parisien: Ich sehe über Ihre durch keinerlei Empirie belegte These hinweg, man müsse nur wollen, dann klappe das mit der Intelligenz auch. Ihr Einwand, die „mediterrane Senke“ könne nicht durch eine höhere Kinderzahl bedingt sein, weil die Familien etwa in Spanien und Italien klein seien, fiel mir beim Schreiben auch ein; aber man müsste vermutlich die Zahlen Land für Land durchgehen, um zu sehen, ob es nicht doch diese Korrelation gibt. So denke ich, dass in Süditalien die Familien größer sind usw.
    @ Roland Ziegler: Ja, klar bestimmen die Eltern, welche Ziele die Kinder verfolgen, und damit auch zum Teil ihren intellektuellen Ehrgeiz. In Deutschland z.B., wo nach wie vor für biodeutsche Eltern aus der unteren Mittelschicht die Lehre die Regel war, gegben deren Kinder viel häufiger den Wunsch an, selbst eine Lehre zu machen; Eltern mit Migrationshintergrund sind oft ehrgeiziger im Bildungsziel für ihre Kinder, weil sie das duale System nicht kennen.
    @ Alle: Man sollte nicht die Erblichkeit der Intelligenz schlechthin leugnen; genau gegen diese Reasktion auf Sarrazin polemisiert Dieter E. Zimmer. Auch finde ich es wenig sinnvoll, darüber zu sinnen, wie wertvoll die gemessene Intelligenz ist. Was meines Erachtens durch die Auswertung von transkulturellen und transnationalen Studien wie PISA bewiesen wird, ist aber, dass die Faktoren, die den Schulerfolg bestimmen, erheblich komplexer sind, als es sich Sarrazin in seiner Schulweisheit träumen lässt – freilich auch komplexer, als es Zimmer zugeben will. Die Gefahr ist, dass Pseudo-Wissenschaft à la Sarrazin benutzt wird, um die gegenwärtige Situation zu rechtfertigen, bei der die gegenwärtige soziale Schichtung durch das Bildungssystem zementiert wird.

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    Meine eigenen Kinder waren schon früh recht intelligent. Sie liefen mit einem Jahr und fingen auch an zu sprechen. Das ist der Punkt, wo die „Epigenetik“ ansetzt, denn es kommt darauf an, was zurückgesprochen wird.
    Davor aber, im ersten Lebensjahr, wurden sie überaus geliebt, überall mit hingenommen, schliefen im Restaurant auf der Bank ein, wanderten schlafend im Tragesack durch Museen und bekamen dadurch viel mit. Über diese Hinwendung, zu der sechzehn- bis siebzehnjährige Mütter kaum in der Lage sind, über Liebe und Hinwendung und eine gewisse Selbstaufgabe, wird selten gesprochen. Alle guten Eltern wissen das. Man muss Kindern nicht mit fünf Englisch und mit sieben Französisch beibringen, aber man sollte sie nicht ignorieren.
    Der Elitenquatsch, sich einzubilden, man könne ein kindgerechtes Elternhaus ersetzen, ist unerträglich. Selbst eine 21jährige „Import“braut, die hier fremd ist, ist völlig überfordert. Insofern setzt man m.E. bei den Kindern zu spät an. Man sollte die Kinder in Ruhe lassen und sich um die Mütter kümmern, die Mütter bilden. Und zwar nicht nur Anatolierinnen, sondern auch einige Autochthone, die aus dem sog. Prekariat kommen und in eine Frühschwangerschaft gestolpert sind.
    Aber vor allem ist es unerträglich, dass im Neuen Westen nur noch über Leistung und Intelligenz geredet wird. Wer will eine reine kalte Intelligenz? Ich fürchte, dass wir die schon mal hatten. Der Gedanke an Heydrich macht einen doch schaudern. Mathematische Intelligenz allein hilft nicht.

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    Ich habe übrigens eine bessere Erklärung für die schulischen Leistungen in der mediterranen Senke, die gleichzeitig auch den von APo angeführten Kinderreichtum erklären könnte: die „mediterrane Leichtigkeit“ (M. Hunzinger) 🙂

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    Ich stimme R.Z. und Parisien im Wesentlichen zu. Ein ‚IQ‘ wird überwiegend durch das soziale Umfeld, durch Erziehung bestimmt. Die Ethnie spielt keine Rolle.

    Beweis: aus meiner unmittelbaren Umgebung wird gerade ein Kind mit arab. ‚Migrationshintergrund‘ und einem durchschnittlichen IQ von 144, Spitzenmessung liegt bei 148, in die 5.Klasse eines Gymnasiums angemeldet. Vielleicht liegt es ja an Mecklenburg-Vorpommern. … muhahaha …

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    Unser Bildungssystem ist zugeschnitten auf Kinder mit bestimmten Voraussetzungen (z.B. Muttersprachlichkeit) und Zielen (z.B. schulischer Lernerfolg). Beides – Voraussetzungen und Ziele – sind Produkte der Eltern oder der erzieherischen Substitute (Kita, Heime…). Die ganze Diskussion dreht sich aber immer nur um EINE Voraussetzung unter vielen, welche Eigenschaft nämlich nur rein genetisch vererbbar ist, in dem speziellen Sinne, dass sie nicht nachträglich (epigenetisch) ersetzbar bzw. aktivierbar ist.

