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Aufklärung und Antisemitismus

Mein Freund und Kollege Hannes Stein hat vor einiger Zeit einen grandiosen Essay über den Antisemitismus einiger Aufklärer und einiger anderer sich als fortschrittlich empfindender Menschen – vom Fabier H.G. Wells über die Bolschewisten und Nationalsozialisten bis hin zum geistreichen und tapferen „Contrarian“ Christopher Hitchens – geschrieben:
Seine Beobachtungen sind leider richtig.
Hannes schreibt zum Schluss:
Solange die Aufklärer, Fortschrittsfreunde und Gottesleugner sich also weigern, ihre eigene judenfeindliche Tradition in Augenschein zu nehmen, solange sie dieses Erbe wie bewusstlos immer weiter tragen, stimmt mit ihnen etwas ganz Grundsätzliches nicht. Sie sind dann zumindest in dieser Hinsicht nicht besser als fundamentalistische Muslime oder die reaktionären Katholiken von der „Piusbruderschaft“.
 
Wer meine Postings hier aufmerksam verfolgt, wird bemerkt haben, dass zwei davon – „Religionskritik und Antijudaismus“ (24. Juli) und „Religionskritik und Menschenrechtsfundamentalismus“ (14. August)  nicht zuletzt Reaktionen auf diese Aufforderung sind, die ich als „Aufklärer, Fortschrittsfreund und Gottesleugner“ auch persönlich nehme.
 
Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich der eigentlichen Frage ausgewichen bin. Gibt es etwas der Aufklärung, der Fortschrittshoffnung und dem Atheismus Immanentes, das deren Vertreter für den Antisemitismus anfällig macht? Und die Antwort ist natürlich: Ja.
 
Da die Religionskritik in Europa und Amerika aus naheliegenden Gründen hauptsächlich Kritik am Christentum und am Islam ist, liegt es nahe, sozusagen radikal zu werden, an die Wurzel zu gehen also und die „Wurzel des Übels“ im Judentum zu suchen. Wobei – und dies ist der erste Fehler – nicht das Judentum gemeint ist, wie es sich spätestens nach der Zerstörung des Tempels – also gleichzeitig mit dem Christentum – herausgebildet hat, sondern das Judentum, wie es uns in einigen Büchern des „Alten“ Testaments entgegentritt, etwa im Deuteronomium. (Das Buch Hiob hingegen wird selten von Kritikern des Judentums zitiert, vielleicht weil es meines Erachtens die vernichtendste Kritik Gottes diesseits des Atheismus enthält. Ach, was sage ich: Atheisten können ja gar nicht Gott kritisieren, weil sie nicht an ihn glauben. Deshalb kritisieren sie allzu oft stattdessen jene, die an Gott glauben, womit wir schon beim Kollektivurteil sind und ein Problem haben.) So kann – zweitens – allerlei dummes Zeug und Vorurteile über die Juden als Rasse in die vermeintliche Religionskritik einfließen. Es ist ein dummes, aber leider unausrottbares Vorurteil, dass sich Antijudaismus und „Rassenantisemitismus“ voneinander trennen ließen. Hitler begründet seinen Antisemitismus immer wieder religiös, und im Antijudaismus der Christen und Muslime schwang immer die Abneigung gegen die Juden als Menschen mit. Man lese nur William Shakespeares großartig-grausiges Stück über den Kampf zwischen christlichen und jüdischen Kaufleuten in Venedig oder schlage den von der Spanischen Inquisition erfundenen Begriff von der „limpieza de sangre“ nach.
Muss aber Religionskritik notwendig zum Antisemitismus führen? Ich glaube nicht. Wenn Richard Dawkins zum Beispiel schreibt, dass der Gott es Alten Testaments „eine der unangenehmsten Gestalten der Weltliteratur“ sei, so mag man das für blasphemisch halten; man kann auch sagen, dass Dawkins ziemlich selektiv gelesen hat und vor allem nicht gemerkt hat, wie sehr die Juden im Verlauf des Alten Testaments Gott zähmen, zivilisieren und vermenschlichen, bis der Rabbi und Zeltmacher Saulus aus Tarsus auf den Gedanken kommt, Gott sei tatsächlich Mensch geworden und habe sich wie ein Opferlamm töten lassen. Man kann also Dawkins vorwerfen, dass er wenig von seinem Gegenstand versteht, aber nicht dass diese Bemerkung an sich antisemitisch wäre. Freilich ist Unkenntnis der Religion ein Haupteinfallstor für Gruppenvorurteile, weshalb ich mich mit Kritik am Judentum und am Islam zurückhalte. Halbwegs auskennen tue ich mich halt nur – trotz Lektüre des Koran, der Buber-Rosenzweig-Übersetzung der Tora und einiger Bücher über jüdische Geschichte – halt nur im Christentum.
Man mag im Rahmen der Religionskritik das Judentum dafür kritisieren, dass es den Gedanken des Monotheismus, des persönlichen Gottes, der Scheidung zwischen Gut und Böse erfunden habe und damit die schöne Skepsis der klassischen Antike mit ihrem nicht sehr transzendenten Götterpantheon durch religiöse Unduldsamkeit, das Sowohl-als-auch durch ein Entweder-oder abgelöst habe. Abgesehen aber davon, dass es mit der Skepsis und Duldsamkeit der Antike nicht sehr weit her war; abgesehen davon, dass die unangenehmeren Züge der christlichen Version des Monotheismus – zum Beispiel der Absolutheitsanspruch und die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit – eher von Platon als vom Judentum herkommen; abgesehen davon, dass, wenn nicht das Christentum, wahrscheinlich irgendein anderer Mysterienkult zur Staatsreligion geworden wäre, weil eben die alten staatstragenden Götter unglaubwürdig geworden waren – abgesehen von alledem ist es logisch unsinnig, die Juden für das Christentum verantwortlich zu machen. Ja, einige unter ihnen haben es erfunden; aber angenommen, ausgebaut, hochgepäppelt, verbreitet, zur Staatsdoktrin erhoben usw. haben es die Gojim. Genauso gut  könnte man das Christentum für den Islam verantwortlich machen. Ja, der Islam beginnt als eine christliche Reformbewegung, aber angenommen usw. usf. haben ihn halt jene, die Muslime wurden, ob sie davor Götzenanbeter, Christen oder Juden waren. Es ist schwer, Ideen zu kritisieren, ohne deren Träger zu kritisieren – so kann jemand antisemitische Ideen verbreiten, ohne selbst Antisemit zu sein –; aber der Mühe muss man sich unterziehen. Man mag die Vorstellung, Gott habe einen Sohn gehabt, für absurd halten, man tut gut daran, denjenigen, der daran glaubt, nicht deshalb für doof zu halten. Er kann doof sein. Ein Atheist aber auch. Als etwa Nikita Chruschtschow sagte, Juri Gagarin habe bei seinem Weltraumflug keinen Gott und keine Engel gesehen, so war das eine doofe Bemerkung.
Aber ich schweife ab. Wenn es also stimmt, dass Aufklärer, Fortschrittsfreunde und Atheisten aufpassen müssen, dass ihre Religionskritik Ideenkritik bleibt und nicht ihrerseits ideenlosen Antisemitismus, Islamhass oder Christophobie transportiert (interessanterweise akzeptiert die automatische Korrektur von Word das Wort „Christophobie“, aber nicht „Islamophobie“) – so gibt es zwischen Aufklärung und Christentum in dieser Beziehung einen Wesensunterschied. Denn der Antisemitismus ist dem Christentum eingeschrieben, vom Matthäus-Evangelium über die Ausfälle des Paulus gegen die Juden  bis hin zur Theologie der Kollektivschuld für den „Gottesmord“, die in der Polemik des Kirchenvaters Tertullian gegen Marcion formuliert, von Martin Luther mit der Aufforderung zur Judenvernichtung verbunden und noch heute von der Pius-Bruderschaft vertreten wird. Es ist ja diese religiöse Überhöhung des Juden zur Inkarnation des Antichrist, die erst die mörderischen Varianten des Antisemitismus ermöglicht. Adolf Hitler schreibt in „Mein Kampf“: „So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“  Hier kommt der zweitausendjährige Antijudaismus der Kirche zu sich, und es ist ein unfassbarer Skandal, dass ausgerechnet der deutsche Papst Benedikt XVI. bei seiner Reise nach Auschwitz kein Wort der Selbstkritik zu diesem christlichen Antijudaismus fand, sondern vielmehr die Schoah als Ergebnis der Abkehr vom Christentum hinstellte, obwohl 99,9 Prozent der am Holocaust Beteiligten als Christen getauft und erzogen worden waren, an erster Stelle der Katholik A.H. selbst.
Unter den Aufklärern selbst gab es üble Antisemiten. Aber die Aufklärung zu nennen, ohne die Freundschaft zwischen Lessing und Mendelsssohn zu nennen, geschweige denn Lessings Stücke „Die Juden“ und „Nathan der Weise“ – das ist denn doch etwas arg. Kants Aufforderung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, ist die entscheidende Waffe gegen das Vorurteil. Es schützt natürlich nicht gegen das Fehlurteil. Aufklärer sein schützte eben nicht vor Rassismus: Hume hielt nicht die Juden, wohl aber die „Neger“ für minderwertig, und glaubte, das auf Beobachtung stützen zu können. Gegen die Sklaverei war er trotzdem. Locke war zwar zunächst für die völlige Emanzipation der Juden, später aber für ihre Konversion zum Christentum und den Export dieser Judenchristen nach Palästina. In den USA,  jenem ureigenen Produkt der europäischen Aufklärung, hatten Juden selbstverständlich die gleichen Bürgerrechte wie andere Weiße, schwarze Sklaven jedoch galten nicht als vollwertige Menschen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Doch was auch immer die französische Revolution etwa an Grausamkeiten und Massakern hervorgebracht haben mag, und die Liste ist lang: Pogrome gegen Juden waren nicht darunter. (Auch Voltaire übrigens sagte, die Juden seien zwar „Verrückte, aber dafür soll man sie nicht verbrennen.“)  Im Gegenteil: zu den ersten Handlungen der Revolution gehörte die völlige rechtliche Gleichstellung der Juden, und wo die Revolutionstruppen hinkamen, brachten sie diese zivilisatorische Eigenschaft mit sich, weshalb in der ganzen deutschen Romantik und weit darüber hinaus Franzosenhass und Judenhass Hand in Hand gehen.
Unterdrückung, Ghettoisierung, Enteignung, Beleidigung, Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der Juden, und zwar massenhaft, brutal und  völlig reinen Gewissens: das war bisher das Privileg der Christen. Und wenn man auch schwer unterscheiden kann und schon gar nicht mag zwischen den Schlächtern Stalin und Hitler, so war diese Unterscheidungsfähigkeit für Juden nach 1939 von existenzieller Bedeutung: Im Machtbereich der atheistischen Sowjets überlebten fast alle Juden; im Machtbereich der Leute, die „für das Werk des Herrn“ kämpften, überlebte fast kein Jude. Und ja, Stalin starb mitten in einer von ihm höchstpersönlich entfesselten antisemitischen Kampagne, als deren Ergebnis die Juden – wie vor ihnen die Tschetschenen, die Russlanddeutschen und andere „unzuverlässige“ Völker – deportiert werden sollten, und daran soll nichts beschönigt werden: Aber das fällt ja auch in die Zeit nach dem „Großen Vaterländischen Krieg“, als der Chauvinismus und Rassismus, die im ehedem zaristischen und christlichen Russland virulent waren und im heutigen putinesken und christlichen Russland immer noch virulent sind, als Mittel der Politik wieder entdeckt werden.
Es gehört heute zum rhetorischen Repertoire der Reaktion, mithilfe der – falsch verstandenen – „Dialektik der Aufklärung“ Adornos und des Taschenspielertricks der Leugnung der christlichen Wurzeln des Nationalsozialismus (über die Friedrich Heer längst das Notwendige gesagt hat), den Nationalsozialismus umzumünzen aus einer anti-aufklärerischen, reaktionären Bewegung in das eigentliche Endprodukt der Aufklärung. (Hannes Stein, das muss ich nicht extra betonen, hat mit der Konstruktion dieses Geschichtsmythos nichts zu tun.) Dagegen gilt es, ohne die Augen vor den Gefahren und Versuchungen der Aufklärung und eines dogmatischen und intoleranten „Aufklärungsfundamentalismus“ zu verschließen, ihre Würde und fortdauernde Aktualität zu verteidigen.
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107 Gedanken zu “Aufklärung und Antisemitismus;”

