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Orwells Schafe

Ich hatte hier Rainer Werners Kritik an Willi Jaspers Buch über 68 und die Folgen meinerseits kritisiert. Darauf antwortete Rainer ausführlich in einem Kommentar. Auch dieser Beitrag kann nicht unwidersprochen stehen bleiben.

Lieber Rainer,
1. Herr Keuner ist ein Weiser. Er weiß, dass nicht nur Linke sich irren, sondern dass Irren menschlich ist. Vielleicht kann man die Welt sogar einteilen in solche, die demütig wie Herr Keuner sind und solche, die glauben, ihre politische Position – links, rechts, grün, liberal, feministisch, antiimperialistisch – mache sie für Fehler immun.


2. Ich vernehme gern, dass du in Öhringen öffentlich für deine dortige Arbeit im Dienst der Weltrevolution Selbstkritik geleistet hast. Aber darum geht es mir nicht. Ich unterstelle dir nicht charakterliche Fehler. ich unterstelle deinen hier veröffentlichten Texten inhaltliche Fehler.
3. So wiederholst du in deiner Erwiderung die Behauptung, die 68er Studentenbewegung sei mehrheitlich gegen die Gewalt gewesen. Diejenigen aber, wie Jasper, Koenen, und auch ich, die eine Gewaltkontinuität behaupten, wollten damit nur „ihren eigenen Anteil am Sündenfall“ kleinreden. Die religiöse Sprache ist bezeichnend, nebenbei. Auch als Stalinist neigtest du zum Pietistischen. Aber darum geht es mir nicht. Lies doch – erstens- die Einleitung zu deinem Beitrag. Dort zitierst du Gretchen Dutschke, Peter Schneider, Joschka Fischer, Jürgen Trittin und Antje Vollmer als Beispiele für Leute, die ihre Vergangenheit schönreden. Trittin (KB Nord) und Vollmer (Liga gegen den Imperialismus) waren in K-Gruppen oder deren Umfeld tätig, die anderen aber nicht. Und neben Schneider hättest du – zweitens – zig andere mehr oder weniger bedeutsame Schriftsteller und Intellektuelle nennen können, von Hans-Magnus Enzensberger über Peter Weiss bis Heinrich Böll, die – ohne je etwas mit den K-Gruppen zu tun gehabt zu haben – Gewalt verherrlicht oder gerechtfertigt haben. Jasper nennt auch viele „bürgerliche“ Publizisten und Politiker, die Maos China bewunderten. Drittens aber entbehrt deine Behauptung jeglicher Grundlage, dass die meisten 68er „keinesfalls bereit waren, zur Durchsetzung ihrer Ziele Gewalt anzuwenden. Sie hielten an einem Sozialismus fest, der den Menschen einleuchten muss und von ihnen freiwillig angestrebt werden sollte“. Es gab keinen Gandhi der Studentenbewegung. Niemand trug bei 68er Demos Bilder des 1968 ermordeten Martin Luther King mit sich. Die Helden der Bewegung waren der Stalinist Che Guevara, die Massenmörder Mao TseTung und „Onkel Ho“ Tschi-Minh, die Black Panther und die PLO. Und das ging nach 68 weiter. Ich kann mich gut an die Demonstration gegen das AKW in Brokdorf erinnern, anno 76, glaube ich, wo es die KPD-Kader – darunter ich selbst – waren, die eine wilde Demonstrantenmeute davon abhalten mussten, das AKW-Gelände zu stürmen und eine wilde Schlacht mit der Polizei anzufangen. Dafür steckten wir nicht nur verbale Prügel der Umweltfreunde ein. Noch einmal: Es gab 68 keinen Gandhi. Als ich freilich das erste Mal in Polizeigewahrsam saß, 1966, nach einer verbotenen Vietnam-Demo, sagte einer, das nächste Mal müssten wir alle Blumen mitbringen und sie der Polizei schenken. Das war Dieter Kunzelmnann, später Terrorist der „Bewegung 2. Juni“ und immer noch in Nachrufen als „Politclown“ verharmlost.
4. Geradezu absurd ist deine Behauptung: „Der entscheidende Mentalitätsbruch der Studentenbewegung war das Abgleiten seines maoistischen Teils ins Totalitäre. Und den haben alle linke Gruppen außerhalb von KPD, KBW, KPD/ML und KB-Nord nicht mitgemacht.“ Nicht zufällig, denke ich, „vergisst“ du hier die große RAF-Sympathisantenszene („Rote Hilfe“, „Patientenkollektive“, „Spontis“ aller Couleur, „Haschrebellen“, Hausbesetzer, Anwälte, aber auch bürgerliche Kreise bis hin zu jenen Leuten, die beim gepflegten Abendessen diskutierten, ob man einen RAF-Terroristen, wenn er um ein Nachtlager bitten würde, der Polizei ausliefern würde, meistens mit dem Ergebnis: nein. Der Lehrer, der Ulrike Meinhof dann doch „verriet“, wurde in seinem Kollegium und Freundeskreis mit Verachtung bestraft und isoliert).
