Die intellektuellen Anführer der Rechtspopulisten halten sich für Individualisten, die sich tapfer dem Mainstream widersetzen. Wie 68, nur eben rechts. In Wirklichkeit ist der Wunsch, endlich ihren Individualismus und Intellektualismus loszuwerden und im breiten Strom der Masse mit zu schwimmen, ein viel stärkerer Antrieb. Wie das ja auch bei den Nachfolgern der 68er, den K-Gruppen der Fall war. Und nicht nur bei ihnen.
Chaim Weizmann war besorgt. Wie er 1903 an Theodor Herzl schrieb, „glaubt man in Westeuropa gemeinhin, dass sich die überwiegende Mehrheit der jüdischen Jugend Russlands im zionistischen Lager befindet. Leider ist das Gegenteil der Fall. Der größere Teil der Jugend heute ist antizionistisch, nicht aus dem Wunsch nach Assimilation, wie in Westeuropa, sondern aus revolutionärer Überzeugung. (…) Es handelt sich nicht unbedingt um Jugendliche proletarischer Herkunft; si kommen auch aus gutsituierten und übrigens nicht selten zionistischen Familien. Fast alle Studenten gehören zum revolutionären Lager; kaum einer von ihnen entgeht am Ende ihrem Schicksal. (…) Es ist ein fürchterlicher Anblick (…) zuzusehen, wie der Großteil unserer Jugend – und niemand würde sie als den schlechtesten Teil bezeichnen – sich zum Opfer darbringt, wie von einem Fieber erfasst.“ (Zitiert in Yuri Slezkine, „The Jewish Century“, meine Übersetzung A.P.)
Die Versuchung der Narodniki
Wie Slezkine zeigt, fühlten sich gerade Kinder aus bürgerlichen Familien – nicht nur Juden; aber die Juden waren ja auch die Pioniere der bürgerlichen Entwicklung in Russland gewesen – hingezogen zu Organisationen und Bewegungen, die antibürgerlich waren: zunächst vor allem den „Narodniki“. Diese Bewegung lernte ich in der Schule als „Ins-Volk-Gehen“-Bewegung kennen (einem entfernten deutschen Ausleger davon gehörte mein Großvater Moritz Posener an, der an der Gründung einer Künstlerkolonie im Dorf Prenden bei Berlin beteiligt war); Slezkine übersetzt das Wort einfach als „Populisten“.
Als die antiautoritäre 68er Bewegung in Gewalt, Esoterik und Drogen ausfranste, suchten viele nach einem Ausweg. (Über meine eigenen Irrwege in dieser Zeit habe ich hier geschrieben.) Einen möglichen Ausweg bot der Kommunistische Studentenverband an mit seiner Losung „Dem Volke dienen“. (Ja, dem Volke mit „e“. Wir waren in vielerlei Hinsicht rückwärtsgewandt.) Streng genommen war die von Mao Zedongs Roten Garden übernommene Losung Blödsinn. Denn nach unserer eigenen Theorie waren Ärzte und Ingenieure, Lehrerinnen und Juristinnen unentrinnbar in den „Verwertungs- und Ausbeutungszusammenhang“ eingebunden, so lange der Staat ein „bürgerlicher“ war. Etwas anderes zu glauben, war „Revisionismus“. Erst wenn der bürgerliche Staat zerschlagen wäre, konnte man „als Fachmann und Propagandist dem Volke dienen“, wie es in unseren theoretischen Dokumenten hieß, Aber bis dahin sollte man sich „nützliches Wissen“ für die Zeit nach der Revolution aneignen und sich ansonsten mit Agitation vor den Fabriktoren und dergleichen nützlich machen.
Wie die jüdischen Jugendlichen, die Weizmann 65 Jahre zuvor in Russland erlebt hatte, waren wir von „einem Fieber erfasst“. Und wie die Narodniki wollten wir unsere elitäre, bourgeoise Lebensweise aufgehen und für „die Massen“ nützlich sein. Wir passten uns auch äußerlich an: schnitten uns die Haare kurz, trugen keine Jeans, hörten keine Rockmusik, sondern Lieder der Arbeiterklasse, lebten nicht mehr in Kommunen, heirateten. Das war nicht Camouflage, wie bei der RAF oder der Bewegung 2. Juni. Es war die Überzeugung, dass „die Arbeiter“ den „bürgerlichen Individualismus“ zu Recht verabscheuten, und dass wir ihn, so gut es ging, ablegen müssten. Das größte Glück war das Aufgehen in der Masse – in meinem Fall war das während der Streiks in der Automobilindustrie 1973, als mich einige Arbeiter am Tor von Opel Bochum abholten, wo ich die „Rote Fahne“ verkaufte, und in die besetzte Fabrik mitnahmen.
Damals Rebell, heute Rebell?
Auch mein Ex-Kollege Matthias Matussek war Anfang der 1970er Jahre Sympathisant einer maoistischen Gruppe, dem „Kommunistischen Arbeiterbund “ (KAB/ML), einer Stuttgarter Truppe. Heute ist er Sympathisant der AfD und der Identitären Bewegung und gehört zu jenen prominenten rechten Katholiken, die unter Benedikt XVI von einer „benedettinischen Wende“ träumten und mit der – übrigens rein populistischen – Politik des gegenwärtigen Papstes hadern.
In einem – übrigens sehr schönen – autobiographischen Text für die „Zeit“ schilderte Matussek vor einigen Jahren diesen Werdegang von links nach rechts. Er sei, so Matussek, damit zu erklären „dass ich meinem Widerspruchsgeist treu geblieben (bin)“. Damals Rebell, heute Rebell.
Abgesehen davon, dass es etwas peinlich anmutet, wenn ältere Herren die Attitüde des Rebellen für sich reklamieren (davon kann ich als Hobby-Rocksänger ein Lied singen: buchstäblich), verkennt Matussek das, was ihn wirklich antreibt und auch damals als Sohn eines CDU-Bürgermeisters in den KAB/ML trieb. Matussek schreibt zwar wenig über seine maoistische Episode, die für ihn wohl auch eher Episode blieb als für mich die über sechsjährige Kadertätigkeit für die KPD/AO. Allerdings kommt er in seiner Beschreibung seiner Zeit als Lateinamerika-Korrespondent des „Spiegel“ zu einer interessanten Einsicht. Er schreibt: „Das Movimento Sem Terra, die Bewegung der Landlosen, begleitete ich ebenso sympathisierend, wie ich den Wahlsieg des einfachen Metallers Lula in der Präsidentschaftswahl bejubelte, obwohl ich mit seinem Vorgänger Henrique Cardoso hervorragend klarkam. Wenn ich verführbar bin, dann durch Unterlegene. Instinktiv halte ich zu Außenseitern, zu Chancenlosen und Geächteten. Lula und seine linke Bagage sind mittlerweile wegen Korruption angeklagt, worüber ich letzthin (jetzt für die Weltwoche) ebenso berichtete. Kurz: Ich bin derselbe geblieben, nur meine Meinung über die Protagonisten hat sich geändert, was daran liegt, dass sie sich geändert haben. So ist das im Meinungsgeschäft, das eben ein Tagesgeschäft ist.“
„Wenn ich verführbar bin, dann durch Unterlegene. Instinktiv halte ich zu Außenseitern, zu Chancenlosen und Geächteten.“ Da spricht der Narodnik. Der Maoist. Der Sympathisant des Linkspopulisten Lula. Der Populist eben.
Endlich Nichtdenker
So wie wir in der KPD/AO als Möchtegern-Linkspopulisten gerade mit einem Programm Erfolg hatten, das die Studenten aufforderte, ihr Elitendasein aufzugeben und „dem Volke zu dienen“, die kleinbürgerlichen Vorurteile der Arbeiter gegen Intellektuelle, Langhaarige und Unverheiratete als berechtigte Kritik akzeptierten und individuelle Emanzipationsversuche ebenso ablehnten wie „abstrakte Theorien“ (unsere Losungen ließen an Schlichtheit nichts zu wünschen übrig, etwa: „Nieder mit Honecker, nieder mit Schmidt – schlag zu, Prolet, und weg damit!“) – so besteht die Anziehungskraft des Rechtspopulismus vor allem im Aufgehen in der Masse, in der Aufgabe des Individuums. Es ist anstrengend, Elite zu sein. Selbst zu denken. Es ist immens erleichternd, endlich dem Volk zu dienen, seine Vorurteile zu teilen, ja ihnen Ausdruck zu geben, die Intellektuellen zu bashen, das Rebellische auszuleben mit der masse, nicht gegen sie – als Volksrebellion.
Der Geist, der stets verneint
„Also war ich mittlerweile ein Frauenfeind, Nationalist, Dunkelkatholik, mit einem Wort uncool – und alles, weil ich mir in meinem Widerspruchsgeist treu geblieben war.“ So Matussek. Nein. Weil er der „Verführung durch Unterlegene“ erlegen ist. Oder: Jein. Der Geist der stets verneint, ist ja in Deutschlands Ur-Drama der Mephisto. Als Faust wirklich „dem Volke dienen“ will durch sein Landgewinnungsprojekt, lässt ihn Mephisto töten.
Zur Diskussion über das Bürgertum: Ich denke nicht, dass wir heute noch über das eine Bürgertum sprechen können. Eher finden wir verschiedene bürgerliche Milieus. Diese können sich in ihren Werten, Einstellungen und Lebensstilen teils erheblich unterscheiden.
Die AfD eint die Unzufriedenen und die Verlierer der bürgerlichen und traditionellen Milieus, ein Völkchen aus verängstigten Kleinbürgern des Ostens und Westens, verbitterten Konservativen, enttäuschten (National-)Liberalen, christlichen Fundamentalisten, völkisch Bewegten, greisen Wüterichen und Konvertiten und Glücksrittern jeglicher Couleur. Dieses Völkchen sieht seine Felle davon schwimmen, sehnt sich nach seiner idealisierten Vergangenheit und wünscht sich eine Gesellschaft in Ordnung und Balance, ein Land fürs Völkchen am besten ohne die heute tonangebenden bürgerlichen Umfelder, die liberal-intelektuellen, sozial-ökologischen, ambitioniert-kreativen Milieus und die moderne junge Mitte (nicht zu verwechseln mit der bürgerlichen Mitte); die letzteren sind jünger und mehr…am Ende großes Pech auch für alte konservativ-etablierte Rebellen
lieber Ben Fricke.. so der Wunschtraum der mittlerweile ebenfalls in die Jahre gekommenen, nennen wir sie ,neubürgerlichen Elite, die materielle Nöte entwedergewohnt ist, nicht zu haben oder an die Sozialsysteme zu deligieren. Ich denke, die sozial-ökologischen und multikulturellen Blütenträume von porösen Grenzen werden sich nach dem von Klimapanik getriebenen Abwürgen von technischem Fortschritt und Deindustralisierung und dem folgenden Auseinanderfallen der Gesellschaft von selber erledigen. Vermutlich haben sich bis dahin „traditionelle Verlierer und Wutbürger“ längst mit der Post-FFF- Jugend verbündet, so wie das Großeltern und Enkel üblicherweise tun. Ich hoffe nur, dass bis dahin die AfD, die dann gute Chancen haben wird, sich von ihren völkischen Esoterikern getrennt hat.
Die erwähnten Milieus stammen aus einer vom Sinus-Institut entwickelten Gesellschafts- und Zielgruppen-Typologie, Herr Nick. Die Sozialwissenschaften verstehen Milieus als Gruppen mit ähnlichen Werten und Lebensstilen. In der Marketing- und Mediaplanung sind die sogenannten Sinus-Milieus sehr beliebt und mit Tausenden Datensätzen verknüpft. So können Sie zum Beispiel repräsentativ abfragen, welche Medien „die bürgerliche Mitte“ rezipiert, was sie konsumiert, welche Einstellungen, Parteienpräferenzen und Altersstrukturen sie hat.
Die meisten bürgerlichen Milieus weisen fast keine politischen Übereinstimmungen mit der AfD auf, dienen jedoch als ausgesprochene Feindbilder der Alternativen und ihres Völkchens. Lassen Sie uns exemplarisch ein paar bürgerliche, einkommensstarke Milieus durchgehen: Die Liberal-Intelektuellen (7% der Bevölkerung; auf liberale Grundhaltungen reagiert die AfD allergisch), die Performer (8%; globalökonomisches Denken ist der AfD ein rotes Tuch), die Expeditiven (9%; nannte ich oben die ambitioniert-kreativen; globale Mobilität und urbaner Stil sind Todsünden für die AfD), das Sozialökologische Milieu (7%; „linksgrün versifft“ für die AfD).
Die AfD kann erfolgreich die Unzufriedenen und Verlierer einiger bürgerlicher und traditioneller Milieus fischen. Sogar bei einem der gesellschaftlichen Leitmilieus bekommt sie ein bisschen Zuspruch (oder besser gesagt Zugejammer): bei den tatsächlich ins Alter gekommenen Konservativ-Etablierten, dem Herkunftsmilieu Herrn Matusseks, der erst gegen Mama und Papa rebellierte, um jetzt ein paar ihrer Grundhaltungen bis hin zur Karikatur zu übersteigern.
Da wir aber schon bei Wunschbildern sind, Herr Nick: Vielleicht können Sie mir erklären, was es denn mit dem Völkchen oder Volk auf sich hat, das seit Luckes Zeiten nur die AfD repräsentiert. Das interessiert mich wirklich sehr. Gehören und passen die oben genannten Bevölkerungsgruppen dazu? Wer ist dieses Volk?
Sehr interessant, die Sinus-Milieus. Vielen Dank.
Apropos Traum: Sie müssen schon auf die Generation der Neugeborenen bzw. der noch zu Gebärenden setzen. Die FFF-Bewegung ist ja eine Schülerbewegung, wo bereits sehr junge Schülergenerationen mitmachen. Stellen wir uns also vor, die allerjüngste Generation würde sagen: „Cool, diese konservativen Uropas! Lasst uns national sein, lasst uns Mauern bauen! Lasst uns Öl und Gas aus Russland und Saudi-Arabien importieren, lasst uns Schiefer ausquetschen und in der Tiefsee bohren! Und in der Lausitz gibt es auch noch Braunkohle!“
Ich will das jetzt nicht überstrapazieren, aber mir kommt das reichlich absurd vor. Jedenfalls ist das ein Traum (für mich allerdings eher ein Alptraum).
Was mich bei Ihren Ausführungen außerdem verwundert ist Ihre Sicherheit, dass die Klimakatastophe, gegen die alle demonastrieren, von selber ausbleiben wird. An der Gewissheit zu zweifeln, dass sie kommen wird, ist ja noch nachvollziehbar. Aber sicher zu sein, dass sie ausbleiben wird, erinnert mich in mehren Hinsichten an „Flat Earther“ oder die Zeugen Jehovas (ich will nicht vertiefen, warum).
…übrigens gibt es ja schon in heutiger Zeit den Versuch, eine breite konservative Jugendbewegung generalstabsmäßig aus dem Boden zu stampfen: die „Identitären“. Mit coolem Logo, Social Media und witzigen Sprüchen, allem was dazugehört. Wir können uns bestimmt darauf einigen, dass dieser Versuch als gescheitert gelten kann.
Lieber Herr Frick, die Sinus-Milieus bzw. diese Art der Kategorisierungen sind mir bekannt. Die werden als ‚Momentaufnahme, jedes Jahr neu erstellt, womit wir auch schon beim Punkt sind: Sie prognostizieren, wie übrigens auch Heinssohn mit seiner Kritik an Zuwanderung aus muslimischen Ländern, Soziologen überhaupt, allein durch Extrapolation aus dem ist-Zustand. Und das wird nicht funktionieren, weil gerade die Lebenswelt der ‚performativen‘ urbanen Elite gefährdet ist, wenn Kraftwerke abgeschaltet werden. Auch da werden Erkenntnisprozesse, wenn auch infolge Nichtdurchschauens von Zusammenhängen reichlich verspätet, einsetzen. Wo allerdings ‚urbaner Lebensstil‘ für ‚die AfD‘ „Teufelszeug“ sein soll, erschließt sich mir nicht. Allerdings stelle auch ich fest, dass gerade im jüngeren städtisch-akademischen Milieu der Sinn selbst bei Ingenieuren der Sinn für einfachste technische Zusammenhänge verloren gegangen ist. Handwerker können ein Lied davon singen. Ihre letzte Frage habe ich nicht verstanden.