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    @ KJN
    Exakt:
    „Im Übrigen – und das wäre meine Kritik an dem Artikel – sollte man seit den Progromen und Vernichtungslagern vorsichtiger damit umgehen. Man kann wohl kaum davon ausgehen, daß einer der damaligen Aufklärer das auch nur ansatzweise für gut befunden hätte.

    Hannes Stein hat diesen Artikel, wie so einige andere davor zum Thema Beschneidung, anscheinend mit reichlich Schaum vor dem Mund geschrieben, wodurch wahrscheinlich eine wichtige Kernthese (“Aufklärung/Wissenschaft/Rechtsstaatlichkeit kann totalitär, bevormundend und inhuman sein”) anscheinend hier nur von mir wahrgenommen wurde.“

    KANN. Sporadisch. Evtl. zeittypisch.

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    @Alan Posener
    Feine Antwort. Ich werde mir Ihr Buch beschaffen. Nur Frazer hat sich für mich nach wenigen Seiten zum roten Tuch entwickelt, das Anlass zur Besorgnis gab. „Das wilde Denken“ von Levi-Strauss liest sich abschnittsweise als direkte Erwiderung auf Frazer, wobei ich mich dieser Kritik aus anderen Gründen anzuschließen geneigt bin. Das nächste Mal wenn es um Altorietalistik geht, empfehlen Sie vielleicht besser Gebhard J. Selz aus Wien, der bereits in seiner Widmung von „Sumerer und Akkader“ auf die Betreuung von Dr. Hannah Monschein hinweist. Sie kennen als alter Lästerer sicherlich Ockham und seine römische Polemik, die ich für mich zu einer Art Maxime erhoben habe. In diesem Sinne verbände uns dann mehr als uns auf den ersten Blick trennen möchte.
    Ist Synkretismus für das streng gläubige Judentum ein Problem?
    mfG

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    @Parisien
    Warum bringen Sie denn jetzt das Thema „Israel und Günter Grass“ hier hinein? O.K.: Isael muss man wollen und dazu gehört auch „Geschrei“, wie Sie das nennen – die Gegner schreien auch und im Gegensatz zur Israel-Fraktion aber unisono.

    Was Sie für nicht relevant halten, die Schwächen der Aufklärung mal abzuklopfen, könnte angesichts einer vorwiegend religiösen „Rest“-Welt allerdings entscheidend für das Überleben unserer auf Aufklärung basierenden (westl.) Zivilisation werden. Wir könnten aber auch noch mal ein paar Jahrhunderte in ein – diesmal weltweites – Mittelalter verfallen. Unsere zeitgenössische europäische Aufklärung jedenfalls, mit unserem Bedürfnis, jedes Risiko abzusichern (z.B. Argumentation Beschneidungsgegner) ist in diesem Zusammenhang nichts anderes als ein Wohlstandsphänomen, also Übertreibung, die uns überdies auch nicht besonders glücklich macht.

    Ich wundere mich schon etwas, daß Sie sich so über Hannes Steins Antisemitismusvorwürfe echauffieren – als wenn Sie sich da irgendetwas anziehen müssten, genauso @Lyoner. Ich verstehe es wirklich nicht. Im Übrigen – und das wäre meine Kritik an dem Artikel – sollte man seit den Progromen und Vernichtungslagern vorsichtiger damit umgehen. Man kann wohl kaum davon ausgehen, daß einer der damaligen Aufklärer das auch nur ansatzweise für gut befunden hätte.

    Hannes Stein hat diesen Artikel, wie so einige andere davor zum Thema Beschneidung, anscheinend mit reichlich Schaum vor dem Mund geschrieben, wodurch wahrscheinlich eine wichtige Kernthese („Aufklärung/Wissenschaft/Rechtsstaatlichkeit kann totalitär, bevormundend und inhuman sein“) anscheinend hier nur von mir wahrgenommen wurde.

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    @ Alan Posener
    PS: Vielleicht bin ich stolz auf Voltaire. Ein Haus, in dem er wohnte, an der Seine, steht noch.

    Ergänzung: Voltaire ist einer der Menschen, die einem klarmachen, dass es Sinn macht, zu leben, hier zu leben und nach ihm statt weit vor ihm. Voltaire mit seinem Aufbegehren, weniger gegen den Glauben an sich, als vielmehr gegen den autoritären Block von König und Staat, hat uns die freie Meinung gegeben. Vor allem hat er sich verständlich ausgedrückt, was man von Kant nicht behaupten kann. Kant gehört nur Insidern, die sich ausgedehnt mit Philosophie beschätigen.
    Kant: Verschrobener Intellektueller, meines Wissens nicht verheiratet.
    Voltaire: Verständlich, offene zeituntypische Langzeitbeziehung zu einer mathematisch hochbegabten Adligen, die immerhin mit Isaac Newton korrespondieren konnte.

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    @ Alan Posener
    Die „Wut“ bezog sich nicht auf Sie. Ich finde Sie interessant und nachdenklich – Sie geben Ihren Lesern Freiraum, kein Problem.
    Den Link zu Stein habe ich erst vorgestern gelesen. Er versetzte mich in der Tat in mittelgroße Wut, weil er einen der wichtigsten Menschen Europas (und letztlich auch der USA) mit einem selektiven Zitat exponiert und dadurch ramponiert.
    HSt ist nciht unfehlbar,schreibt aber oft einen Unfehlbarkeitsstil. Seine Fehleinschätzungen des arabischen „Frühlings“ waren eindrucksvoll, aber damit war er nicht allein auf weiter Flur. Wenn man die These zugrunde legte, dass Tahrir-Platz nur zustande kam wegen steigender Getreidepreise, konnte man kaum Erwartungen an die Folgezustände haben. Aber das nur nebenbei.
    Vielleicht bin ich der Ansicht, dass man einige Personen, auf denen unser Gerüst ruht, nicht selektiv mit Antisemitismusvorwürfen ramponieren sollte. Hierzu gehört vielleicht auch Luther. Es wird gern vergessen, dass Luther erhebliche Verdienste um die Sprache hatte und Luther und Gutenberg zusammen gehören und Voltaire et al. ohne die Luther-Zeit, wozu die Astronomen und Seefahrer gehören, vor allem Magelhaes, undenkbar sind.
    Schmierkampagnen gegen wichtige Personen der Grundlagen des heutigen Denkens, anerkannte Persönlichkeiten, könnten genau zum Gegenteil führen: Einer Zunahme von Antisemitismus.
    Man kann nicht jede Gewissheit zerstören und die ganze Welt auf einen Tempel bauen der als Ideologie zur Grundlage hat: Bloß kein Antisemitismus und dabei jede Kritik als AS abstempeln. Ich glaube, das führt zum Gegenteil. Das ist „Kraul mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Und Ihr anderer Freund und Kollege Broder ist ein Vorbild, weil er nie mit seinen Eltern rumgefuchtelt hat, sondern eine positive Einstellung zum Leben hat, was wie ein Danke ist. Er pickt auch gern Antisemiten ‚raus, aber zeitgenössische.
    Ich würde Ihnen gern vorschlagen, dass Sie die Aufklärung mal freischreiben vom gegenwärtigen Zweckrationalismus. Mancher, der sich heute aufklärerisch wähnt, ist nur ein angepasster Teil der Gegenwart. M.f.G.
    PS: Vielleicht bin ich stolz auf Voltaire. Ein Haus, in dem er wohnte, an der Seine, steht noch.

  6. avatar

    Alan Posener: Aufklärung als Methode, was ja zuallererst die Selbstinfragestellung beinhaltet: Was weiß ich wirklich? Woher stammt mein Urteil?

    Willkommen im Club! – Der essayistische Mäander ist dafür nicht unbedingt geeignet.