Noch bezeichnender ist, dass du die DKP/SEW „vergisst“. Ja, sie taten verfassungstreu und antitotalitär. Übten freilich in der DDR mit Waffen. Dass es ihr Auftrag war, die Linke in der Bundesrepublik zu unterwandern, die ursprünglich antisowjetisch und anti-DDR war, Dubcek und Biermann und Kuron bewunderte, und – ein Missverständnis! – Mao gut fand, weil sie ihn für antiautoritär hielt; dass der große Umschwung in der 68er Bewegung doch nicht das Abwandern von ein paar tausend Verbissenen und Verirrten in die K-Gruppen war, sondern die Erberschleichung durch diese „Agenten des sowjetischen Sozialimperialismus“, wie wir sie nicht ganz zu Unrecht nannten: das unterschlägst du und hast die Chuzpe zu behaupten, „Linke“ könnten – anders als du – den Kommunismus nicht kritisieren!
5. Du erwähnst eine bisher unveröffentlichte Kritik von Detlev Michel an Jaspers Buch. Er ist herzlich eingeladen, sie hier auf „SM“ zu veröffentlichen. Freilich ist der Autor des Verklärungs- und Verharmlosungsstücks „Eine linke Geschichte“, das vor allem eine Wohlfühlatmosphäre hinsichtlich der früheren Verirrungen des bürgerlichen Publikums im GRIPS-Theater verbreiten sollte und mit großem Erfolg verbreitet hat, nicht gerade der verlässlichste Zeuge, wenn es um eine radikale Selbstkritik der Studentenbewegung geht.
6. Es geht aber, wie gesagt, nicht um charakterliche Fehler, sondern um textliche. Kern und Ursache deiner Fehler verrät folgende Textstelle: „Fehlgeschlagene linke Projekte können im Grunde nur von Menschen, die nicht (mehr) links sind, adäquat kritisiert werden. Das war schon beim Stalinismus der Fall, der am hellsichtigsten von Dissidenten wie Arthur Koestler und Manès Sperber kritisiert wurde. Nur Nicht-Linke haben einen unbefangenen und von Beschönigung freien Blick auf die Verirrungen linker Politik. Man wird ja auch die Kritik an der DDR nicht Sahra Wagenknecht überlassen, sondern sie lieber Reiner Kunze anvertrauen.“
Jasper kann also das „fehlgeschlagene linke Projekt“ KPD nicht „adäquat kritisieren“, weil er noch ein Linker ist. Du kannst es aber, weil du nicht (mehr) ein Linker bist. Du bereitest ja nicht deinen nächsten Irrtum vor, wie Herr Keuner. du bist im Recht, du bist gerechtfertigt.
Das ist nicht nur intellektuelle überheblich, sondern schlicht hanebüchener Unsinn. Was die Kritik an der DDR angeht, so will ich nichts gegen den im Grunde genommen unpolitischen Reiner Kunze sagen; „Die wunderbaren Jahre“ ist ein wunderbares Buch. Zweifellos aber war die Kritik des damals linken Wolf Biermann treffender und wirkmächtiger. Seine Ausweisung läutete das Ende des DDR-Regimes ein. Auch Rudolf Bahro, der von einer linksgrünen Postion aus die DDR kritisierte, trug mehr zum Sturz des Regimes (und zu seiner Delegitimierung in der westlichen Linken) bei als Kunze. Es waren auch nicht Rechte, sondern Linke, darunter an vorderster Stelle Ex-KPDler wie Christian Semler, Ruth Haase, Elisabeth Weber, Helga Hirsch und Karl Schlögel, die in der CSSR Dissidenten wie Vaclav Havel und und in Polen die Arbeiter der Solidarnosc unterstützten. Dazu schwieg die gesamte „nicht-totalitäre“ Linke schallend, die Rechte sowieso.
Ob Koestler noch links oder nicht mehr links war, als er „Sonnenfinsternis“ schreib, weiß ich nicht. Er war ideologisch immer ein Chamäleon. Fraglos aber waren es gerade linke Intellektuelle und Renegaten, die wesentlich zur Kritik des Kommunismus beitrugen. Allen voran George Orwell. In der Schlüsselszene von „Animal Farm“ werden die Schafe dressiert, die Kernlehre der Revolution zu blöken: „Four legs GOOD! Two legs BAAAAD!“ DAS. mein lieber, ist die Essenz des totalitären Denkens: Linke DOOF! Nicht-Linke KLUUUUG!
Du glaubst, dich von deinen Irrtümern entfernt zu haben, weil du sie laut niederschreist. Dabei endest du genau dort, wo diese Irrtümer ihren Anfang nahmen: bei der selbstgerechten Intoleranz.