@Roland Ziegler
Der Weltuntergang wird nicht durch Klimaveränderungen stattfinden, sondern durch Überbevölkerung und falsche Besiedelung. Über die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge habe ich mehr, als reichlich hier geschrieben. Da gibt das Format hier und auch mein Fleiß und meine Geduld, das immer wieder neu darzulegen, nicht mehr her. Es müsste hier eigenes Nachdenken einsetzen. Vielleicht noch ein Hinweis:
Beim letzten ‚Internationalen Frühschoppen‘ bzw. ‚Presseclub‘ trug übrigens Hans-Werner Sinn, der kein ‚Klimaleugner’ ist, Erhellendes zur Weltökonomie der fossilen Brennstoffe vor.
Naja, die Welt wird wohl nicht gleich untergehen, aber dass es neben dem Klimawandel auch andere gravierende Probleme gibt, ist sicher richtig. Da würde ich nciht einmal Überbevölkerung und falsche Besiedelung nennen, sondern die heutigen Fluchtursachen Nr. 1: Krieg und Hunger.
Die Frage war eher, wie man so sicher sein kann, dass die FFF-Demonstanten nicht doch recht haben. Vor allem weil sie doch gerade dafür demonstrieren, dass man die Ergebnisse der Naturwissenschaft in der Politik beachten soll.
Lieber Herr Nick, nein, die Sinus-Milieus prognostizieren nichts. Sie können damit Gruppen besser verstehen. Sozialwissenschaften beschreiben. Bauernfänger sagen gesellschaftliche Entwicklungen voraus.
Bruno Kern : Das Märchen vom grünen Wachstum
Erwartungsgemäß, aber jetzt offen & ehrlich propagiert:
Venezuela als Modell zur Weltrettung
https://www.amazon.de/Das-Märchen-vom-grünen-Wachstum-ebook/dp/B07RRTVXZL
Rezension als Audio hier
https://www.deutschlandfunk.de/andruck.1309.de.html
Fordert z.B. Verbot der Nutzung von Privatfahrzeugen ab 2030
Krieg und Hunger.. ja, lieber Roland Ziegler. Krieg und Hunger durch das Versagen der dortigen nepotistischen Eliten auf präfeudalem Niveau, die man wohl kaum durch good governance Programme in den Griff bekommt. Sondern nur mit solidem Neokolonialismus.
Krieg und Hunger haben verschiedene Ursachen. Nicht alles kann man den lokalen Eliten in die Schuhe schieben. Ich erinnere nur an den Golfkrieg.
„Instinktiv halte ich zu Außenseitern, zu Chancenlosen und Geächteten.“ Diese christliche Haltung Matusseks ist mir zutiefst sympathisch. Mir leuchtet aber nicht ein, warum sie zum Populismus führen müsste. Zu den Geächteten zu halten, bedeutet nicht, sich mit ihnen zu identifizieren oder ihnen nach dem Mund zu reden. Es bedeutet auch nicht, dass man zum Rebell werden müsste. Im Gegenteil: Wenn man den Geächteten wirklich helfen will, sind Rebellion und Revolution, zumindest in einer demokratischen Gesellschaft, nicht das richtige Mittel.
Nun ja, er meint nicht Flüchtlinge oder Gefangene, Sozialhilfeempfängerinnen oder Arbeitslose, sondern den gemeinen Wutbürger und Querulanten.
Sehr geehrter Herr Posener,
an jedem politischen (Meinungs-)Werdegang eines Menschen (Ihrer ist ja exemplarisch) kann man sehen, dass Meinungen eine Abhaengigkeit von der Zeit (betrachtet als Epoche, als Entwicklungsphase oder als Lernphase) haben. Meinungen und Ueberzeugungen haben sogar eine Halbwertszeit, ein Verfalldatum sozusagen, und sind nur bei denen wirklich statisch, die nicht alle Latten am Zaun haben. Es spricht ja gerade für einen Menschen, dass dieser die einmal erreichte Dummheit und/oder Intelligenz nicht einfrieren kann wie Gemüse. Das Arbeiten mit Kategorien, Schubladen und Stereotypen (wie: er war 68er oder nicht) bringt insofern keinen Erkenntnisgewinn.
Die 1-Mio-Euro-Frage bei der Wahrheitsprüfung von Meinungen, die sich pathologisch in das Verhalten eingegraben haben wie Rost in ein altes Auto, ist doch nicht, ob jemand einmal etwas anderes gedacht hat (wie dieser Herr Matussek), sondern ob er noch faehig ist, auch diese Meinung in dem Falle zu revidieren, wenn sie nichts taugt, widerlegt oder einfach sinnlos ist, weil sie zu keiner positiven Entwicklung auch nur einen Hauch beitraegt.
Dieser Herr Matussek, um beim Beispiel im Text zu bleiben, ist zwar verrostet, aber einer Revision der einmal erreichten Meinung unfaehig. Waere der Mann eine Blume, wuerde man vom Vergehen sprechen.
Andere Meinungen, und hier gemeint ist die Vielfalt der moeglichen Meinungen, sind somit wie Zuckerlösung, ein Booster, der kreative Gedanken ausloesen kann. Wer in seinem Leben glaubt, er habe nun die richtige Meinung gefunden, ist nicht am Ziel, er rostet nur.
… hier ist England, hier ist England: Britain first! Rule Britania! FcK-EU!
o.t.: … jau, Britische Konservative gewinnen Parlamentswahl deutlich.
Lieber Stevanovic, zusätzlich zu meiner Antwort unten ein aktuelles Beispiel zu unserem Nichtwissen. Sie finden zunächst einen Link mit krasser coastal erosion. Im Stück steht, diese habe zugenommen. Es steht aber kein Vergleichszeitraum dort. Natürlich nimmt Erosion an Felsen zu, wenn die lokale Vegetation entfernt und dort gebaut wird. Ob aber Stürme zugenommen haben, müssten wir alle, jeder für sich, nachrecherchieren, und das dürfte sich zumindest vor 1900 schwierig gestalten. Klar ist aber, dass zum Beispiel die Nordseeinseln bis ins siebzehnte Jahrhundert unter schweren Sturmfluten litten (zu niedrige oder keine Deiche) und sich stark veränderten. Tatsache, das Belesen wäre schwierig und für viele Leser zu zeitaufwändig.
Mein Verdacht: Es handelt sich um einen permanenten Prozess, der nach der letzten Eiszeit einsetzte, 2. Link. Da damals GB und der Kontinent an zwei Stellen (Dover/Calais und Doggerbank) auseinanderbrachen, muss es sich um ein sehr poröses Gestein handeln, das keinem großen Druck gewachsen ist. Zusätzlich schadet die Bebauung. Die Gegenseite bei Calais ist nicht bebaut, sondern naturbelassen. Ein Vergleich der Erosion auf beiden Seiten wäre hilfreich. Sehr aufwändig für den Laien. Also wird irgendwas, das ins Konzept passt, verkauft. Spezialisten, die Einwände haben, bekommen medial keinen Raum.
Wir leben also entweder in pompöser medial erzeugter Gewissheit oder im Schatten des Zweifels (nach Hitchcock).
Link 1: https://www.dailymail.co.uk/news/article-7784323/Couple-leave-home-12-years-falls-sea.html
Link 2: https://www.independent.co.uk/news/science/huge-ice-age-river-carved-the-english-channel-1831107.html
Danke, werde ich lesen
Früher definierten doch die Kirchen Gott und den Teufel.
Heute definieren Medien Göttin und Monster.
Bitte schön:
Greta Thunberg, 16, is named Time’s 2019 Person of the Year becoming the youngest ever recipient of the title.
https://www.dailymail.co.uk/news/article-7780825/Greta-Thunberg-named-Times-2019-Person-Year.html
Roman Polanski accuses the media of ‚trying to make me into a monster‘
https://www.dailymail.co.uk/news/article-7781329/Roman-Polanski-accuses-media-trying-make-monster.html
Und ich unterstelle, dass es nicht zu wenigen glatt runter geht, wenn das deklarierte Monster ein Jude ist.
Auf jeden Fall fährt die Menschheit auf Gut und Böse ab wie auf Glatteis, egal wer es definiert. So gesehen hat sie sich nie nennenswert geändert, egal wie viel Schminke sie aufträgt. Mit zunehmendem Alter muss ich vor allem aufpassen, dass ich kein Misanthrop werde. Dazu verhelfen Einzelne. Ein Beispiel: Nennen wir sie einfach Ali 1,2, und 3. Sie lernten im Eiltempo deutsch, sind freundlich, haben Ausbildungsstellen und sollen zurück. Ihre Firmen beschäftigen Anwälte für sie. Man muss darauf achten, dass man seine misanthropen Tendenzen auf Politiker richtet und nur auf diese, auf ihre grenzenlose Undifferenziertheit.
Lieber Herr Posener,
Ihre Beschreibung der 68-er ist bekanntlich sehr eng, zu eng nach meinem Geschmack . Die meisten 68er – und ich gehörte zu dieser Sorte – war „bürgerlich“ erzogen und etwas anarchistisch. Aufstiegsorientierte Frauen wurden – damals noch pluralistisch – feministisch. Was heute aus den USA an punitivem Opferfeminismus herüber schwappt, wäre damals undenkbar Gewese (und ist auch heute dümmlich). Da es aber im damaligen Deutschland der 1950er und frühen 1960er Jahre keine Vorbilder für Individualismus gab, was sich ja mittlerweile geändert hat, war der bleibende Effekt dieser gelungenen Protest-Phase Individualismus (wozu auch freiheitsbewusster Feminismus und antiautoritäre Erziehung gehörte). Die K-Gruppen hingegen und erst recht ihre erstarrten Umgangsformen, tja – die gab es – aber wer hat denn das ernst genommen? Das Verbrecherische von Lenin, Stalin, Mao und Nordvietnam war doch so offenkundig, dass diese Typen eigentlich nie für „die 68er“ sprechen konnten. Dass sich die Massenmedien auf wenige Figuren konzentriert haben, na ja. Dass sich dieses Bild verfestigt hat, na ja. Aber Willi Brandt war das Ergebnis der 68-er. Zusammen mit den älteren Sozialdemokraten und Liberalen änderte sich der Zeitgeist. Wir erleben ja auch zurzeit eine Zeitgeist Veränderung. Leider ist die wieder ziemlich rückständig. Anpassung-Oppotunismus wirkt also in viele Richtungen.
Lieber Monika Frommel, zwar habe ich anderswo nachzuweisen versucht, dass die K-Gruppen mehr zu tun haben mit 68, als den meisten 68ern (und denjenigen, die sich zu Unrecht als solche bezeichnen) lieb ist.
https://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_literatur/article175909334/So-viel-Mao-steckte-in-der-APO.html
Aber das ist nicht hier mein Argument, und ich behaupte es auch gar nicht, sondern rede ausdrücklich von den „Nachfolgern der APO“. ich schreibe davon, dass „die antiautoritäre 68er Bewegung in Gewalt, Esoterik und Drogen ausfranste“. Insofern verstehe ich Ihren Einwand überhaupt nicht. Und: Willy Brandt – der die Notstandsgesetze ermöglichte und die Berufsverbote einführte – hatte mit 68 ungefähr so viel am Hut wie sein Nachfolger mit der RAF.
Der bürgerliche Individualismus ist gar keiner, es ist eher ein Verhaltens- und Wertekodex, dem man sich freiwillig unterwirft und der von der Peergroup kontrolliert wird. Ein Mann sollte in seinem Leben ein Haus bauen, einen Baum Pflanzen und einen Sohn zeugen. Freiwillig. Naheliegend Abriss, Abtreibung und Abholzen zu befürworten. Die Gegenbewegung zum Bürgerlichen war immer ein Spiegel des Bürgerlichen, weswegen Generationen von Subkulturellen (in diesem Fall der Linken) unproblematisch nach der Sturm und Drang (auch Teil des bürgerlichen Lebenslaufs) integriert werden konnten. Heute sind die Anforderungen eher Multikulturalität und Umweltbewusstsein, weswegen die Subkultur heute Xenophob und SUV-Fahrend ist. Oder es werden Positionen, die nicht die eigenen sind, im Namen der Meinungsfreiheit verteidigt. Würde man in den Parolen der letzten 3 Generationen die bürgerliche Klassengesellschaft durch Mainstream ersetzen, würde es keiner merken. Insofern hat Matussek durchaus recht, er sich treu geblieben. Würde ich meinen eigenen Weg nicht manchmal kritisch durch die Augen meines jüngeren Ich betrachten, würde ich ihm „werde endlich erwachsen“ zurufen. Den Gegensatz zwischen Masse und Individualismus sehe ich nicht. Auch freiwillige Uniformität bleibt eine Uniformität, weswegen ich die aufgeregten, nun rechtsdrehenden, Bürgerrechtler im Osten nur fragen kann: Was habt ihr denn erwartet? Die bürgerliche Freiheit besteht darin, das zu tun, was man tun muss, und zwar freiwillig. Und das ist heute der Klimaschutz. Put it in your pipe and smoke it, wie Generationen vor euch. Die freiwillige Flucht in antibürgerliche Massenbewegungen bleibt, was es ist, eine Trotzreaktion, die es nicht schafft, für sich allein zu stehen. Denn ohne den bürgerlichen Antagonisten klappen diese Ideen doch recht zuverlässig zusammen.
Stoff für viele Artikel hier, lieber Stevanovic. Und wenn es so wäre, wie Sie sagen, wäre es schön. Nur leider hat das Bürgertum zuweilen den Hang, sich unter die Fittiche des Faschismus zu flüchten, und dann ist Schluss mit lustig.
Die Bürgerlichkeit (man könnte auch sagen kulturellen Konventionen) sind natürlich nicht ‚individualistisch‘ sondern gleichartige Anforderungen an alle, also das Gegenteil. Aber genau diese Konventionen waren auch immer Schutz gegen Übergriffigkeiten seitens des Staates oder der Politik. Die Familie z.B. kann noch einiges auffangen, abschirmen. Der befreite Single, das Elementarteilchen landet noch am ehesten beim Jobcenter. Die staatlich garantierte Individualfreiheit ist auch eine Mogelpackung.
Weder Idealismus, noch Revolutionen, sondern die Evolution hat den Menschen immer weiter befreit, auch dank Konventionen, die es nicht gäbe, wenn sie überflüssig wären.
Jobcenter ist ein gutes Beispiel. Um keine Schande für die Familie zu sein, gehen Menschen in ihrem Leben große Kompromisse ein, nehmen was man so bekommt und halten Sicherheit für einen großen Wert. Wer Kinder hat, experimentiert nicht gerne. Wer Kinder hat, kümmert sich und bietet Möglichkeiten, bringt etwas bei und trägt Verantwortung für andere. Das alles ist nicht Fehlen von Freiheit, aber das ist der Mechanismus, mit dem die Bürgerlichkeit das Individuum unterwirft. Es ist der Grund, warum Wälder sterben, das Abendland untergeht, wir Umgevolkt werden, die Krise mit einem großen Knall enden muss, die Reichen zum Mars fliehen wollen, das Klima unrettbar stirbt und wir gegen jeden Mist versichert sind. Familie ist der Grund, warum die Angstmaschine funktioniert und wir am Ende des Tages freiwillig auf unsere Freiheit verzichten. Nicht der Staat bestraft meine Unbotmäßigkeit, sondern der Markt, die Gesellschaft, das Leben (usw) wird mir (aber am liebsten denen, für die ich Verantwortung trage) schon zeigen, was ich von meiner Entscheidung an Konsequenzen zu erwarten habe. Das ist zu grob vereinfacht das Geheimnis der bürgerlichen Freiheit. Deswegen ist die Freiheit des Bürgertums, die bürgerliche Individualität, auch so ein unglaublich tiefsinniger und gleichzeitig ein unglaublich hohler Begriff.
