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Quo vadis, Europa?

Es sind nun fast vier Monate vergangen seit jenem denkwürdigen Europa-Gipfel, bei dem Angela Merkel ihren „Fiskalpakt“ gegen den Widerstand Großbritanniens durchsetzte. Zeit, sich noch einmal in Erinnerung zu rufen, mit welchem politischen und publizistischen Getöse die Gipfelergebnisse damals begrüßt wurden, und sich zu fragen, was daraus geworden ist.

Folgende Ausführungen basieren teilweise auf einem Artikel, den ich für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Internationale Politik“ geschrieben habe.

  „Es gibt jetzt ganz klar zwei Europas: das eine, das vor allem Solidarität unter seinen Mitgliedern und Regulierung will. Und das andere, das sich nur an die Logik des gemeinsamen Marktes klammert“, sagte Frankreichs Präsident Nicolas vier Tage nach dem Gipfel im Interview mit „Le Monde“. Das „andere Europa“ war im wesentlichen Großbritannien. Am 15. Dezember interpretierte Bernd Ulrich in der „Zeit“ die Gipfelergebnisse sogar „als eine Spaltung, freundlicher: eine Diversifizierung des Westens.“ Hier Europa (minus Großbritannien), das nicht nur umweltpolitisch, sondern nun auch finanziell auf Nachhaltigkeit setze, dort die USA, die weiterhin die Umwelt verpesten und Schulden machen wollten.

„Wenn die Europäer das Versprechen halten, das sie sich gegeben haben, dann sind sie eine Systemalternative“, so Ulrich „Europa ist östlicher, deutscher und gaullistischer geworden“, stellte Eckhard Fuhr in der „Welt“ vom 5. Januar fest. „Nicht umsonst werden Atlantiker nervös angesichts des deutsch-französischen Schulterschlusses bei der Krisenbewältigung.“

Nicht nur „Atlantiker“  sollten beunruhigt sein: Jeden Liberalen – und damit sind nicht nur Anhänger der FDP gemeint – muss ein leichtes Grausen packen, wenn ein „östliches, deutsches, gaullistisches“ Europa der „Solidarität und Regulierung“ einem marktwirtschaftlich und atlantisch ausgerichteten Europa gegenübergestellt wird. Wobei der „Schulterschluss“ bei näherem Hinsehen so eng nicht ist, Sarkozy betont die „Solidarität“ – in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien mit ihrer Jugendarbeitslosigkeit um die 40 Prozent empfindet man die von Deutschland verordnete Austeritätspolitik wohl kaum als Solidarität.

Und in Deutschland argwöhnt man (zu Recht) hinter der Forderung nach Solidarität die gemeinsame Haftung für Europas Schulden, sei es in Gestalt von Eurobonds, sei es durch die gegenwärtig von der Europäischen Zentralbank unter neuer Leitung betriebene Politik des billigen Geldes – also des „Quantitative Easing“, also der Inflation, die Schuldnern hilft und Sparern schadet. So viel übrigens zu Bernd Ulrichs Europa der Nachhaltigkeit.

Der Leiter des „Zeit“-Politikressorts sieht  für das Jahr 2050 einen „europäischen Machtraum“ entstehen, „von Skandinavien bis nach Nordafrika, von Portugal bis Weißrussland, von Frankreich bis zur Türkei“. Wie es scheint, hat er mein Buch „Imperium der Zukunft“ gelesen.

Wie dieser „Machtraum“ ohne Großbritannien, dafür mit Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Co. geschaffen werden soll, bleibt Bernd Ulrichs Geheimnis. Viel Spaß dabei. Gewiss, Deutschland und Frankreich, die größte und zweitgrößte Volkswirtschaft des Kontinents, bilden den Motor der europäischen Union. Aber ohne die drittgrößte, ohne Großbritannien, ist die Aufgabe nicht zu stemmen.

Ganz davon abgesehen, dass der Fiskalpakt möglicherweise eine Totgeburt bleibt. Eine der ersten Maßnahmen der konservativen spanischen Regierung bestand darin, Europa mitzuteilen, dass sie nicht daran denkt, die von ihr selbst ausgehandelten Defizitziele einzuhalten. Die Wahl in Griechenland könnte Parteien an die Macht bringen, die unter Androhung eines Euro-Austritts Griechenlands Bringschuld neu verhandeln. Gewinnt Francois Hollande die Präsidentenwahl, ist Frankreich draußen.  In Irland kann eine Volksabstimmung den Pakt zu Fall bringen.

Und ob das Bundesverfassungsgericht wirklich bereit ist, sein Recht auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Haushalts an den Europäischen Gerichtshof  abzutreten, wird sich erst zeigen. Ich halte das für ausgeschlossen, und es könnte durchaus sein, dass der nationalstaatlich denkende Freiheitsapostel im Schloss Bellevue als eine seiner ersten Amtshandlungen jene Aufgabe nationaler Souveränität blockiert und eine entsprechende Überprüfung durch die Judikative auslöst. Wofür ihm mein Dank gewiss wäre.

In seinem bemerkenswerten Essay „Zur Verfassung Europas“ hat Jürgen Habermas darauf hingewiesen, dass die „Völker eines Kontinents von schrumpfendem politischem und wirtschaftlichem Gewicht“ sich nicht darauf beschränken können, die Europäische Union „defensiv zur Erhaltung ihres kulturellen Biotops“ zu nutzen; vielmehr müssten sie ihren politischen Spielraum „auch offensiv für einen weiteren und noch mühsameren Aufbau globaler Steuerungskapazitäten“ einsetzen.

Hat der Philosoph auch mein Buch gelesen? Wie dem auch sei: Es ist offenkundig, dass dies ohne Großbritanniens globale Erfahrungen und nach wie vor beträchtliches politisches Gewicht als Mitglied des Sicherheitsrats und des Commonwealth, Ursprungsland der weltumspannenden „Anglosphäre“ und Atommacht völlig illusorisch wäre. Habermas glaubt zwar, dass sich Deutschland Sarkozys Vorschlag einer „Wirtschaftsregierung“ einlassen könne: „Das bedeutet ja nicht, dass man sich damit schon auf die etatistischen Hintergrundannahmen und protektionistischen Absichten ihres Initiators einlassen würde“.