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11 Gedanken zu “Orwells Schafe;”

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    Ganz schön waidwund, lieber Alan, Du musst Dich nicht rechtfertigen, mir liegt es fern, Dir Aufrichtigkeit und Ehrenhaftigkeit in Abrede zu stellen, im übrigen auch nicht W. Jasper, obgleich sein Rückblick mir streckenweise als fadenscheinig erscheint, seine Sicht sei ihm gegönnt. Intellektuell oder zumindest Journalistisch ist es doch reizvoll, wenn die Bekehrung zu verschiedenen Graden, Einsichten und Standpunkten erfolgt. Selbst als plötzliche muss sie nicht verdächtig sein, siehe Gulag und die französischen Intellektuellen. Nur kein Ressen-timent pflegen. Lassen wir es dabei, lieber Alan, mach’s gut.

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      „Waidwund“ bin ich nicht, überhaupt geht mir die Jägersprache ab. Ich bin freilich kein Freund derjenigen, die damals inquisitorisch fragten, ob man ja auch die richtige Linie verfolge, und es heute wieder tun, nur mit umgekehrtem Vorzeichen.

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    Weiß nicht, lieber Alan, ob Dir diese Notiz überhaupt noch signalisiert wird. Sei’s drum,
    ich probier’s, nachdem ich heute zufällig über Twitter/Ziesemer auf Deinen Blog und die Rezensionen zu Jaspers Gläsernem Sarg gestoßen bin, den ich nach ein Paar Seiten dann im Weiteren überflogen und an die UB wieder zurück gegeben habe ( Ziesemer – Abfall oder was ward ihm aufgrund seiner bürgerlichen Karriere bescheinigt ? ).
    Ich gestehe, ich bin kein regelmäßiger Leser Deiner Artikel und Beiträge, wenn ich ‚mal welche zu Angesicht bekomme, erlebe ich Dich als klugen und rhetorisch schneidigen Autor. Umso mehr überrascht mich, was Du zu Jaspers Buch, zu der Werner’schen Rezension und im weiteren Zusammenhang dazu geschrieben hast.
    Keine systematische Erwiderung, nur ein paar Stichworte zu Jasper etc.. und ich nehme in Kauf, dass das wahrscheinlich für eine Mehrheit anödend sein muss die ( vermeintlich ) selbst-quälerische Reflexion dieser alten Linken oder inzwischen Renegaten.
    Ja, ich finde auch, dass das mehr Selbst-Beweihräucherung als Selbstkritik ist. Wenn selbst Peter Stein, Enzensberger und andere auch fasziniert waren von Kulturrevolution etc., das entlastet doch oder adelt es nicht sogar ?
    Dabei, so solitär prägend war der Maoismus gar nicht für uns. Klar, fundamentale anti-revisionistische Markt-Positionierung, Hauptfeind Sozialimperialismus, internationale Lage, Generallinie, Anti-Imperialismus, Peking Rundschau, dem Volke dienen, barfüssige Ärzte (arme KSV-Mediziner! ) Lenin, Stalin, Thälmann ( Bolschewisierung, RGO etc. ) schienen für uns doch noch mehr praktische Relevanz zu haben. Die waren und sind rückblickend aber nicht so schmückend. Oh, Maoist, im Gegensatz zum biederen DKP’ler !