Für mich ist die „Freiheit des Bürgertums“ mehr hohl als tiefsinnig. Wie Sie richtig sagen, verzichten wir freiwillig auf Freiheit. Diejenige Freiheit, die man in der bürgerlichen Familie erleben kann, ist sehr eingeschränkt und relativ. Die Familie ist ein soziales Bindungsgefüge und als solches (Stichwort „Bindung“) per definitionem unfrei. Das ist aber nichts Schlechtes, im Gegenteil. Man muss nicht immer total frei sein, das ist so ein Märchen, das wahrscheinlich der Liberalismus in die Welt gesetzt hat. Man lässt sich von der Liebe zu dem Partner und, falls vorhanden, zu den Kindern binden. In der Pubertät bricht man dann manchmal aus und möchte erleben, was Freiheit bedeutet.
Dasselbe gilt auch für Bürgerlichkeit: Das ist, wie Sie weiter oben sagten, ein bestimmter „Verhaltens- und Wertekodex“, der einen aber auch nicht freier macht, als man vorher war, sondern im Gegenteil ebenfalls an etwas bindet. Ohne einen Verhaltens- und Wertekodex lebte man freier. Aber nicht besser. Deshalb unterwirft man sich ja eventuell diesem Verhaltens- und Wertekodex.
…der Liberalismus hat ja schon so einige Märchen in die Welt gesetzt. Neben dem von der bürgerlichen Freiheit gibt es zum Beispiel auch das vom Egoismus. Wenn man dann ausnahmsweise mal egoistisch sein und das Geld reicher Leute für sich haben will, sagt der Liberalismus: „Halt, halt – sooo ergoistisch soll der Mensch nun auch nicht sein!“
Lieber Roland Ziegler..
„Wenn man dann ausnahmsweise mal egoistisch sein und das Geld reicher Leute für sich haben will, sagt der Liberalismus: “Halt, halt – sooo ergoistisch soll der Mensch nun auch nicht sein!”“
da geht es wohl nicht um Egoismus, sondern um Diebstahl, also Rechtsbruch.
@KJN: Nicht unbedingt. Man kann auch ohne Rechtsbruch das Geld anderer Leute haben wollen und es sogar auch bekommen. Da gibt es viele Möglichkeiten.
Klar sind die meisten Wege an anderer Leute Geld gelangen legal – das nennt man u. A. ‚Erwerbstätigkeit‘ oder ‚Geldkreislauf‘ (->bürgerliche Freiheit). Ich vermutete aber, Sie hätten gemeint, mit Hilfe von Politik und Gesetzgebung an das Geld anderer zu gelangen (Umverteilung). Das wäre dann nicht ‚bürgerlich‘.
Genau. Also gibt es zwei Arten, egoistisch zu sein: eine bürgerliche über Erwerbstätigkeit, und eine nichtbürgerliche über Steuern. Wenn man jetzt z.B. alleinerziehend, alt oder chronisch krank ist, müsste man die nichtbürgerliche wählen, sofern man überhaupt egoistisch sein will. Beim Anblick der Einkommenspyramide – und noch einmal beim Anblick der Geldverteilung, die doch eher einem schwindelerregenden Aussichtsturm als einer Pyramide gleicht – ist es doch erstaunlich, dass trotzdem so viele – aktuell in England, aber auch z.B. bei Trump – auf Egoismus verzichten oder ihm misstrauen. Sonst hätten sie höhere Steuern für Reiche gewählt. Die Leute sind also viel weniger egoistisch, als man denkt.
Doch, es gibt eine bürgerliche Freiheit. Ich müsste zu sehr ins Persönliche gehen, um diese zu schildern. Auf jeden Fall bemerkt man seine eigene Freiheit umgehend, wenn andere Bürger sagen, es sei vollkommen verkehrt, was man tut. Wenn Sie Klimaschutz sagen, sitzen Sie aber einem von oben diktierten Denkgebäude auf. Vieles was als Klima verkauft wird, ist die Nachwirkung der Sünden von massiver Abholzung, wenig nachhaltiger Landwirtschaft und von Industrie- und Bauwesen (siehe unten). Klimaschutz auf Kosten des Bürgers ist eine Glatzenverdeckerfrisur für diese Sünden von Tropenholz und Soja bis zum Victoria-Barsch. Und: Wäre man überzeugt von der Notwendigkeit des Klimaschutzes, wäre China fraglos dabei. Außerdem würde man alle Forschungsgelder in die Atomkraft stecken, statt für relativ ineffiziente Windräder auch noch abzuholzen.
Man würde alle Energie gebündelt auch in Urwald-Aufforstung stecken und Arme von der Notwendigkeit von Familienplanung überzeugen (und ihnen das zahlen). Und weitere Dinge.
Damit wieder etwas Geld in den Kasten kommt, soll eine neue Industrie, ausgerechnet auf Elektrizität beruhend, etabliert werden, ein nicht gerade umweltfreundliches Fahrzeug aufgezwungen werden, auch weil es sich besser zum Autonomen Fahren und zur Rundumüberwachung eignet. Und da sind noch andere Punkte wie Arbeitsplatzabbau und das bei gleichzeitigem Anschwellen der Menschheit.
Die einzige bürgerliche Freiheit, die es heute gibt (oder schon immer), ist bockiger Konsumverzicht. Ansonsten verweise ich auf Ibsens „Nora“ und andere Gestalten oder sehr gern auf Effi Briest, auch die echte Effi: Bürger mit eigenem Entscheidungspotential, was ihnen angekreidet wird.
Ein einziges Beispiel kann ich Ihnen aber gern schildern: Wir sind (vor Jahren) zu einer Bayreuth-Veranstaltung eingeladen und fragen die Einladenden, was man denn trägt. „Viel Schmuck“ ist die Antwort. Wir haben auch eine Antwort darauf: Wir kommen vollkommen schmucklos und denken an die Tango-Frau in „Der Duft der Frauen“. Man muss nicht alles mitmachen und dann im Wettbewerb unterliegen. Überhaupt Wettbewerb, ein eigenes Kapitel. Und nur nebenbei: Da wir beide bedeutend besser aussahen, brauchten wir die Klunker, die wir ohnehin nicht besaßen, nicht. Kostüm-Bürgertum. Das gibt es. Sehr angepasst. Glaubt natürlich, dass der Sand vor Senegal (s.u.) von Stürmen weggetragen wurde, während der Bankberater die Anlagen umbaut.
Individuum: Nichts unhinterfragt glauben. Die Erde ist eine Scheibe. Und weiterstudieren, man lernt nie aus. Auch nicht die Wissenschaft.
Lieber Oleander: Effi Briest? Ernsthaft? Die arme, verzogene Adels-Tochter, die am preußisch-bürgerlichen Prinzipienmann Innstetten zugrunde geht? Ich weiß nicht …
Lieber Orleander, natürlich ist Klimaschutz ein diktiertes Denkgebäude. Ich war nicht mal in Spanien, geschweige denn im Urwald, ich verstehe wenig von Chemie und habe auch keine Bohrkerne untersucht. Ich weiß es schlicht nicht und werde mir in diesem Leben auch keine Mühe geben, das alles zu verstehen. Die Freiheit in Klimafragen unmündig zu sein, nehme ich mir. Ich folge der Horde, wie ich es in vielen, vielen anderen Feldern mache und ich bilde mir nicht im Geringsten ein, aus der tiefe meines Gemühts eine brauchbare Entscheidung finden zu können. Das ist ein Thema, bei dem mir meine Individualität, Freiheit und mein gesunder Menschenverstand keinen Meter helfen. Es profitiert immer jemand, es nutzt immer jemand zu seinem Vorteil und man wird immer an einer Stelle über den Tisch gezogen. Dass das auch beim Klimaschutz der Fall ist, versteht sich von selbst. Ich habe aber auch kein Teleskop und habe auch nie mit einem Asteroiden persönlich gesprochen. Trotzdem würde ich eine Abwehr im Weltall befürworten. Weil Wissenschaftler, die ich sympathisch finde, es befürworten. Das ist die ganze banale Wahrheit, was ich mit meiner Freiheit, über so wichtige Dinge zu entscheiden, mache. Und die meisten Klimaleugner, die ich kenne, haben ihre Erkenntnisse von Publizisten, die sie sympathisch finden, die wiederum irgendeinen Wissenschaftler…Sie verstehen worauf ich hinauswill. Bei den anderen ist es halt Greta. Ich wüßte aber auch, wie es anders gehen sollte.
Ist so, wie Sie schreiben, Oleander: Natürlich gibt es eine bürgerliche Freiheit. My home is my castle. Staat, NGOs und allzu neugierige Nachbarn bleiben vor der Tür. Von wegen grüne Hausnummern..
https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/gruene-hausnummer-streit-in-vilshofen-bayern-66582258.bild.html
Die Freiheit der Moderne ist eine oberflächliche, profanisierte. Eine Drag-Queen kann eine Führerscheinprüfung bestehen. Nichts dagegen, aber ihre Freiheit ist die des nach-außen-Kehrens der sexuellen Präferenzen. Des nach-außen-Kehrens überhaupt. Narzisstischer Exhibitionismus. Der Bürger trägt eigentlich Anzug, auch wenn er Unerhörtes sagt. (So, wie übrigens viele Jazzmusiker, die die neuen Stile erfanden.) Dazu gehört auch persönliche Freiheit und das sich leisten können dieser Freiheiten. Das sparsame Leben (Konsumverweigerung), das Abhängigkeiten minimiert. Der Vermögensaufbau (Vermieter sein). Alles definitiv kein Programm der ‚Grünen‘ (und der ‚Abwrackprämien-CDU‘), weswegen sie nicht bürgerlich sind. Und schon gar nicht konservativ.
Wie oben zu Stevanivoc geschrieben, meine ich, dass Bürgerlichkeit Freiheit wesentlich einschränkt. Das bedeutet aber nicht, dass keine Freiheit mehr übrig bleibt. Es gibt nach wie vor qauch für einen bürgerlichen Familenmenschen viele freie Entscheidungen, Verhaltensspielräume, geistige Möglichkeiten – hier befindet sich das, was man „bürgerliche Freiheit“ nennen könnte. Sie gibt es also durchaus. Sie ist das, was übrig bleibt. Denn die Bürgerlichkeit schränkt Freiheit ein. „Freie Fahrt für freie Bürger“ ist so ein bezeichnender Spruch: bürgerliche Restfreiheit, die zwischen den Leitplanken ausgelebt werden soll.
Und zur Freiheit der Moderne: Die ist nicht profan oder oberflächlich, sondern einfach größer als die Freiheit vergangener Epochen. In der Moderne fanden und finden viele kleine Freiheitskämpfe statt. Keine Revolutionen, aber schon Kämpfe. Dabei geht es darum, die bürgerlichen Freiheiten zu vergrößern. Sie sind dann immer noch bürgerlich-eingeschränkt, aber eben größer. Mehr Spielräume. Dann kann man auch als schwules Paar eine Familie gründen (wir gucken jetzt immer Modern Family auf Neflix…). Ich finde das gut, diese „Freiheit der Moderne“, und meine Kinder genießen sie.
Ja, Roland Ziegler, „Modern Family“ ist großartig. Ich empfehle übrigens auch „One Day At A Time“ (Latino-Familie in Los Angeles).
Beispiel Freiheit der Rede. Sagen zu können, was man will. So laut und so weit in die Welt hinaus, wie man es will, egal wie falsch oder bösartig es ist, wa sman da herausposaunt. Die ist in den letzten hundert Jahren extrem erweitert worden und in den letzten 15 Jahren durch die „Social Media“-Techniken noch einmal geradezu explodiert. Freiheit wurde erweitert – sie war vorher viel geringer – und Bürgerlichkeit zurückgedrängt. Zu sehr, will mir oft scheinen.
Ich kann Sie da sehr gut verstehen, Stevanovic. Wem soll man glauben? Das Beispiel mit den Asteroidenschutz als Beispiel für wissenschaftliche Vorsorge brachte ich auch schon vor Jahren hier. Allerdings ist die Klimaforschung oder gar was der IPCC macht, kaum mit der Dauerbeobachtung von ‚NEOs‘ (Near Earth Objects) vergleichbar. Und ich sehe ja noch schlimmer, tragischer: Eigentlich bräuchten wir statt mehr teueren, teuersten Klimaschutz, der uns der Ressourcen beraubt, neue Mond- und Marsprogramme. Auch und gerade in Europa. Unsere Zivilisation und Infrastruktur ist im Übrigen so angreifbar geworden, dass uns jeder Kleinstmeteorit oder zuviel Sonnenwind durchaus empfindlich schaden kann. Wir müssten ‚eigentlich‘ unsere überbordende Anspruchshaltung an Komfort und perversen Überflusskonsum hinterfragen und einschränken .. und sehen Sie, wo ich jetzt gelandet bin? Es ist kompliziert und die öffentliche Diskussion allzu brutal-einfach.
Danke für die Empfehlung! Ich habe mir den Trailer dazu angesehen, macht einen netten Eindruck. Was mich allerdings stört, sind diese eingespielten Lacher. „Modern Family“ kommt glücklicherweise ohne aus. Jedenfalls müssen wir uns das erstmal durchgucken (wir sind bei Staffel 8 und haben mit der ganzen Familie alle Folgen von vorneweg gesehen).
Ein kleines gerade gelesenes Beispiel noch zur absoluten Nutzlosigkeit der freiwilligen deutschen Verarmung, die man durchaus als individuell bezeichnen möchte und in ihrem Missionsdrang sogar als zutiefst bürgerlich:
„Fest steht schon jetzt: Die jüngsten russischen Initiativen stehen in direktem Widerspruch zu den Bemühungen von Umweltvertretern, die Schifffahrt in der Region zu begrenzen. So setzen sich etwa die Schiffsabgase von Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb auf dem Eis ab. Dadurch wird die Schmelze des Nordpolareises noch weiter beschleunigt.“
https://www.welt.de/wirtschaft/article204065416/Nordostpassage-Konkurrenz-fuer-den-Suezkanal-rueckt-naeher.html
„absoluten Nutzlosigkeit der freiwilligen deutschen Verarmung“
Gut formuliert, ja, die einzige Auswirkung des Klimapaketes wird sein, dass die Deutschen ärmer werden, sonst nüscht.
Lieber Stevanovic, tolle Antwort an mich. Wesentlich: Wir wissen es nicht. Wir wissen schonmal gar nicht, ob der CO2-Anstieg die Ursache oder die Folge ist. Was wir wissen, ist, dass unser (menschlicher) Gesamtanteil sehr klein ist und der von Deutschland noch kleiner. Was wir auch ahnen, ist die Tatsache oder Beobachtung, dass ein CO2-Anstieg auch positive Effekte hat (Begrünung).
Aber wir wissen gewisse Dinge: Erstens, dass wir alle ziemlich gesund sind und älter werden, und dass Feinstaub uns anscheinend nicht weniger alt werden lässt, dass also beim Diesel Übertreibungen stattfinden. Wir ahnen, dass wir seit der BW-Wahl Opfer von Politikern werden, die Grün verhindern wollten und jetzt selbst zum Opfer von Grün werden.
Und wir wissen definitiv, was wir tun können: Auffangnetze für Kunststoffpartikel in die Mündungen des Jangtse, des Ganges, des Brahmaputra und des Niger bauen, die ozeanischen Kunststoffblasen, deren Partikel sich in der Nahrungskette anreichern, abfischen. Aufforstung, wo immer möglich – das Gegenteil passiert. Fridays viermal im Jahr oder monatlich durch Städte und Gemeinden gehen lassen zum Müllsammeln, der hauptsächlich von ihrer Altersgruppe kommt. Darauf pochen, dass Raucher ihre ausgetretenen Kippen mitnehmen und im nächsten Mülleimer entsorgen. Wir können also Aufforstung und Entmüllung. Und an vorsichtige Bevölkerungspolitik geht kaum jemand dran. Man muss einer Frau in Niger, für die viele Kinder Statussymbol sind, klar machen, dass wenige Kinder mit Bildung und Zukunft mehr Status beinhalten. Solche Dinge.