Eine interessante Charakterisierung des französischen Standpunkts seitens eines Philosophen, der  prima facie kein Freund des angelsächsischen Kapitalismus ist. Aber wenn Deutschland, statt wie unter Helmut Kohl zwischen Frankreich und Großbritannien, Etatismus und Deregulierung, Protektionismus und Handelsfreiheit zu vermitteln, sich Sarkozys „Europa der Regulierung“ unter Ausschluss Großbritanniens anschließt, muss es sich entweder den „etatistischen Hintergrundannahmen und protektionistischen Absichten“ Frankreichs anschließen – oder die „Wirtschaftsregierung“ bliebt eine Chimäre.

„Der ‚engeren Zusammenarbeit’ auf wirtschaftspolitischem Gebiet würde dann eine in der Außenpolitik folgen müssen“, schreibt Habermas weiter. Doch eine EU-Außenpolitik ohne Großbritannien ist absurd. Und wenn auch der volatile Sarkozy von „zwei Europas“ faselt – in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik verläuft der Riss durch Europa nicht am Ärmelkanal, sondern am Rhein.

Deutlich wurde das im Vorfeld des Libyen-Kriegs. Großbritannien, Frankreich und Italien machten sich für einen Regimewechsel stark. Die Amerikaner waren zunächst „not convinced“. Als aber am 17. März im UN-Sicherheitsrat Resolution 1973 eingebracht wurde, die einen Militäreinsatz zum Schutz der Rebellen billigt, stimmten die USA mit Frankreich und Großbritannien dafür, ebenso wie das EU-Mitglied Portugal. Deutschland aber enthielt sich, zusammen mit Brasilien, Russland, Indien und China.

Dieser Dissens  hat tiefere Wurzeln. Bereits als Sarkozy 2007 seinen Plan für eine „Mittelmeerunion“ vorstellte, die alle Mittelmeeranrainerstaaten plus Mauretanien und Jordanien umfassen und die nördlichen EU-Länder, darunter Deutschland, außen vor lassen sollte, wurde die Idee von Merkel torpediert. Die Kanzlerin sah in Sarkozys Projekt den Versuch, eine eigene französische Interessensphäre zu schaffen.

Und das sollte sie auch – als Gegengewicht zu einer aus Pariser Sicht bedrohlichen deutschen Interessensphäre, die von der Oder bis über den Kaukasus hinweg reicht. Die vorübergehende deutsch-französische Einigung in Sachen Euro-Rettung, die tief greifende Differenzen über den künftigen Kurs nur zukleistert, verdeckt auch eine strategische Rivalität der beiden größten Mächte innerhalb der EU.

Aus dem Libyen-Debakel haben Großbritannien und Frankreich ihre Schlüsse gezogen und eine von beiden Seiten als „historisch“ bezeichnete Ära der militärischen Kooperation eingeleitet. Gemeinsam wollen sie Flugzeugträger, U-Boote und Drohnen nicht nur entwickeln und bauen, sondern auch nutzen. Dass Deutschland nicht in diese Entente Cordiale einbezogen wird, spricht Bände.

Während sich also Deutschland und Frankreich in der Ostpolitik und der Mittelmeerpolitik gegenseitig lähmen, wendet sich Frankreich, wenn es um künftige europäische Machtprojektion – ob im Rahmen der NATO, der EU, oder denkbarer Koalitionen der Willigen – an Großbritannien. Die USA, das hat Barack Obama zu beginn des neuen Jahres im Pentagon verkündet, verlegen ihren außenpolitischen und erst recht ihren militärischen Schwerpunkt westwärts in den Pazifik, um China zu kontern.

Die Europäer werden sich um sich und ihre Umgebung künftig – wie es im Falle Libyens bereits deutlich wurde – selbst kümmern müssen. Der „Machtraum“, den die „Zeit“ der Europäischen Union zuspricht, wäre ohne eine Nation wie Großbritannien, die mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und aus einer seit Kolonialzeiten ungebrochenen Tradition heraus die Bürden weltweiter militärischer Einsätze übernimmt, nur ein Machttraum.

Es ist ein Gebot der wirtschaftlichen, politischen, diplomatischen und militärischen Vernunft, Großbritanniens Potenzen für die EU nutzbar zu machen. Das macht man nicht, indem man das Land isoliert und eine Parallelstruktur nicht nur der Mitglieder der Eurozone einrichtet (für die einiges spricht, und gegen die von britischer Seite nichts einzuwenden gewesen wäre), sondern der 27 minus Großbritannien.

Großbritannien hat einiges gemeinsam mit jener anderen unerlässlichen, gerade weil exzentrischen europäischen Nation, der Türkei, und es ist kein Zufall, dass die Briten zu den treuesten Lobbyisten eines türkischen EU-Beitritts sind. Beide teilen die Erinnerung an eine große imperiale Vergangenheit; beide eine gewisse Skepsis gegen die europäischen Mittelmächte, beide eine gewisse Kaltblütigkeit in militärischer Hinsicht.

Beide – darf man in Sarrazin-Deutschland daran erinnern? – sind Ausnahmen vom europäischen Trend schrumpfender Bevölkerungen. Und beide sind Brücken-Nationen, ohne die Europa keinen weltpolitischen Einfluss im Sinne Habermas’ gewinnen kann: Großbritannien nach Amerika, die Türkei in den nahen und mittleren Osten. Manche Europäer, die von einem kontinentalen Mini-Imperium unter deutscher oder einem gaullistischen Verein der Vaterländer unter französischer Führung träumen, fürchten, dass die Inklusion jener peripheren, über das Klein-Klein hinausweisenden Mächte Großbritannien und der Türkei, die Europäische Union überdehnen und letztlich sprengen würde.

Aber wenn die Euro-Krise eine bleibende Lehre bereithält, dann diese: Nicht die Erweiterung der Union birgt Sprengkraft, sondern die Vertiefung. Will Europa nicht implodieren, muss es expandieren. Über die Türkei wird in einigen Jahren zu sprechen sein. Jetzt aber gilt es, Großbritannien wieder in seine Rechte als führende europäische Nation einzusetzen. Niemand außer Deutschland kann das leisten. Niemand außer Deutschland hat so viel davon zu gewinnen. Angela Merkel weiß das. Warum sagt sie es nicht? Joachim Gauck, übernehmen Sie.