  7. avatar

    @ Parisien: Dass es den Juden so gut geht wie nie zuvor würde ich nicht bezweifeln, allerdings sagt das angesichts der Geschichte nicht viel. Und:

    http://www.tachles.ch/news/kei.....entwarnung

    @ Parisiern, Lyoner, Backhaus:
    Allerdings verstehe ich weder Ihre Wut, Parisien, über die Klagen wg. Antisemitismus noch die Kritik der Herren Backhaus und Lyoner alias Mercator alias Kaufmann an meiner angeblich fehlenden Positionsbestimmung. Ich versuche nun seit ein paar Wochen in verschiedenen Beiträgen von verschiedener Seite die Frage der Grenze zwischen Religionskritik und Antisemitismus auszuloten; ich habe in dem Beitrag, zu dem dieser Thread gehört, eindeutig für die Aufklärung Partei ergriffen; und ganz allgemein kann man mir, glaube ich, nicht vorwerfen, mit meiner Meinung hinterm Berg zu halten. Wozu genau also wird eine klare Aussage von mir vermisst?
    @ J.M. Backhaus: Du meine Güte, ich bin nicht mit Frazer verheiratet. Der ist für meine Argumentation hinsichtlich Antisemitismus und Aufklärung völlig nebensächlich.
    Noch einmal aber und ohne Frazer: Das Judentum des Alten Testaments ist ein patriarchaler Monotheismus; er steht im schärfsten Widerspruch zu den Fruchtbarkeitskulten der umgebenden – auch der in Palästiner ansässigen semitischen – Völker, möglicherweise weil die Juden ursprünglich ein Wüstenstamm von Herdenbesitzern sind und den für Bauernvölker typischen Zyklus von Wachstum – Ernte – Sterben der Pflanzen – Aussaat – Wachstum nicht kennen. Auf jeden Fall wird der strenge Monotheismus assoziiert – siehe Simson – mit der Wehrhaftigkeit des Volks und seinem Selbstbehauptungswillen. Das vom hellenisiertenRabbiner Paulus erfundene Christentum weicht diesen Kult zunächst einmal auf durch die Verbindung mit hellenistischen und vorderasiatischwen Vorstellungen, einerseits die ganze Idee eines „Gottessohns“, der Jungfrauengeburt, der Auferstehung; andererseits durch den Platonismus. Das Christentum nimmt – das können Sie in meinem Maria-Buch nachlesen, aber das ist auch keine originelle Beobachtung – dann durch den Marienkult, der sich nicht auf die Bibel berufen kann, und schon gar nicht auf Paulus, der Maria nicht einmal erwähnt, Elemente des Baal- und Tanitkults auf, den die Propheten des „Alten“ Testaments erbittert bekämpft haben. Es ist also eine in hohem Maße synkretistische und widersprüchliche Religion, und das macht ein Gutteil ihrer Faszination und ihres Erfolgsrezepts aus. Immer wieder gibt es Versuche, die Religion von diesen Elementen zu reinigen und zur ursprünglichen, einfachen und vermeintlich wahren und eindeutigen Botschaft zurückzukehren: am bedeutendsten sind die Bewegungen Mohammeds und Luthers. Das in aller Kürze. Aber wenn Sie der Ansicht sind, dass diese Kurzgeschichte des christentums falsch ist, habe ich keine Probleme damit; das ist für mich eine intellektuell anregende, aber nicht existenziell wichtige Angelegenheit – im Gegensatz zur Verteidigung der Aufklärung. Und zwar der Aufklärung als Methode, was ja zuallererst die Selbstinfragestellung beinhaltet: Was weiß ich wirklich? Woher stammt mein Urteil?

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    @ KJN
    1 oder 2? Ist m.E. derzeit nicht relevant.
    Relevant ist, wenn man Wölfe erfindet und überlaut „Da kommt der Wolf“ schreit, an jeder Ecke, bis die Leute taub sind und keiner mehr hinhört.
    Problematisch ist auch, wenn man Farsi falsch übersetzt (bewusst oder aus Unwissen?). Der Staatschef des Iran hat in seiner berühmten Aussage einen anderen Feind genannt, den er vernichten will. Und daher betrifft diese Aussage vor allem auch die USA und Europa, hier in vorderster Linie F und UK. Diese Aussage wurde verdreht und auf ein einziges Land umgedeutet. Das heißt, wenn das Wolf ist, ist er nicht einmal als solcher erkennbar, woraus sich Fehlentscheidungen ergeben können, vor allem dann, wenn Wolf da wohnt, wo er schon immer wohnte, im Lande des Herrn Prokofjew. So komme ich zu dem Schluss, dass man GG, sein Gedicht, doch nachvollziehen kann. Und einige israelische Schriftsteller, inclusive David Grossman, sind auf demselben Trip. Man kann gelassen davon ausgehen, dass bei einer Wahl zwischen der Aufgabe Israels und einem Weltkrieg sie ersteres vorziehen würden.
    Und Voltaire vermutlich auch. Und wahrscheinlich auch Spinoza.

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    @ Lyoner

    Warum ist das so? Israel, so die Bibel, hat Gott sich auserwählt als ein Volk, das Ihm und den Menschen besonders dienen soll. Gott sieht Israel wie seinen eigenen Augapfel (Sacharja 2,12), es ist ihm also besonders wichtig. Das heißt nicht, daß alles, was Juden /Israelis / der Staat Israel tun, gut ist – aber Gott gibt Sein Bündnis uns seine Verheißungen für Sein auserwähltes Volk Israel nicht auf.”

    Das finde ich überhaupt nicht problematisch. Problematisch ist, wenn die ganze Religion verloren geht, der Überlegenheitsteil aber auf ein neues Gerüst gebaut wird.
    Ich finde das nicht problematisch, weil jede Religion diese Supremacy beinhaltet, worüber sich Gesetze hinwegsetzen. Nur wenn Gesetzgeber und Religionsinstitition eins sind, wird es schwierig.
    Nun ist das ja in Israel und außerhalb anders. So gibt es ja Religiöse, die fest davon überzeugt sind, dass Juden in Diaspora leben sollten.
    Es ist aber gerade dieser Gedanke nicht unproblematisch. Am Beispiel: Einer emigriert in die US, kann dort Staatsbürgerschaft bekommen und exponiert aber einseitig ohne Quellenangabe einen der Großen Frankreichs, der mit unseren Demokratien viel zu tun hat. Er sägt also an der Basis. Das hat weniger mit dem Tanach zu tun, als mit einem Fehlen desselben und das Gleiche, was sie BlonderHans vorwerfen, gilt hier auch.
    Für uns Franzosen und Europäer, die wir doch relativ stolz auf Voltaire sind, erschließt sich der Sinn einer solchen Attacke nicht. Ich sag dann „Männchen“. Männchen, das es immer gut hatte, Greencard gewonnen, gepamperte Existenz, hackt herum auf Aufklärer, der einen Teil seines Lebens in der Bastille oder auf der Flucht verbracht hat. Ich gehe übrigens jede Wette ein, dass Voltaire kein Antisemit war. Es passt nicht zu ihm. Und der Beleg des Zitats steht aus. Sie wissen, dass das Zurückdrängen von Büchern zugunsten von Internet Zitaterfindungen leicht macht.
    Also: Die Juden sind das auserwählte Volk (zu was?), wir haben den auserwählten Gottessohn, die Muslime haben die Kaaba. So what.

    @ Jean-Luc
    Meinte übrigens nicht Thierry Chervel, der in der Debatte sehr gut war.
    Gegen die Verteidigung von Voltaire waren meine papstfreundlichen Einlassungen nur ein Warmlaufen, was übrigens bedeutet, dass beides geht, Religion plus Aufklärung. Andererseits ist ein volles Verständnis der Aufklärung, zumindest des Anteils von Voltaire, fast unmöglich.

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    @KJN
    Ist APo heute verhindert oder warum mischen Sie sich ohne inhaltliche Aussagen ein? Posener flüchtet sich in altbekannte Asta-Mäzchen wenn er gerade nicht mehr weiter weiß, also nichts Neues vor der Sonne. Vielleicht kennen Sie derlei Abläufe nur vom Hörensagen, ich erinnere mich gut an Diskussionsverläufe wie dieser, wo rhetorische Retourkutschen jedes Ende eines Gesprächs einleuteten. Die Gründe dafür können Sie gerne darlegen, wenn Sie wollen, mir sind sie allerdings nur zu gut bekannt. smile

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    @Lyoner in der Folge von Parisien, sowie @j.m.backhaus:
    Meine Güte: Ist es für Sie wirklich so schwer, auf die gewiss etwas polemischen, aber m.E. aber eben im Kern richtigen Einlassungen von Hannes Stein über die Aufklärung mit etwas anderem, als Ressentiments (ich erspare mir zu zitieren) zu reagieren??
    Mir wird schlecht!
    Sind Sie so ich-schwach, daß Sie nicht normal zurückpolemisieren können?

    Und, @Lyoner: „“anglikanische Agnostiker” Alan Posener“
    Was soll der Scheiß mit den Anführungsstrichen??

    Für Polemik zu fein, daher Ressentiment: Deutsche Befindlichkeit?
    Schade um die Diskussion.

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    @ j.m.backhaus

    gut so, dass Sie sich von den Bräsigkeiten von uncle bullshit nicht ins Bockshoren jagen lassen. Das, was Sie ansprechen, ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Wenn sich Posener schon mit dem Christentum anlegen will, wäre er gut beraten, neben dem Vatikan und dem deutschen Papst die christlichen Freunde Israels, hauptsächlich unter den fundamentalistischen Christen der USA unter die Lupe zu nehmen. Hier könnte er sich noch eminente Verdienste erwerben.

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    Was Posener in seinem Essay streift und im Halbdunkel belässt, ist doch das kulturelle Verhältnis von Humanismus und Judemtum. Droht letzterem das gleiche Schicksal wie dem Christentum, das sich am Humanismus aufarbeitete und der Säkularisierung/Aufklärung „zum Opfer“ fiel. Interessant ist aber in dieser Konstellation sein eigener Standpunkt. Will er dem Judentum helfen, dieses Schicksal zu vermeiden, was einer Art Gegenaufklärung gleichkäme, oder genügt es ihm im Sinne jüdischer „Tradition“ einen Sündenbock zu finden, den man im Christentum definieren kann. Dass Posener dazu selbst keine Stellungnahme abgeben will oder kann ist verständlich, weil seine quasi neutrale „wissenschaftliche“ Grundlage Frazer recht dürftig ist und heutigen Ansprüchen an Wissenschaftlichkeit nicht standhalten kann. Ich werde den Sachverhalt „im Auge“ behalten. Ockams Rasiermesser käme mit Sicherheit ohne umständliche Sündenbock-Theorie aus und würde die Lage als aussichtslos für den jüdischen Freund bezeichnen, Beschneidung hin oder her.

  14. avatar

    @Lyoner; 24. August 2012 um 19:37

    … werter Lyoner, sorgen Sie sich nicht. Ihr ‚Hochmut-Vorhalt‘ mir gegenüber ist genauso falsch, wie Ihre einseitige Sichtweise im Konflikt zwischen Israel und den Mohammedanern.

    Ich fühle mich auch nicht sicher – ich weiß mich sicher. Zumindest was die Kirche Christi betrifft. Und das ist keine Frage des Hochmutes, sondern der Erkenntnis. Oder wie 1 + 1= 2 sind.

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    Siehe John Gray: „Al Qaeda and what it means to be modern“, 2003. Die Aufklärung sei letztendlich auch fur Al Qaeda verantwortlich. Im Ernst.

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    @Parisien
    „Also wird Voltaire ausgebuddelt, um zu belegen, dass Beschneidungskritiker, die manchmal gar nicht so aufgeklärt sind, sondern rein rational, genauso antisemitisch sind wie die Aufklärer.
    Im Prinzip erbost das.“

    Beschneidungsgegnern generell Antisemitismus zu unterstellen wäre i.d.T. an Dumpfbackigkeit kaum zu überbieten und führt natürlich zu nichts.
    Ich bezweifle auch, daß hinter der wiederholten Thematisierung des Antisemitismus einiger Aufklärer, sowie auch bei Luther mehr steckt, als eine momentane Triebabfuhr der entsprechenden Gegner.