    Die linke Kultur ist Revolutions-romantisch der Kulturrevolution verfallen so wie Du ja offensichtlich noch zustimmend zitierst “ die wahren Helden sind die Massen „. Für uns war es schon die Machtstrategie im Kampf zweier Linien, von permanenter Revolution und dergleichen haben wir nichts gehalten. Gut, wir haben nicht so viel gewusst, wie viele Millionen dem Großen Sprung, der Kulturrevolution oder dann Pol Pot’s Entwurf einer Neuen Gesellschaft zum Opfer gefallen sind. Nicht nur, dass man es aber hätte in Erfahrung bringen können ( über “ konterrevolutionäre “ Medien ). Nein, wir, unsere Partei, Ideologie und Strategie sahen darin, analog bei Stalin, Kulaken, Bucharin usw. Ergebnisse des unvermeidlichen Kampfes auf Leben und Tod, Klassen gegen Klasse usw.. Wir hatten eigentlich nichts dagegen so wie wir den Ideologischen Gegner mit dem Schaum vor dem Mund ( oder waren wir das für die KPD-ML ? ) und den Bourgeois sowieso sofort ins Bergwerk geschickt hätten.
    Selbstkritik hieße einzugestehen, dass wir nur das Glück hatten, bloß die Marx’sche Farce zur Weimarer KPD abzugeben und nicht annähernd an die Macht zu kommen, die uns zur Tragödie hätte werden lassen. Selbstkritik hieße zu reflektieren, was uns von der Faszina-tion unterschied, die die junge Nazi-Elite ergriff. Anti-Faschismus, Anti-Imperialismus, Empathie für die Ausgebeuteten und Entrechteten waren doch Überbau ( nicht im Marxschen Sinne ) für kaltes, Moral-freies, absolutes Machtstreben – oder ?
    Und Du müsstest Dich doch darin erinnern, wie null und nichtig für die Partei Holocaust und Antisemitismus waren – Israel war Sozialfaschismus, eine der luziden, zugespitzten Analysen unseres begeisternd intelligenten Parteiführers wie auch die zur visionären Potenz der Chomenei-Revolution.
    Ich hege einen gewissen Zweifel, dass Dich die intellektuelle Potenz der Genossinnen und Genossen zur Parteinahme für Rotzeg/KPD gezogen hat. Die will ich denen gar nicht absprechen. Aber viel mehr, jedenfalls für mich, war es ihre Ausstrahlung, Ausdruck absoluter Siegesgewissheit und Überzeugtheit bar jeden Zweifels.
    Also keine Verdienste ? Anzuerkennen ist sicherlich, was für die osteuropäische Dissidenz, speziell in den Jahren danach getan wurde. Diese Parteinahme folgte anfänglich aber schlicht auch einer taktischen Räson: demokratische Bündnisse, Schwächung des Sozialimperialismus etc..
    Man muss sich nicht schämen, zu dieser stalinistisch-maoistischen Parteigeschichte gehört zu haben, man sollte aber die Fähigkeit entwickelt haben, dazu Scham empfinden zu können, zu was wir fähig gewesen wären, wenn die Geschichte mit uns im Bunde gewesen wäre.
    Alles Gute, Alan !