Was ich sehe, ist auf allen diesen Gebieten Untätigkeit, dafür endlose Konferenzen mit endlosen Flugreisen dorthin, endloses Gequatsche statt Taten in den genannten Bereichen. Und Aufforstung muss belegt werden. Es geht nicht, dass man bei einer Airline (Räuber) für das Pflanzen eines Baumes zahlt ohne Beleg, dass er auch gepflanzt wird und wo und wie viele Bäume.
„Es ist immens erleichternd, endlich dem Volk zu dienen, seine Vorurteile zu teilen, ja ihnen Ausdruck zu geben, die Intellektuellen zu bashen, das Rebellische auszuleben mit der Masse, nicht gegen sie – als Volksrebellion.“
Kann sein. Aber wo sehen Sie denn auf der anderen Seite wirkliche Inteklektuelle? Wir haben kaum welche. Wenn wir welche hätten, hätten wir eine lebendige Debatte, auch in der Politik, mit manchen Einwänden zu in der Tat gravierenden Problemen. In Wirklichkeit hatten wir doch in diesem vergangenen Jahr eine Konsensberichterstattung in Medien und Politik, die einer Sechzehnjährigen sowie Schülern und Studenten mit begrenztem Wissen hinterhertrabte. Und dieselbe Konsensveranstaltung haben wir mit Flüchtlingsproblemen. Matussek, der sicherlich manchen Einwand vorzubringen hätte, hat man gekündigt. Im Moment haben wir hier eine verkindlichte einförmige „Debatte“.
Somit fehlt Individuum allüberall.
Neuerdings neigen manche dazu, sogar die PISA-Ergebnisse schön zu reden. Die Bildungsministerin hat immerhin bei der Lesekapazität einen gravierenden Notstand zugegeben. Solche Ergebnisse bringen jedenfalls noch weniger Folgeintellektuelle hervor.
Wenn man Intellektualität fördern möchte, muss man Stimmen wie die von Matussek dabei lassen zwecks Diskussionsförderung und nicht sagen: Ih-gitt, der Katholik schon wieder. Und wenn man den isoliert, fühlt er sich als Folge der Isolation eben individualisiert. In der Gruppe, die muht wie eine Kuhherde, wächst nicht zwangsläufig ein Individuum.
Aber ein Individuum haben wir sogar: Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern (Metapher), auf dem Boden kauernd, Schwedenversion. Nur die Herde, die hinter ihm auf Stampede geht, ist keins.
Lieber Oleander, es war ich, der die PISA-Ergebnisse „schön redete“. Lesen Sie:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article204068138/Schuelertests-Die-Asiaten-tricksen-Steigen-wir-endlich-bei-Pisa-aus.html
Im übrigen rate ich Ihnen, sich auf der PISA-Website die Lese-Aufgabe anzusehen. Ich konnte sie nicht lösen, oder nur teilweise; dabei bin ich ein beruflich geschulter Leser. Ich meine, sie ist teilweise falsch formuliert, also nicht zu lösen. Da wundert es nicht, wenn Schüler*innen daran scheitern.
Ihre (und nicht nur Ihre) Gretaphobie ist mir ein Rätsel. Unsere Kultur ist seit 2000 Jahren auf Jungfrau-Erlöserfiguren getrimmt: Maria, die hl. Barbara (und viele andere Märtyrerinnen), Johanna von Orléans, Elizabeth I, Lessings Emilia und Schillers Luise, Goethes Gretchen (!), „Die Freiheit auf den Barrikaden“ und am Eingang des Hafens von New York – und Sie wundern sich, dass eine solche Figur die Fantasie der Massen beflügelt? Hören Sie doch auf zu granteln. Das ist doch Ihrer unwürdig.
Och, Gretaphobie ist das gar nicht. Ich nenne sie ja freundlich „Das Kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Wenn ich das sage, ist das feundlich gemeint. Sie ist ein Bild, würde auch auf den Schwanenrücken in Andersens „Elf Schwäne“ passen oder nach Bullerbü – sie ist ein süßes skandinavisches Mädchen, das von Antreibern auf frühreif getrimmt wurde.
Es ist die galoppierende Ochsenherde, die ich verachte. Und die Instrumentalisierung, die jetzt schon spätere Suizidgefahr beinhaltet.
Jemand hat frühzeitig erkannt, dass die physische Entwicklungsverzögerung bei Asperger und Fokussierung auf bestimmte Themen ein herrliches Lindgren-Andersen-förmiges Bild abgibt, geradezu prächtig. Massenpsychologisch hochinteressant.
Gestern sah ich ein Bild vom „Ansteigen des Meeresspiegels“ in einem Artikel über Beton und die Schwierigkeiten, Sand zu finden oder zu stehlen. Amüsieren Sie sich gut über das Bild aus dem Senegal:
https://www.welt.de/kultur/plus204173010/Ende-einer-Aera-Bye-Bye-Beton.html
Schiller; ‚… der weltregierenden Macht ist kein einzelner Mann unersetzlich … ‚ auch Goethe und Faust nicht.
… ‚zwei Seelen, ach, in meiner Brust … ob das ‚Deutschlands Ur-Drama‘ ist? … puuuh … wohl eher Verschwörungstheorie und Rechtfertigung für den Genossen wegen Ausschwitz in die Politik zu gehen oder völkerrechtswidrige Kriege zu ‚begründen‘. Eine weitere Perversion von ‚Jedem das Seine‘.
Ich glaub‘ nicht an Goethe/Faust. Ich glaub‘ nicht an das Volk. Ich glaube an Gott. Ich diene Gott. Eine Frage der Identität. Oder?
Schön, dbh. Sie kennen die „I don’t believe in …“ -Litanei aus John Lennons „God“?
… Sie widersprechen sich. Sie schreiben anderswo zu John Lennon und seiner Popmusik von ‚Blasphemie‘. Wie denn nun?
… es kommt ganz langsam, werter Alan Posener. 😉
Der Song ist blasphemisch, lieber dbh.
Nur ganz kurz: Ich verstehe nicht, warum sich viele Publizisten, gerne auch ältere Herren, immer so nach der Mode richten, entweder weil sie sich von der „herrschenden Meinung“ abgestoßen oder von rebellischen Außenseiterpositionen angezogen fühlen. Das ist doch völlig nebensächlich. Wenn man aus coolem Revoluzzertum heraus Unsinn erzählt, um Aufmerksamkeit und Zustimmung zu bekommen, bleibt es trotzdem Unsinn. Irgendwann sollte es um etwas anderes gehen, nämlich darum, was der Fall ist. (Das finde ich nebenbei bei Ihren Texten, Herr Posener, so besonders, dass es Ihnen offenbar darum geht, was wahr ist, und dass Sie für Ihre Ergebnisse die Kriterien mitliefern, so dass man das auch überprüfen und diskutieren kann.) Wenn man bestimmte Meinungen nur äußert, damit sie überhaupt geäußert werden, um der Meinungsvielfalt willen, und dabei vergisst, dass man gestern noch das Gegenteil geäußert hat, nur weil der flüchtige Mainstream gestern etwas anderes sagte, vertritt man einen fragwürdigen und für mich langweiligen Wahrheitsrelativismus.
…wahrscheinlich ist Wahrgenommenwerden im Publizismusbetrieb die halbe Miete, und es ist lukrativer, mit einseitigen Positionen oder interessante Falschheiten aufzufallen als müde, fast totgetrampelte Wahrheiten von sich zu geben. Das ist wohl die größte Gefahr für einen Publizisten. Mir als Leser sind jedenfalls die kleinen grauen, abgestandenen, mühsamen Wahrheiten lieber als alle tollen, funkensprühenden Ideen und Gedankengebäude, die sich bei näherer Betrachtung im Morgenlicht als unhaltbar herausstellen.
Stimmt.
„…wahrscheinlich ist Wahrgenommenwerden im Publizismusbetrieb die halbe Miete, und es ist lukrativer, mit einseitigen Positionen oder interessante Falschheiten aufzufallen als müde, fast totgetrampelte Wahrheiten von sich zu geben.“
Das sehe ich auch so. Aber der Umkehrschluss, dass „müde, fast totgetrampelte“, also immer wiederholte Aussagen (97% aller Wissenschaftler sagen.. usw.) stets die Wahrheit wären, wäre wohl falsch. Natürlich strebt der publizierende nach Originalität und Neuheiten – zugegebenermaßen anstrengend – aber schlecht?
Das Interessante ist ja, dass obwohl wir Medienleute nach Aufmerksamkeit und Originalität streben, es doch in gewissen Punkten zu einem weitgehenden Konsens kommen kann. Wäre die Sache mit dem Treibhauseffekt tatsächlich so unsicher, wie Sie zu meinen scheinen, gäbe es mehr Journalisten, die mit entsprechenden Enthüllungen der Regierung das Leben schwer machten.
Ich als Konservativer halte von dem Streben nach Neuheit und Originalität im Bereich der politischen Publizistik wenig und wenn es auf Kosten der Wahrhaftigkeit geht, gar nichts. Das sollte man Künstlern überlassen.
Man sollte sich an die beiden Leitfragen halten, was wir wissen können, und, daraus abgeleitet, was wir tun sollen. Daraus ergibt sich dann eine Richtung, und es ist völlig egal, ob eine galloppierende Ochsenherde oder, sagen wir, eine einzelne Möwe diese Richtung eingeschlagen hat.
Apropos müde Wahrheiten: Wenn Sie zu hundert Ärzten gehen, weil Sie Ihre Diagnose nicht wahrhaben wollen, und 97 davon bestätigen Ihnen, dass Sie die ernsthafte Krankheit tatsächlich haben und diese bittere Pille einnehmen sollten, dann können Sie natürlich auch gerne den drei Ärzten glauben, die Ihnen sagen, das bei Ihnen alles in Ordnung ist und dass Sie ruhig weiter so essen, trinken und rauchen können. Das ist Ihre Meinungsfreiheit, die Ihnen keiner nehmen will. Ob Sie ein solches Verhalten aber auch von den „galloppierenden Ochsen“ verlangen können, steht auf einem anderen Blatt.
KJN ./. APo, APo: ‚Wäre die Sache mit dem Treibhauseffekt tatsächlich so unsicher, wie Sie zu meinen scheinen, gäbe es mehr Journalisten, die mit entsprechenden Enthüllungen der Regierung das Leben schwer machten.
… mhm, dafür gibt es einfache Erklärung. (Mu)Barack Hussein Obama jubelte per Twitter: »97 Prozent der Wissenschaftler stimmen überein: Klimawandel ist eine Tatsache, menschengemacht und gefährlich.« … aber der Spiegel in seinen glanzvolleren alten Tagen, als diese Fake-News-Nummer aufkam: … Warum erwecken die 97 (%) Forscher mit ihrer Kampagne den gegenteiligen Eindruck? Die Öffentlichkeit, so begründen die Autoren die Idee zu ihrer Studie, zögere bei der Unterstützung des Klimaschutzes aus Unwissenheit über den Wissenschaftlerkonsens … Über die meisten Fragen der Klimaforschung herrsche keine Einigkeit … ‚
… und, Holger Douglas weiter; ‚… in der Wissenschaft werden Erkenntnisse eben nicht mit Mehrheitsabstimmungen verabschiedet. Im Gegensatz etwa zum Fußball, wo 97 Prozent aller Fans der Meinung sind, dass Jogi Löw kein guter Bundestrainer ist; leider interessiert das wenig. Ein ›Wir stimmen ab, ob sich die Sonne um die Erde dreht oder doch umgekehrt‘ gibt es nicht. Bisher jedenfalls nicht.‘
… Klimahysterie als geostrategische Machtspiele der ‚Herrschaft des Unrechts‘, meint mein Hamster: ‚Ein Gespenst geht um in Europa – der limitierte Erkenntnishorizont; Autisten aller Länder, vereinigt euch!‘ Daher!
Etwas ..ähem.. unterkomplex, lieber Roland Ziegler: “ Wenn Sie zu hundert Ärzten gehen, weil Sie Ihre Diagnose nicht wahrhaben wollen, und 97 davon bestätigen Ihnen, dass Sie die ernsthafte Krankheit tatsächlich haben und diese bittere Pille einnehmen sollten, dann können Sie natürlich auch gerne den drei Ärzten glauben, die Ihnen sagen, das bei Ihnen alles in Ordnung ist und dass Sie ruhig weiter so essen, trinken und rauchen können.“
Wenn ich lese, wie ‚97%‘ seiner Leibärzte Louis XIV über Jahrzehnte gemartert, vergiftet und letztlich hinters Licht geführt haben – nicht umsonst nannte man die ‚Quacksalber‘, was den deutschen Ausdruck Quecksilber für Hg begründete – möchte ich ‚den Planeten‘ lieber nicht in den Händen der ‚Klimaforscher‘ sehen. Die Wissenschaftsgeschichte ist von verworfenen Mehrheitsmeinungen. Leicht zu ergoogeln. Fangen Sie mit Phlogiston an.
Übrigens will ich niemandem seinen Glauben ausreden. Ich darf aber selber ‚Wissen‘ bevorzugen und mich darum bemühen, ohne mich belächeln zu lassen – oder? Auch wenn ‚97%‘ bereits erleuchtet sind.
@hans
Ich glaube wohl, eine Welt voller ‚Autisten‘, wie Greta, wäre eine bessere. Leider sind die, die sie antreiben und die, die sich an sie hängen, mit Sicherheit keine.
@hans; ‚Ich glaube wohl, eine Welt voller ‘Autisten’, wie Greta, wäre eine bessere. Leider sind die, die sie antreiben und die, die sich an sie hängen, mit Sicherheit keine.‘
… na ja, Klaus, sicher, für die Figur Greta ‚Mitgefühl und Hilfe‘, wie auch immer, aber eine bessere Welt mit ihrer Krankheit? Greta ist eher ein Fall für das Jugendamt wegen Kindeswohlgefährdung.
Ich glaub‘ auch nicht so recht an ‚Asperger-Syndrom‘ bei Greta, die CO2, nach Verlautbarungen ihrer Mutter, mit bloßem Auge erkennen kann. Eher an FAS (Fetale Alkoholsyndrom), auch Alkoholembryopathie (AE) – das sind vorgeburtlich entstandene Schädigungen eines Kindes durch von der schwangeren Mutter aufgenommenen Alkohol. Schweden sind für ihre Trinkfreudigkeit bekannt. Ja, das ist (noch) (m)eine Verschwörungstheorie. Die ‚Greta-Macher‘ sollten sich schämen. So oder so.
Das ist immer so eine Sache bzw. ein zweischneidiges Schwert mit dem Pathologisieren, lieber Hans: Für das Öko-Establishment sind deren Kritiker therapiebedürftige Realitätsverweigerer und für FFF-Kritiker ist Greta eine Kranke, die deswegen nicht ernstzunehmen wäre. Sie macht jedoch nichts anderes, als glasklar aus dem zu folgern, was sie gelernt hat. Diese Geradlinigkeit und Ehrlichkeit ist allerdings m.E. keineswegs kritisierenswert. Das Gegenteil von Psychopathie. Über den Charakter ihrer Eltern und ‚Follower‘ allerdings hatte ich ja schon beim Thema ‚Prof. Lüdecke‘ hier geschrieben. Dirk Maxeiner schrieb jetzt auf achgut.de ähnliches.
Ganz ehrlich, lieber KJN, finde ich die Pathologie der meist älteren Männer, die sich über Greta ohne ende ereifern können, bedenklicher als manche Heldenverehrung ihrer Anhänger*innen. Jeanne d’Arc wurde auf dem Scheiterhaufen als Hexe verbrannt. Heute ist sie eine Heilige.
@KJN
… Klaus, Mitgefühl und Hilfe, mehr ist für mich für die Figur Greta nicht drin‘. (Nicht einmal für die ’normale‘ Jugend. 😉 )
Wenn ältere Männer nicht zuverlässig alles anklicken würden, was mit dem süßen Schneehasen zu tun hat, würden Welt-Online, Bild und verwandte Onlineplattformen von Spiegel bis Focus nicht stündlich berichten, wo Greta sitzt, segelt oder ein Glas Wasser trinkt. Denn erst durch die Berichterstattung in Fukushima-Tackt machen dann nachdenkliche Kommentare über Ökodiktatur, Freiheitsberaubung und Flugscham erst so richtig was her, von wegen Verbotsgesellschaft. Den „Kids“ geht nach meiner Beobachtung Greta schon seit Wochen am Allerwertesten vorbei, aber alles, was graue Haare hat und Altölentsorgung im Wasserschutzgebiet für ein Stück substanzielle Freiheit hält, kann einfach von ihr nicht lassen. Greta verhext nicht die Jugend, über Greta verkaufen Medienhäuser denkfaulen Müll an alte Säcke. Ich lese nichts mehr, wo Greta drauf steht.