    Ich erlaube mir mal zu versuchen, Alan Poseners Fragestellung etwas allgemeiner und damit emotionsfreier zu formulieren: Was beförderte und befördert heute noch mehr Ressentiments:

    1. Das Christentum mit seiner mittelalterlichen Geschichte der Inquisition, der Progrome und des Antijudaismus und der Vorstellung vom einzig wahren Glauben – aber auch seinem nichthinterfragbaren Menschenbild des von Jesus Christus ohne Wenn und Aber angenommenen Geschöpfes, oder
    2. die wissenschaftliche Aufklärung mit Kants emanzipierter Vernunft, die alle möglichen Vorstellungen von menschlichem Leben zulässt (auch wertlosem!), ohne Anleitung durch eine höhere Moral oder Vernunft – aber auch einer Ethik, die das Wohlbefinden, ja sogar die Möglichkeit des menschlichen Glücks in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt.

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    @ derblondehans

    Sie gefallen sich als Urgestein. Passen Sie auf, dass Sie sich nicht zu sicher fühlen. Daran hat der Teufel seinen Gefallen, er hat seine Lust daran, die Hochmütigen zu Fall zu bringen (weiß ich noch aus dem Releigionsunterricht). Von diesem metaphysischen Aspekt abgesehen, imponieren Sie mir aus dem gleichen Grund, aus dem Bilbaos Präsident Urrutia Uli Hoeness imponiert: http://www.sport1.de/de/fussba.....03299.html. Klar ist jedoch, dass es mit Ihnen keine Dialoge geben wird, Sie werden Monologe halten. Gott erbarme sich Ihrer.

    @ Parisien

    Das, was Ihnen jetzt auffällt, war schon seit Menschengedenken Thema meines Blogs. Ihr Vorschlag, dass alle zum Judentum übertreten, ist auch nicht die Lösung, dann würde man selbsthassende und „antisemitsche“ Juden ausmachen. „Antisemitismus“ bzw. Judenfeindschaft scheint ein konstituierendes Element zu sein:

    „Die Bibel, aber auch die Menschheitsgeschichte durchzieht ein Prinzip: Der Mensch und das Volk, die das Volk Segne Israel, also dem jüdischen Volk Gutes tun, wird (von Gott) gesegnet. Wer den Gliedern dieses Volkes aber Böses tut, auf den fällt es zurück. Gott sagte zu Abraham und dem gesamten Volk Israel: „Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen (1Mose 12,3).
    Warum ist das so? Israel, so die Bibel, hat Gott sich auserwählt als ein Volk, das Ihm und den Menschen besonders dienen soll. Gott sieht Israel wie seinen eigenen Augapfel (Sacharja 2,12), es ist ihm also besonders wichtig. Das heißt nicht, daß alles, was Juden /Israelis / der Staat Israel tun, gut ist – aber Gott gibt Sein Bündnis uns seine Verheißungen für Sein auserwähltes Volk Israel nicht auf.“ (Quelle: http://www.segne-israel.de/artikel/segenfluch.htm)

    Auffällig ist der ausgeprägte Ethnozentrismus, dass die Juden sich als das zentrale, entscheidende Volk in der Menschheitsgeschichte sehen. Insofern fragen Juden, ist das gut für die Juden, bevor andere Beurteilungskriterien einer Sache in Betracht gezogen werden. Nun, wie man sieht, haben Christen einen großen Beitrag für diese Sicht geleistet; heutzutage sind Israels beste Verbündete Amerikas fundamentalistische Christen. Dass diese Bündnisbasis schwach und prekär ist, führt zur Panik, da will man, wie zuletzt dem amtierenden amerikanischen Präsidenten Beine machen (nun, um Angela Merkel muss man sich hier keine Gedanken machen). Sie haben sicherlich auch wahrgenommen, dass die Antisemitismuskeule immer dann besonders schnell gezogen wird, wenn „Israelkritik“, z.B. Kritik an der israelischen Besatzungs- und Annexionspolitik geäußert wird? Mich würde auch interessieren, wie der „anglikanische Agnostiker“ Alan Posener diesen Sachverhalt sieht.

  18. avatar

    Ich glaube Parisien es taete ihnen wieder einmal gut etwas Distanz von diesem weblog zu nehmen, fragen sie einmal wieder ihre Familie

    Vor allem wenn ich diesen bullshit und diese bouillabaisse von ihnen lese

    Juden haben es m.E. so gut wie noch nie in der Geschichte.

    Hört man mal “Ja, uns geht’s gut, danke Uncle Sam oder danke, G’d

    „Alles was man hört,sind Klagen über Antisemitismus und Vorwürfe gegen Menschen, die in einer anderen Zeit gelebt haben, in der Antisemitismus gang und gäbe war. Heute aber ist er es nicht,“

  19. avatar

    @APo
    Vergessen Sie’s.
    Das Buch (Maria), Nebensache, Unbill, etwas antiquiert für Schimpf oder Schande (die Stunde Nachhilfe zu 20 Euro, Sie schulden mir also was). Wenn Sie was nicht verstehen, geschenkt.
    Fragt sich nur, wo Sie gerade verortet sind, und welche Größe Sie gerade einnehmen? Ich hoffe Sie stehen nicht gerade auf Fraziers Schultern. LOL!

  20. avatar

    Juden haben es m.E. so gut wie noch nie in der Geschichte. Im Polen des 19. Jh hatten sie nichts zu essen, im Russland des 19. Jh wurden sie ständig Opfer von Pogromen, in Deutschland wurden sie bekanntlich industriell vernichtet.
    Heute haben sie mittlere und gute Positionen in den USA und Europa, bestimmen den öffentlichen Diskurs mit, machen Filme und Erfindungen und haben einen eigenen Staat, der aber gefährdet erscheint. Diese ganzen Errungenschaften haben sie den Vereinigten Staaten von Amerika zu verdanken.
    Hört man mal „Ja, uns geht’s gut, danke Uncle Sam oder danke, G’d?“ Nope. Alles was man hört,sind Klagen über Antisemitismus und Vorwürfe gegen Menschen, die in einer anderen Zeit gelebt haben, in der Antisemitismus gang und gäbe war. Heute aber ist er es nicht, außer in Nahost. Also wird Voltaire ausgebuddelt, um zu belegen, dass Beschneidungskritiker, die manchmal gar nicht so aufgeklärt sind, sondern rein rational, genauso antisemitisch sind wie die Aufklärer.
    Im Prinzip erbost das. Und erinnert mich an Totengräberei oder Nekrophilie. Oder auch Beschäftigungstherapie im Sinne eines Hobby’s. Oder antideutschen Fundamentalismus.
    Wer in dieser Sache fundamentalistischer ist, steht außer Frage.

  21. avatar

    Lyoner: …. oder göttliche Gewissheit eines Mannes von der Waterkant, der das Wort, das bei Gott ist, via Schrift mit Suppen- und Dessertlöffeln gefuttert hat.

    … inhaliert, werter Lyoner, inhaliert im wahrsten Sinn des Wortes. Kein Witz. In der Stasi-UHA gab es Zigaretten auf Zuteilung. Daher wurden Kippen gesammelt und mit Papier zu einer ‚Tüte‘ gedreht. Papier, außer die Klo-rolle, gab es nicht. Das ‚Neue Deutschland‘ als tägliche Zwangslektüre war ‚unantastbar‘. Daher hat ein Mitgefangener sich aus einer Bibel, aus einer Seite des Inhaltsverzeichnisses, beschriebene ‚Tüte‘ gedreht. Obwohl ich begeisterter Nichtraucher war und bin, habe ich auch mal einen kräftigen Zug genommen. Wohl aus Schwäche. Das hat mächtig gekratzt im Hals. Erst viel später, etwa 20 Jahre später, wusste ich woran das lag. Das war eine Luther-Bibel. Bei einer Allioli hätte es im Hals wohl nicht gekratzt. 😉

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    Ich kapier das auch nicht.

    Mal zurück zu Hannes Stein:
    Wikipedia Voltaire:
    – In a 1763 essay, Voltaire supported the toleration of other religions and ethnicities: „It does not require great art, or magnificently trained eloquence, to prove that Christians should tolerate each other. I, however, am going further: I say that we should regard all men as our brothers. What? The Turk my brother? The Chinaman my brother? The Jew? The Siam? Yes, without doubt; are we not all children of the same father and creatures of the same God?“

    http://en.wikipedia.org/wiki/Voltaire#Religion

    Hannes Stein nimmt, herausgerissen aus einem Zusammenhang, ein zweifellos unterirdisches Zitat von Voltaire, wobei er uns nicht erläutert, wo genau das jetzt steht und unter welchen persönlichen Umständen es zustande kam. Voltaires fraglicher Antisemitismus, der sich auf Einzelpersonen bezogen haben mag, wird sehr kontrovers diskutiert und auch unter allgemeiner Religionsphobie und Bibelabneigung eingeordnet.

    Es stößt allmählich auf breiteren Unwillen, dass jeder, aber auch jeder Goy, jede Gruppe und jede Kirche inzwischen unter dem Motto behandelt wird: Es wird sich doch wohl ein bisschen Antisemitismus finden lassen. Die Konsequenz daraus wäre: Wir legen die Aufklärung, weil verseucht, ad acta und die Kirchen gleich mit und konvertieren kollektiv zum Judentum.

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    Posener 1

    „[…]also um die zentrale Botschaft des Christentums, die – so seine These – von der magischen Phase der Religion sozusagen in das Judentum via griechische und römische Aneignung der Christusgeschichte eingeschmuggelt werden.“

    Posener 2

    „… und der Subtext des “Goldenen Zweigs” … ist die Kritik des Katholizismus als magischer Religion und Einfallstor des semitischen Kults der Großen Mutter ins Abendland.“

    Nun kann ich schon zwischen These und Subtext unterscheiden, ein Subtext kann die These zuweilen unterminieren bzw. relativieren; aber hier muss ich den guten alten Frazer gegen Ihre Interpretationen in Schutz nehmen: so inkonsistent und widersprüchlich ist „Der Goldene Zweig“ nicht. Dass Ihre Formulierungen zumindest mißverständlich sind, einer Erläuterung bedürfen, darauf hat Herr Backhaus, der noch eine andere Leseweise nahelegte, als ich vermutete, genügend deutlich hingewiesen.

    Sie kommen mir vor wie einer der Männer aus Rhodos, der anstatt zu springen (hic Rhodos hic salta) die Römer anpöbelt. Wenn Sie mit Frazer prunken wollen, dann bitte genau.

