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Wie einer Partei die Moral abhanden kommt

Die Gesellschaft für Deutsche Sprache hat  den Begriff „postfaktisch“ zum Wort des Jahres 2016 gewählt.  Damit kürt sie einen Begriff, der ein Phänomen benennt, das  in den politischen Auseinandersetzungen  des zurückliegenden Jahres tatsächlich eine wichtige Rolle gespielt hat. Sowohl die Brexit-Befürworter als auch die Trump-Wahlkampagne  operierten mit Informationen, die mit Halbwahrheiten noch sanft umschrieben sind. Keine Lüge war krude genug, um von den fanatisierten Anhängern noch für bare Münze genommen zu werden. Der Glaube an die missionarischen Verheißungen der  Populisten Farage, Johnson und Trump war größer als der gesunde Menschenverstand, der die Botschaften eigentlich als abstrus und die Versprechungen  als realitätsfern  hätte entlarven müssen.

Die digitalen Medien machen es möglich,  glatte Lügen, Fake News,  ohne Wahrheitsnachweis  in die Welt zu setzen, die die Glaubwürdigkeit des politischen Gegners untergraben.   Russland hat ganze Heere von Meinungsagenten („Trollen“) angestellt, die in allen wichtigen Sprachen Botschaften in den sozialen Netzwerken verbreiten, die den Ruf und die Integrität von missliebigen Politikern (Hillary Clinton) zerstören  oder zur Destabilisierung eines Landes beitragen sollen (der „Fall Lisa“ in Berlin). Der Präsidentschaftswahlkampf  in den USA könnte von gezielten Falschmeldungen aus der Kreml-Ecke  zumindest beeinflusst worden sein. Für den Bundestagswahlkampf 2017 ist Schlimmstes zu befürchten. Die Fake News, die aus dem Umfeld der AfD und von Pegida lanciert werden, lassen die Lügenkampagne erahnen, die uns im nächsten Jahr droht.

Mit Angst und Unwissenheit gegen die Vernunft

Nun gibt es in Deutschland eine Partei, die ebenfalls  auf dem Wege ist, sich vom Faktischen zu verabschieden: die Grünen. Die EU-Kommission hat den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen (VGO) in der EU genehmigt, den einzelnen Mitgliedsstaaten aber freigestellt, den Anbau solcher Pflanzen, auch  offiziell zugelassener, zu verbieten. Die Grünen kämpfen mit guten Aussichten für ein bundesweites Verbot. Chefideologe der Anti-Gen-Front ist der Landwirtschaftsminister von Niedersachsen Christian Meyer, der sich in zahlreichen Beiträgen als engagierter Kritiker dieser Technik gezeigt hat.

Die Grünen stellen sich mit ihrem Kampf gegen die Grüne Gentechnik gegen die geschlossene Front der Wissenschaft, die einhellig der Meinung ist, dass es sich bei dieser Technik um keine Risikotechnologie handelt. Das Bundesforschungsministerium, die Nationale Akademie der Wissenschaften, die britische Royal Society, die amerikanische National Academy of Science  und die Weltgesundheitsorganisation teilen diese Meinung. In den USA werden 90% der Nutzpflanzen Soja, Mais und Baumwolle gentechnisch behandelt – seit Jahrzehnten. Weltweit nimmt der Anbau solcher Pflanzen zu, weil ihr Nutzen auf der Hand liegt. Von gesundheitlichen Risiken oder gar  Schäden ist nie etwas berichtet geworden. Dennoch behauptet Christian Meyer in der Braunschweiger Zeitung, dass von genveränderten Pflanzen eine mögliche Krebsgefahr ausgehe. Schlimmer kann die Manipulation der Öffentlichkeit nicht sein – postfaktisch eben.

„Der Glaube versetzt Berge“ (Matthäus 21,18-22) – und schadet Menschen.