Ja, Stevanovic, in etwa so. Es ist peinlich.
@KJN
„Wenn ich lese, wie ‘97%’ seiner Leibärzte Louis XIV über Jahrzehnte gemartert, vergiftet und letztlich hinters Licht geführt haben – nicht umsonst nannte man die ‘Quacksalber’, was den deutschen Ausdruck Quecksilber für Hg begründete – möchte ich ‘den Planeten’ lieber nicht in den Händen der ‘Klimaforscher’ sehen. Die Wissenschaftsgeschichte ist von verworfenen Mehrheitsmeinungen.“
Ihr Vergleich ist unzulässig, denke ich. Er wäre gerechtfertigt, wenn Sie unterstellten, dass die 97% der Klimaforscher, gegen deren Ergebnisse Sie sich aussprechen, in einem ähnlichen Abhängigkeitsverhältnis zu, ja wem eigentlich?, stünden, wie die Ärzte des französischen Königs zu ihrem „Arbeitgeber“ in der Frühen Neuzeit.
Sie haben recht, dass die Wissenschaftsgeschichte voll von Revisionen angeblich sicherer, von der Mehrheit der Forscher getragener, Assertionen ist. Die Revision muss eben eine bessere Erklärung der Wirklichkeit bieten, oder diese überhaupt erst erklären können, als die bis dahin gültigen Annahmen. So sollten die Thesen der 3% der Klimaforscher schon überzeugend im Sinne einer gelungenen Revision sein.
@Stefan Trute: Der Vergleich ist auch aus anderen Gründen (unabhängig von dem Abhängigkeitsverhältnis) haarsträubend. Er ignoriert den wissenschafltichen Fortschritt der letzen drei Jahrhunderte und setzt die heutige Klimatologie und Medizin in Methodik u. Wahrheitsgehalt gleich mit der Quacksalberei des 17. Jahrhunderts. Als müsse man davon ausgehen, dass die Leibärzte damals genauso schlau gewesen wären wie die heutigen Ärzte/Klimatologen.
Richtig.
Lieber Stefan Trute – Abhängigkeiten? Wollen Sie wirtschaftlich erfolgreich sein, müssen Sie andere Menschen von sich und ihrem Angebot durch Verunsicherung abhängig machen: Den eigentlich kerngesund-unverwüstlichen Louis XIV von seinen Ärzten, den Unternehmer und Privatmann von Versicherungen, den Anleger vom Anlageberater, Eltern vom Erziehungsratgeber, Kläger/Beklagte vom Anwalt, die Politik von der Wissenschaft usw. usf.
Der magische Satz lautet stets: Stellen Sie sich vor, was alles passieren kann (in raunendem Ton und … nicht vergessen)
It‘s the business stupid 😉
Das stimmt, lieber KJN, aber manchmal haben die Rauner Recht: Schutzimpfung hilft. Autos sollte man versichern. Die Gesundheit auch. Und es scheint mir angeraten, grundsätzlich auf die Wissenschaft zu hören. Stalin meinte, das nicht zu tun, setzte auf „alternative Fakten“, weil ihn der Darwinismus ideologisch nicht passte, und ruinierte die sowjetische Landwirtschaft. Wer Atombomben bauen und uns zum Mond fliegen kann, hat vielleicht ein besseres Recht, gehört zu werden,als der Anlageberater, der die letzte Krise ebenso verpennt hat, wie er die nächste vorbereitet. Oder? Das heißt ja nicht, dass jede Lösung (Ethanol in den Tank, Windräder vor der Tür, Atomkraft im Hintergarten, Radwege allüberall) sinnvoll ist. Aber vielleicht sollte man auch dort auf die Wissenschaft mehr hören, statt sie als bloße Interessengemeinschaft abzutun.
Lieber Alan Posener, es gibt Wissenschaftler, die berechnen Flugbahnen von Raketen, entdecken oder entwickeln supraleitende Materialien oder biowirksame Substanzen, die möglicherweise Krebs oder Alzheimer verhindern. Oder helfen mit z.B. der Darstellung und Quantifizierung der Interessen in einer Gesellschaft durch in Form von Sinus-Milieus bei der zielgerichteten Produktion und Vermarktung von Produkten. Das sind Tätigkeiten, die zu Ergebnissen führen, die irgendwann einem Praxistest unterzogen werden und entsprechend bewertet werden können. Denken Sie daran, wie wichtig z.B. Einstein die experimentelle Bestätigung seiner Theorien war. Es gibt einen zweiten – wenn man so will – unproduktiven Bereich, das ist das Prüfwesen, in dem z.B. ich eine längere Zeit als sog. Analytischer Chemiker arbeitete und da geht es um Nitrat und Pestizide im Trinkwasser, NOx in der Luft usw. ‚Messknecht‘, ‚Hilfswissenschaft‘ klingt zwar abwertend, trifft es aber ganz gut. Darüber hinaus wollte man (ich) ja auch verstehen, wo das ganze Zeug aus der Zivilisation bleibt, was letztlich Geologie ist, die auch nicht als experimentelle Wissenschaft zählt oder zählen sollte. Analog zur Medizin. Das Geld zur Finanzierung dieser Neugierde kommt aber nicht aus dem Markt bzw. aus der Wirtschaft, sondern z.B. über Forschungsverbundvorhaben über Verbände und vorwiegend vom Staat, weswegen das lautstarke Klappern im politischen Raum schlicht als Daseinsvorsorge für dieses ‚Handwerk‘ gelten darf. Um nicht missverstanden zu werden: Eine moderne Industriegesellschaft braucht diese Instanz, aber sie darf sich eben nicht, wie der IPCC derzeit oder eine ‚Deutsche Umwelthilfe’ verselbstständigen.
Ich habe vor jenen „Messknechten“ die höchste Achtung, Lieber KJN. Und gerade im Hinblick auf das Klima haben sie in den letzten 30 Jahren enorme Fortschritte gemacht, von der Auswertung von Eisbohrkernen bis hin zu Satellitenaufnahmen. Die Ergebnisse sind, scheint mir, so eindeutig wie das in einem chaotischen und multifaktorellen System sein kann. Und bis ein Einstein kommt und erstens die Mess-Ergebnisse anders deutet (er hat ja keine eigenen Messungen durchgeführt) und zweitens ein Falsifizierungskritierium vorlegt, würde ich bei der langweiligen Theorie bleiben wollen, dass eine Zunahme von Treibhausgasen eine korrespondierende Zunahme des Treibhauseffekts zur Folge hat.
Lieber Roland Ziegler, die Leibärzte waren damals genauso schlau bzw. intelligent, wie heute, allerdings hatten sie nicht so viel Wissen und die Methoden waren grober. Wenn Sie in dem Metier tätig sind, verinnerlichen Sie irgendwann, dass eine Antwort auf ein wissenschaftliche Frage 10 neue Fragen aufwirft. Die Bedingungen und Abhängigkeiten, unter denen Wissenschaft stattfindet, haben sich kaum verändert. Dennoch profitieren wir natürlich alle von diesem Prozess. Es ist eben ein Prozess und keine Enzyklopädie.
Der Punkt war aber der, dass wir heute Anlass haben, den heutigen Ärzten und auch den Klimatologen mehr Glauben – deutlich mehr Glauben – zu schenken als früher Louis seinen Quacksalbern.
Trotzdem können Sie problemlos – wie gesag – auch der 3%igen Mindermeinung folgen, wenn Sie das mehr überzeugt bzw. wenn es bequemer für Sie ist. Nur zu fordern, dass die Politik und die Vertretungen der Mehrheit („Ochsen“) ebenfalls dieser 3 %-Mindermeinung folgen soll, ist falsch. Jene 3% müssten zunächst innerhalb der Wissenschaft erfolgreich Überzeugungsarbeit leisten. Da das offenbar nicht klappt, ist es immer noch möglich, die Borniertheit der 97% für das Scheitern verantwortlich zu machen und auf eine einsichtigere Enkel- bzw. Urenkelgeneration zu hoffen. Wer macht sich schon gerne selbst verantwortlich, im Zweifelsfall lebt es sich besser, wenn alle anderen 97% Trottel sind und man selber ein verkanntes Genie. Außerhalb der Wissenschaft sollte man (-> „die Politik“) sich jedoch, wenn man Beratung braucht, nach der wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung richten. Andernfalls müssten wir uns in den Schulen auf Kreationismus gefasst machen.
Ja, in den letzten Jahrzehnten hat die Messtechnik erhebliche Fortschritte gemacht. Die schlüssige, fundierte Interpretation dieser vielen Messdaten durch die angrenzenden Fachbereiche im Umweltbereich hinkt da hinterher. Für die Atmosphärenchemie bzw. für deren Aussagen für die Klimaprognosen bedeutet das, dass man sich auf Rechnersimulationen berufen muss, deren Parameter bzw. Randbedingungen nicht gesichert sind. Die Modellierung des Klimas ist schlichtweg nicht so weit, wie die kurzfristigere Meteorologie. Konkteter: Wir wissen zwar, dass nur wenige % des CO2 in der Atmosphäre durch den Menschen freigesetzt werden, der Rest durch natürliche Prozesse, aber wir sind beunruhigt über den (anscheinend) wesentlich höheren Anteil an an CO2 (25%) fossilen Ursprungs (also aus Kohle oder Öl). Die Frage ist, ob das vorübergehend ist und durch erhöhte Vegetation kompensiert wird. Ich halte letzteres für wahrscheinlich, weil ich die Entwicklung von Leben in einer Atmosphäre ohne solche Kompensationen für unwahrscheinlich halte. Allerdings sehe ich schon, dass die Politik auf die o.a. Diskrepanzen und Unsicherheiten reagieren muss. Sie ist aber gut beraten, derlei nicht allzu offensichtlich nach unten durch zu reichen und zum Beispiel das Leben auf dem Land unmöglich zu machen.
Lieber KJN, Sie schreiben: „Wir wissen zwar, dass nur wenige % des CO2 in der Atmosphäre durch den Menschen freigesetzt werden, der Rest durch natürliche Prozesse, aber wir sind beunruhigt über den (anscheinend) wesentlich höheren Anteil an an CO2 (25%) fossilen Ursprungs (also aus Kohle oder Öl).“ Die Freisetzung durch natürliche Prozesse ist relativ stabil: Vegetation, die CO2 aufgenommen hat, setzt das Gas beim Zerfall wieder frei. Grosso modo kann man von einem Kreislauf sprechen, wenn wir einmal die Vulkantätigkeit ausklammern. Wenn wir den in fossiler Vegetation vor Jahrmillionen gebundenen CO2 innerhalb weniger Jahrzehnte durch Verbrennung freisetzen und dadurch den CO2-Gehalt der Atmosphäre um 45% erhöhen, so müsste es mit merkwürdigen Dingen zugehen, würde sich der Treibhauseffekt nicht verschärfen. Klar kann ein Teil des CO2 durch erhöhte Vegetation wieder der Atmosphäre entzogen werden, und das ist auch dringend notwendig. Wenn aber – darauf haben Sie selbst öfter hingewiesen – die Verstädterung mit Versiegelung einhergeht, dürfte das den Gewinn durch längere Vegetationsperioden mehr als ausgleichen. Und ich habe noch gar nicht vom Abholzen und Abbrennen des Amazonas-Urwalds, Ausbreitung der Wüsten und Rückkopplungseffekten wie Auftauen des Permafrost (Freisetzung von CO2 und Methan) oder Abschmelzen des Polareises (weniger Reflexion des Sonnenlichts, also Verstärkung der Sonnenaufheizung) gesprochen.
Ganz bei Ihnen bin ich, wenn Sie schreiben: „Allerdings sehe ich schon, dass die Politik auf die o.a. Diskrepanzen und Unsicherheiten reagieren muss. Sie ist aber gut beraten, derlei nicht allzu offensichtlich nach unten durch zu reichen und zum Beispiel das Leben auf dem Land unmöglich zu machen.“
APo: ‚… würde ich bei der langweiligen Theorie bleiben wollen, dass eine Zunahme von Treibhausgasen eine korrespondierende Zunahme des Treibhauseffekts zur Folge hat.‘
… selbst wenn Ihre ‚langweilige Theorie‘ nachweisbar wäre, sie ist nicht, gäbe es zu den ‚verteufelten‘ fossilen Brennstoffen Alternativen. Synthetisches Benzin kann helfen, den CO2-Austoß um bis zu 90% gegenüber Erdölprodukten zu reduzieren. Das ist politisch nicht erwünscht. Nachweise zuhauf.
Es ist sogar sehr erwünscht. Nachweis siehe Webseite des Bundesumweltministeriums.
@KJN
„Abhängigkeiten? Wollen Sie wirtschaftlich erfolgreich sein, müssen Sie andere Menschen von sich und ihrem Angebot durch Verunsicherung abhängig machen: …“
Dass wirtschaftlicher Erfolg notwendigerweise („müssen“) die Verunsicherung der potentiellen Klientel zur Voraussetzung hat, ist falsch. Kann so sein, muss aber nicht. Der Fleischer z.B. verunsichert seine Kunden ja auch nicht mit seiner Wurst, sondern überzeugt sie durch ihren Geschmack. Es sei denn, er heißt Wilke. Aber geschenkt.
Problematisch wird Ihr Argument, wenn Sie dem Gegenüber, hier den „97%“ der Forscher heteronome Motive unterstellen. („It’s the economy, …“), in ihnen also „Hofastrologen“ sehen. Was ist mit den restlichen 3%? Stehen die ohne solche Motive da? Gerinnt da das „Widerständige“, „Abweichlerische“ nicht auch zur „Marke“.? Ganz abgesehen von handfesten ökonomischen Interessen der Finanziers solcher Forschungen.
Und: Wer verschwört sich da eigentlich in ihren Augen gegen wen? Falsche Wissenschaft mit finsteren politischen Mächten oder dem internationalen Finanzkapital?
Vielen Dank für die griffige Entgegnung, lieber Alan Posener! Wenn ich dann also noch mal darf:
„Die Freisetzung durch natürliche Prozesse ist relativ stabil: Vegetation, die CO2 aufgenommen hat, setzt das Gas beim Zerfall wieder frei. Grosso modo kann man von einem Kreislauf sprechen..“
Das hinter dem Doppelpunkt ist richtig, das ist also ein Kreislauf. Aber kein geschlossener, wie bisweilen behauptet, sondern selbstverständlich wächst die Gesamtvegetation bzw. deren Aufnahmekapazität mit dem Angebot an CO2. Gar nicht mal nur in der Fläche, sondern auch in der Dichte. (Sowie durch C3 und C4-Pflanzen, auch hier las ich bisweilen Fehlinterpretationen, das aber nur nebenbei im Falle weiteren Interesses.)
Statt ‚relativ stabil‘ würde ich eher ‚träge‘ sagen, also die Vegetation in toto reagiert gedämpft auf Änderungen der Umweltbedingungen, also CO2-Angebot, aber auch Temperaturerhöhung, Erniedrigung und natürlich Niederschläge. Aber sie reagiert nachweislich.
(Mich wundert immer wieder, wie wenig experimentell man an diese Fragen herangeht, z.B. mit Untersuchungen an den ‚Biosphären‘ -> https://de.wikipedia.org/wiki/Biosph%C3%A4re_2 )
„Wenn wir den in fossiler Vegetation vor Jahrmillionen gebundenen CO2 innerhalb weniger Jahrzehnte durch Verbrennung freisetzen und dadurch den CO2-Gehalt der Atmosphäre um 45% erhöhen, so müsste es mit merkwürdigen Dingen zugehen, würde sich der Treibhauseffekt nicht verschärfen.“
Sie haben die Keeling-Kurve im Kopf, die nebenbei bemerkt auch den starken Durchgiff der Vegetationsperioden (der Nordhalbkugel) auf den CO2-Gehalt der Atmosphäre aufzeigt. (Diese kleinen periodischen Schwankungen. – Das Umweltbundesamt behauptete mal auf seiner Webseite, die Vegetation hätte keinen Einfluss. Die Erkenntnis ist langsam und meine Skepsis kommt nicht von ungefähr.)