    Dass ich verschiedene Dinge mißverstehe, damit kann ich leben; deswegen frage ich ja auch nach oder stelle wie hier in diesem thread meine Hypothesen zur Diskussion. Sie können ja darlegen, wo ich falsch liege. Anstatt hier zu springen – sollte Ihnen doch möglich sein? – ziehen Sie – mit Verlaub – den Schwanz ein. Verdächtig sind mir eher Leute, die wie Sie bereits „verstanden“ und „durchgeblickt“ haben, z.B. dass Lévi-Strauss ein Zwerg gegenüber dem Riesen Frazer ist (ohne dass Sie Lévi-Strauss gelesen haben), oder das unhinterfragbare Christus-Wissen (sophia) eines Parisien oder göttliche Gewissheit eines Mannes von der Waterkant, der das Wort, das bei Gott ist, via Schrift mit Suppen- und Dessertlöffeln gefuttert hat.

    Was die Wahl meines nom de guerre auf diesem Blog angeht, den habe ich gewählt, als ein geschätzter Mitkommentator sich als Parisien vorstellte. Ich wollte auch aus einer französichen Stadt kommen; möglicherweise habe ich damals an Paul Bocuse gedacht, dann ist die Assoziation Wurst so naheliegend wie bei Parisien Pariser oder Londoner. Ist Ihre Neugierde jetzt gestillt?

    P.S. Ich habe mir heute erlaubt, Sloterdijks Zeilen und Tage zu erstehen. Aus divinatorischen Gründen (ich bin ein bißchen abergläubig) schlage ich zuerst jedes Buch zufällig auf. Hier die Seite 109, die Notiz v. 22. Dezember:

    „Die Halbwelt der geopferten Söhne: Idamante-Jesus-Kafka.

    Wie Erwachsen den Kindern ihre Sorglosigkeit gönnen, so werden Weltbürger, sollte es sie eines Tages geben, den herkömmlichen Erwachsenen ihre lokalen Sorgen zugestehen. Weltbürgertum ist entweder eine Phrase im Mund verwähnter Literaten – oder eine Erwachsenheit zweiter Stufe, die man nicht ohne weiteres erklimmt. Wo die sich abzeichnet, nähert man sich ihr nicht ohne Furcht und Zittern.

    Mythologie und gossip laufen auf dasselbe hinaus. Liebhaber von Mythen sind Leser, die gern in der peoples press der Götter blättern.“

    Passt doch irgendwie?

  24. avatar

    Ähm, Herr Backhaus, was genau wollen Sie wissen? Von welchem „Buch in eigener Sache“ reden Sie? Von „infektziösen“ Vorstellungen habe ich nicht gesprochen. „Mit Unbill behaften“ ist kein Deutsch. Sorry, ich verstehe überhaupt nicht, worum es Ihnen geht.

  25. avatar

    @APo
    Zunächst, wenn es der Kommunikation dient, können Sie mich gerne weiterhin mit „Frau“ ansprechen.

    Vielleicht zur Versachling blicke ich nochmal auf obige Aussage:
    „[…]also um die zentrale Botschaft des Christentums, die – so seine These – von der magischen Phase der Religion sozusagen in das Judentum via griechische und römische Aneignung der Christusgeschichte eingeschmuggelt werden.“

    Wenn Sie es mir ersparen wollten, Ihr Buch in eigener Sache zu lesen, wäre schön. Deshalb meine Bitte, vielleicht ist es Ihnen möglich, diesen Passus etwas verständlicher zu gestalten (den Bezug zu Frazer sehe ich Moment immer noch nicht). Dies nur deshalb, weil ich sonst den Eindruck gewinnen müsste, dass es sich hier möglicherweise um zweifelhafte Unterstellungen handeln könnte. Nachdem Sie also Frazer aus erster Hand kennen (verzeihen Sie mein Ansinnen der Unkenntnis), stellt sich doch die Frage, wie Sie aus Frazer heraus zu Ihren „eingeschmuggelten“ oder anders gesagt, „infektziösen“ Vorstellungen gelangten, die das Judentum mit Unbill behaften würden, bzw. verleumdeten. Da mir das Thema ansich in diesem drastischen Umfang bisher nicht bewusst war (der beigefügte Link, das antsemitische Fundstück könnte einem glatt die Sprache verschlagen), erscheinen mir Ihre Thesen von brisanter Natur zu sein. Weil der Thread das Thema Aufklärung UND Antisemitismus trägt, verstehe ich das Anliegen nach Auffinden (googeln nach „Sacaean festival“ liefert an erster Stelle das Fundstück) des Links nicht mehr rein akademisch, sondern als Gebot der Vernunft, hier keine Unklarheiten aufkommen zu lassen.
    Levi-Strauss reflektiert seine Disziplin und die möglichen Methoden, etwas auf das ich bei Frazer bisher nicht gestoßen bin, dies aber nur nebenbei bemerkt.

  26. avatar

    …Gerade beim Klimawandel kann man sehen, wie Theorien nicht feststehen, selbst wenn sie komplex genug sind. Sie werden sofort bezweifelt, modifiziert oder über den Haufen geworfen. Wir werden sehen, welches Schisksal der aktuellen Klimawandeltheorie blüht. An den abschmelzenden Gletschern wird das jedoch wenig ändern.

  27. avatar

    @KJN: Ich dachte eigentlich eher an solche in Frage stehenden Entitäten wie Suchtcharaktere oder Einhörner (oder Götter?). Aber Sie haben Recht, vielleicht sind auch die unterhalb der Nachweisgrenze. Wenn genug Leute nach dem Zeug im Acker gegraben haben, ohne etwas zu finden, dann kann man irgendwann mit Berechtigung sagen, dass hier auf diese Weise kein Quecksilber oder Gold zu finden ist. Was nichts anderes bedeutet als dass in diesem Boden kein Quecksilber bzw. Gold ist, das man entdecken könnte.

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    Zum „Goldenen Zweig“
    Sorry, „Lyoner“ (warum bennennen Sie sich eigentlich nach einer Wurst?), Sie missverstehen – wie so viele Dinge – auch Frazer: Als eingefleischter Anglikaner hasst er „Rom“, und der Subtext des „Goldenen Zweigs“, den ich nicht nur, Frau Backhaus, wie Sie mit dem Kindle-Stichwortsucher, sondern – zugegeben, vor zehn oder elf Jahren – vollständig gelesen habe, als ich mein Buch über Maria recherchiert habe, ist die Kritik des Katholizismus als magischer Religion und Einfallstor des semitischen Kults der Großen Mutter ins Abendland. Heute nicht so originell, damals schon. Schauen Sie beide einfach mal – ruhig per Suchfunktion – unter den Stichworten „Hannibal“ und „parfümierte Eunuchen“ nach, und Sie werden weniger Unsinn hier verzapfen. Ich behaupte übrigens – auch wegen dieses Subtextes – nicht, Frau Backhaus, dass Frazer das letzte Wort in Sachen Religion gesprochen hat. Aber das Werk ist dennoch ein Meilenstein der Anthropologie, und so mancher späterer Kritiker, insbesondere aus der spekulativ-französischen Schule, ist ein Zwerg, der auf den Schultern díeses angelsächsischen Riesen steht.

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    @ Posener, Backhaus, Lyoner
    Wenn man von einem Werk liest, das man nicht kennt, überlegt man sich, ob man das kaufen sollte. Ich fürchte, dass, wenn man hintereinander „Der Goldene Zweig“ und dann noch einige einschlägige Stellen von C.G. Jung liest, die Gefahr besteht, dass man nachts von Opfern und gehörnten Tieren träumt und einen shrink braucht. Ich halte das Werk für eine typische Literatur des späten 19. Jh (Präraffaeliten u.a.), wo man die Existenz von Jesus noch kontrovers diskutierte.
    Als jemand, der i.d.R. auf dem Teppich bleibt, muss ich konstatieren, dass die jüdische und christliche Religion einen deutlichen Bruch mit solchem Nonsense begingen: Abraham, der das Menschenopfer abschaffte. Beide Religionen fangen mit den Stammvätern an, die Schöpfungsgeschichte wurde erst später vorn ins AT gestellt. Und ich darf annehmen, dass Abraham im Koran ebfs. erwähnt wird. Abraham ist die Grenze zwischen diesem präraffaelitischen Nonsense und den Religionen, wie nur die, die sie kennen, sie wahrnehmen und ausüben, als Kitt der Nächstenliebe, sie verstehen. Abraham ist die Schwelle zwischen archaisch und modern. Abraham ist modern. Migrant, der etwas Neues auf die Beine stellt und aus dem alten Opferkult ausbricht. So betrachtet, waren die Juden – wie üblich – modern, während die Griechen (Orpheus) in alten Seilen hingen.
    Wie KJN sagt:
    „Wohl dem, der noch religiös ist! (..und das von mir..)“
    Hier sprach der Pragmatiker in mir. Kein Wunder, dass diese Zeit Herrn Freud hervorbrachte.

    Was die Griechen heute betrifft: Vielleicht sollten sie mit Israel fusionieren und den Laden bei Tel Aviv den Arabern schenken und Jerusalem der UNESCO. Zukünftige Mavi Marmaras müssen dann nicht mehr so weit fahren und die Linken könnten einen Urlaub auf Kos anhängen.

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    Auch wir Atheisten fuerchten den Gott welcher heute noch wirksam erscheint: HURAKAN (der Taino-Arawak in der Karibik) adoptiert vom K’iche Maya Gott JUN RAQAN – einer der drei Schoepfergoetter. Dieser liebe Gott hat es sogar in die deutsche Sprache geschafft – als ORKAN. Zumindest mir hat HURAKAN das Fuerchten beigebracht. Es war einmal, als ich in einem bekannten Hochhaus am Strand in der Karibik lebte (vom Balkon waere ich hinunter auf die Surfer gefallen). Das war uebrigens gar nicht zu teuer – damals, $ 500 im Monat. Aber dieses Gebaude erscheint manchmal in den internationale Medien als „Schoenheit“ der Karibik – warscheinlich weil es ziemlich einsam als einziges Hochhaus an einer Traumkueste steht. Dazu noch auf einem Huegel. Manchmal versteckten wir uns nur unten im kammerhaften Sportraum mit den Trainingsmaschinen. Aber einmal kam der HURAKAN wirklich grimmig. Also eine kalte, dunkele Nacht eingesperrt in ein Schulzimmer landeinwaerts, zusammen mit drei alten Maenner und zwei Frauen mit Kindern. (Notdurft stehend gegen die Tuer). Am naechsten Tag durch das Gewuell der gefallenen Baueme zum Hochhaus. Viele Treppen hochsteigen. Tuere auf: „Das ist doch nicht mein Apartment!“ Doch dann wars – der Kuehlschrank hatte sich aus der Kueche in die Mitte des Wohnzimmers bewegt, und alles in der Wohnung lagert rund verschlungen, um diesen Kuehlschrank. Die Waende waren abgekratz bis auf die rohen Ziegel. Also da kommt euer lieber Gott dort nicht mit – auch nach Beschneidung oder Paar Tropfen Taufweihwasser…