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      Bist du „Uli Schumacher“ aus der Zentralen Leitung des KSV, der mich, weil ich der Verheizung von Studenten in der Bethanien-Kampagne widersprochen habe, wg. Rechtsabweichlertum kritisiert hat im Bunde mit dem Superstalinisten Klopotek und Konsorten? Nur eine Frage, weil ich es immer interessant finde, wenn ehemalige Genossen so allgemein schwafeln und selbst irgendwie dabei zur Chiffre verkommen.
      Aber der Reihe nach:
      1. Was mich betrifft, so habe ich mich vielfältig zu meiner Vergangenheit geäußert, auch in dem von dir im Sinne der aufrechten Selbstkritik – spric: Asche aufs Haupt, mea culpa, mea maxima culpa! – geforderten Sinn. Du kannst das gern nachlesen.
      2. Was Jasper betrifft, so forderst du ein anderes Buch. Aber das wurde schon geschrieben, und zwar mehrfach, beginnend mit Götz Alys „Unser Kampf“. Jasper hat nun einen anderen Zugang gewählt, ohne mit Selbstkritik zu sparen, und wenn du mehr als ein paar Seiten gelesen hättest, würdest du es vielleicht erkannt haben. Wir waren früher Meister darin, Dinge zu kritisieren, von denen wir keine Ahnung hatten, und du hast offenbar diese Fähigkeit nicht verloren.
      3. Kurz nachdem ich aus der Partei ausgetreten (als „Element“ aus der Partei ausgeschlossen worden) war, Anfang 77 etwa, traf ich den Professor Bauer, der gestern auf einer Veranstaltung zu Jaspers Buch ihm vorwarf, „immer noch ein Schreibtischtäter“ zu sein. Der hatte mich in den „Berliner Heften“ öffentlich kritisiert wegen meiner ebendort veröffentlichten Abrechnung mit meiner Arbeit in der KPD und gefragt, „Wie handelt man?“, wenn man so denke wie ich sich nicht in der Partei engagiere. (Eine berechtigte Frage.) Auf dieser Veranstaltung – nicht gestern, sondern vor 40 Jahren – fragte Bauer noch einmal, warum ich mich von der Partei lossage: „Weil wir KZs gebaut hätten, wenn wir an die Macht gekommen wären“, erwiderte ich. Er drehte sich wortlos ab.
      4. Will sagen: Die von dir geforderte Selbstkritik habe ich vor 40 Jahren und mehr öffentlich geleistet und seitdem immer wieder. Ich habe mir 20 Jahre Politik- und Publikationsverzicht verordnet, eine Art praktische Selbstkritik. Ich habe selbst in meinen Wikipedia-Eintrag die dort fehlenden Angaben zu meiner Tätigkeit in der Partei eingefügt, die mir Klugscheißer seitdem immer wieder um die Ohren schlagen, sollen sie, sollen sie.
      5. Aber wenn du nicht ohne Berechtigung den Vergleich unserer Begeisterung für die Partei mit der Begeisterung junger Nazi-Kader vergleichst, so solltest du auch konsequent sein und die Schreie der Abscheu und das gebetsmühlenartige Herunterrattern der Verbrechen des Kommunismus, die von dir und anderen späten Renegaten bei jeder Gelegenheit erfolgen, mit der plötzlichen Bekehrung der Jungnazis zu gläubigen Demokraten am 10. Mai 1945 vergleichen. Dass einer sagte, „ich war für den Führer deshalb und deshalb und deshalb“, das kam kaum vor und ist heute vollends unmöglich. Aber nur so wäre Verständnis möglich. Das Niederschreien aller Versuche, den Nationalsozialismus zu erklären, hat ihn ja nicht besiegt. Das Niederschreien von Jasper erklärt nichts. Es beweist nur das eigene gute Gewissen.

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    @ AP
    Nicht Sie sondern die Sozialisten haben ein gestörtes Weltbild.

    Dieses Menschenbild „Du bist nichts, die Gemeinschaft/das Volk … ist alles“ produziert geradezu Neidgefühle, welche sich dann irgend wann entladen.

    Wenn wir jetzt mit einigem Abstand auf das vergangene Jahrhundert des Sozialismus zurückblicken, werden wir den negativen Einfluss des Sozialismus hoffentlich alle erkennen.

    Mit Linke doof hat das nichts zu tun.

    Dabei will ich es dann aber auch belassen.

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      Ich bin in der Tat kein Sozialist, lieber PP. Aber ich bin, hoffe ich, nobel genug, in der sozialistischen Weltanschauung mehr zu sehen als Neid und Kollektivismus, kurz eine „Störung“, wie Sie unterstellen. Sie machen es sich doch allzu leicht, fürchte ich.

