SPD und Grüne verweigern in einer dramatischen Bundestagssitzung einen Kompromiss mit Union und FDP zur Begrenzung der Immigration. Die Quittung werden sie und das Land bei der Wahl erhalten: Die AfD wird weiter zulegen, eine Regierung der Mitteparteien scheint kaum noch möglich. Am Ende werden die Rechtsextremen womöglich stärkste Partei.
Obwohl Olaf Scholz die FDP aus der Ampelregierung geworfen hat, hat sie an diesem Freitag alles versucht, SPD und Grünen eine Brücke zu bauen, um doch noch einen gemeinsamen Weg der Parteien der Mitte ohne die AfD für eines der drängendsten Probleme des Landes zu finden: die Eingrenzung der irregulären Einwanderung. Doch SPD und Grüne wollten sie nicht beschreiten. Sie wollten ganz offensichtlich die Union und ihren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz um jeden Preis in die rechte Ecke drängen, eines billigen Wahlkampfeffekts wegen. Der sich für sie nicht auszahlen wird.
Natürlich kann man Merz vorwerfen, er habe einen Tabubruch begangen, weil er bereit war, auch das von der Union vorgelegte Zustrombegrenzungsgesetz wie schon die Anträge am Mittwoch mit Stimmen der AfD zu beschließen – und sei gescheitert, weil es keine Mehrheit bekam. Das wäre allerdings eine sehr oberflächliche Sicht. Denn Merz war ebenso bereit, sich mit SPD und Grünen zu verständigen, um genau das zu verhindern. Sonst hätte er nicht den ganzen Tag über mit ihnen verhandelt. Doch sie lehnten offenbar jeden Kompromiss ab.
Scholz hat nichts mehr zu melden
Allein das Bild war bezeichnend: Die Fraktionsspitzen aller Parteien bis auf die AfD gingen im Büro des Oppositionsführers unter der Kuppel des Reichtstags ein und aus, als wäre er schon Kanzler. Der noch amtierende Kanzler hatte nichts zu melden. Aber Merz und Lindner konnten nichts ausrichten, weil Rotgrün nicht wollte.
Dabei ging es in dem Gesetz um nichts Umstürzlicheres, gar Rechtsradikales. Die Union wollte mit Unterstützung der FDP in das Aufenthaltsgesetz nur wieder einfügen, was da stand, bis es die Ampel strich: dass es nicht nur der Steuerung, sondern auch der Begrenzung der Masseneinwanderung dient. Zweitens sollte der Familiennachzug zu lediglich Geduldeten ausgesetzt werden. Was ebenfalls von der SPD mitbeschlossenes Recht war, bis die GroKo es auf deren Drängen änderte. Und was ja auch äußerst sinnvoll wäre, da Geduldete gerade keine Bleibeperspektive haben sollen und es deshalb kontraproduktiv ist, auch noch ihre ganzen Familie nachkommen zu lassen. Wodurch sie erst recht nicht mehr abgeschoben werden können.
Drittens wollte die Union der Bundespolizei das Recht geben, selbst Haftbefehle zur Abschiebung beantragen zu können, was die seit langem fordert, was aber rechtlich problematisch ist, weil das eigentlich Sache der Staatsanwaltschaften ist. Dennoch hätte man sich bei guten Willen auch hier einigen können. Der war jedoch offenkundig auf der linken Seite nicht vorhanden.
Mit dem Kopf gegen die Brandmauer
Soll man sich jetzt freuen, weil die Brandmauer doch gehalten hat und einige Abgeordnete der Union und der FDP sich Merz widersetzt haben? Was aber wird nach der Wahl passieren, wenn sich auch dann SPD und Grüne einer Einigung in der Migrationspolitik verweigern und die Union auf ihren Positionen beharrt? Wird es eine Minderheitsregierung unter Führung von Merz geben, die sich wechselnde Mehrheiten suchen muss, auch mit der AfD, wenn Rot oder Grün nicht mitstimmt? Im wichtigsten Land der EU, mitten im Krieg Putin-Russlands gegen die Ukraine und Europa, einer dramatischen Wirtschaftslage und ungelösten Problemen der Klima- und Energiepolitik?