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    @Roland Ziegler
    „Entweder es lässt sich ein solches Ding nachweisen oder eben nicht, und wenn, dann schraubt man eine Theorie zur Erklärung darunter, die permanent auf dem Prüfstein steht.
    Erlauben Sie mir, ein bisschen Nähkästcheninhalt auszubreiten: Nachweisen lässt sich ein Sachverhalt (z.B. die Existenz eines Schwermetalls im Ackerboden) nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit.
    Ist „viel“ drin, steigt die Wahrscheinlichkeit der richtigen Detektion (Aussage: ist vorhanden) für dieses Schwermetall natürlich immens. An der Nachweisgrenze: Unsicher (z.B.definiert mit: 67 % der positiven Befunde sind richtig). Diese Messwertunsicherheit darf (und muss m.E) für alle wissenschaftlichen Erkenntnisse außerhalb der Mathematik verallgemeinert werden.
    Das Ganze ist also interpretationsfähig, also personalabhängig und es ist viel Platz für Ideologien, Insbesondere in den Bereichen, wo „unser aller Alltag“ betroffen ist (Ernährung, Lebensstil, Soziologie, „Ökologie“).
    Und wenn die wissenschaftlichen Leitfossile eben ein bis drei Dekaden lang eben der einen oder anderen Meinung sind, wird eben solange gemessen und Datenmaterial selektiert, bis es passt. Die Karriere ist ja auch wichtig und die Kinder wollen auch studieren (warum eigentlich, frage ich mich seit einiger Zeit..?)
    Besondere Brisanz entfaltet dieser Zusammenhang z.B. aktuell bei den „wissenschaftlichen Studien“ zur Beschneidung, aber auch bei „Klimawandel“, „Schadstoffen“ etc..

    Wohl dem, der noch religiös ist! (..und das von mir..)

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    @APo
    Nachtrag zu Claude Levi-Strauss, einer der bekanntesten (strukturalen) Anthropolgen nach Frazer. Er meinte u.a. „Man muss ein für allemal mit der Illusion Schluss machen, dass man die Anthropologie im geschlossnen Raum mit Hilfe einer vollständigen (oder sehr oft gekürzten) Ausgabe des Golden Bough und anederer Kompilationen, welches auch ihre Vorzüge sein mögen, lehren kann.“ Ich unterstelle „verstehen“ dürfte damit auch gemeint sein. Sie sollten bei den Quellen zum Christentum, das Sie aus dem Judentum hervorgehen lassen möchten, also vielleicht auch Levi-Strauss beachten, denn die Kenntnis archaischer Opfer-Riten spielen offensichtlich nach Ihrem Verständnis für das Christentum eine Rolle?

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    Ich kenne „Der Goldene Zweig“ nicht, finde diese Beobachtungen aber nicht überraschend. Den Mystikern und den Rosenkreuzern waren sie lange vorher bekannt. Die Kopfgeburt des Zeus, Athene, gehört dazu. Allerdings betrachteten die Mystiker das weniger unter dem Gesichtspunkt Mythologie bzw. Haltegerüst für unreife Menschen, sondern unter dem Gesichtspunkt Weisheit, Junfgrau Sophia, gleichzusetzen u.a.mit Jesus. Nur konnte die Mystik nie allgemeines Gerüst werden, weil sie a) nur von einer Teilgruppe überhaupt verstanden bzw. empfunden wird, b) weil diese Teilgruppe sich selbst Grenzen auferlegen muss und kann, um sich nicht zu verlieren und c) man damit den Rest schlecht steuern kann, während das mit Gestzen bzw. Dogmen geht. Daher blieb die Mystik randständig und floss z.B. in ausgewählte Gruppen wie die Freimaurer ein. Im Islam wurde sie des öfteren verfolgt.
    Es ist vollkommen logisch, dass sie sich in allen drei Religionen findet (Abraham). Außerdem finden sich ja immer wieder Bilder aus der griechischen Mythologie, so z.B. Elias, der im Sonnenwagen verschwindet.
    Und sieht man sich die „Zauberflöte“ genau an, findet man in Pamina die Kopfgeburt des Sarastro.
    Und nichts Mythologie und vorübergehend, nein, kosmische Weisheit und überdauernd. Die Tugenden spielen eine große Rolle. Jesus war sündlos, unverführbar.

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    @APo
    Vermutlich kennen Sie das Buch Golden Bough garnicht. Ich stelle mal die Stellen, die jüdische Bezüge besitzen zur Verfügung (find-Function im Adobe-Reader). Ihre Ausführungen weiter oben, können Sie mal mit den Fundstellen abgleichen, aber ein bisschen Phantasie werden Sie um Übereinstimungen festzustellen schon brauchen. (LOL)

    (1) Amongst the Jews no iron tool was
    used in building the temple at Jerusalem or in making an altar.
    (2) Jewish hunters poured out the blood of the game they had killed and covered it up with dust. They would not taste the blood, believing that the soul or life of the animal was in the blood, or actually was the blood. The same belief was held by the Romans, and is shared by the Arabs, and by some of the Papuan tribes of New Guinea.
    (3)Of the Kamants, a Jewish tribe in Abyssinia, it is reported that they never let a person die a natural death, but if any of their relatives is nearly expiring, the priest of the village is called to cut his throat ; if this be omitted, they believe that the departed soul has not entered the
    mansions of the blessed.
    (4) There is evidence that amongst the Semites of Western Asia (the very
    region where the redemption of the king’s life by the sacrifice of another comes out so unmistakably in
    the Sacaean festival) the king, in a time of national danger, sometimes gave his own son to die as a
    sacrifice for the people. Thus Philo of Byblus, in his work on the Jews, says : “ It was an ancient custom in a crisis of great danger that the ruler of a city or nation should give his beloved son to die for the whole people, as a ransom offered to the avenging demons ; and the children thus offered were slain with mystic rites. So Cronus, whom the Phoenicians call Israel, being king of the land and having an onlybegotten
    son called Jeoud (for in the Phoenician tongue Jeoud signifies ‚only-begotten‘), dressed him in royal
    robes and sacrificed him upon an altar in a time of war, when the country was in great danger from the enemy. When the King of Moab was besieged by the Israelites and hard beset, he took his eldest son, who should have reigned in his stead, and offered him for a burnt offering on the wall.- But amongst the Semites the
    practice of sacrificing their children was not confined to kings. In times of great calamity, such as
    pestilence, drought, or defeat in war, the Phoenicians used to sacrifice one of their dearest to Baal. „Phoenician history,“ says an ancient writer, „is full of such
    sacrifices.“
    (4) The calf selected for this ceremony is the calf which was born first on the farm in the spring of the year. It is followed by all the reapers with their implements.
    Then it is allowed to run free ; the reapers chase it, and whoever catches it is called King of the Calf.
    Lastly, it is solemnly killed ; at Luneville the man who acts as butcher is the Jewish merchant of the village.
    (5) In the Salza district, near Meiningen, a certain bone in the pig
    is called „the Jew on the winnowing- fan“ [der Jitd‘ auf der Wanne). The flesh of this bone is boiled on Shrove Tuesday, but the bone is put amongst the ashes, which the neighbours exchange as presents
    on St. Peter’s Day (2 2d February), and then mix with the seed-corn.
    (6) The attitude of the Jews to the pig was as ambiguous as that of the heathen Syrians towards the same animal. The Greeks could not decide
    whether the Jews worshipped swine or abominated them.
    (7) [..] the pig was held to be sacred
    rather than unclean by the Israelites. This is confirmed by the fact that down to the time of Isaiah some of the Jews used to meet secretly in gardens to eat the flesh of swine and mice as a religious rite.
    (8) Thus the Jews wash their hands after reading the sacred scriptures.
    (9) At the cleansing of a leper and of a house suspected of being tainted
    with leprosy, the Jews let a bird fly away.
    (10) The Jews annually laid all the sins of the people upon the head of a goat and sent it away into the wilderness.
    (11) [..] just as the Jewish priest transferred the sins of the people to the scapegoat by laying his hand on the animal’s head ; [..]

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    Lyoner & Frazer: Was würden Sie ohne die Hilfestellung des Satans anfangen?

    … ich meinte Sie hatten Religionsunterricht. (s.h. auch meine Antwort weiter oben.)

    Johannes 1,1 Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.

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    @ Lieber APo, sie schreiben an Frau Backhaus:

    „… zentrale Botschaft des Christentums, die – so seine These – von der magischen Phase der Religion sozusagen in das Judentum via griechische und römische Aneignung der Christusgeschichte eingeschmuggelt werden.“

    Mir liegt die mehr als 1000 seitige Taschenbuchausgabe von Frazers „Der Goldene Zweig“ von 1989 vor. Mich würde interessieren, wo denn diese These steht. Wahrscheinlich meinten Sie die Einschmuggelung magischer religiöser Elemente in das Christentum, nicht in das Judentum; aber egal, auch dann ist der Satz ein eher lustiges Widde-widde-holter-dipolter á la Pippi Langstrumpf. Auch wenn Sie journalistische Großzügigkeit einer wissenschaftliche Genauigkeit vorziehen, sollten Sie wissen, bitte ich Sie, nicht Ihren Freund Broder als Stachanow der Entropie übertreffen zu wollen. Übersichtlich in der „Fleißarbeit“ ist das schöne Kapitel XXXVII Orientalische Religionen im Westen.

    Frazers „Der Goldene Zweig“ endet mit

    „Aber Nemis Wälder grünen noch heute, und als der letzte Schimmer der untergehenden Sonne im Westen schwindet, dringen, vom Windhauch getragen, die Glocken von Aricia zu uns herüber, die das Angelus läuten. Ave Maria! Süß und feierlich ertönen sie aus der fernen Stadt und verhallen zögernd über der weiten Ebene der Campagna. Le roi est mort, vive le roi! Ave Maria!“

    Das könnte vielleicht der letzte Hoffnungsschimmer des Christentums sein – und seine Emanzipation vom Judentum.

    Ich bitte Sie auch, mir die Quelle für Ihre These, dass der Islam als „christliche Reformbewegung“ begonnen habe, zu nennen. Ich habe bei meiner jetzigen Recherche diese These lediglich in einem Wellness Integral Portal gefunden: http://www.evada.de/static,islam,1.htm. Dabei will ich keineswegs bestreiten, dass der Koran, der angeblich dem Kaufmann Mohammed aus dem Munde des Erzengels Gabriel diktiert worden sei, sich auf jüdische und christliche Quellen stützt.

    Einer ernsthaften Auseinandersetzung über die Wurzeln des Antisemitismus gehen Sie lieber aus dem Weg?