Die Grüne Gentechnik hat Pflanzen, die für die menschliche Ernährung wichtig sind,  so erfolgreich verändert, dass die Ernteerträge stark gesteigert werden konnten. Der dürretolerante Mais kann in Regionen angebaut werden, in denen früher nur Steppengräser wuchsen.  Wissenschaftlern  ist es gelungen, in  Weizenpflanzen  ein Gen einzubauen, das sie  gegen  Mehltau, den schlimmsten Weizen-Feind  in den Tropen und Halbtropen, resistent macht. Auch gegen den schädlichen Schwarzrost-Pilz  konnte eine genetische  Weizen-Variante  entwickelt werden, die gegen den Pilzbefall immun ist. Durch beide Weizenvarianten konnte die Ernährungslage für Millionen von Menschen entscheidend verbessert werden. Unzählige Menschenleben konnten gerettet werden, weil in den armen Ländern keine grünen  Wissenschaftsfeinde  am Werke sind.

Auch gesundheitliche Gefahren konnten mit Hilfe von gen-veränderten Pflanzen minimiert werden. So gibt es mittlerweile  Erdnüsse, die keine Allergene mehr enthalten. Der Goldene Reis enthält infolge  gentechnischer Behandlung eine erhöhte Menge an Beta-Carotin, das eine Mangelerscheinung bei Menschen in armen Ländern ausgleicht, die zum Erblinden führen kann.  Auch der schädliche Einsatz von Insektiziden kann durch Gen-Pflanzen vermindert werden, wenn sie  ein Protein enthalten, das für Schadinsekten giftig ist. Selbst die Aussicht auf weniger Gift auf den Äckern kann die grünen Ideologen nicht beeindrucken. In der Schweiz hat  allerdings  ein Forscher, der  ein Institut für biologischen (!) Landbau leitet, seine feindliche Haltung gegenüber der Grünen Gentechnik aufgegeben. Er schlägt vor, Pflanzen zuzulassen, die eine eingebaute Resistenz gegen den Falschen Mehltau besitzen, der  den Ökobauern schwer zu schaffen macht. Der umweltschädliche Austrag von giftigen Kupfer-Pestiziden könne dadurch vermieden werden. Schweizer Vernunft gegen deutsche Irrationalität?

Konventionelle Pflanzenzüchtung operiert mit radioaktiver Strahlung oder mutagenen Chemikalien. Beide Verfahren sollen die natürliche Mutationsrate erhöhen. Was die Bauern seit 10000 Jahren durch Beobachtung zufällig stattfindender Mutationen erreicht haben, soll mit Gen-Beschuss in kürzester zum Ziel führen. Gegen beide Verfahren hat sich noch nie grüner Protest erhoben. Der Chemiker Johannes Kaufmann sagt dazu: „Es ist absurd: Während der Hammer in Ordnung ist, soll das Skalpell verboten werden.“

Es mutet schon grotesk an, dass die Grünen mit ihrer  irrationalen Faktenverweigerung ähnlich ticken wie Donald Trump, der im Wahlkampf die globale Erderwärmung leugnete. Den Klimawandel bezeichnete  er wahlweise als „absoluten Schwindel“, „Bullshit“, „Pseudo-Wissenschaft“ oder „chinesischen Scherz“. Seit Trump gewählt ist, hält er den Klimawandel und seine menschlichen Ursachen immerhin für möglich. Eine solche Einsicht in das Faktische  steht bei den Grünen freilich  noch aus.

Zivilreligion der Reinheit

Die Grünen sind in den 1980iger Jahren als Partei angetreten, die vor allem die Natur vor den Folgen der Industrialisierung schützen wollte. Der Kampf gegen die Kernenergie gehörte dabei zu den Grundpfeilern grüner Politik. Seit Jahren zeichnet sich eine Verschiebung in den Gewichten grüner Politik ab. Neuerdings geht es fast ausschließlich um Verbraucherschutz, gesunde Ernährung und Lifestyle. Manchmal hat es den Anschein, die Grünen wären der politische Arm von Foodwatch. Soziologen führen diese Prioritätenverschiebung auf die Veränderung in der grünen Wählerschaft zurück. Die Grünen sind, was ihre Funktionsträger und Wähler angeht, inzwischen eine  Partei der Besserverdienenden, die die schicken und angesagten Kieze in unseren Groß- und Universitätsstädten bewohnen. Sie  verdienen so viel, dass sie sich die beste und teuerste Nahrung leisten können. Dass Tests ergeben haben, dass das Gemüse bei Lidl und Aldi genau so gesund (oder belastet) ist wie das bei Alnatura oder basic, ficht sie nicht an. Sie brauchen das Öko-Gefühl als Distinktionsgewinn.

