avatar

„Scheiß-Israeli“, „Kindermörder“

Ein Muslim greift Hamburgs Antisemitismusbeauftragten Stefan Hensel an, nur weil er seiner Tochter im Auto ein hebräisches Lied vorspielt. Gewalt gegen Juden ist seit dem 7. Oktober Alltag. Selten wird jedoch klar benannt, dass es vor allem importierter Judenhass ist.

Ich kenne Stefan Hensel seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel 2021 und habe mit ihm eins der ersten Interviews geführt, als der Hamburger Senat ihn kurz darauf zum Beauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus machte – schon da ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen. Um so mehr hat es mich schockiert, als ich ihn nun auf einer Veranstaltung in einer Hamburger Synagoge traf und erfuhr, dass ein Muslim ihm aus nichtigem Anlass nach dem Leben trachtete.

Hensel hatte am vorvergangenen Sonntag seine kleine Tochter aus dem Schwimmbad abgeholt. Um zu vermeiden, dass sie einschlief, spielte er eine Playlist ab. Gerade lief der israelische Megahit „Tamid Ohev Oti“ (Gott liebt mich immer), als mitten in der Innenstadt an einer roten Ampel neben seinem Auto der Lieferwagen eines Jordaniers hielt. Der beschimpfte ihn, einen deutschen Juden und Vater, der eine Kinder- und Jugendhilfeorganisation gegründet hat und leitet, sofort als „Kindermörder“ und „Scheiß-Israeli“ und versuchte ihn von der Straße zu drängen.

Zum Glück fuhr zufällig direkt dahinter eine Polizeistreife. Die hielt den Angreifer an, nahm seine Personalien auf, ließ ihn aber wieder laufen, weil nach Ansicht der Beamten keine Haftgründe bestanden. Sie leiteten jedoch Ermittlungen wegen mutmaßlich politisch motivierter Beleidigung und Nötigung ein.

Nicht „islamistisch“, sondern muslimisch

Der Angiff, der erst jetzt durch einen Bericht der „Bild„-Zeitung bekannt wurde, zeige, sagt Hensel völlig zurecht, „wie weit dieser aufgeheizte islamistische Antisemitismus geht: Er kann jeden treffen, der jüdisch ist oder einfach hebräische Musik hört.“ Allerdings sollte man aufhören, von „islamistisch“ zu reden, sondern das Kind beim Namen nennen. Es geht um Hass vornehmlich arabischer Muslime, aber auch anderer auf Juden, der sich seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 Bahn bricht. Unterstützt von Linken, die den jüdischen Staat ebenfalls von der Landkarte tilgen und Juden in Nazi-Tradition beseitigen wollen. Und von Medien, die ständig berichten, dass Israel in Gaza Kinder töte – damit freiwillig oder unfreiwillig eine urtale Verschwörungserzählung aufgreifend, dass Juden Kinder morden.

Dass Stefan Hensel jüdisch ist, wusste ich bis dato gar nicht. Es spielt für mich keine Rolle, sowenig wie ob jemand Muslim, Buddist, Atheist oder Christ ist. Und es sollte auch keine spielen, da der Kampf gegen Antisemismus, sein Ehrenamt, wie gegen jede Form von Rassismus und Menschenfeindlichkeit ja nicht Aufgabe von Juden ist, sondern der gesamten Gesellschaft.

Juden überall bedroht

Bei der Veranstaltung, auf der ich ihn traf, ging es um die Wiederrichtung der zentralen Hamburger Bornplatzsynagoge, die die Nazis wie in anderen Städten in der Reichtsprogromnacht 1938 in Brand gesteckt hatten und die die jüdische Gemeinde danach auf eigene Kosten abreißen musste. Dass erst jetzt, 87 Jahre danach, dieser zentrale Ort jüdischen Lebens in der Hansestadt wieder erstehen soll, unterstreicht, wie sehr das Schicksal der Juden Jahrzehnte lang verdrängt wurde. Und dass Juden heute wieder ständig bedroht sind, diesmal vor allem von Muslimen, die als Schutzsuchende Aufnahmen fanden, wie konkret die Gefahr für sie immer noch und wieder ist.

Das belegen nicht nur die neue Zahlen der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), wonach die Angriffe auf Jüdinnen und Juden 2024 um 77 Prozent zugenommen haben – aufgestachelt durch die Proteste gegen die militärische Operation Israels gegen die Hamas. Sondern auch die Änderungen, die die Iniative zur Wiedererrichtung der Hamburger Synagoge an ihren Plänen vornehmen musste. Sie möchte, dass es keinen Zaun um sie gibt und öffentliches jüdisches Leben ohne solchen Sicherheitsmaßnahmen möglich sein sollte. Doch die Sicherheitsbehörden drängen wegen der ständigen Angriffe darauf, die Synagoge wie in anderen Städten und wie fast alle jüdischen Einrichtungen abzuriegeln.

Solange Juden in Deutschland nicht ohne Schutz leben können; solange sie für die Politik der israelischen Regierung haftbar gemacht werden und ihr Leben bedroht ist, weil sie Kippa tragen, Hebräisch reden oder jüdische Musik hören, ist das „Nie wieder“ hohles Geschwätz.

Die Angriffe gelten freilich nicht allein den Juden. Sie richten sich gegen unsere freiheitliche Gesellschaft. Denn wie sie mit Minderheiten umgeht und sie verteidigt, erst recht nach der Shoa, daran misst sich, wie human sie ist.

Deutschland, das Land der Täter, versagt da ziemlich. Nach dem Massaker der Hamas, dem schlimmsten Progrom seit der Shoa, demonstrierten in Hamburg gerade mal etwa 2000 Menschen als Zeichen der Solidarität. In Berlin und anderen Städten waren es nicht viel mehr. Nach dem Angriff auf Hensel gab es keinerlei breite Sympathiebekundungen. Selbst CDU-Kanzler Merz mahnt vielmehr Israel, das Opfer, zur Zurückhaltung, obwohl die Hamas noch immer auch deutsche Geiseln hält; Außenminister Wadephul sprach von „Zwangssolidarität“, ohne dass beide überlegen, was das hierzulande bewirkt. Juden- und Israelhasser fühlen sich bestätigt. Und schreiten zur Tat.

(veröffentlicht auch im Blog „Ruhrbarone„)

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

Ein Gedanke zu “„Scheiß-Israeli“, „Kindermörder“

  1. avatar

    Damit sprichst Du mir aus dem Herzen. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir, aus Gründen einer pathologischen Political Correctness, darauf verzichten, die Ursachen von Problemen zu benennen. Deutschland wird judenfeindlicher, ja, aber nicht „die Deutschen“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top