Vergessen wir bitte nicht, dass es sich um 0,03 .. 0,04 % der Atmosphäre handelt. Das Treibhausgas H2O ist im Bereich 0 .. 4 %,sagen wir der Einfachheit halber 2% präsent. Ich bitte Sie das im Hinterkopf zu behalten und sich folgende Grafik mal anzusehen:
https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/upload/Absorption.gif
Es geht um die Grafik b), die auf der x-Achse die Wellenlänge, also die ‚Art‘ der Infrarot- bzw. Wärmestrahlung im relevanten Bereich aufgetragen haben sollte und auf der y-Achse das Absorptionsvermögen und zwar unabhängig von dessen Konzentration in der Atmosphäre, also sozusagen als Eigenschaft des einzelnen Moleküls (stoffspezifische Konstante).
Vergleichen Sie das erste und das zweite Rechteck, also H2O mit CO2, dann sehen Sie dass die Fläche unter der H2O-Kurve etwa dreimal so groß ist, als beim CO2. Es handelt sich dabei um die (relative) Absorptionsfähigkeit für Wärmestrahlung indem gesamten Bereich. D.h. also die tatsächliche Absorption der Wärme in der Atmosphäre ist bei H2O 2×3/0,04 = 150 mal höher, als beim CO2.
Der zusätzliche Wärmeeintrag je Quadratmeter durch die Absorption des CO2 wird bisweilen mit 2 Watt beziffert, das ergäben plausible 300 Watt/m² für H2O bei einer je nach Breitengrad schwankenden solaren Einstrahlung von 1000..2000 W /m², also der Wärmeleistung von 1 ein bis 2 voll aufgedrehten Kochplatten. Die 2 Watt durch das CO2 entsprechen der Wärmeabgabe etwa einer Fahrradlampenbirme (3 Watt). Von diesen Größenenordnungen sprechen wir also. Ich habe tatsächlich Schwierigkeiten, mir vorstellen zu können, dass die Atmosphäre bzw. das globale Ökosystem in der Vergangenheit nicht in der Lage gewesen sein soll, Schwankungen in dieser Größenordnung aufzufangen.
Nichtsdestotrotz wiederhole ich mich und sage, dass man die ‚CO2-Werte‘ nach Art eines Internisten, der auch nicht alles interpretieren kann, ‚im Auge behalten sollte‘. Die Hysterie der Aktivist*innen scheint mir aber nicht angeraten. Und auch keine (Öko-)Steuererhöhungen.
Was die Versiegelung, Verstädterung, aber insbesondere die Trockenlegung von Sümpfen und Mooren betrifft, geht es hier m.E. gar nicht nur um die Verringerung der Vegetation, also CO2-Wiederaufnahmekapazität, sondern von allem um Naheliegenderes, nämlich den Wegfall von thermalen Puffern, also erhebliche Nachteile für regionales Mikroklima. Die Ursache des Klimawandels z.B. hier in Bonn ist zu 100 % menschengemacht, nämlich durch Zupflastern jeglicher Grünstreifen, Freiflächen, Plätze und Baulücken durch vorwiegend Bürogebäude, die sich ganz offensichtlich im Wettbewerb um die hässlichste, unfreundlichste Architektur sehen. Das wird derweil auch zur Klimakrise, aber in einem etwas weiteren Sinne.
Lieber KJN, nun sind wir doch wieder „back to basics“. Wir hatten das schon. Der Zusammenhang zwischen CO2 und Treibhauseffekt ist gut belegt, auch erdgeschichtlich.
Ich verweise auf die Azolla-Schwimmfarn, die einst den warmen arktischen Ozean bedeckte und sich so schnell vermehrte, dass sie die weltweite CO2-Konzentration in der Atmosphäre von mindestens 1000 auf 650 ppm absinken ließ. Die Azolla hat sich dadurch selbst zerstört, da der Mangel an CO2 für einen derart drastischen Temperaturrückgang sorgte, dass die Niederschläge an den Polen zurückgingen, wodurch der Zustrom von Süßwasser und Nährstoffen abebbte und die Pflanzen verhungerten. Auf dem ehedem warmen Arktischen Ozean bildete sich eine Eisschicht. (Darstellung nach Tim Flannery, Europa: Die ersten 100 Millionen Jahre, Insel 2019)
Wie Sie den Zahlen entnehmen, handelt es sich um einen ähnlich drastischen Rückgang von CO2 wie jetzt umgekehrt um eine Zunahme, aber alles im Rahmen eines minimalen Anteils an der Gesamtatmosphäre, wie heute.
https://de.wikipedia.org/wiki/Azolla-Ereignis
Na, Roland Ziegler..
„Der Punkt war aber der, dass wir heute Anlass haben, den heutigen Ärzten und auch den Klimatologen mehr Glauben – deutlich mehr Glauben – zu schenken als früher Louis seinen Quacksalbern.“
..so sprachen die Leibärzte wohl auch zu Louis XIV.
Es ist doch nicht immer alles ‚Verschwörung, Stefan Trute. Das mit den ‚97%‘ hatten wir doch schon:
https://starke-meinungen.de/blog/2019/12/09/dem-volke-dienen/comment-page-1/#comment-71303
Claas Relotius z.B. hat sich doch nicht verschworen. Der wollte einfach gefallen. Eitelkeit, schicke Meinung / ‚Haltung‘ haben. Tolle Stories – für eine gute Sache halt. Menschlich. Das gibt es überall und die Wissenschaft ist keine Priesterkaste – über jeden Zweifel erhaben. Lesen Sie Heinrich Mann: Der Untertan.
noch @Alan Posener
darauf hatte ich vergessen einzugehen, fast wichtigster Punkt:
„..setzt das Gas [CO2] beim Zerfall [der Vegetation] wieder frei“
Natürlich nie komplett. -> Humusbildung, später Torf, Kohle, Erdöl..
Deposition, Entnahme des CO2 aus der Atmosphäre ist z.B. durch Tropenwälder mit der dünnen Humusschicht weniger möglich, als durch Wälder in den gemäßigteren Zonen. Da waren die Römer wohl rechte Klimasünder.
Richtig, @KJN. Würden die Pflanzen den CO2 komplett abgeben, gäbe es erstens keine fossilen Brennstoffe und zweitens keinen Anlass, Wiederaufforstung zu betreiben.
Ob die Abholzung des Mittelmeers durch Phönizier, Griechen und Römer das Klima beeinflusst hat, weiß ich nicht, aber dass si ganze Landstriche unfruchtbar machte, steht außer Frage.
Nein, die Leibärzte sagten damals nicht, dass ihre Methoden und Erkenntnisse besser wären als die zukünftigen in 300 Jahren (d.h. unsere heutigen). Und Sie, lieber KJN, glauben auch selbst nicht daran (hoffentlich jedenfalls), sondern Sie wissen – egal wer was wann sagt – dass die heutigen Ärzte mehr Vertrauen verdienen als die damaligen Quacksalber. Deshalb ist das hier eine sinnlose, wahrheitsrelativistische Scheindiskussion.
Lieber Alan Posener, nun habe ich ja nun wirklich nirgendwo gesagt, dass CO2 keinen Treibhauseffekt hätte, sondern dass er gering ist (offensichtlich 2W/m2). Natürlich kenne ich die IR-Absorptionsspektren des CO2. Ich halte es allerdings durchaus für sinnvoll, sich mal mit den ‚basicsˋ vertraut zu machen, wie Sie schreiben, um überhaupt quantitative Aussagen, machen zu können. H2O ist das Haupt-Agens des Treibhauseffektes und wird (auch) durch den Einfluss von CO2 in die Atmosphäre gebracht, aber es gilt schon, abzuschätzen, ob es da auch andere Ursachen geben könnte. Ein zugegebenermaßen grobe Abschätzung habe ich als Einstieg zu dem Thema geben wollen, es liegt bei Ihnen und den vermutlich wenigen anderen Mitlesern, das als Anstoß zu sehen, nicht jedes eigene Nachdenken über das Thema (=Zweifel) als Idiotie abzutun. Und Sie merken schon, dass der Azolla Schwimmfarn ein sehr gutes Beispiel für die von mir erwarteten Regulationsmechanismen ist. Glauben mag ja gut sein, ich halte Verstehen für besser. Und wissen wir wirklich, warum Azolla abgestorben ist? Wegen Temperaturerniedrigung oder weil der Grund für ihr massenhaftes Auftreten, das CO2 weggefallen ist?
@KJN: Mein Punkt war nicht das Aussterben der Azolla. Sondern der Klimaeffekt der CO2-Entnahme.
Nachtrag zum CO2: Auch bei seiner geringen Konzentration in der Atmosphäre ist es natürlich ein hochwirksames Agens (eine wesentliche Ursache für Wasser in der Atmosphäre und gleichzeitig wesentlicher Pflanzendünger.) Es müssen aber bei der Abschätzung der Folge seiner (auch von mir) unbestrittenen Zunahme in der Atmosphäre (wahrscheinlich) infolge der Industrialisierung alle Aspekte berücksichtigt werden. Die teilweise harschen Reaktionen auf selbstdenkende Zweifler bei der öffentlichen Diskussion finde ich be- und entfremdend.
@Alan Posener
Um es auch möglichst kurz zu machen, ggf. hier abzuschließen: Bei der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre spielen mehrere Faktoren eine Rolle. U.A. auch die Kalksteinbildung, wie in dem von Ihnen verlinkten Wikipedia-Artikel erwähnt. Möglicherweise wird die auch durch die sich erhöhende Temperatur verbessert. Es bleibt kompliziert und eine mögliche Beeinflussung des Weltklimas durch anthropogene CO2-Einsparung ein Szenarium unter vielen. Ich weiß auch, dass wir das hier nicht auflösen können.
@Roland Ziegler
Die Argumentation ist heute, wie damals die gleiche und den wissenschaftlichen Fortschritt habe ich nicht infrage gestellt. Aber es gibt auch dort eben kein ‚Ende der Geschichte‘ bzw. halte ich es für wahrscheinlich, dass unsere Nachfahren in 300 Jahren auch unsere derzeitigen medizinischen Behandlungsmethoden für ‚Quacksalberei‘ halten.
@Stefan Trute
Aber ja, ein absolut zeitloses Buch. Ihnen, und den anderen, die mir mir streiten oder nur mitlesen, dem unermüdlichen Blogbetreiber, allen schöne Feiertage mit einem guten Klima.
@KJN: Nein, die Argumentationen der Leibärzte damals unterscheiden sich erheblich von denen der heutigen Ärzte. Hinsichtlich Diagnose, Ursache, Therapie usw.. Das einzige, was gleich ist, ist der Anspruch, recht zu haben. Der Wahrheitsanspruch. Der ist aber unerheblich, denn jeder, der etwas sagt, beansprucht Wahrheit. Aber nicht jede Aussage ist wahr. Wenn zwei Leute entgegengesetzte Aussagen zum selben Sachverhalt treffen – z.B. zum Gesundheitszustand von Louis – , dann kann nur einer recht haben.
Hier gibt es keinen Relativismus.
Die medizinischen Aussagen der damaligen Leibärzte waren damals und sind heute immer noch (verallgemeinernd und vereinfachend gesagt) unwahr und ihre Therapien wirkungslos oder gar schädlich. Die der heutigen Mediziner sind (im Allgemeinen und vergleichsweise) wahr und ihre Therapien wirkungsvoll (es wird zukünftig bessere geben, klar). Hier gibt es ein „mehr wahr“ (heute) und ein „weniger wahr oder komplett falsch“ (früher).
Wer das bestreitet, ist Wahrheitsrelativist und bestreitet Fortschritt. Da nützt es auch nichts, im Nachgang zu beteuern, man würde den Fortschritt nicht bestreiten. Doch, das haben Sie mit Ihrem Leibärzte-Beispiel getan. Und da Sie der heutigen Medizin faktisch und praktisch vertrauen (das nehme ich an), widersprechen Sie sich in diesem Fall auch noch selbst.
Die Klimatologie, um nun den Bogen zu spannen, ist keine Esoterik wie die Medizin des 17. Jahrhunderts, sondern eng angebunden an die moderne Physik. Sie ist Wissenschaft, sie akkumuliert die Erkenntnisse aus Jahrhunderten der Forschung und verdient Vertrauen. Oft wird z.B. auf Computermodelle hingewiesen, als sei das irgendwie fragwürdig. Ohne Computermodelle wäre die moderne Wissenschaft undenkbar. Den Computermodellen – zusammen mit empirischen Daten – verdanken wir wesentliche Erkenntnisse über das Universum (im Großen und im Kleinen). Und auch die Funktionsweise unserer Technik. Dieselbe Technik, die von Ihnen und allen, die Computermodelle fragwürdig finden, sehr umfangreich genutzt wird.
Klimatologie und moderne Medizin sind keine Quacksalbereien. Trotzdem können Sie nicht nur zweifeln, sondern sogar sich sicher fühlen, recht zu haben. Das ist Ihre Meinungsfreiheit. Aber suchen Sie die fachwissenschaftliche Diskussion. Dort müssen Sie Überzeugungsarbeit leisten. Außerhalb dieser Fachdiskussion – es gibt Hunderte ähnlicher Fachdiskussionen zu allen möghlichen Themen – müssen „wir“ – d.h. die Gesellschaft als Ganzes, wir „Ochsen“ – uns an den Mainstream halten (an jene 97%). Der ist grundsätzlich viel vertrauenswürdiger als es der Mainstream des 17. Jahrhunderts war. Egal ob der meinte, recht zu haben. Er irrte sich eben. Eine 100%-Zustimmung wird sich übrigens selbst bei einer glasklaren Wahrheit nie einstellen. Auch die Leibärzte glaubten im Recht zu sein, klar. Aber sie waren es nicht.
Lieber Roland Ziegler, Quecksilbersalze sind ein Bakterizid und man kannte damals zwar noch keine Bakterien, aber eine positive Wirkung, zum Beispiel bei Wundbrand, war bekannt. Die Leibärzte mögen zwar Wichtigtuer gewesen sein, aber sie waren keine Idioten. Auch ihre Wissenschaft hatte bereits eine Systematik. Ich suche übrigens hier keine Fachdiskussion, sondern versuche den gesunden Menschenverstand mit alltäglichen Beispielen anzusprechen. Sie müssen sich mit meinen Darlegungen nicht auseinandersetzen, aber auch ich darf insofern Respekt verlangen, dass man sie entweder ignoriert oder eben inhaltlich angreift. Ich halte mich auch nicht für so etwas, wie ein ‚Genie‘, das im Alleingang das Klima gedenkt zu leugnen, aber wenn ich das Gefühl bekomme, dass Bestimmte Sichtweisen irgendwie unerwünscht wären, werde ich misstrauisch. Und das ist jetzt wohl auch Ihnen gegenüber so, weil Ihre Entgegnungen nur so vor unzulässigen Umkehrschlüssen wimmeln, die bisher ignoriert habe. Sie springen ständig zwischen den Zeiten hin und her und vergleichen Erkenntnisse von damals mit Erkenntnissen von heute, ohne zu berücksichtigen, was damals gewusst werden konnte und was heute gewusst werden kann. Und auf das, was heute gewusst werden könnte, was aber nicht thematisiert wird, habe ich auch hingewiesen. Ich muss es leider so sagen – mir erscheinen Ihre Einlassungen auf mich als eine Mischung aus überheblichem Spott und Kasernenhofton. Und der ist in vielen Fällen bie dem Thema, und nicht nur da, wieder symptomatisch für dieses Land geworden.