    Eine Minifrage innerhalb eines hochkomplexen Sachverhalts. Eine Frage, die naturwissenschaftliches Interesse heuchelt, aber das Niveau, dass in der Genetik herrscht, nicht erreicht. Die Antworten auf diese Minifrage sind uneinheitlich und kompliziert. Und überhaupt: Warum muss man einem Herrenreiter wie Sarrazin, der selber über das Niveau eines belgischen Ackergauls nicht herauskommt, ständig erklären, dass man aus seinen Kindern keine Zucht für Lippizanerpferde machen will?

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    APO: Die im Schnitt niedrigeren Ergebnisse sind ein Ergebnis der im Schnitt höheren Kinderzahl

    Das ist einleuchtend. Und lässt Rückschlüsse auf das Messverfahren zu. Es werden nicht Fähigkeiten in der Kinderwelt gemessen, sondern in der Erwachsenenwelt. Aber es lässt nicht nur Rückschlüsse auf das Messverfahren zu, sondern auch auf unsere Einzelkinderwelt, in der wir vermutlich einen ganze Menge intelligenter Sozialkrüppel großziehen.

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    In der Debatte tauchen die Erziehungsziele, die die Eltern und das soziale Umfeld für ihre Kinder hegen, nur indirekt bzw. am Rande auf. Ich kenne keine Statisiken dazu, würde aber vermuten, dass es vor allem diese Ziele sind, die dafür sorgen, welche Ziele die Kinder selber verfolgen. Und die Ziele der Kinder wiederum sind entscheidend dafür, welche Ergebnisse sie in der Schule erreichen. Wenn ein Kind keinen Ehrgeiz hat, eine gute Note in Mathematik zu bekommen, weil seine Eltern absolut keinen Schimmer davon haben und allenfalls dummes Zeug dazu sagen (nach dem Motto: „Jetzt lern mal schön die Formeln auswendig, denn ohne Mathe wird man nix“), dann wird das Kind auch keine guten Noten in Mathe erhalten. Auch die Frage, wie diszipliniert man arbeiten muss, ist hier wichtig. Wenn die Eltern finden, dass es egal ist, wie die Tochter in der Schule abschneidet, und es wichtiger ist, dass sie im Haushalt hilft, wird sie keine guten Noten bekommen.

    Die Kinder solcher Eltern sind also schlecht in der Schule. Diese schlechten schulischen Leistungen werden dann irgendeinem IQ-Forscher zugetragen, der daraus messerscharf folgert, die Kinder hätten einen niedrigeren IQ. Em Ende stehen pauschalisierte Aussagen über den IQ von bestimmten Gruppen. Diese Aussagen beruhen auf mies begründeten Annahmen und fragwürdigen Datensätzen, und die Folgerungen, die man aus den Aussagen zieht, sind gleich noch sinnloser als die Aussagen selbst. Warum schafft Deutschland sich ab, wenn der Durchschnitts-IQ von 100 auf 97 sinkt? Selbst wenn das stimmt – es ist bedeutungslos.

  41. avatar

    Natürlich spielt die Epigenetik eine große Rolle. Man kann auch fragen, ob diese Faktoren die genetische Ausstattung beeinflussen.

    In dem Zeitungslink zu Israel wird hervorgehoben, dass es große Unterschiede zwischen Kindern aus reichen und armen Familien gegeben hat. Israel könnte für folgendes interessant sein: gibt es Unterschiede zwischen Kindern aus arabischen und jüdischen Haushalten, aus ashkenazischen (dort werden ja in der Literatur die Genie angesiedelt) und sephardischen Haushalten, aus orthodoxen und säkularen Haushalten. Haben Sie sich kundig gemacht, ob es in diesen Hinsichten Unterschiede gibt?

  42. avatar

    Als kleine Ergänzung:
    Je länger die Schulzeit, umso höher die Intelligenz!
    Dieser Zusammenhang wurde erstmals durch norwegische Wissenschaftler nachgewiesen, als sie feststellten, daß die Verlängerung der Schulpflicht in Norwegen von 7 auf 9 Jahre zwischen 1955 und 1972 – Bezirk für Bezirk und Stadt für Stadt umgesetzt, ein Glücksfall für die vorliegende Untersuchung(!) – über alle erfassten Jahrgänge hinweg (1950-1958) den Intelligenzquotienten (IQ) statistisch signifant verbesserte! Gemessen wurde der IQ der männlichen Schüler nach Abschluß der Schule bei der Musterung zum Militär. Ein Jahr mehr Schule bedeutet im Durchschnitt einen um 3,7 Punkte höheren IQ, errechneten die Wissenschaftler!