    @ Frau Backhaus

    Dass wesentliche Teile des Alten Testamentes, der Schöpfungsmythos etc. aus „Babel“ übernommen worden sind und angeeignet (usurpiert) wurden, ist nicht zu übersehen. Das wesentliche und spezifische Charakteristikum des Judentums, das wir ansonsten nicht finden, scheint mir jedoch in dem Bund zwischen Gott und seinem auserwählten Volk zu liegen.

    Ich würde mich freuen, wenn Sie beherzt media in res gehen, ohne sich von Bazookas und anderen Einschüchterungsinstrumenten einschränken zu lassen.

    @ Parisien

    Sie sehen, dass wir uns in einer Zeit fortschreitender Verwirrung befinden. Gott sei Dank, dass wenigstens derblondehans noch festgegründet in der Erde steht.

    @ derblondehans

    eine kleine Anekdote aus Frazers „Der Goldene Zweig“:

    „Die Heiden behaupteten, die Auferstehung Christi sei eine unechte Nachahmung der Auferstehung des Attis, und die Christen verteidigten mit der gleichen Wärme die Auffassung, die Auferstehung des Attis sei eine teuflische Nachahmung der Auferstehung Christi. In diesem unziemlichen Hader betrachteten die Heiden die Angelegenheit von einem für den oberflächlichen Beobachter einleuchtenden Standpunkt aus, indem sie folgerten, ihr Gott sei der ältere und daher vermutlich auch der ursprünglichere, da nun einmal in der Regel ein Original älter sei als seine Kopie. Dieses schwache Argument konnten die Christen leicht widerlegen. Sie gaben zu, dass freilich, was die Zeit anbetraf, Christus die jüngere Gottheit sei, aber triumphierend bewiesen sie sein tatsächlich höheres Alter, wobei sie sich auf die List des Satans beriefen, der sich bei einer so wichtigen Angelegenheit selbst übertroffen habe, indem der die gewöhnliche Ordnung der Natur umgestoßen habe.“

    Was würden Sie ohne die Hilfestellung des Satans anfangen?

  37. avatar

    Apo: Natürlich geht es ihm in erster Linie um die Aufdeckung der Genese von Tod-und-Wiedergeburtsmythen, um die Figur des getöteten Köngis usw. usf., also um die zentrale Botschaft des Christentums, die – so seine These – von der magischen Phase der Religion sozusagen in das Judentum via griechische und römische Aneignung der Christusgeschichte eingeschmuggelt werden.

    … ’schmuggeln‘? das wäre ja ‚rechtswidrig‘. 😉 Was halten Sie von ‚eingefügt‘? Oder ‚zusammengefügt‘? Israel hat Er sich offenbart, aber der ‚Geist schwebte seit Anbeginn der Zeiten über den Wassern. Erklärbar durch die göttliche Trinität. Meine ich.

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    @ Jean-Luc

    Ich muss Sie noch mehr enttäuschen: Ich verstehe Putin. Ich verstehe, dass er in Georgien einmarschiert ist, den Ukrainern den Gashahn abgedreht hat, mit der Kirche zusammengluckt, Chodorkowski eingelocht hat. Ich betrachte das einfach aus seiner Sicht, nicht aus unserer. Als „lupenreinen Demokraten“ würde ich ihn nicht bezeichnen. Aber seien Sie ehrlich: Kennen Sie lupenreine Demokraten? Sarkozy? Bush? Obama? Schröder?
    Ich schlage Abe Lincoln vor, aber das ist lange her.

    Ich meine das Outfit in einer Kirche. Sonst ist das gaga-okay.

  39. avatar

    @Parisien

    mit diesem Satz:

    Und saudumm, zwei sind Mütter. Saudumm. Allein der Outfit. Und dann noch der Name. Offen gestanden, ich finde, die ticken nicht richtig

    Sind sie selber nicht ein wenig gaga cher Parisien in ihrem Urteil ueber die jungen Frauen

    allein der outfit….

    wie war das noch mit den langen Haaren ……

    da waren ihrer Meinung auch alle beatniks saudumm…

    Sie entaeuschen mich aber von Zeit zu Zeit bewegen

    sie sich wohl in ihren alten Gewaesser

    wenn sie sich weenigstens ueber Putin und die unheilige Kooperation mit dem Popen aufregen wuerden

    aber kein Wort sondern nur ein : so ein outfit und Muetter saudumm

  40. avatar

    Jacob Neusner;
    Ein Rabbi spricht mit Jesus

    „Aber ein Streitgespräch ist mehr als eine persönliche und vielleicht idiosykratische Art der Ehrerbietung; gewiss bringt es nicht viele Sympathien ein. Für einen guten Freund, der in der Politik tätig ist, bin ich der streitbarste Mensch, den er kennt. Ich verstehe das als Kompliment, und er meint es auch als Kompliment, besonders in meinem Fall. Ein guter, solider Streit ist auch der Thora zufolge der richtige Weg, sich an Gott zu wenden, ein Akt größter Ergebenheit. Der Gründer des ewigen Israel, Abraham, hat mit Gott um die Erhaltung Sodoms gestritten. Viele Propheten haben einen Streit begonnen, wie zum Beispiel Jeremia. Unser Gott, der Gott der Thora, erwartet, dass man mit ihm streitet. Und die tiefste Zustimmung zu Gottes Gebot und Willen in der Thora – das Buch Ijob – ist ein zäher, systematischer Streit mit Gott.“
    Claudius Verlag

  41. avatar

    Ja, liebe Frau Backhaus, wenn sie „Fleißarbeit“ ablehnen, sprich das Sammeln und Auswerten von Material, dann sind Sie in der Tat bei J.M Frazer falsch. Natürlich geht es ihm in erster Linie um die Aufdeckung der Genese von Tod-und-Wiedergeburtsmythen, um die Figur des getöteten Köngis usw. usf., also um die zentrale Botschaft des Christentums, die – so seine These – von der magischen Phase der Religion sozusagen in das Judentum via griechische und römische Aneignung der Christusgeschichte eingeschmuggelt werden. Und natürlich kannte er Ihre Strukturalisten nicht, denn er schrieb ja viel früher. Aber zugegeben, es ist eine sehr materialreiche Studie.

  42. avatar

    @Parisien: Sie wurden nicht wegen Provokation zu 2 Jahren Arbeitslager verurteilt, sondern wegen „Anstifung zu religiösem Hass“.
    Wer die Mutter Gottes anruft, erntet in dieser Welt die Hilfe von Madonna 🙂 Ich finde den Einsatz von Madonna sehr gut. Putin wird erkennen, dass Russland trotz rabiater Gesetze u. Urteile von Künstlern und Schachspielern verändert werden kann.

  43. avatar

    Bestürzend ist auch, dass es jetzt eine ganze Kollektion von Männern gibt (auf beiden Seiten), die eine exhibitionistische Schwanzshow durchgezogen haben. Nur die Länge weiß keiner, wie A. Sievers auf achgut beklagte, von der wir jetzt wissen, dass sie lieber einen langen hat. Und wenn einer diese Show nicht betreibt, wird er einfach exponiert. Grausig.
    Da lob‘ ich mir doch Religion.

  44. avatar

    @ Lyoner
    Gucken Sie sich mal diese Argumentation an:
    „Denn die nichtjüdische Mehrheit ignoriert in ihrem Eifer, in welchem Zustand sich das deutsche Judentum seit 1945 befindet und, dass es ohne die Schoah die Beschneidung gerade in Deutschland in ihrer heutigen Form womöglich kaum mehr gäbe.“ Link folgt unten

    Der Autor sagt nicht, die Beschneidung sei religiös von immenser Relevanz. Er erklärt uns die Relevanz nicht und ist ohnehin aus einer areligiösen Familie. Er sagt, die Beschneidung erfolge wegen der Shoah. Die Shoah ist also in der Tat heilig und scheint die jüdische Religion ersetzt zu haben. Die Shoah ist eine neue Religion, und die armen Ermordeten sind der neue Yeshua, und wir haben ihn umgebracht. Sollten die Juden den Ersten umgebracht haben, sind wir also quitt.
    Inzwischen sind wir damit alle heillos überfordert, ich zumindest. Ich finde das ein wenig crazy, und wo bleibt die Jüdin dabei, die ja kein Zeichen trägt, sondern heutzutage wie manche Italienerin gern ihre Haare blondiert, also wie frauenfeindlich ist das eigentlich? Ich muss echt mal einen vernünftigen Rabbiner lesen, um mich von solchen Argumentationsketten zu erholen. Ich frage mich ernsthaft, was der alte Freud zu sowas sagen würde.

    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....ist_dahin/

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    @ Roland Ziegler
    „Erstes Beispiel Russland: das Pussy-Riot-Urteil, bei dem als Begründung für 2 Jahre Arbeitslager gegeben wird: “Anstiftung zum religiösen Hass”. Dies ist Unsinn, weil die Frauen die Mutter Gottes darum gebeten hatten, Putin zu verhindern, und diese Bitte durchaus ernst gemeint war, wie man angesichts ihres Schicksals nachvollziehen kann. Aber das religiös aufgeladene Volk (bzw. ein Drittel daraus) schluckt es und fordert gar mehr.“

    Sind Sie sicher? Man kann die Mutter Gottes überall anrufen. Ich fürchte, es war eine bewusste Provokation gegen die Russisch-Orthodoxe Kirche, kürzlich versuchsweise im Kölner Dom kopiert. Und wer hat sie verteidigt?: Madonna, eine Inkarnation der Provokation gegen Kirche.
    Und saudumm, zwei sind Mütter. Saudumm. Allein der Outfit. Und dann noch der Name. Offen gestanden, ich finde, die ticken nicht richtig.

    Das ist schön:
    „Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich nicht gegen die Religion bin. Ich achte sie als menschliche Option, zur seelischen Mitte zu finden und Ausgeglichenheit, Stärke und Sicherheit insb. in Anbetracht des Todes zu erlangen. Ich empfinde Religion auf der gleichen Ebene wie Musik, vielleicht mit dem Unterschied, dass der Musik die semantische Ebene fehlt und deshalb ein musikalischer Fundamentalismus schlecht möglich ist. Was für die Musik spricht. Aber Religion ist in ihrem Wesen musikalisch und Musik ihrerseits spirituell und manchmal ausdrücklich religiös, wie bei Bach. Wenn man also die Musik besonders wertschätzt, kann man die Religion nicht komplett verachten.“

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    @Parisien: Sie haben recht: Mit der NASA und ihren Bildern wird Politik gemacht. Insb. die Pläne zur extrem teuren und wenig effizienten bemannten Raumfahrt gehen in diese Richtung und haben politische Ziele.