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    Tja – Selbstgerechtigkeit war eben ein Kennzeichen dieser Teile derjenigen, welche meinten, die „68er“ zu sein, und sie setzt sich fort! Es wäre schön, wenn einige die Zuschreiben „die Linke“ oder „links“ vergessen könnten, um zu benennen, was sie damit meinen.
    Übrigens macht Bettina Röhr denselben Fehler wie die sich hier streitenden „Linken“ oder „68er“. Sie meint, dass die Typen, die ihre Eltern kannten, „die 68er seien“. Jede Analyse der sozialen Veränderungen in dieser Zeit und der Kohorte der nach 1944 Geborenen fehlt. Gesellschaft ist nicht identisch mit dem, was Journalisten meinen, was sie sei. Manchmal oder sogar oft verändert sich eine Menge und es wird erst nach Jahren deutlich, was relevant war und was einfach nur lautes Geräusch.

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    Da sich die Leser über die „Veteranenseligkeit“, die sich in der gegenwärtigen Diskussion auf den „SM“ ausdrückt, zu langweilen beginnen, will nur noch kurz auf einen Punkt eingehen, der mir – auch im Hinblick auf die Zukunft – wichtig zu sein scheint. Es geht um die Frage: Können Linke „wetterfeste“ Demokraten sein?
    Wenn ich in meinem letzten Beitrag betonte, dass nur Menschen, die nicht (mehr) links sind, Fehler, die linksradikale Parteien gemacht haben, adäquat bewerten und kritisieren können, kann ich auf zahlreiche reale Erfahrungen mit linker Solidarität verweisen. Als vor einem Jahr der internationale „autonome“ Mob das Schanzenviertel in Hamburg in ein Bürgerkriegsszenario verwandelte, gab es in linken Organisationen und Publikationen – bis hinein in linksliberale Blätter wie die Süddeutsche Zeitung – „klammheimliche Sympathie“ mit den Gewalttätern. Um Rationalisierungen waren die Kommentatoren nicht verlegen: Warum musste der Gipfel auch in einer Großstadt wie Hamburg stattfinden? Schafft die Globalisierung nicht tatsächlich ein Heer von Verlierern, das sich hier artikuliert hat? Hat nicht auch die Polizei zur Konfrontation beigetragen? usw. Mit solchen Fragen sollte von der Gretchenfrage in der Demokratie abgelenkt werden: Wie hältst du´s mit der Gewalt? Ist sie nicht per se verabscheuungswürdig, weil es in der Demokratie genügend Mittel und Wege gibt, Unmut und Protest zu artikulieren? Wenn ein Polizist von einem Pflasterstein am Kopf getroffen wird, macht es dann einen Unterschied, ob er von einem rechten oder einem linken Aktivisten geworfen wurde? Demokratieforscher sind der Meinung, dass Menschen, die ein geschlossenes Weltbild haben (egal, ob rechts oder links begründet), immer in dem Loyalitätskonflikt stehen, ob sie die demokratischen Spielregeln (inklusive Gewaltverzicht) auch dann einhalten sollen, wenn ihr ureigenes politisches Projekt gefährdet ist. Allzu viele entscheiden sich dann doch für ihr politisches Vorhaben, weil es das eigene Ego mehr befriedigt als die Einhaltung formaler Regeln. Es war einer der größten Fehler der linksradikalen Studentenbewegung von „68“, die „formale“ Demokratie verachtet und ihr eine vermeintlich bessere, weil „inhaltliche“ Demokratie entgegengesetzt zu haben. Wenn wir uns die Erosion der Demokratie in Ungarn, Polen und Rumänien anschauen, lernen wir neu begreifen, wie wichtig die Einhaltung der gesetzlichen Spielregeln für den Fortbestand der Demokratie ist.
    Wie linke Loyalitäten mit der Regelverletzung spielen, ja, sie regelrecht befördern, kann man am Verhalten von Flüchtlingsinitiativen studieren. Seenotrettungsschiffe fahren unter gefälschter Flagge, sie setzen das vom Seerecht vorgeschriebene automatische Identifikationssystem AIS außer Kraft und missachten die Befehle der italienischen Küstenwache. Sie tun das natürlich im Sinne einer höheren Moral, der gegenüber schnöde Gesetze und Regeln zurückstehen müssen. Die Leiterin der Bremer Außenstelle des Bamf Ulrike B. begründete ihre Rechtsbrüche damit, dass für sie Menschen, die in Not sind, mehr zählen als Zahlen. In krasser Weise kann man die gespaltene Moral an der Linkspartei studieren. Wenn ihr Schutzpatron Wladimir Putin in Aleppo Bomber einsetzt, die zahlreiche Kinder töten, geht sie mit Schweigen über diese Verbrechen hinweg. Wenn hingegen US-Bomber in Afghanistan bei Luftschlägen Zivilisten (auch Kinder) töten, gibt es bei der Linken einen Aufschrei des Entsetzens. Hier kann man sehen, dass sogar elementare Menschenrechte einer politischen Kosten-Nutzen-Abwägung unterliegen.
    Natürlich muss es in der Demokratie linke und rechte Parteien geben. Sie bilden schließlich die Einstellungen ab, die in der Gesellschaft existieren. Und im Parlament nicht repräsentiert zu sein, ist immer schlecht. Eine Demokratie braucht zu ihrem Überleben aber eine möglichst große Zahl von Demokraten, denen die Gesetze und Regularien heilig sind. Menschen, die über die Demokratie hinaus noch einer weltanschaulichen Gesinnung verpflichtet sind, sind im Ernstfall vielleicht doch unsichere Kantonisten.