    Vielleicht ja auch die Ursache für so manche „Delle“!?

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    Was mir noch dazu einfiel: An sich sind Sie mit Ihrer Kinderzahl auf dem richtigen Weg, auch wenn Ihr Beispiel in sich widersprüchlich ist. Intelligente Eltern haben weniger Kinder im Schnitt und fördern diese. Sie haben Ansprüche daran, erstens Zeit für jedes Kind zu haben und zweitens genug Geld.
    Arme bekommen aber oft mehr Kinder, obwohl sie ihnen nicht gerecht werden können. In Afrika mag das daran liegen, dass die Pille nicht verschenkt wird. Es mag aber auch daran liegen, dass man automatisch mehr Kinder bekommt, wenn man schon vorher weiß, dass man einen Teil an Malaria oder AIDS verliert. Von Seiten der afrikanischen Staaten unterstelle ich lieber, dass Waffen interessanter sind als die Pille zu kaufen. Alle bevölkerungsreichen Staaten,auch Pakistan, sind bis zum Stehkragen gerüstet. Genau dieselbe Einstellung besteht zur Bildung.
    In Europa dagegen kann man sich mit Kindern, dem Kindergeld und den Zulagen zur Sozialhilfe einigermaßen ernähren. Es ist eine Frage des Willens und des Stolzes, das nicht zu tun. Intelligent ist es aber, das System bis zum Anschlag auszunutzen.

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    @ APo: Zitat 1: Diese „Balkan-Senke“ ist (ich zitiere) „nur der tiefste Teil einer sehr viel weiteren Senke, die sich praktisch am ganzen Mittelmeer entlangzieht, von Marokko und Portugal bis zum Libanon. Die Kinder aus den vierzehn PISA-Herkunftsländern dieser Zone kamen auf einen Durchschnitt von 93 und lagen damit einen Punkt unter den muslimischen Ländern.“

    Zitat 2: Was nun die mediterrane Senke betrifft, so wage ich eine Erklärung aufgrund eines Phänomens, das bei Zimmer gar nicht erst erwähnt wird: Die im Schnitt niedrigeren Ergebnisse sind ein Ergebnis der im Schnitt höheren Kinderzahl im Mittelmeerraum.

    Das widerspricht sich,finde ich, denn die christlichen Länder des Mittelmeerraums haben eine sehr niedrige Kinderzahl.

    Ich finde umfassende Intelligenzmessungen grundsätzlich absurd. Menschen müssen sich an einen Lebensraum anpassen. Dazu gehört Intelligenz. Was sollen alle mit derselben Mathematik? Manche müssen eher wissen, wo es sich lohnt, ein Wasserrohr zu graben. Ein Nordeuropäer, sagen wir einer mit einer höheren Intelligenz, erweist sich oft als ziemlich dumm, wenn er sich im Mittelmeerraum nicht bedeckt und dann aussieht wie gekochter Hummer.

    Nekla Kelek und Ayaan Hirsi Ali sind sehr intelligent. Es ist also eine reine Willensfrage. Phlegma spielt eine größere Rolle m.E. und die Willigkeit, sich von Sozialstaaten versorgen zu lassen. Kämpfernaturen sind meistens intelligenter. Intelligenz ist gestreut, selbst in Familien. Meistens ist der/die Ältere am besten. Dafür kann es nur einen einzigen Grund geben: Ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern im ersten und oft zweiten oder dritten Lebensjahr.
    Die asiatische vielbeschworene Intelligenz halte ich für eine Chimäre. Asiaten sind am besten angepasst an das Leistungssystem und gewohnt, gehorsam zu sein.

    Sie führen Israel an. Davon verstehe ich nichts. Aber die vielbeschworene jüdische Intelligenz, die auch Sarrazin anführt, erkläre ich mir eher durch exzellente Förderung durch die Eltern und frühes Lesenlernen in der Schul, außerdem durch einen unendlichen Willen zur Anpassung, der sogar zu Konversionen führte, also zur Assimilation vor 1933. Das Ende dieses Bemühens muss intelligente Leute eher abschrecken.

  45. avatar

    Statistiken mit soziokulturellen Hintergründen zu vermischen ist oftmals unredlich, ebenso Kinder bzw. Jugendliche auf den IQ zu reduzieren.
    Aussagen dieser Art können m.E. nur Anstoß zu einer sachlichen Diskussion sein, niemals aber ein Ergebnis.
    Ich wünschte mir dahingehend mehr Unaufgeregheit und intelligentere Fragestellungen.

  46. avatar

    Die Moderne lässt das Chaos in Menschen knapp werden. .. es wird alternativlos, phantasielos, ereignislos, tot, – das Gegenteil von leben.

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