 

 

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34 Gedanken zu “Quo vadis, Europa?;”

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    @Alan Posener.

    Was soll das? Fakten fordern Sie, dann sollten Sie sie auch Fakten liefern.

    Jetzt liefere ich Fakten …..

    Alan Posener, übernehmen Sie …

  2. avatar

    Das politische „Hackschnitzel“, dass Posener hier als Momentaufnahme präsentiert, zeigt deutlich, viele Köche …, und dazu kommen wieder neue: Hollande, Gabriel,(…). Habermas und andere „Strategen“ mögen zwar mit ihren Folgerungen in Sachen EU richtigliegen, entkommen kann man ihnen nicht, dafür ist der Beitrag Beleg genug. Es ist allerdings an der Zeit (nicht der ZEIT!) innezuhalten und sich zu fragen, ob die Verschlimmbesserungen aktueller Brüsseler-Ratspolitik nicht mehr Ressourecen vernichten als eine Nullhypothese. Die Antwort in diesem Sinn kann ich der Analyse Poseners nicht entnehmen. Ist eine Politik ohne Performance-, Erfolgskontrolle zielführend oder soll sie lediglich die Verfahrenheit der politischen Sackgassen ausweisen? Warten auf Alexander den Gauckler, wird wohl nicht helfen. Westerwelle zu ersetzen wäre jedoch nie verkehrt, dann hätte Mutti vielleicht auch mehr Kontaktmöglichkeiten und die Gesprächsplattform würde ein bisschen breiter, vielleicht auch in englisch?

  3. avatar

    @ Jean-Luc (très occupé?)
    Ich hatte mich auf dem anderen Posten schon bei Ihnen entschuldigt. Ich wusste gar nicht, wie schwer dieses Wort wiegt:
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....anne_will/
    Broder macht klüger. Das Wort macht anscheinend gerade eine Moderunde in Deutschland. Zuvor hat eine Aachener Politikerin Broder damit belegt. Ich bin Broder ein bisschen ähnlich, gelegentlich cholerisch. Er kann sich das aber eher leisten. Sie dagegen sind allenfalls mal ironisch oder etwas spöttisch. Ihr Deutsch ist übrigens einwandfrei. Dafür musste ich Sie aber bei Jörg Lau lesen, wo Sie ernster waren.
    Gauck dagegen ist klug und analytisch. Analytisch zu sein, ist eine gute Qualität. Man kann analysieren auch mit zersetzen übersetzen, leider. Dieser Hitler hat unserer Sprache einen enormen Schaden zugefügt.
    Manche Leute wollen diesen Schaden weiterführen mit solchem Vokabular. Ich wollte das nicht.

  4. avatar

    @George: In der Analyse stimme ich Ihnen vollkommen zu, nur beweerte ich die Situation umgekehrt. Ja, die Transfers nach Südeuropa werden dauerhaft sein. Dies würde aber durch einen Schulterschlus mit Großbritannien nicht anders werden. Ja, es gibt eine deutschfranzösische Achse als Gegengewicht zur USA, aber das ist kein Wahnwitz, sondern vernünftig. Richtig, Großbritannien möchte damit nichts zu tun haben, sondern lieber engster Partner der USA bleiben. Und es stimmt auch, dass GB die Kontinentaleuropäer nicht von den Vorteilen de r“freien Marktwirtschaft“ überzeugen kann; sie bleiben aus guten Gründen lieber bei der „sozialen Marktwirtschaft“.
    Was die militärischen Interventionen angeht, so möchte ich nicht, dass der Präsidentenwahlkampf in Amerika zum Taktgeber für Bombenkriege wird. Das Konzept des „uneigennützigen Kreuzzuges“ ist eine Mogelpackung.

  5. avatar

    Herr Posener, ein Lob für den Anfang Ihres Buches „Maria“. Da ich meine Lesebrille unauffindbar verlegt habe, wird es bis nach dem Gang zum Optiker dauern, bis ich es zu Ende lese, aber das ist der Grund, warum ich das hier schreibe. Es ist ausgesprochen bedauerlich, dass solch wertvolle Bücher mit ebenso wertvollen Bildern nicht gebunden und somit in größerem Format erscheinen. Vielleicht nimmt sich ja irgendwann noch einmal ein Verlag dieses zeitlosen Buches an. Dafür gebe ich die Anregung, eine Abbildung von Leonardos Verkündigung aus den Uffizien hinzuzufügen, die in den Farben Weltliches und Geistliches verbindet und im Ausdruck unübertroffen ist.
    Was die Lösungsvorschläge für Europa betrifft, bin ich mehr bei George.

  6. avatar

    @Alan Posener

    „Was soll das? Fakten fordern Sie, dann sollten Sie sie auch Fakten liefern.“

    Dann beginnen wir doch einmal konkret mit dem Begriff Wettbewerb:
    1. Klassisch-liberal:

    Nach Ansicht des klassisch-liberalen Nationalökonomen Adam Smith führt das eigennützig-rationale Streben des einzelnen Wettbewerbers nach maximalem Gewinn zugleich zu steigendem Gemeinwohl, da es durch den Marktmechanismus (das Prinzip der unsichtbaren Hand) zur günstigsten Güterversorgung komme.