    @KJN:

    Zu 2.: Wenn Wissenschaft gemacht wird, entsteht automatisch eine Grauzone, ein esoterischer Vorhof der Wissenschaften, in dem sich Dogmen mit wissenschaftl. Output überlagern. Trotzdem gibt es ein Kriterium zu esoterischen Dingen: Entweder es lässt sich ein solches Ding nachweisen oder eben nicht, und wenn, dann schraubt man eine Theorie zur Erklärung darunter, die permanent auf dem Prüfstein steht. Anders gesagt: Wenn es bestimmte Dinge gibt, dann ist es eben so, und dann kann man schlecht sagen: wie unmoralisch/unfair/unpassend/politisch unkorrekt, dass es sie gibt.

    Zu 3.) An vielen Stellen auf unserer Welt nehmen religiöse Fundamentalisten mit politischen Ambitionen Anlauf, unsere Neugier, liberale Werte und pluralistische Demokratie zu verhindern oder zu zerstören.

    Erstes Beispiel Russland: das Pussy-Riot-Urteil, bei dem als Begründung für 2 Jahre Arbeitslager gegeben wird: „Anstiftung zum religiösen Hass“. Dies ist Unsinn, weil die Frauen die Mutter Gottes darum gebeten hatten, Putin zu verhindern, und diese Bitte durchaus ernst gemeint war, wie man angesichts ihres Schicksals nachvollziehen kann. Aber das religiös aufgeladene Volk (bzw. ein Drittel daraus) schluckt es und fordert gar mehr.

    Zweites Beispiel Mali: Gestern habe ich einen Beitrag in der Mediathek zur Situation in diesem Land gesehen und bewundere die Studenten und Studentinnen, die sich dort gegen die Invasion der Islamisten/Salafisten zur Wehr setzen, die die Tuareg geholt hatten und nun nicht wieder los werden:

    http://www.ardmediathek.de/ndr.....d=11474614

    Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich nicht gegen die Religion bin. Ich achte sie als menschliche Option, zur seelischen Mitte zu finden und Ausgeglichenheit, Stärke und Sicherheit insb. in Anbetracht des Todes zu erlangen. Ich empfinde Religion auf der gleichen Ebene wie Musik, vielleicht mit dem Unterschied, dass der Musik die semantische Ebene fehlt und deshalb ein musikalischer Fundamentalismus schlecht möglich ist. Was für die Musik spricht. Aber Religion ist in ihrem Wesen musikalisch und Musik ihrerseits spirituell und manchmal ausdrücklich religiös, wie bei Bach. Wenn man also die Musik besonders wertschätzt, kann man die Religion nicht komplett verachten.

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    @ Lyoner
    Bis zur Beschneidungsdebatte hätte ich folgende Aussage von Ihnen für a-a-a-antisemitisch gehalten:

    „Weder den Juden noch den Aufklärern ist damit gedient, wenn man – wie in der BRD üblich geworden – bei jedem juden- oder israelkritischen (etc.) Einwurf von Adam und Eva bis Günther Grass panisch A-a-a-a-antisemitsmus stottert. Im Gegenteil, durch ein wucherndes Denkhemmungssystem werden die unerwünschten Affekte und Vor-Urteile eher verstärkt.“

    Während der Debatte änderte sich meine Einstellung leicht. Es war ganz offensichtlich, dass wir, auch im besten Sinne des Babys, nichts sagen durften und den üblichen Maulkorb verpasst bekommen sollten. Irgendwie zog das bei mir dieses eine Mal nicht so recht, wohl, weil mir Kindeswohl höher steht als das Wohl von Funktionären oder Rabbinern, wie es übrigens auch bei Jesus höher stand. Es wurde mir dann auch klar, dass Sie nicht ganz unrecht haben, dass auch in der Israelkritik mit Fleiß dieses Maulkorbverbot betrieben wird, selbst bei Juden, wo Norman Finkelstein keinen Raum zum Reden bekommt.
    Dann sagte der Vorsitzende, sie hätten das schon immer so gemacht. Ja, seit den Zeiten der Pharaonen. Und meine Oma sagte das auch zu allem und kochte ihre Marmelade, wie sie schon immer gekocht wurde. Wir nannten das „watte buer nich kennt“, und teilweise dieselben Leute haben uns einst, 1968, von „das wurde schon immer so gemacht“ etwas befreit, dieselben Leute, die sich heute nicht zu schade sind, gegen Kinderärzte die Holocaustaxt aus der Remise zu holen. Remise? Bullshit. Die steht direkt neben dem Eingang, jederzeit greifbar. Und eine Teilmenge genau derselben Autoren bzw. Autorinnen wirft dem Islam vor, Sachen zu machen, die man schon immer so gemacht hat. Mannomann. Aber das ist nicht jüdisch. Jüdisch ist der Disput. Und jüdisch ist auch nicht der Ausschluss der Anderen, siehe Paradejude Jesus, der mit jedem redete, selbst mit Huren aus Samaria. Nein, das ist etwas anderes.
    Und Paulus, den man diskutieren kann, natürlich, sagte in Römer 2, es käme nicht auf die Beschneidung physisch an, sondern auf die Beschneidung im Geist, was ich übrigens aufgeklärt finde.

    Guter Übergang zu MB:
    Natürlich ist er in einigen Dingen zurückgegangen, Paulus. Er war ein ausgebildeter jüdischer Rabbiner/Pharisäer und wollte ein Gebäude auf die Beine stellen, zusammen mit Anderen eine neue Religion. Jesus hatte diese Absicht nicht, denn er wollte lediglich das Judentum reformieren und befreien von „was des Kaisers ist“, vertiefen, vermenschlichen, spiritualisieren, vergöttlichen.
    Ein neues Gebäude aber brauchte mehr. Man darf hierbei nicht vergessen, dass das Gebäude drei Teile hat: Paulus, entsprechend so einer Art Hüter der Glaubenskongregation, Intellektueller, ein wenig wie der jetzige Papst vielleicht; Johannes, den ich Jesus am nächsten empfinde, vergeistigt und mich ein wenig erinnernd an den polnischen Papst; und Petrus, den zaudernden, ängstlichen Verräter, den Menschlichsten in seinen Schwächen. Drei, nicht Paulus allein. Und alle drei grundverschieden, aber in wesentlichen Punkten in Übereinstimmung. Wie die Trinität, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Man kann sie dort problemlos einsetzen. Sie ergänzen sich. Und Petersdom ist auf dem Sohn gebaut, dem Zauderer, dem die Füße gesalbt wurden, und der, der mehr an den Vater erinnert, zieht dort ein, nachdem er den, der mehr an den Geist erinnert, dessen Seligsprechung er später einleiten wird, beerdigt hat, und erklärt uns den Fischer in seiner Antrittspredigt. Danach fährt er nach Regensburg und erklärt den Muslimen den Disput. Es ist ein sehr gutes Gebäude, was nicht heißen soll, dass es fehlerfrei ist.

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    @Liebe APo (warum eigentlich?),

    da Sie mir „The Golden Bough“ empfahlen, habe ich mir das gute Stück als PDF heruntergeladen, der amerik. Uni sei gedankt. Nach ca. 100 Seiten (von knapp 500) stellt sich allerdings die Frage ein, ob die Sammlung von bekannten superstition-Fällen einen Wissenszuwachs bedeutet. Da ich ähnliche Fleißarbeiten von Levi-Strauss unter dem Begriff Strukturalismus kannte und ich sie für mehr oder weniger unergiebig ansehe, frage ich Sie, was diese Beispiele aufzeigen sollen.
    Dass sich so etwas wie eine Urreligiösität im Kontext von Fruchtbarkeit und Sternenhimmel, den Abhängigkeiten von Launen der Natur durch Sammler, Jäger, Viehzüchter oder Landwirte einstellte, scheint mir nicht belegt werden zu müssen, das sagen vorhandene Kultgegenstände von selbst aus. Interessanter ist doch wie die Riten überliefert und gesichert wurden und wie sie gegen neue Informationen aus anderen Stämmen geschützt oder immunisiert wurden. Wie vollzog sich die Aneignung oder die Berührung mit anderer, fremder kultischer Erfahrung, welche Probleme warf diese auf, wer dukumentierte dies und wie? Vielleicht liefert Frazer ja noch, aber davon gehe ich im Moment nicht mehr aus.
    Die Bibel-Babel-Theorie behauptete übrigens, dass große Teile (wenn nicht sogar alle) des Alten Testaments, die die Katholische Kirche aus dem Judentum mit übernommen hat, aus geläufigem Material der Vorzeit besteht und nicht als eigene kulturelle Leistung semitischer Stämme (von Offenbarung ganz zu schweigen) anzusehen ist (u.a. Gilgamesch-Epos). Dass dies angesichts der kolossalen Mono-Veranstaltungen problematisch ist, übersehe ich dabei natürlich nicht. Dazu möchte sich auch aus verständlichen Gründen niemand äußern, im bestenfalls erfährt man eine Stigmatisierung als Atheist, wie auch bereits in diesem thread angedeutet.
    Der Goldene Zweig ist also aus meiner Sicht bestenfalls ein Beleg, wie erfolgreich „die Aufklärung der Historiker“ mit „Aberglauben“, respektive den Aristoteles-Hinterlassenschaften -Metaphysik- aufgeräumt hat (Hume, Kant). Die politische Dimension der evolutionären Emanzipation durch den Umgang, die Sichtung von fremdem Kulturgut im Lauf der Epochen wird dabei allerdings gerne übersehen um nicht über die eigenen dogmatischen Beine stolpern zu müssen? Dass Benedikt16 den Alten Bund erneut bestätigt hat, verwundert nicht, erübrigt sich doch damit viel Offenbarungsrechtfertigung. Die eigenen Probleme gegenüber dem Judentum erweisen sich damit jedoch nicht als geringer, von Luther gar nicht zu sprechen. Als Unbeteiligter möchte ich mich allerdings nicht in die gegenseitigen Beschuldigungen einmischen. Ob sich manche Texte (Paulus) revidieren lassen erscheint zweifelhaft, zu sehr sind sie mit dem Fundament des „Christus-Mythos“ (Verzeihung, möchte niemandem zu nahe treten) verwoben. Das Geschäft des Antisemitismus-Zensoren/Lektors wäre allerdings auch nicht nach meinem Geschmack, vermutlich wird hier zu oft mit „Bazookas“ herumgeballert um Vogelscheuchen zu erschrecken. (Ich scheue diese Art von Lärm.)

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    Lyoner: … die sich auf die Autorität einer Heiligen Schrift berufen und papageienhaft die Worte der Schrift repetieren und psalmodieren; unser geschätzter Mitkommentator derblondehans ist uns hier ein leuchtendes Beispiel, mit jeder Wiederholung ritzt er seine Überzeugung tiefer in sich ein.

    … das erste Mal, dass ich Ihnen zustimmen kann. Sie können/dürfen/möchten das Rad neu erfinden und ich werde mich ändern. Etwa so: Matthäus 7,6.

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