Ich bewundere den Arbeitsmarkt-Optimismus unseres Landes, aber auch die Hartnäckigkeit und das Durchhaltevermögen unserer ‚Boomer‘ – Generation. Wir mögen es kompetent und effizient. Für viele von uns war und ist Arbeit ein essentieller Teil unserer Identität. Egal ob wir Angestellte oder Selbstständige waren oder es noch sind. Und ich würde sogar behaupten, dass die angemessene Entlohnung zwar wichtig war, jedoch meist nicht an erster Stelle stand. Sinnvoll war gut. Team war wichtig. Vielleicht gab es ein wenig Pioniergeist, gerne gepaart mit der Erfahrung von Wertschätzung unserer Zeit und unserer Erfahrung. Menschlich mau bis untalentiert auf Führungsebene ist kein ‚Boomer‘-Terrain. Und dieses interessante Feilschen um mehr Freizeit für Fun & Family kommt auch eher seltsam rüber. Die Trennung der Welten von Arbeit und – der Rest?
Ist Arbeit nicht mehr erfüllt von Leidenschaft, Loyalität und der Lust am Miteinander mit dem Ziel eines erfüllten Tages, wodurch definiert sie sich dann? Und ich spreche hier querbeet, also vom Einräumen der Supermarktregale bis zur Gehirn-Akrobatik um unsere Klima-Herausforderungen auf praktischer Ebene zu stemmen. Ich meine uns alle, die wir arbeiten, weil wir diese Erfahrung schätzen. Zusatz-Input, neue Kollegen, alte Vertraute, Weggefährten oder auch dieser eine Weg auf dem Friedhof, den eine Gärtnerin besonders gerne harkt, weil die Vögel dort singen. Mit Michael Endes Buch Momo kam für unsere Generation auch der ‚Beppo‘, ein wahrlich weiser Straßenkehrer im Sinne der Zen-Philosophie. Nur einen Pflasterstein nach dem anderen kehren, nie die ganze Straße ansehen, also so ein gesamtes Arbeitsleben. Vertrauen, dass immer wieder ein Weg kommt, ein neuer Tag eine neue Inspiration bringt und vielleicht das eine zufällige Gespräch die Richtung weist. Was gibt es Wunderbareres als den Spielplatz Arbeitswelt?
So eine Einstellung heißt im Klartext auch für meine Wenigkeit, dass die Folgegenerationen schon auch was zeigen müssen. Vor allem den Esprit, den wir den Ring geworfen haben will ich gespiegelt sehen. Habt ihr unsere jahrzehntelangen Arbeits-Landkarten auf dem Schirm? Erkennt ihr vielleicht bei uns auch eine Dialogbereitschaft, die vielen jungen Menschen heute zu fehlen scheint, weil sie sich von vorne herein überfordert glauben? Statistiken sind nämlich so eine Sache.
Klar kann ich mit über sechzig noch arbeiten. Aber eher schränke ich mich finanziell ein, als mich mit Menschen zu langweilen, die denken sie sind die ersten auf diesem Planeten, die in ihrer Lebenszeit auch ein paar Schwierigkeiten stemmen müssen. Nabelschau? Sehr, sehr wichtig, liebe Arbeitsmarkt-Folgegeneration. Besser mal länger auf den Nabel geschaut und ein wenig drüber, in der Magengegend ein bisschen Chuzpe entdeckt als diese langweiligen Seufzer, weil ganz vielleicht Wohlstand zukünftig anders daherkommt. Nur eins solltet ihr nicht versäumen, und das rate ich euch als fröhlich Erntende: Familiengründung. Selbst zu viert auf fünfzig Quadratmeter gelingt euch vielleicht das mutigste Heldenstückchen eures Lebens, von dem ihr eines Tages noch euren Enkeln erzählen werdet.
Liebe Nicole,
wie schön, Dich hier unter uns wiederzufinden. Und, danke für diesen launigen Text, der ins Herz der Finsternis des Gelangweiltseins vom Arbeitsleben der Folgegenerationen trifft. Natürlich, nicht alle aus diesen Genrationen, nicht mal der überwiegende Teil, aber immerhin genug, um es als Problem zu definieren. Dazu kommt, dass es gerade in unserer Branche schon immer einen „Jugendwahn“ gibt, eine Art Maschinenstürmerei. Die Ursache dafür, so habe ich sehr oft das Gefühl, wenn mal wieder ein älterer Kollege oder eine ältere Kollegin keine Aufträge mehr bekommen, ist vielleicht gar nicht so sehr, dass die, die es betrifft, plötzlich verlernt hätten kreativ zu sein, sondern einfach, dass man die Jüngeren nicht soviel Gage zahlen braucht, wie jemandem, der sich seine Berufserfahrung natürlich auch bezahlen lassen muss.
Ich hoffe, mehr von Dir hier zu lesen. Liebe Grüße.
Liebe Frau Joens, kaum verändert sich die Welt, erklären die Älteren den Jüngeren, wie sie richtig zu leben und zu arbeiten hätten, gestützt auf die vermeintliche Weisheit vergangener Jahrzehnte. Auch Sie greifen zu diesem Muster: Sie tragen alte Maßstäbe in eine veränderte Realität und erwarten, die Jungen sollten diese bereitwillig übernehmen. Sie suggerieren, mit Ihrer Haltung lasse sich beides bewältigen: ein erfülltes Arbeitsleben und eine Familiengründung, als sei dies lediglich eine Frage der inneren Einstellung, nicht auch der äußeren Bedingungen. Damit sprechen Sie den Jungen implizit ab, kluge und weise eigene Entscheidungen für ihr Leben zu treffen. Vielleicht betreiben die Jungen auch nur Selbstfürsorge in einer Arbeitswelt, die mit Ihrer Vorstellung von Loyalität kaum noch etwas gemein hat. Nicht jeder, der leiser geht, geht orientierungslos. Nicht jeder muss leben, wie es andere vor ihm für richtig hielten. Man könnte den Jungen zutrauen, das selbst zu entscheiden.
PS: Geschrieben übrigens als Angehöriger der Gen X, auch nicht mehr ganz jung, in einer Woche jenseits der 60h-Marke unterwegs. Neugier, Esprit und Gestaltungswille? Keine Frage des Alters.
„Klar kann ich mit über sechzig noch arbeiten. Aber eher schränke ich mich finanziell ein als mich mit Menschen zu langweilen, die denken sie sind die ersten auf diesem Planeten, die in ihrer Lebenszeit auch ein paar Schwierigkeiten stemmen müssen. Nabelschau? Sehr, sehr wichtig, liebe Arbeitsmarkt-Folgegeneration. Besser mal länger auf den Nabel geschaut und ein wenig drüber, in der Magengegend ein bisschen Chuzpe entdeckt als diese langweiligen Seufzer, weil ganz vielleicht Wohlstand zukünftig anders daherkommt.“
Falls Sie mit der „Arbeitsmarktfolgegeneratin“ in der Praxis so reden , sollten Sie Ihre Idee, sich aus dem Arbeitsleben zurück zu ziehen, ganz bald in die Tat umsetzen. Solch ein arrogantes Dahergerede nach der Melodie „Früher war alles besser. Wir KONNTEN noch arbeiten!“, garniert mit altmütterlichen Ratschlägen, nervt im besten Falle..
Das Zetern über „die Jugend“ ist doch so alt wie die Menschheit selbst …
Meine Kinder, beide Anfang 20, würden Sie wahrscheinlich nur ansehen, schulterzuckend und mitleidig lächelnd.