    2.Modell von John Maurice Clark

    Der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler John Maurice Clark versteht unter Wettbewerb einen nie abgeschlossenen Prozess, der aus Vorstößen einzelner Pionierunternehmen und aus Verfolgungsaktionen sogenannter Nachahmer besteht, bei dem vorübergehende Machtpositionen des „Vorreiters“ hingenommen, sogar erwünscht sind, weil sich nur dadurch wirtschaftliches Wachstum und technischer Fortschritt erzielen lassen

    3.Konkurrenz als Strukturierung des Risikos nach Luhmann

    Niklas Luhmann sieht den Nutzen wirtschaftlicher Konkurrenz darin, dass sie Risiken strukturieren könne. Wenn ein komplexes System der Wirtschaft Intransparenz und Risiken erzeuge und ein Mangel an Informationen, mit dieser Situation rational zurechtzukommen, dann bliebe die Beobachtung von Konkurrenten als praktikable Möglichkeit, mit Risiken umzugehen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/W.....stellungen

    Wenn ich jetzt Ihren Artikel in der Internationalen Politik anschaue:

    https://zeitschrift-ip.dgap.org/de/ip-die-zeitschrift/archiv/jahrgang-2012/maerz-april/unerl%C3%A4ssliche-europ%C3%A4er

    (Nebenbei es wäre hilfreich für die Diskussion wenn Sie Ihren Artikel in IP auf SM verlinkt hätten)

    Und mir die Aufzählung der britischen Großunternehmen anschaue:
    „GlaxoSmithKline und AstraZeneca sind das zweit- und drittgrößte Pharmaunternehmen, Rolls Royce ist der zweitgrößte Produzent von Flugzeugtriebwerken und BAE Systems das zweitgrößte Rüstungsunternehmen der Welt.“

    Und feststelle das Roll-Royce neben GE letztlich ein Oligopol bilden, dann bekommen wir analog Adam Smith etwas “ Schwierigkeiten “ die Forderungen nach einem freien Wettbewerb durchzusetzen da:

    „Für die klassischen Liberalen gibt es zwei konträre Marktformen: freie Konkurrenz und Monopol. Der Unternehmer hat in der Marktwirtschaft das Ziel, seine Gewinne zu maximieren. Wichtig für den Wettbewerb sind niedrige Marktzutritts- sowie Marktaustrittsschranken“

    „Voraussetzung für den Wettbewerb bei mindestens zwei Anbietern sind Spielregeln, welche den Wettbewerb schützen.“

    Frage:
    Sehen Sie hier noch einen Wettbewerb?
    Wo sind die Spielregeln?

    Nächster Punkt:

    Sie schreiben:

    „Es gibt eine Korrelation zwischen der Entwicklung der Finanz­industrie und dem Wachstum der Gesamtwirtschaft. Wenn Firmen und Individuen schnell an Kapital kommen, wächst ihre Investitions- und Konsumbereitschaft. “

    Wenn die Finanzwirtschaft, wie es mehr oder weniger vor dem Bing Bang

    http://en.wikipedia.org/wiki/B.....markets%29

    der Fall war kann ich tatsächlich eine Korrelation erkennen.

    Als “ Produzent “ von Bankprodukten siehe Derivate etc. oder auch der erwähnte “ Todesfonds “ der Deutschen Bank:

    http://www.handelsblatt.com/fi.....61590.html

    neige ich mehr und mehr der Auffassung zu, dass diese Korrelation nicht mehr besteht.

    Nur zur Erinnerung:

    Weniger als 10% der täglichen einmal um die Welt reisenden “ Devisentransaktionen “ (> 2 Bill.€) entfallen auf Realgüter!! über 90% sind Finanzgüter!!!!!

    Frage: Wie wollen Sie die zunehmenden
    “ nichtransparenten “ Finanzgeschäfte noch kontrollieren?

    Oder hoffen Sie auf die invisible hand von Adam Smith?

    Wenn ich hier Straubhaar und den angelsächsischen mainstream zitiert habe, dann einfach aus dem Grund, dass die Ökonomie es leider versäumt hat (ganz banal) Veränderungen zu registrieren:

    http://www.zeit.de/wirtschaft/.....-oekonomie

    1.Straubhaar:Eigentlich hat man im Prinzip schon in den neunziger Jahren erkannt, dass Finanzmärkte eine neue Dimension erlangen. Einmal geographisch durch den Abbau von nationalen Schranken, dann aber ganz sicher vor allem durch neue Technologien, Internet, neue leistungsfähigere Computer, die ein Suchen nach kleinsten Unterschieden Preisunterschieden auf weltweiten Märkten möglich gemacht haben, um sofort Transaktionen loszutreten. Dann Computerhandel, dann neue, andere Finanzmarktinstrumente, die durch Deregulierungsprozesse – vor allem in Amerika – ermöglicht wurden. Da hat nicht die Wissenschaft an sich versagt, sondern die wirtschaftspolitischen Folgerungen, die gezogen wurden, waren falsch.

    2.Wir müssen, gerade im deutschsprachigen Raum, wieder den Mut haben, auch aus der eigenen Kultur stammende, eigenem Werteverständnis entsprechende Analysen und Themen zuzulassen, und eben nicht diesem allgemeinen angelsächsischen Herdentrieb zu folgen. Damit meine ich all das, was im klassischen Sinne ja in Deutschland als Staatswissenschaften bezeichnet wurde.

    Das gibt es heute eigentlich kaum mehr an einer Universität: Eine starke, im Alltag gelebte und nicht nur eine – weil es gut klingt – für Forschungsanträge pro forma versprochene Interdisziplinarität zwischen Ökonomie, Jura, Politikwissenschaft, Soziologie, Philosophie und Psychologie. Stattdessen hat sich die Ökonomie eher den naturwissenschaftlichen Fächern zugehörig gefühlt.

    Hier die Reaktion anderer Ökonomen auf Staubhaars Artikel:

    http://www.ftd.de/politik/deut.....10630.html

    Und ein paar sicherlich (subjektiv) aufgespießte puzzles:

    Dabei zeigt sich der 54-Jährige selbstkritisch und gesteht ein, selbst jahrelang an falschen Dogmen festgehalten zu haben. Zugleich griff er seine Zunft frontal an. Seine zentralen Thesen: Die Ökonomie brauche einen Neuanfang, ein ganz neues Paradigma. Die Deregulierung der Finanzmärkte sei zu weit gegangen.