Man kann es ganz einfach sagen: Zweidrittel der Bürger, auch eine Mehrheit der verbliebenen SPD-Wähler und viele Grünen-Anhänger, wollen eine schärfere Migrationspolitik. SPD und Grünen wollen sie nicht, obwohl sie schon jetzt keine Mehrheit mehr haben. Dümmer kann man eine Wahl nicht verlieren wollen. Doch das ist ihr Problem. Viel schlimmer ist, dass die Völkischen nun triumphieren, weil die etablierten Parteien gemeinsam nichts hinbekommen, und sie deshalb mit weiteren Zugewinnen rechnen können, bis sie vielleicht bei der folgenden Wahl wie in Österreich und anderen Ländern stärkste Partei werden und das Kanzleramt beanspruchen. War es das wert?
Danke an an diejenigen Abgeordneten im schwarzgelben Lager, die den Dammbruch noch einmal verhindert haben! Rolf Mützenich hat in der Debatte alles notwendige gesagt. Die AfD wird die CDU/CSU weiter vor sich her treiben, während sich diese und ihre publizistischen Flakhelfer weiter am herbeihalluzinierten „linksgrünen Zeitgeist“ abarbeiten.
„Die AfD wird die CDU/CSU weiter vor sich her treiben,..“
Nicht die AfD, lieber Stefan Trute.. die Realität in diesem Lande.
Absolut richtig! Es ist gerade diese Fehleinschätzung Habecks, dass die AfD die Union nun da hätte, wo sie sie schon immer hätte haben wollen, die die Verweigerung so irrational macht. Denn, ja, es ist, wie Sie sagen, nicht die die AfD treibt die politisch Verantwortlichen, sondern die Realität.
Stefan Trute findet das Gut.
Welches Gut soll ich denn finden, „Staatsschützer“?
Vielen Dank für diesen Text. Auf den Punkt, Ludwig Greven, auf den Punkt. Es ist ein Desaster. Damit ist die FDP Geschichte.
Der gestrige Erpressungsversuch von Friedrich Merz „Stimmt mit mir für AfD-Forderungen, sonst muss ich sie mit der AfD durchsetzen“ ist gestern gescheitert, dank all den Abweichlern von CDU und FDP, die doch noch ihr demokratisches Gewissen gefunden haben. Kompromissbereitschaft war von Seiten der Union keine zu sehen.
Trotzdem: Die einzige Siegerin des gestrigen Tages ist die AfD, die jetzt weiß, dass Merz weiter über jedes Stöckchen springen wird, das sie ihm hinhält. Während man hier in ideologischer Verblendung diejenigen verantwortlich macht, die sich eben nicht von der AfD vor sich her treiben lassen, sondern sich ihnen entgegen stellen. Faschismus besiegt man nicht, indem man seine Narrative übernimmt. Wäre schön wenn Merz das verstehen würde, aber er hat weder das persönliche Format noch die politische Stärke dafür. Er ist und bleibt ein schlechter Politiker.
Man kann Merz als „schlechten Politiker“ bezeichnen, weil er den Realitäten folgt, man kann ihm das „persönliche Format“ absprechen – was nichts anderes als eine nichts sagende moralische Wertung ist – man kann ihn einen Populisten schelten und man kann auf den Vorgang schauen, als wäre der Grabenkampf im Bundestag das, worum es eigentlich geht. Dabei ist die Realität der gescheiterten Migrationspolitik das, worum es tatsächlich geht. Der Staat kommt seiner Hauptaufgabe, nämlich die Bürger vor Gewalt zu schützen aus ideologischen Gründen der Regierenden nicht mehr nach. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass er es gar nicht mehr will, angesichts unzähligen Attentate, und der Toten und Verletzten dieser Attentate und der fehlenden Konsequenzen daraus.