Der Topos, der die grünen Wähler umtreibt, ist die Reinheit. Was den Katholiken die unbefleckte Empfängnis der Maria, ist den Ökos die unbefleckte Nahrung. Deshalb der Furor, mit dem sie alle Eingriffe in „natürliche“ Produkte bekämpfen. Der Kampf um die Reinheit der Nahrung ist zu einer Zivilreligion geworden,  deren Glaubensüberzeugungen mit Mitteln der Vernunft nicht beizukommen ist. Es ist tragisch, dass die Grünen mit ihrer Wissenschaftsfeindlichkeit das Konzept der Aufklärung untergraben, das seit dem 18. Jahrhundert  der Irrationalität des Glaubens die Botschaft entgegen gesetzt hat: die Wahrheit in den Tatsachen suchen!

Wenn die Grünen zum Kampf gegen Massentierhaltung, konventionelle Landwirtschaft oder die  Freihandelsabkommen  CETA und TTIP blasen, folgen ihnen Zehntausende williger Protestler. Daran kann man ablesen, was die grünen Kohorten wirklich bewegt, was sie umtreibt und wofür  sie zu kämpfen bereit sind: für die  Reinheit der Nahrung.  Die Grünen haben es nicht für nötig befunden,  zu einer einzigen Demonstration gegen die russischen Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung in Aleppo aufzurufen. Russische Bomben zerstörten Krankenhäuser und Wohnhäuser und  töteten Kinder und Lehrer in ihren Schulen. Die UN sprechen von einem grausamen Kriegsverbrechen.  Beim Protest von Schriftstellern vor der russischen Botschaft in Berlin Mitte Dezember  war nur ein einziges grünes Gesicht zu sehen: das von Cem Özedemir. Ihm liegen aus eigenem Erleben mit seiner türkischen Heimat die Menschenrechte wohl  am Herzen.

Wo waren die linken Führungsfiguren der Grünen Anton Hofreiter und Simone Peter? In einem Gastbeitrag für die FAZ fragte Hofreiter: „Hat die Linke das Kämpfen verlernt?“ – Wenn es um Chlorhühnchen und Gen-Mais geht, wird die grüne Linke schon auf der Matte stehen. Beim Schutz der Kinder in Aleppo leider nicht.

 

 

 

 

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8 Gedanken zu “Wie einer Partei die Moral abhanden kommt;”

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    Beim Phänomen der grünen Fanatiker treffen ja seit jeher, linke Angstpropaganda auf German Angst plus unterdrückte Traumata aus dem letzten Weltkrieg. Das führt dann in der grünen Perversion dazu, dass Bomber Harris und die rote Armee die Deutschen befreit haben und die Atomkraft die Deutschen tötet. Die Grünen waren also schon immer aufs absurdeste postfaktisch.

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      Die Nationen des ehemaligen Ostblocks können aufatmen: der Kommunismus hat sie vor den Segnungen des westlichen Plemplem-Linksismus bewahrt, wie er sich in den Worten und „Werten“ der Grünen äußert.

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    Es ist schön, wenn man aufmerksame und kritische Leser hat. Ich muss mich bei Udo Schewietzek herzlich bedanken, der mich auf die Namensverwechselung aufmerksam gemacht hat. Der grüne Politiker Christian Meyer ist nicht mit dem Psychologen gleichen Namens identisch. Sorry an alle Leser des Beitrags.
    Verbürgt ist jedoch Meyers Zitat in der Braunschweiger Zeitung, wonach Produkte der grünen Gentechnik krebserregend seien.
    R.W.