    Joachim Goldberg

    Dabei ist mir immer wieder aufgefallen, wie sehr viele Leute am Homo oeconomicus festhalten. Dabei ist das Konzept tot und hätte in der Form auch gar nicht existieren dürfen. Viele Finanzmarktprobleme gehen darauf zurück. Ich stimme Straubhaar zu, dass die Deregulierung der Finanzmärkte zu weit gegangen ist. Das Problem: Wenn man den Homo oeconomicus abschafft, werden auch all die Modelle infrage gestellt, die darauf beruhen. Davor scheuen sich viele Leute. Es fehlt der Mut für Neues.“

    Clemens Fuest:

    „Die Finanzkrise hat offengelegt, dass die Deregulierung im Bankensektor zu weit gegangen ist.“

    Aufschlußreich ist auch für mich dass Thomas Straubhaar früher zu den Verfechtern des mainstreams gehörte, ebenso wie Dennis Snower

    http://www.ftd.de/politik/konj.....55490.html

    „Die etablierten Vertreter der Ökonomenzunft haben über Jahrzehnte ein Wissensgebäude aufgebaut, dessen Fundament heute stark bröckelt. Die meisten Modelle gingen ja davon aus, dass Menschen stets rational handeln, was in der Krise an den Finanzmärkten eindeutig nicht der Fall war“

    Aus zeitlichen Gründen, ich muß auch an meine „bread and butter“ Geschäfte denken will und kann ich hier nicht weitere Ausführungen machen.

    Wenn Sie angesichts de´s GAUs in Japan daraufhinweisen, dass aus Risikogründen die Atomstromerzeugung zu gefährlich ist, warum machen Sie nicht auch eine ähnliche Risikoanalyse beim bestehenden Finanzmarkt?

    Im vergangenen Herbst sind wir tatsächlich einem Finanz-Gau in letzter Miniute entgangen, da wäre Lehman case wirklich nur peanuts gewesen.

    Angesichts dieser Tatsache, sollten wir vielleicht doch ein wenig (vielmehr) über den Tellerrand blicken.

    Lösungen kann ich hier auch nicht anbieten, aber ein kritischerer Blick würde uns sicherlich mehr helfen.

    Siehe auch z.B. die derzeitige Privatisierungskampagne von Cameron in U.K. Privat versus Staat

    http://www.nzz.ch/magazin/unte.....55452.html

    der Fall war, Finanzdienstler

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    Britanien hat doch die „City“ mit den Banken und die Prinzen William und Harry, und die huebsche Duchess of Cambridge – und naechstes Jahr kommt das Jubileum der Koenigin der Haeuser Sachsen-Gotha-Coburg-Hanover. Vielleicht kommen sie auch wieder mit einer excentrischen „Saengerin“. Aber wirtschaftlich is Britanien jetzt nur noch Mittelstaffel – nach Brasilien und noch vor Italien, und ohne Schottland ? Pst! Nur zwischen uns – die „drausen“ in Asien, Afrika, Lateinamerika, sogar Nordamerika – haben lieber ein Europa welches „mitsichselbstzutunghat“. Also – steigt nochmal alle gemeinsam in den Ring – and may the best nation win!

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    Was ist Großes?

    Der Mensch fällt nur auf, wenn er etwas tut oder sagt, was andere nicht tun oder sagen. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf sich und bringt andere in Zugzwang. Großes entsteht im Kopf, zwischen zwei Orten, dem der Eingebung und dem des freien Willens.

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    Posener: „“Alttestamentarisch” ist eine Nazi-Wortschöpfung und meint “jüdisch”.“

    Na, dann halt neutestamentarisch:

    Ganze 12 Jahre war war das Jesuskind, da trat es gegen den Willen seines Vaters aus der EU-Kirche aus. Joseph: „Wohl getan mein Bub! Wenn du jetzt die Steuern sparst, kannst du später mal selbst eine Kirche aufmachen!“

    nur nebenbei: Meine Jesuskinder haben alle eine nicht-europäische Sprache gelernt, sie fürchten sich regelrecht vor den „Imperien der Zukunft“. Vor Großdenkern sind sie hoffentlich ausreichend gefeit.

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    Großbritannien würde einen großen Fehler begehen, wenn es wieder der EU annähern würde. Die Europäische (Währungs)Union ist eine Fehlkonstruktion, die miteinander nicht kompatible Volkswirtschaften beherbergt. Die Mittelmeerländer haben tiefe strukturelle Probleme, die man nicht ohne die komplette Abschaffung der EU lösen kann, es sei denn Deutschland akzeptiert die Tatsache, dass es nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft für die andere EU-Mitglieder aufkommen muss. Das wäre der Preis für den imperialistischen Wahnwitz der Deutschen und Franzosen, die EU als ein Gegengewicht zu den USA aufzubauen.

    Großbritannien hat damit nichts zu tun und es wird vermutlich sein Heil in der engen Kooperation mit den übrigen Länder der Anglosphäre suchen, die seine Werte teilen. Vom britischen Standpunkt aus gesehen ist das reine Zeit- und Geldverschwendung die Kontinentaleuropäer von den Vorteilen der freien Marktwirtschaft zu überzeugen oder dazu zu bringen, dass sie sich in den militärischen Interventionen engagieren. Die Großmächte des Kontinents haben im Unterschied zu den USA und dem britischen Königreich nur Eroberungskriege geführt. Das Konzept des uneigennützigen Kreuzzuges für die Demokratie hat es hier schwer.

    Statt den Canossagang anzutreten, sollten die Briten kleinere EU-Mitglieder, vor allem die Ostmitteleuropäer, auf ihre Seite ziehen und so den Einfluss des deutsch-französische Achse unterminieren. Am Ende könnte die EU vielleicht doch in eine Gemeinschaft verwandeln, die weitgehend nach den britischen Vorstellungen geformt wurde.

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    @Alan Posener
    „Nach einigem Schwanken bin ich spätestens nach Fukushima (eigentlich bereits nach dem Skandal in Asse) zum Ergebnis gekommen, dass die Atomkraft zu gefährlich ist, um sie weiter zu verfolgen.“
    Um den Skandal in Asse – und den mit dem Atommüll überhaupt – in den Griff zu bekommen ist eine hohe Kompetenz in Kerntechnik und (vielleicht?) der eine oder andere laufende Reaktor erforderlich. Und was E10 betrifft mag das eine politische Entscheidung gewesen sein, die ich aber für technisch absolut sinnvoll halte, um nicht von der Entwicklung in z.B. Brasilien (E20 und mehr) komplett abgehängt zu werden. E5 (5% Ethanol / Methanol) haben wir ja hierzulande schon lange.
    Ich weiß, das sind Details, die nichts mit Ihrem Artikel zu tun haben, die aber m.E. in der Zukunft noch wichtig werden könnten.