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      Deine Beispiele sind richtig, Rainer. Ich verstehe nicht, wie du sie ausgerechnet mir, einem Journalisten der WELT, unter die Nase reiben zu müssen glaubst. Sie haben nur nichts mit dem zu tun, was wir verhandeln. Linke und Rechte neigen dazu, sich in rosigem Licht zu sehen, die anderen aber zu verteufeln. Und das Gleiche gilt für jede anderen Weltanschauung: Liberale, Konservative, Feministen, Christen, Muslime, Hindus …. Wer von sich behauptet, keine solchen Vorurteile über sich und andere zu haben, belügt sich und andere. Deine Behauptung lautete: Nur wer kein Linker (mehr) ist kann den Kommunismus adäquat kritisieren. Und diese Behauptung ist nachweislich falsch.
      Was die Demokratie angeht, so hat sie in Großbritannien etwa, wo es seit jeher eine starke Linke gab, ganz gut überlebt. Ich glaube nicht, dass man dort deutsche Belehrungen darüber braucht, dass Linke von Demokratie keine Ahnung hätten.
      Aktuell sehe ich in der EU die Demokratie vor allem in Polen und Ungarn gefährdet; also nicht von linken Parteien. Man wird sehen, was in Italien passiert.
      Die Verteufelung oder auch nur die Herabsetzung einer möglichen Herangehensweise an die gesellschaftlichen und politischen Probleme der Zeit ist unklug. Als der ungehemmte freie Markt schnurstracks in die Krise von 2008 führte, haben alle nach dem Staat gebrüllt, auch jene, die noch 2007 Keynes als Gottseibeiuns kritisierten. Wir leben in einer Welt, die immer noch von jener Krise geprägt ist, aber recht wenige Menschen haben sich die Mühe gemacht, die Ursachen der Krise zu verstehen.

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    DAS. mein lieber, ist die Essenz des totalitären Denkens: Linke DOOF! Nicht-Linke KLUUUUG!

    Wirklich? Das Wesen totalitären Denkens ist ein verzehrtes Menschenbild, ich vermute aufgrund einer narzistischen Kränkung. Sozialisten, ich unterscheide hier nicht zwischen Rechts- und Linkssozialisten, sind in ihrer verzerrten Wahrnehmung gefangen.

    Mit ihrer Behauptung beschreiben nur die Auswirkungen, welche dann in einem totalitärem Denken münden und fast zwangsläufig in Umerziehungs- und Vernichtungslager führen.

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      Nun ja, wenn man alles psychologisieren will, so kann man natürlich auch der Ansicht sein, dass die Fixierung auf „Sozialisten“ als das Böse schlechthin irgendeiner frühkindlichen Störung enstspringe: vielleicht nahm Ihre Mutter Ihnen die Brust zu früh weg. Das führt nicht wirklich weiter, lieber PP. (Ein selbstgewählter Alias, der tief blicken lässt, wenn man einmal so anfängt.)

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