Lieber Roland Ziegler, ein erläuternder Nachtrsg: Bisweilen brauche ich die Hilfe durch eine reale Diskussion in Echtzeit, diesmal am heiligen Abend am Tisch mit Gästen, um die präziseren und gleichzeitig aber entschärfteren Formulierungen zu finden: Wenn die Wissenschaft unumstößliche Wahrheiten produzieren würde, gäbe es keinen Fortschritt in ihr und durch sie.
Sie würde sich selber abschaffen. Das Gegenteil ist der Fall: Jedes gelöste wissenschaftliche Problem erzeugt 10 neue. Das ist keine Relativierung der Wissenschaft bzw. hier Klimaforschung, sondern die Beschreibung des Erkenntnisprozesses. Wer sich allerdings – das o.A. berücksichtigend – bewusst eine Erkenntnis oder Aussage herausgreift (CO2 Zunahme durch Industrialisierung), um den archimedischen Punkt zu finden, das Klima zu retten, dem unterstelle ich schon, dass er mindestens erziehen, wenn nicht gar einschüchtern will, also eine autoritäre Grundhaltung, die ich Ihnen aber nicht unterstellen will.
BTW Weihnachten/ off topic: Ein brillanter Leitartikel von Armin Nassehi in WELT-Kompakt darüber, wie die Familie in diesen Tagen öffentlichen Trubel und Konflikte auffängt.. betitelt mit ‚Frohes Fest – Weltunterbrechung‘. Brauchen wir wohl alle.
Schön gesagt. Ja, Posener ist gradlinig und akzeptiert andere Meinungen, indem er sie zur Kenntnis nimmt und bei Bedarf anfechtet. Das zeichnet ihn aus.
@KJN
Sie setzen einen Journalisten, der Stories erfindet, aber nicht gleich mit Wissenschaftlern, deren Aussagen Sie nicht teilen!?
Heinrich Manns „Untertan“ ist ein zeitloses Buch. Sollte ich vielleicht wirklich mal wieder lesen. Danke für den Tipp. Ihnen Frohe Weihnachten!
Lieber KJN, ich war hier einige Zeit lang abwesend, jetzt nur ganz kurz inmitten von erheblichem Weihnachtstrubel: Kasernenhofton ist mir fremd, ich habe nicht gedient und war Kriegsdienstverweigerer. Allerdings kann es nicht schaden, wenn ich etwas deutlich zurückweise, das ich für unsinnig erachte.
Im Allgemeinen spielt für den Wahrheitsgehalt keine Rolle, WANN etwas gesagt wird. Auch nicht, WO. (Es sei denn, es geht z.B. um Aussagen über das Wetter.) Wenn also Quecksilber gegen eine Krankheit wirksam ist, dann haben die Leibärzte damals etwas Richtiges – das bedeutet hier: etwas Wirksames gegen die Krankheit – gesagt, es aber mit einer falschen Theorie begründet. Es war eben nicht alles falsch, aber doch das meiste. Anders als heute. Ein historisches Standardverfahren war das Zur-Ader-lassen. Das war in 90% aller Fälle schädlich und die Theorie dazu ebenfalls falsch. Ob die Leute das damals wissen konnten oder nicht, spielt für diese Beurteilung nicht die geringste Rolle. Auch der bewundernswerte Aristoteles konnte viele seiner naturwissenschaftlichen Aussagen nicht besser wissen. Aber obwohl er dies nicht konnte und obwohl er bewunderswert und seine Aussagen phantasievoll waren und sind, waren diese Aussagen (z.B. zu den Elementen oder zu der Ursache, warum ein Pfeil fliegt usw.) falsch. Und sie sind heute immer noch falsch.
Ihnen und allen anderen nachträglich ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
…huch, ich war eben in der Zeile verrutscht. Na, falls Sie dies finden, werden Sie es schon richtig verorten., hoffe ich
Zum beliebten „gesunden Menschenverstand“: Manchmal empfiehlt es sich, auf den Rat von Experten zu hören und gerade nicht auf den gesunden Meschnenverstand, der zwar immer ungemein gesund, aber leider auch begrenzt ist. Wenn ein Arzt Ihnen ein Darmkarziom diagnostiziert, sollten Sie nicht weiterhin das glauben, was Sie zuvor geglaubt haben, nämlich dass Sie ein paar harmlose Verdauungsstörungen haben, die Sie am besten mit Tee oder Schnaps bekämpfen, sondern sich sofort in Behandlung begeben. Auch wenn Ihre als gesunder Menschenverstand getarnte Angst abrät.
Und sowas Ähnliches sollten wir beim „Klima“ auch tun.
Der gesunde Menschenverstand ist (im Gegensatz zum kollektiv gemeinten ‚gesunden Volksempfinden‘) im Individuum lokalisiert. Er interagiert mit seiner Umwelt, wägt ab und hört auch schon mal auf den Arzt, der im Übrigen auch den Einzelfall berät. Er weiß, dass man zwar auf sich achten muss, aber erhöhte Cholesterinwerte kein Todesurteil sind. Und nein, er kauft sich keinen SUV, wenn er in der Stadt fahren muss,aber er lässt andere ihre Erfahrungen selber machen, womit wir dann nochmal beim Klimaschutz wären, denn er weiß, dass Belehrungen und Verbote bei jedem vitalen erwachsenen Menschen auf Widerstand stoßen, schon gar nicht, wenn sie ‚global‘ nichts bewirken und dem Individuum nur eine weitere Steuer abpressen. Der gesunde Menschenverstand wird versuchen, sich gegen jede kollektive Angst zu positionieren (um nicht das Wort ‚Hysterie‘ zu gebrauchen und auf dem Feld der immer währenden Unterstellungen und Fettnäpfchen in den Verdacht gretafeindlicher Misogynie zu geraten). Der gesunde Menschenverstand wird stets versuchen, die eigene Angst zu überwinden, wenn Entscheidungen anstehen und z.B. dafür sein, sichere Brutreaktoren zu entwickeln, wenn es denn angeraten sein sollte, große CO2-emitterende Kraftwerke, die die Megacities am Leben halten, zu ersetzen und damit auch den ewigen radioaktiven Müll loszuwerden. Und der gesunde Menschenverstand wird sich gegen eine (Merkelsche) Fähnchen-im-Wind-Politik wenden, die eine törichte Entscheidung im Sinne einer nicht vorhandenen ‚Schwarmintelligenz‘ nach der anderen fällt. Ja, ich glaube, im derzeitigen Koordinatensystem ist der gesunde Menschenverstand rechtskonservativ. And so I am.
Auch Ihnen und Ihrer Familie einen guten Rutsch.
@KJN; … womit wir dann nochmal beim Klimaschutz wären, … schon gar nicht, wenn sie ‘global’ nichts bewirken und dem Individuum nur eine weitere Steuer abpressen.‘
… richtig, Klaus, der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat schon Anfang 2016 eine zusätzliche EU-weite Benzinsteuer vorgeschlagen, um die Kosten der ‚Flüchtlingskrise‘ aufzubringen.
Was für ein eigenartiger Zufall, dass der gesunde Menschenverstand sich genau da befindet, wo Sie sich auch selbst verorten! Ihnen auch einen guten Rutsch.
@KJN
„Gesunder Menschenverstand“ ist also rechtskonservativ?
Nein, „gesunder Menschenverstand“ ist eine hohle Phrase, beliebiges Totschlagargument – intellektuell armselig. Genauso wie das faschistische „gesunde Volksempfinden“ der Nazis von der AfD.
Sagen Sie einfach, Sie sind rechtskonservativ und exemplifizieren das dann. Reicht völlig als Diskussionsgrundlage. Den „gesunden Menschenverstand“ haben Leute auf Ihrem Reflexionsniveau wirklich nicht nötig.
Bon Rutsch ins New Year!
Zum gesunden Menschenverstand empfehle ich Friedrich Engels: „Für den Metaphysiker sind die Dinge und ihre Gedankenabbilder, die Begriffe, vereinzelte, eins nach dem andern und ohne das andre zu betrachtende, feste, starre, ein für allemal gegebne Gegenstände der Untersuchung. Er denkt in lauter unvermittelten Gegensätzen; seine Rede ist ja, ja, nein, nein, was darüber ist, das ist vom Übel. Für ihn existiert ein Ding entweder, oder es existiert nicht: Ein Ding kann ebensowenig zugleich es selbst und ein andres sein. Positiv und negativ schließen einander absolut aus; Ursache und Wirkung stehn ebenso in starrem Gegensatz zueinander. Diese Denkweise erscheint uns auf den ersten Blick deswegen äußerst einleuchtend, weil sie diejenige des sogenannten gesunden Menschenverstands ist. Allein der gesunde Menschenverstand, ein so respektabler Geselle er auch in dem hausbacknen Gebiet seiner vier Wände ist, erlebt ganz wunderbare Abenteuer, sobald er sich in die weite Welt der Forschung wagt; und die metaphysische Anschauungsweise, auf so weiten, je nach der Natur des Gegenstands ausgedehnten Gebieten sie auch berechtigt und sogar notwendig ist, stößt doch jedesmal früher oder später auf eine Schranke, jenseits welcher sie einseitig, borniert, abstrakt wird und sich in unlösliche Widersprüche verirrt, weil sie über den einzelnen Dingen deren Zusammenhang, über ihrem Sein ihr Werden und Vergehn, über ihrer Ruhe ihre Bewegung vergißt, weil sie vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht.“
(F.E. Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft)
Naja, @hans, da wollte wohl der alte Schäuble-Fuchs seiner Chefin einen reingewürgt haben. Das ,Volk‘ ist stets missbrauchbar als Emotionslieferant für eigene Machtinteressen. ( s. Macchiavelli). So ein Populist aber auch (offensichtlich keineswegs ein AfD -Alleinstellungsmerkmal). Ich denke wohl, dass es genauso wenig eine ,Flüchtlingskrise‘, wie eine ,Klimakrise’ gibt. Aaallerdungs scheint es wohl eine Krise der ÖR-Medien zu geben, die Probleme haben, die Wirklichkeit zu akzeptieren, z. B. wenn ein ,deutscher‘ Vergewaltiger Azad heißt oder eben mit dem Unterschied zwischen warmem Sommerwetter und Klima. Aber da scheint der Deutsche Wetterdienst auch Probleme mit zu haben.
@ Roland Ziegler, ich bin auch immer überrascht, dass ich immer da bin, wo der gesunde Menschenverstand ist. Ein guter Börsenspekulant bin ich damit wohl nicht.. (oder?)
… mir gefällt zu ‚gesunder Menschenverstand‘ das vergleichbare ‚Common Sense‘ im englischen. Etwa Thomas Paines Streitschrift ‚Common Sense‘; die ‚Flugschrift‘, die Thomas Jefferson 1776 beeinflusste als er die amerikanische Unabhängigkeitserklärung verfasste und unterzeichnete.
Der Merkel- und Genossenkonsens in der ‚BRD‘ wird uns Einigkeit und Recht und Freiheit nicht bringen. Im Gegentum. Worauf warten wir?
Interessant, blonderhans. Was halten Sie von Paines Ausführungen zur Sklaverei?
Engels meint beim gesunden Menschenverstand Metaphysik, vom ‚Ding an sich‘, ‚Wesenheiten‘, ‚Wahrheit‘ usw. Ich spreche von Risikoabschätzung und vom Mut, den eigenen Verstand zu gebrauchen. Ein Streit um den Begriff ‚gesunder Menschenverstand’ ist langweilig, zumindest „auf meinem Reflexionsniveau“. Wenn Engels Begriffe als Kampfbegriff politisiert, so, wie das Linke heute auch gerne tun, ist das sicher geistesgeschichtlich erhellend, dies festzuhalten, aber die Reflexion, darüber, ob dieser Begriff irgendwo kontaminiert sein könnte, war erkennbar nicht Thema meiner Einwürfe. Vielmehr wollte ich darauf hinweisen, dass die Welt, die Natur nicht so eindeutig beschreibbar ist, wie eifernde Klimaaktivisten das verstehen wollen. Und dieser Hinweis, der vor wenigen Jahrzehnten noch als moderat und kritisch abwägend aufgenommen worden wäre, hat den mittlerweile den ‚Geruch‘ von ‚Klimaleugner’ und ‚Rechts‘ und wenn das von der linken Mehrheit so gewollt ist und sie die Deutungshoheit über das Koordinatensystem beansprucht und zumindest in den Medien faktisch hat, dann ist das eben so. Und dann bin ich halt ‚rechtskonservativ‘. Deswegen bin ich dennoch z.B. für ein Tempolimit und (schon länger, aufgrund der nach dem Stand der Dinge nun so tragisch im Krefelder Zoo mit qualvoll verendeten Tieren, gezeigten Brandgefahr) für ein Verbot der Silvesterknallerei. Und gegen grenzenlosen Konsum und reparierbare, langlebige Gebrauchsgegenstände. Denn Exzesse bedrohen auch die Freiheit.
..und gegen grenzenlosen Konsum und FÜR reparierbare und langlebige Gebrauchsgegenstände..
… ich weiß nicht was recht was Sie meinen, Paine kam aus einer Quäkerfamilie und wusste daher selbstverständlich das alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Da hat Paine vom Evangelium abgekupfert, zum Beispiel aus den Seligpreisungen in Matthäus 5. Darum geht es mir bei ‚Common Sense’/’gesunder Menschenverstand‘ und Patriotismus.
… und ohne Alkohol, er war ein Trinker, seine letzten Worte: ‚Ich würde Welten geben, wenn ich sie noch hätte, wenn ‚The Age of Reason‘ niemals veröffentlicht worden wäre. O Herr, hilf mir! Christus, hilf mir! Bleib bei mir! Es ist die Hölle, alleingelassen zu werden.‘
… ooops? Korrektur
… ich weiß nicht so recht was Sie meinen, Paine kam aus einer Quäkerfamilie und wusste daher selbstverständlich das alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Da hat Paine vom Evangelium abgekupfert, zum Beispiel aus den Seligpreisungen in Matthäus 5. Darum geht es mir bei ‘Common Sense’/’gesunder Menschenverstand’ und Patriotismus.
… und ohne Alkohol, er war ein Trinker, seine letzten Worte: ‘Ich würde Welten geben, wenn ich sie noch hätte, wenn ‘The Age of Reason’ niemals veröffentlicht worden wäre. O Herr, hilf mir! Christus, hilf mir! Bleib bei mir! Es ist die Hölle, alleingelassen zu werden.’
Gell, sie haben seine Schrift nicht gelesen. Geben Sie es zu.
@APo
… gehört?, nun weiß ich immer noch nicht was Sie meinen.
Super! Ich bin ja mit einigen Ex-68ern groß geworden – Rabehl, Fichter, Lönnendonker, Staadt u. a. – nur wenige sprechen von den Ideen ihrer „linken“ Phase. Sie verbergen es heute eher. Herzlichen Dank, dass Sie das so offen und so klar tun.
Ich glaube nicht, dass mein Freund und Ex-Genosse Jochen Staadt seine früheren Ideen „verbirgt“. Außerdem leistet er im Forschungsverbund SED-Staat tätige Reue.
Bin mir nicht sicher, streiche, ziemlich sicher, dass die Küchenpsychologie nicht trifft.
Anpassungsopportunismus ist eine Menschheitskonstante, weil er im schlechtesten Fall Überleben und im besten Wohlstand sichert. Ich halte ihn für genetisch programmiert. Frei davon können dem folgend Kollektive von selbstermächtigten Rebellen nicht sein, frei davon sind aber auch alle anderen Gruppen nicht. Man muss sich für diese Erkenntnis nur die schleichende Selbstgleichschaltung der heute dominierenden Teile der veröffentlichten Meinung ansehen, in der nach meiner Beobachtung instinktiv und unbewusst jede Meinung vermieden wird, die vom eigenen Kollektiv gerade für schlecht, irrational oder illiberal erachtet wird.
Und eines ist seit spätestens den achtzigern des letzten Jahrhunderts auch nicht zu bestreiten – es ist vor der Folie von Deutschlands massenmörderischen Verbrechen 33 bis 45 deutlich schwieriger, sich als Rechter denn als Linker zu verorten. Bei letzteren reicht die Akzeptanz der veröffentlichten Meinung bis mindestens zur Grenze gewalttätiger Linksextremismus, bei Rechten nicht mal mehr zur Befürwortung eines traditionellen Familienbildes, also zur rechten Mitte.