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    @ Robin Alexander: Der einzige sachliche Beitrag unter den Kommentaren. Ernüchternd. Ja, Merkel hat sich um die Briten bemüht, aber eben nicht genug. London brauchte eben die klare Versicherung, dass der Finanzplatz nicht den gleichen Regelungen unterworfen würde wie etwa Frankfurt oder Paris – weil ja London international und für die britische Volkswirtschaft ungleich wichtiger ist als Frankfurt oder Paris. Sie erinnern sich, wie Merkel Ausnahmen bei der CO2-Besteuerung für große deutsche Autos durchgesetzt hat (stattdessen gab es europaweit Super E10, na toll…)? Mehr verlangten die Briten nicht. Übrigens sind sie so ziemlich die einzigen (Deutschland eingeschlossen), die tatsächlich mit dem Sparen im Sinne des Fiskalpakts ernst machen,auch ohne Schuldenbremse in der Verfassung (die Großbritannien nicht hat).
    Sie sprechen – apropos E10 – die deutsche Energiepolitik an. Nach einigem Schwanken bin ich spätestens nach Fukushima (eigentlich bereits nach dem Skandal in Asse) zum Ergebnis gekommen, dass die Atomkraft zu gefährlich ist, um sie weiter zu verfolgen. Über die anderen Gründe, die gerade aus liberaler Sicht dagegen sprechen, habe ich hier auf SM damals etwas geschrieben, und es hat mich sehr gefreut, dass der gewiss keiner linken Abweichungen verdächtige „Economist“ diese Woche aufmacht mit „Nuclear Energy: the dream that failed“ und ähnliche Argumente beibringt. Das Problem war jedoch auch hier, dass Merkel zuerst den von Rot-Grün erzielten Konsens aufkündigte und die Laufzeiten verlängerte, um sich bei den Industriefreunden in der eigenen Partei einzuschleimen, dann aber eine Kehrtwende macht und alles abschaltet, um den Grünen vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg keine Angriffsfläche zu bieten. Das Problem ist nicht die Abschalterei, sondern Merkels Unberechenbarkeit. Auch bei Libyen. Übrigens war das beim Euro durchgehend der Fall. Eine Sammlung der Merkel-Aussagen zu Griechenland wäre des Schweißes eines Redlichen wert. Und mittlerweile hat man den Eindruck, dass es ihr mit dem Fiskalpakt auch nicht mehr so ernst ist, da Draghi mit seiner Geldpolitik die Chose auch so ins Lot bringt.
    Was Sie zu Habermas sagen, stimmt. ich fand’s nur bemerkenswert, wie klar er – bestimmt keiner rechten Abweichungen verdächtig – die französische Position durchschaut und ablehnt.
    @ Moritz Berger: Angaben zur Bedeutung der Finanzindustrie und überhuapt zur Lage der britischen Industrie habe ich im IP-Artikel gemacht, aber hier weggelassen, weil wir, wenn ich mich recht erinnere, diese Diskussion schon einmal auf SM hatten. Das Argument, ich folgte „dem angelsächsischen Mainstream“, ist ungefähr so schlagend, als wollte ich Ihnen vorwerfen, Sie folgten „dem deutschen Mainstream“. Was soll das? Fakten fordern Sie, dann sollten Sie sie auch Fakten liefern.

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    @Don Altobello
    Das sage ich ihnen gerne. Die Parteien haben sich nicht nur den Staat zur Beute gemacht, sie haben nebenher auch uns Bürger domestiziert. Beides müsste grundlegend “ renaturiert“ werden. Deutsche Eliten haben immer die Fähigkeit besessen, das „Volk den großen Lümmel“ als Verursacher und Schuldigen deutscher Machtkatastrophen hin zu stellen. Zwangsläufigerweise und logischerweise sind es aber immer Eliten die imperiale Katastrophen vorbereiten und bewerkstelligen. Anschließend verschwinden sie kurz und tauchen dann im neuen System als alte Kader wieder auf. Das war nach dem II Weltkrieg so, das war nach der DDR Patenthalse, mit Mast absegeln und Staatsschiff versenken,so. Ein Verfassungsrechtler hat vor kurzen geschrieben, die Bürger müssten wieder „ausgewildert“ werden. Recht hat er. Wir müssen raus aus dem kollektiven Betreuungs-Überwachungs-und-Entmündigungssystem. Das heißt in concreto: Individuelle Freiheit, individuelle Verantwortung, eben den Gauckschen Freiheitsbegriff.

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    Don Altobello, 20. März 2012 um 16:30

    … werter Don Altobello, was an dem von mir geschriebenen … wenn ihr leben wollt wie die Deutschen … eine hässliche Fratze deutschen Dominanzstrebens sein soll, bleibt Ihr Geheimnis. Oder? Muss ja niemand so leben wollen. Sie zum Beispiel. Dann aber auch konsequent ohne Transfers. Merken Sie den Unterschied?

    Nur eins: gönnen Sie den Deutschen ihr Leben.

    Übrigens habe ich diesen Spruch als Losung in einer, damals noch sowjetischen Maschinenbaufabrik auf Russisch, für die dortigen Arbeiter als Losung in der Fabrikhalle gelesen. Wegen sozialistischer Planerfüllung und so …

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    Gegen Ende seines Schaffens hat Sigmund Freud die Frage gestellt „Was will das Weib?“ – er wußte es nicht. Nach dieser Lektüre muß ich fragen „Was will Alan Posener?“, nachdem alles ganz anders läuft als er will. Gibt einer seinen „Visionen“ einen realpolitischen Sinn?

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    P.S.: Die hässliche Fratze deutschen Dominanzstrebens zeigen leider nicht nur CSU-Politiker und eine große deutsche Tageszeitung:
    „Den anderen Nationen empfehle ich: wenn ihr leben wollt wie die Deutschen – müsst ihr arbeiten wie die Deutschen.“
    Man ist ja bescheiden geworden in Deutschland. Früher sollte die ganze Welt am deutschen Wesen genesen, jetzt nur noch die EU. Wir machen Fortschritte!

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    @ Sgt. Pepper
    Welche Vorstellung von Freiheit haben Sie denn, wenn Worte wie „Imperium“ oder „Machttraum /- raum“ verboten werden sollten? Wie sollen wir uns denn dann in einem Diskurs über ein Thema, das diese Begrifflichkeiten berührt, unterhalten? Oder sollte eine solche Unterhaltung auch verboten werden?