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    Ich will ehrlich sein: ein schlechter Text.
    Ich zitiere:
    „Chefideologe der Anti-Gen-Front ist der Landwirtschaftsminister von Niedersachsen Christian Meyer, der in der Esoterik-Szene als „spiritueller Lehrer“ verehrt wird.“
    Soweit ich nach einer ersten flüchtigen Recherche finde, sind das verschiedene Meyers. Mehr als peinlich. Lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

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      Nicht zu fassen. Ausgerechnet in einem Artikel ausgerechnet gegen postfaktische „irrationale Faktenverweigerung“.

      Herr Werner, wie ist denn das nun mit diesem Herrn Landwirtschaftsminister und dem Eso-Guru. Wie ist da die Faktenlage? War es eine Verwechslung und falls ja, wie kam die zustande? Sie haben doch mit Sicherheit bis vor Kurzem noch nie was von diesem Herrn gehört – so wie ich – und sind irgendeinem Postfaktum auf dem Leim gegangen? Aber welchem Postfaktum?

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    Ich will mich gar nicht dazu äußern, ob es zutrifft, dass man alle gentechnischen Manipulationen wirklich bedenkenlos essen sollte. Ich bin da etwas empfindlich und habe Vorbehalte und wenn Sie da irrational finden, dann ist das eben so. Sie lasse ich ja auch essen, was Sie wollen. Was ich aber irrational finde ist Ihre seltsame Fixierung auf die Grünen. Die Grünen sind eine Oppositionspartei mit aktuell um die 10% Zustimmung:
    http://www.wahlrecht.de/umfragen/
    Wussten Sie das nicht? Das ist nix! Das ist noch weniger als die AfD, und die hat auch nix, entgegen der Ansicht ihrer Anhänger, die vor Breitbeinigkeit kaum laufen können. Die Politik wird von CDU und SPD bestimmt Mit etwas Glück fidnet sich eine dieser Parteien auch mal in der Opposition wieder; mir ist eigentlich egal, welche, Hauptsache es gibt keine große Koalition mehr.

    Die von Ihnen anfangs aufgeführten „Populisten Farage, Johnson und Trump“ (und man darf sicher noch Putin, Orban u.v.a. hinzufügen) sind alle keine Grünen. Ganz im Gegenteil. Ist Ihnen das auch noch nicht aufgefallen?

    Wo ich Ihnen zustimme: Das Internet ist mal angetreten im Namen der Aufklärung, und einige Erscheinungen wie z.B. wikipedia haben dies aufklärerische Vorhaben auch gut umgesetzt. Aber an vielen anderen Stellen hat sich das Projekt ins Gegenteil verkehrt. Vor allem die sozialen Medien erzeugen das, was man postfaktisch nennt. Sie kehren die hässlichste Seite des Menschen nach außen (damit meine ich keinesfalls Sie, sondern z.B. die Leute auf Achgut; wobei es auch hier schon zu Schlammschlachten kam). Das wäre soweit noch in Ordnung – eine Art unangehme Aufklärung, dass der Mensch, vor allem der männliche Mensch, eben auch nur ein Tier ist – wenn es nicht so wäre, dass die sozialen Medien eine Art Verstärker darstellen und gerade diese hässlichen Seiten – trotz der vielen wunderschönen Selfies- ins Groteske aufpusten. Heraus kommt ein Bild von rachsüchtigen, eitlen, geldgeilen, testosterongeschwängerten, neidischen und ängstlichen Spießern. Es tut mir leid, ich bin eigentlich ein optimistischer Mensch, aber dies ist das traurige Bild, das ich über facebook und Co. vermittelt bekommen habe („Plattformen“, die ich boykottiere).

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      …um den Punkt, den ich meine, noch ganz kurz zu vertiefen: Ich glaube nicht, dass die Leute genauso unangenehm sind, wie sie immer waren, dass also die sozialen Medien ihnen nur die Beißhemmung oder die Notwendigkeit zur Tarnung genommen haben. Ich glaube sie sind durch den Wegfall der Beißhemmung und der Tarnung (und umgekehrt dem offenherzigen Jubel über den Niedergang von „Correctness“ und anderen zivilisatorischen Errungenschaften) tatsächlich noch unangenehmer geworden sind und ständig immer unangenehmer werden.

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