„Es ist anstrengend, Elite zu sein. Selbst zu denken.“
Ja. Aber das gilt immer und zu allen Zeiten für 95% der Menschen. Und ist kein besonderes Merkmal zeitgenössischer „Rebellen“gruppen.
Gruss,
Thorsten Haupts
„Man muss sich für diese Erkenntnis nur die schleichende Selbstgleichschaltung der heute dominierenden Teile der veröffentlichten Meinung ansehen, in der nach meiner Beobachtung instinktiv und unbewusst jede Meinung vermieden wird, die vom eigenen Kollektiv gerade für schlecht, irrational oder illiberal erachtet wird.“ Und, @Thorsten Haupts, sie verbringen den ganzen Tag bei der vergleichenden Betrachtung der „veröffentlichten Meinung“, von ARD über ZDF bis zu den verschiedenen Rundfunksendern, von FAZ bis taz via WELT, von Spiegel bis Tichys Einblick, von JF via Achse zu diversen Influencern auf YouTube?
Ich glaube Ihnen nicht.
Die Verwendung eines Nazi-Begriffs – „Gleichschaltung“ zur Beschreibung eines von Ihnen unterstellten, aber unwahren Sachverhalts spricht Bände. Wie wäre es, rhetorisch abzurüsten und konkret zu kritisieren? Lesen Sie eine Woche die WELT und berichten Sie dann hier über Ihre Beobachtungen.
„Die Verwendung eines Nazi-Begriffs – “Gleichschaltung” zur Beschreibung eines von Ihnen unterstellten, aber unwahren Sachverhalts …“
enthält eine halbwahre Beobachtung – ich habe Selbstgleichschaltung mangels eines besseren Begriffs verwendet . Enthält natürlich „Gleichschaltung“, wenn Ihnen ein echtes Synonym einfällt, nehme ich das gerne stattdessen.
Ob meine Unterstellung unwahr ist, wäre zu belegen. Der dominierende Teil der veröffentlichten Meinung besteht aus ARD, ZDF, den überregionalen Tageszeitungen FAZ, WELT und SZ sowie den Wochenblättern SPIEGEL und ZEIT. Für dominierend reichen 5 von 7 – WELT und FAZ nehme ich aus, ohne meine Behauptung revidieren zu müssen. Eigentlich reichten 2 von 7, angesichts des ungeheuren Reichweitenvorteils von ARD und ZDF, aber sei´s drum.
Indizien für meine Unterstellung habe ich dagegen einige:
https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs11616-017-0378-9
https://ef-magazin.de/2018/07/16/1761-uebersicht-politisch-meinungsbildende-zeitungen-und-zeitschriften-in-deutscher-sprache
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163740/umfrage/parteipraeferenz-von-politikjournalisten-in-deutschland/
Kann gerne (fast) beliebig verlängert werden. Das sind natürlich nur Indizien für den Kern meiner Behauptung („schleichende Selbstgleichschaltung“), aber für das „unwahr“ sind Sie jetzt in der Belegpflcht.
„…Tichys Einblick, von JF via Achse…“ Pruuuuust. Seit wann zählen die genannten zu den (wenigen) deutschen Medien mit Einfluss auf politische Entscheidungsträger? Ich käme auch nicht auf die Idee, auf der Linken taz, indymedia, freitag und nd als Beleg für (oder gegen) irgendetwas heranzuziehen. Strohmann.
„sie verbringen den ganzen Tag bei der vergleichenden Betrachtung“. Nö, nicht mehr. Früher schon. Und das Auftauchen bzw. Erstarken von TE, Achse oder JF passen haargenau zu meiner Beobachtung – es gäbe sie nicht, wären deutsche Medien vorher intellektuell diverser gewesen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das Durchschnitttsalter der Zuschauer*innen von ZDF und ARD ist 60 Jahre. Und Sie reden von dem „ungeheuren Reichweitenvorteil“. Sie leben im 20. Jahrhundert. Willkommen in der Welt von Rezo (2,8 Mio. Abonnenten auf zwei Kanälen) und anderen „Influencern“. Wer sich noch über die Ö-R aufregt und behauptet, sie würden die öffentliche Meinung beherrschen, verrät nur sein eigenes Alter.
https://www.media-control.de/turi100918.png
Ich möchte Thomas Haupts Behauptung gerne konkretisieren: ARD, ZDF und Deutschlandfunk sind immerhin Medien, die ich nicht abbestellen kann und da könnte/dürfte ich m.E. schon erwarten, dass z.B. in einer solchen Sendung
https://www.deutschlandfunk.de/andruck.1309.de.html
auch mal ‚alternative‘ Schriften besprochen/beworben würden und nicht nur feministische und klimaalarmistische. Sobald ich anschalte, zu welcher Zeit auch immer, schlägt mir das geschlossene Weltbild Greta Thunbergs oder Bernd Ullrichs entgegen.
Die (u.v.A.) von mir vorausgesagte und durch Satellitenaufnahmen bewiesene Wiederbegrünng der Erde durch CO2-Düngung und deren positive/kompensatorische Auswirkungen finden in den per Zwang finanzierten Medien nicht statt. Z.B. Ja, die ‚Welt‘ ist da besser, aber die muss ja auch um ihre Leser buhlen.
Lieber KJN, Weltbegrünung einmal beiseite: ARD und ZDF kann ich nicht beurteilen, weil ich buchstäblich nie fernsehe. Beim DlF bin ich eher bereit, Ihnen zu glauben, aber ich gebe zu bedenken, dass DlF Kultur mich immer wieder in ihre Mittagssendung „Der Tag mit …“ holt, eben weil die Redakteure sich von mir eine in Teilen jedenfalls für sie provokative Meinung erwarten.
Niemand zwingt Sie aber, diese Medien zu benutzen. Nun mögen Sie sich über Ihre Rundfunkgebühr ärgern. Warum die vielleicht doch nicht ganz falsch ist, geht aus einer Ihrer Bemerkungen hervor: „Ja, die ‘Welt’ ist da besser, aber die muss ja auch um ihre Leser buhlen.“ Es ist zumindest überlegenswert, dass es einer Demokratie nutzen kann, wenn es Medien gibt, die weder von den Nutzern noch von Werbeeinnahmen abhängig sind. Sie müssen nicht so üppig ausgestattet sein wie ARD, ZDF und Co., die Geld in großem Umfang verschwenden, aber die Lage auf dem Markt ist inzwischen so desaströs, dass sich die meisten privaten Medien nur in begrenztem Umfang investigative Recherche leisten können. Da gibt es zwar die internationale Kooperation des ICIJ, die etwa die Panama-Papiere auswertete (das hätte die „Süddeutsche“ allein nicht geschafft), aber auch die überlebt nur dank der Förderung durch – horribile dictu – George Soros. Der britische Staatsrundfunk BBC hat die Unterdrückung der Uiguren in Xingiang und die Vertreibung der Rohingya aus Birma dokumentiert, um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen. Ich bin nicht mit der Berichterstattung des BBC über Israel einverstanden, aber dennoch verlasse ich mich auf den Sender – und auf den chronisch unterfinanzierten American Public Radio – für Nachrichten aus aller Welt (auch aus der Welt der Wissenschaft).
Mir scheint also, Differenzierung tut Not. Und die Welt wird ja auch, wenn Sie Recht haben, auch ohne diese Medien grüner und besser, weil unser CO2-Ausstoß immer noch wächst.
Klar, ARD/ZDF guckt keiner mehr unter 60, dennoch sind die Talkshows auch in der WELT Dauerthema. Ich weiß nicht, ob das wirklich etwas zur Diskussion beiträgt, lieber Alan Posener, wenn ständig versucht wird, vermeintliche unmaßgebliche Meinungen ‚alter weiße Männer über 60‘ (z.B.) – man muss es wohl so sagen – in rassistischer Manier zu marginalisieren. Klar, damit kann man/frau/divers sich momentan etwas besser fühlen, aber gerade dieser ÖR-Rentnerfunk (nicht wahr?) wird doch immer noch als seriöse Referenz gehandelt. Und ich finde eben: zu Unrecht. Um Ihren Gedanken aufzunehmen: ich wäre auch für einen erheblich abgespeckten Staatssender (Richter und Professoren im Staatsdienst müss(t)en auch unabhängig sein) , wo wir wieder beim leidigen, nicht ganz neuen Thema sind, dass jegliche wirtschaftliche und organisatorische Mischform (Werbung im ÖR? Rundfunkräte? Parteieneinfluss?) mehr als problematisch ist. Ich denke, für immerhin 17,50€ /Monat darf ich morgens eine einigermaßen umfassende Presseschau erwarten, die das ansonsten in den ÖR-Medien gesendete Meinungsspektrum überschreitet. Das gilt auch für Buchbesprechungen, Musik, Kultur überhaupt. Klar, das bietet auch ‚das Netz‘, aber wozu dann die 17,50€ Subvention?
Ich sehe auch schon sehr lange so gut wie kein TV mehr (ab und zu die ‚Presseschau‘) auf Phoenix, ein altes Ritual sozusagen; es gibt im Radio den einen oder anderen guten Musikfachmann (Karl Lippegaus). Ich bin mit dem ÖR groß geworden, habe mich aber erheblich entfremdet und ich möchte mir nicht einreden lassen, das läge daran, dass ich ’nach rechts‘ gerückt wäre.
Lieber KJN, weder habe ich gesagt, dass Ihre Meinung nicht zählt, weil Sie wie ich ein alter weißer Mann sind, das wäre in der Tat Rassismus, noch habe ich gesagt, Ihre Unzufriedenheit mit den Ö-R läge daran, dass Sie nach rechts gerückt seien. sie müssen schon genau lesen, bevor sie sich empören.
Ich habe gesagt, dass die Ö-R nicht so relevant sind, wie viele ihrer Kritiker unterstellen.
Dass ich lieber 10 Euro im Monat für Apple Music und 11 Euro für Netflix als 17,50 für die Ö-R steht auf einem anderen Blatt. Auf dem Blatt nämlich, wo gefragt wird, ob die Ö-R Qualität liefern. Das ist eine viel interessantere Frage als die, ob sie das Meinungsspektrum der Bundesbürger komplett abbilden.
Empören, lieber Alan Posener.. nun ja, diskutieren. Und nein, haben Sie nicht gesagt, aber die süffisante Einleitung „Gerade ältere Herren empören sich, machen dies oder jenes..“, wie z.B. von Roland Ziegler weiter oben, sind doch immer wieder gern gesehen. Und ist die Meinung der ZDF-Zuschauer bei Wahlen tatsächlich (statistisch) irrelevant? Nein kein Schrei nach Gerechtigkeit von meiner Seite, nach dem Motto: Alle Meinungen müssen genannt sein. Geht doch gar nicht. Allerdings wäre es m.E. schon naiv, davon auszugehen, dass es einen medialen Bias nicht gäbe oder geben könnte, dass bestimmte Auffassungen nicht karrierefördernd oder karrierehemmend wären und dass das keine Auswirkung hätte. Skandalisierung im Sinne der Mehrheitsmeinung ist immer lukrativer, als Skandalisierung dagegen, wenn man nicht beim Kopp-Verlag auf dem Haufen der Verschwörungsheinis landen will, wo jeder Zeit-Leser angewidert seine grün-bildungsbürgerliche Nase rümpfen darf. Es ist halt nicht opportun. Und in der Wissenschaft? „Such‘ doch mal in deiner deinen Datenbanken, ob es da eine Korrelation zwischen bestimmten Wasserinhaltsstoffen in dem ..See und der Klimaerwärmung gibt..“ Nun, der Schreiber dieser Zeilen suchte (paar Jahrzehnte her), fand keine und fragte zurück: „Und? veröffentlichst du das?“. Darauf: „Nein, es ist ja keine Aussage..“. So habe ich es erlebt, das Geschäft. Skepsis gegenüber Mehrheitsmeinungen, insbesondere, wenn nicht genau hingesehen wird, welche Mehrheitsmeinung da überhaupt gemeint ist, scheint mir sehr angeraten zu sein.
Qualität ist allerdings wichtig. Qualität, im Sinne von Tiefgang, Berücksichtigung von erreichbaren Fakten, Relevanz und plausiblen Antithesen. Manchmal wäre die Überprüfung darauf einfach, würde man z.B. z.B. verschiedene Wissenschaftler, die so ganz selbstverständlich zu den 97% gezählt werden, nehmen wir Schellnhuber und Nir Shaviv, danach fragen würde, was sie denn nun von Gretas und Louisas Forderungen halten. Ich denke, die Antworten könnten nicht unterschiedlicher sein. Vorbei wäre es mit der vielbeschworenen Eindeutigkeit und die 97% würden da schon als rhetorisches Konstrukt entlarvt werden. Derlei nenne ich mal ‚Medienkompetenz‘.
„Willkommen in der Welt von Rezo (2,8 Mio. Abonnenten auf zwei Kanälen) und anderen “Influencern”.“
ROFL :-). Wenn Sie jetzt noch irgendwie nachweisen können, welchen Einfluss die Rezos dieser Welt auf die aktuellen Funktionseliten in Europa oder den USA, alle über 50, haben?
Gespannt wartend,
Gruss,
Thorsten Haupts
Ähm, CDU/CSU fragen.
Rezo: Spekulant von Meinungen an der Meinungsbörse. Die CDU/CSU hat zu früh kalte Füße bekommen, hat überhastet verkauft. An die AfD.
Okay, den grundlosen Panikanfall des substanzlosen Pragmatistenhaufens, der aus der Union geworden ist, den gebe ich Ihnen :-).
Ansonsten bleibe ich dabei – das „Influencer“tum auf YouTube, instagram, Facebook und twitter wird masslos überschätzt. Gottseidank – die meisten der in diesen Umgebungen vor Kraft nicht laufen könnenden jungen Leute werden älter und vernünftiger werden, bevor sie den Staffelstab der Funktionseliten übernehmen können.
Gruss,
Thorsten Haupts
Lieber Herr Posener,
was wollen Sie mit Ihrem Artikel eigentlich sagen? Kann man die Kernaussage vielleicht in zwei drei Sätzen zusammenfassen? Ich habe es nicht verstanden, aber eine vage Ahnung. Sie möchten irgendwie „die Linken“ und „die Rechten“ gleichsetzen. Ich sehe aber in der BRD gerade nur sehr, sehr wenige Linke, die ihrer Beschreibung ensprechen:
„Die intellektuellen Anführer der Rechtspopulisten halten sich für Individualisten, die sich tapfer dem Mainstream widersetzen. Wie 68, nur eben rechts. In Wirklichkeit ist der Wunsch, endlich ihren Individualismus und Intellektualismus loszuwerden und im breiten Strom der Masse mit zu schwimmen, ein viel stärkerer Antrieb. Wie das ja auch bei den Nachfolgern der 68er, den K-Gruppen der Fall war. Und nicht nur bei ihnen.“
Sie zitieren Mattuseck (ich muss jedesmal nachschauen, wie man das schreibt, heute habe ich keine Lust dazu, ich weiß aber, dass es so falsch ist) über Lula, obwohl der gute Mann derzeit Geschichte ist und lenken damit von dem eigentlchen Populisten und Antidemokraten Bolzonaro ab. Sie reden über K-Gruppen, d. h. über sich selbst, nur sehe ich derzeit niemanden der ernsthaft auf diesem Trip ist und in einer bundesdeutschen Partei Einfluss hat. Ich lese hier eigentlich gerne mit, aber diesmal ist es doch sehr vage, was Sie uns anbieten.
Vielleicht helfen Sie mir ja beim Verständnis.
Mit freundlichem Gruß
Ihr 68er
Lieber 68er, es tut mir Leid, wenn ich unverständlich geschrieben habe. In der Tat fasst die von Ihnen zitierte Passage meinen Grundgedanken gut zusammen. Dabei geht es mir gar nicht um heutige Linke, wie ja aus der Passage erhellt. Es geht mir eben um die Versuchung, die von der Identifizierung mit der Masse ausgeht.
Sehr interessant. Vielen Dank.