    Ich möchte auch endlich einmal erklärt bekommen, was an einem Imperium an sich so schlecht und inwiefern ein System von Nationalstaaten die bessere (friedlichere? weniger ausbeuterische oder unterdrückerische? — schauen wir uns doch mal die Geschichte im Zeitalter der Nationalstaaten an!) Alternative sein soll. Ich warte noch heute auf eine befriedigende Antwort. Der beste Weg, Kriege zu verhindern ist die Existenz großer Imperien, da sie die Zahl der möglichen beteiligten Akteure auf ein Minimum reduzieren und in einem gewaltig großen Gebiet als Inhaber des Gewaltmonopols Streitigkeiten effektiver (und meist neutraler) als verfeindete / konkurrierende Staaten beilegen können. Ich will das nicht weiter vertiefen aber die deutsche Abscheu vor Imperien ist meines Erachtens immer noch ein Resultat der gescheiterten deutschen Bemühungen, a) ein Imperium auf die Beine zu stellen und b) eines, das nicht als Reich des Bösen angesehen wird.

    Um auf den Artikel zurückzukommen: Ich sehe nicht, dass Deutschland ein Interesse an einer starken Rolle Großbritanniens in der EU und an einer Mitgliedschaft der Türkei hat. Gerade die Türkei würde Deutschlands Machtanspruch und Vorreiterrolle in der EU aufgrund seiner Bevölkerungszahl und seiner wirtschaftlichen und machtpolitischen Entwicklung herausfordern und womöglich auf lange Sicht die Überhand gewinnen können. Die Gründe, die vor allem die Konservativen in Deutschland gegen eine Mitgliedschaft der Türkei anführen, sind doch nur vorgeschobene Ausreden, sei es die irrationale Angst vor Überfremdung durch befürchtete große Einwanderungswellen (haben die Türken nicht mehr nötig) oder aus Angst vor kulturellen/religiösen Differenzen (nur ein Thema für islamophobe Spinner). Dass Großbritannien freiwillig außen vor bleibt, ist für Deutschland bequem, schließlich nimmt sich hier ein ernsthafter Konkurrent selbst aus dem Spiel was die Gestaltung innerhalb der EU betrifft.

    Aus machtpolitischer Sicht hätte die EU-Krise für Deutschland nicht besser laufen können, selbst Frankreich spürt zunehmend die deutsche Dominanz. Ich sehe aber auch, dass alles Militärische (ironischerweise, wenn man sich die deutsche Geschichte ansieht) seit einiger Zeit die deutsche Achillesferse schlechthin ist. Das liegt aber vielleicht einfach daran, dass man mit der Rolle der Nr. 1 in Europa sehr zufrieden ist (hier sind wir wieder beim Aufbau eines Imperiums unter deutscher Federführung, diesmal auf friedliche Art) und sich Gestaltung von Weltpolitik nicht zutraut, und die Risiken, die mit derartiger Verantwortung einhergehen, scheut. Mitten in Europa braucht man heutzutage kein großes (und vor allem fähiges) Heer mehr, um seinen Machtanspruch zu konstituieren und durchzusetzen. Das machen wir mit Rettungspaketen. Dass Frankreich und Großbritannien militärisch näher aneinanderrücken ist für mich Zeichen eines Eingeständnisses, dass man seinen Gestaltungsspielraum mehr dort sucht, wo Deutschland nicht dominiert.

    Ich möchte dazu noch sagen, dass ich hier mit bescheidenen Mitteln versuche, zu analysieren und keine Wertung abgeben wollte, ob ich diese Entwicklung gut finde oder nicht.

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    Ob die Schuldenkatastrophe der EU Zeit genug lässt, daraus eine Lehre zu ziehen, oder ob es zur EU Insolvenz kommt, mit dem Lehrsatz: Die EU muss neu erfunden werden, das wird sich noch zeigen. Worte wie „Imperium“ und „Machttraum-oder-Raum“ sollten verboten gehören. Bisher wurde aus jedem deutschen Machttraum stets ein Albtraum für jede andere Nation. Der Gaucksche Freiheits-und-Verantwortungsbegriff sollte der Leitsatz deutscher Politiker sein, verbunden mit dem politischen Führungsanspruch von England und Frankreich. Die können „The balance of power“ Wir sicher nicht.

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    Lieber Herr Posener, das sind sehr interessante Überlegungen.
    Beim EU-Rat im Dezember, als der Fiskalpakt ohne Briten beschlossen wurde, hat Merkel allerdings versucht, Cameron ins Boot zu holen. Die erste SMS, die sie anschließend versendete, war bezeichnenderweise kein „Geschafft!“ oder ähnliches, sondern bestand aus den enttäuschten Worten: „Mit den Briten absolut nichts hinbekommen“ (vgl.: http://www.robinalexander.de/T.....kommen.pdf) Auch in UK wurde vom Boulevard zwar Merkel, von den klügeren Kommentatoren, etwa TG Ash, aber Cameron kritisiert: Er versuche als Brite die außen- und europapolitik der Schweiz zu machen. (vgl.: http://www.robinalexander.de/T.....lie%DF.pdf)
    Bei der militärischen Zusammenarbeit haben Sie, soweit ich das überblicken kann, vollkommen recht. Ähnlich steht es – ebenfalls ohne das Thema ausreichend recherchiert zu haben – meiner Meinung nach in der Energiepolitik: Der deutsche Ausstieg wird als nur aus dem deutschen Nationalcharakter erklärliche irrationale Tat bewertet, die gemeinsame Planung unmöglich mache.
    Habermas habe ich anders gelesen: Er ist sicherlich für den Türkei-Beitritt. Aber ich hatte sein Buch so verstanden, dass er die historischer Mission einer demokratisierte EU darin sieht, dass sie ein Beispiel für moderne „global governance“ (im Gegensatz zur von ihm an die Wand gemalten „Postdemokratie“) geben soll. Und weniger darin, dass die EU selbst möglichst groß und mächtig werden soll.
    Ich grüße herzlich
    Robin Alexander

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    @Alan Posener

    Was ich oftmals in Ihren Argumentation vermisse sind ganz banal harte Fakten.

    Bei der Diskussion um den (von Ihnen bestrittenen) Niedergang der britischen Industrie) negieren Sie Fakten.

    Wie soll man/frau mit Ihnen dann noch konkret diskutieren, wenn Sie letztlich hier nur
    “ Luftballons “ und “ Seifenblasen “ produzieren
    (mea culpa,um es pardon einmal provokant zu formulieren)

    Bei Ihren Kommentaren z.B. zur Religion und zum Antisemitismus merkt man als Außenstehender dass Sie sehr gut recherchieren.

    Beim Thema Ökonomie lese ich bei Ihnen nur immer wieder, wie in den Politikerreden, Begriffe wie Wettbewerb, freie Marktwirtschaft etc. die für sich betrachtet per se gut sind, aber uns heute im Gesamtkontext nichts mehr aussagen und letztlich nur noch Worthülsen sind.

    An ein anderen Stelle habe ich hier Thomas Straubhaar zitiert, der vom angelsächsischem Mainstream sprach:
    http://www.zeit.de/wirtschaft/.....-oekonomie

    Warum folgen Sie letztlich wie ein Lemminge auch diesem mainstream?

    Haben Sie auch Angst wie es mehr oder weniger Frau Kemmler äußerte, einmal über den Tellerrand zu blicken?

    Oder ist es z.B. für Sie ein Tabu einmal bei Röpke, Müller-Armack oder Ludwig Erhard vorbeizuschauen, statt blind den Chicago boys zu folgen?

    Es wäre sicherlich für alle einmal lohnenswert, hier ein Diskussion anzustoßen über die Begriffe freie Marktwirtschaft, Wettbewerb etc., analog der Diskussion zum Begriff Freiheit.

    Ich war überrascht welche Vielfalt sich hinter dem Begriff Freiheit verbirgt.

    Daher wäre es sicherlich auch sehr fruchtbar für unsere Diskussionen hier im blog auch einmal mit dem Zwiebelschälen bei den “ gängigen “ Wirtschaftsbegriffen zu beginnen.

    Bislang ist mir persönlich alles noch zu konfus.

    Was heißt bei Ihnen konkret:

    Rahmen eines Wettbewerbs

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    …ansonsten wäre es natürlich toll, wenn die Türkei als EU-Mitglied für Griechenland zahlt – so wie es toll ist, dass in Deutschland die Bayern für die Preußen zahlen. England ins Boot holen – gerne. Nur müssen England und die Türkei auch einsteigen wollen. Wer zu den aktuellen Bedingungen nicht mitfahren will, muss sich eben in die Hafenkneipe setzen.

    Und nochmal zum Militär: Wieder einmal wird die Sonderrolle Deutschlands kritisiert, diesmal i.B.a. die militärische Einsatzfreudigkeit. Ich bin froh, dass Deutschland Alternativen verfolgt, statt blind mitzurennen.

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    Zum „Regimewechsel“ in Libyen: Dann übernehme mal ich die Rolle. Auch Deutschland machte sich für einen solchen Regimewechsel stark. Nur sollte dieser von innen kommen und von außen lediglich durch Sanktionen unterstützt werden, statt wie beim Hütchenspiel mit starker Hand von außen in das Geschehen einzugreifen, nach dem Motto: Wo ist sie denn, die Demokratie? Hier ist sie! Ach nee, doch nicht!

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    @ Don Camillo: „Alttestamentarisch“ ist eine Nazi-Wortschöpfung und meint „jüdisch“.
    @ Martin Jander: Genau. Kleiner Tipp: Das Buch gibt es als Billigausgabe bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
    @ Moritz Berger: Nichts gegen den Wettbewerb der Nationen (und der Bundesländer). Um den Rahmen dieses Wettbewerbs geht es hier. Fiskalpakt und „Wirtschaftsregierung“ sollen ja gerade den Wettbewerb (z.b. den Steuerwettbewerb) verhindern.
    @ Assangista: Assangista? Wikileaks? Haben Sie die diplomatischen Berichte gelesen, die veröffentlicht wurden? Dann müssten Sie ja wissen, dass Politiker mehr tun als „tollpatschig reagieren“. Eine solche Überheblichkeit lässt mich vermuten, dass Sie sich eher aus dem „Spiegel“ als aus den Veröffentlichungen jenes Helden informierern, dessen Namen Sie sich unberechtigterweise zugelegt habe.

  24. avatar

    APo: Griechenland, Irland, Francois Hollande, Mittelmeerunion, Kolonialzeiten, FDP, Sarkozy, Barack Obama, Habermas, Wirtschaftsregierung, Türkei, Großbritannien, Frankreich, Merkel, Gauck und, und, und …

    … keine Namen dabei, die ein wie auch immer geartetes Vertrauen für Europas Nationen (er)wecken könnten. Oder?

    Ich plädiere für Deutschlands Souveränität und den Austritt aus EU und NATO nach Schweizer ‚Muster‘.

    Den anderen Nationen empfehle ich: wenn ihr leben wollt wie die Deutschen – müsst ihr arbeiten wie die Deutschen. Das nennt man Wettbewerb.

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    Ja? Großbritannien zur Not gegen seinen Willen in eine Gemeinschaft bringen, die es aus Widerwillen ständig torpediert? (Ich lasse die Türkei auch außen vor).
    Außerdem zu den vielen Motiven und Motivationen, die sie hinter allen Dingen vermuten: Solche Züge der Politik als durchdachte Schachzüge zu sehen, ist doch reichlich naiv. Ich sehe da immer nur tolpatschige Reaktionen.

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    @Alan Posener

    Einmal eine Frage think out of the box:

    Sie sind doch auch Anhänger des freien Wettbewerbs oder ?

    Lassen Sie doch einmal die freien Kräften am Markt im Wettbewerb der Nationen untereinander wirken.

    Die invisible hand von Adam Smith wird es schon richten.

  27. avatar

    „Joachim Gauck, übernehmen Sie.“

    Moses führe uns!

    Alttestamentarisch, Herr Posener.

    Und noch älter: der gute alte Heraklit von Ephesos hat seine Erkenntnisse über Schwachmathen (Idioten) und Polymathen (Vielwissende) so nah zueinander gelegt.

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