Das, was bis jetzt über das Sondierungspapier zwischen SPD und CDU bekannt ist, macht nicht gerade Hoffnung. Die Wahlgewinnerin CDU und der Vorsitzende Friedrich Merz haben sich von den SPD-Genossen gnadenlos durch deren ideologische Manege treiben lassen. Und damit gleich das ganze Land in finanzielle und sicherheitspolitische Haftung genommen.
Wahlversprechen? War da was?
Nahezu jedes Problem, welches wir in der Bundesrepublik haben, wird zukünftig mit dem Geld unserer Kinder und Enkel zugepflastert. Keine Strukturreformen, keine Überprüfung der überbordenden Staatsausgaben, kein Einlenken hin zu einem wettbewerbsfähigen Deutschland. Die neue Koalition agiert bereits jetzt wie eine Feuerwehr, die mit Benzin löschen will.
Im öffentlich-rechtlichen TV wird Merz‘ Wortbruch euphemistisch als „demokratisch nicht ganz sauber“ und als „kluger Schachzug“ bezeichnet. Dass in dem Papier schwammig davon gesprochen wird, man wolle im Rahmen der Haushaltsberatungen auch Einsparungen vornehmen, ist ähnlich dem Merkelschen „Wir schaffen das.“ Was daraus geworden ist, erleben wir gerade. Nichts haben wir geschafft.
Keine Strukturreformvorhaben, kein Hinterfragen der horrenden Staatsausgaben, nichts. Das wundert niemanden, und das ist das eigentlich Gefährliche daran. Das Vertrauen in die Politik erhält einen schweren Schlag und wird im Ergebnis der AfD noch mehr Menschen zutreiben.
Die SPD braucht sich gar nicht den etatistischen Schneid abkaufen lassen, denn die Milliarden wären ja ohnehin schon eingesackt. Für die bis jetzt immer noch gutgläubigen Unionswähler ist das eine bittere Medizin: Einen konservativen Wechsel wählen, aber sozialistisch bekommen. Alles in allem eine schallende Ohrfeige für die eigenen Wähler.
Und was ist eigentlich aus den 551 Fragen geworden?
Der Staat will nicht mehr
Wie schon nach den zahlreichen großen und den täglich kleinen Anschlägen auf „unsere Art zu leben,“ die wir uns doch nicht kaputtmachen lassen wollten, kehrt die in Aussicht gestellte Koalition zum „weiter so wie bisher“ in der Sicherheitspolitik zurück. Der Staat, dessen vordringlichste Aufgabe der Schutz seiner Bürger ist, will diesen Schutz nicht mehr gewährleisten. Das bekräftige zwar der parlamentarische Geschäftsführer, Tortsen Frei, der Union noch einmal („Die Sicherheit unseres Landes steht für uns an erster Stelle. Sie zu garantieren, ist oberste Pflicht des Staates.“), allerdings bleibt es bei der Absichtserklärung. Stattdessen wurden nun anstatt eines klaren Richtungswechsels Placebos in das Papier eingefügt, die keinerlei Verbindlichkeit darstellen. Pistorius rühmt sich damit sogar öffentlich: „Das hat null Wirkung. Gar keine.“ Es geht um den Passus, dass Zurückweisungen an den Grenzen in „Abstimmung mit den Nachbarländern“ vorgenommen werden können. Dafür, dass die SPD zu einer 16%-Partei verzwergt worden ist, hat man bei den Genossen eine wirklich große Klappe. „Wir haben sie nicht eine Sekunde in unseren Vorgarten gelassen.“ (Pistorius)
Es geht den zukünftigen Koalitionären, vor allem der SPD, ganz offensichtlich nicht um das Wohl dieser Bundesrepublik, sondern um Machtausübung auf Kosten der Sicherheit der zahlenden Bürger. Pro Asyl kritisiert diese schwammigen Regelungsvorhaben bereits jetzt als „Angriff auf Menschenwürde und Menschenrechte.“ Zynischer geht es kaum noch, denn Menschenwürde und Menschenrechte der Bevölkerung, auch die von vielen Migranten, die sich in Deutschland ein neues Leben aufgebaut haben, sind Pro Asyl egal.
Zurückweisungen an den Grenzen wären gar nicht notwendig, wenn die Bundesrepublik endlich das gesamte Asylsystem, vor allem die Einwanderung in die soziale Hängematte dieses Landes, auf den Prüfstand stellen würde. Mehrere europäische Nachbarländer machen vor, wie das geht. Wäre der Wille dazu vorhanden, könnte die Bundesrepublik hier etwas lernen. Beispielweise von dem sozialdemokratisch regierten Dänemark, das seit Jahren eine restriktive Asyl- und Migrationspolitik betreibt und an die, die ins Land wollen, echte Forderungen stellt. Und nur, wenn man bereit ist, sich diesen Forderungen zu stellen und sie zu erfüllen, greift auch eine entsprechende Förderung. Davon kann man in Deutschland nur träumen.
Keine Macht dem Wähler
Das, was gewählt wurde, findet letztendlich nicht statt, falls es tatsächlich zu einer schwarz-roten Koalition kommen sollte. Dabei ist die Frage, ob das, was der aufgelöste Bundestag jetzt noch beschließen soll, verfassungskonform ist. Der Verfassungsrechtler Prof. Boehme-Neßler hat starke Bedenken. Er bezieht sich auf den Demokratiegrundsatz gemäß Artikel 20 des GG: „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Neßler argumentiert, dass, sobald das Volk die Staatsgewalt nicht unmittelbar, sondern durch die Staatsorgane ausübt, ihr Handeln einer demokratischen Legitimation bedarf. Hierfür muss eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen der Wahlentscheidung des Volkes und der Entscheidung eines jeden Hoheitsträgers bestehen. Alle Staatsorgane und Amtsträger (personelle Legitimationskette) und jede hoheitliche Entscheidung (sachliche Legitimationskette) müssen mit dem im Wahlakt deutlich gewordenen Willen des Volkes verbunden sein.
Das wäre bei den Vorhaben, den neuen Bundestag durch den alten Bundestag langfristig – auf zehn Jahre, also nicht nur den nächsten, sonder auch den übernächsten Bundestag – an diese Entscheidungen zu binden, tatsächlich nicht der Fall. Der alte Bundestag als Sachwalter, als Treuhänder des neuen Bundestages missbraucht seine Macht, wenn er das sogenannte „Sondervermögen“ noch vor der Konstituierung des neuen Bundestages durchsetzt.
Dass gleichzeitig ein vom Wähler nicht mehr legitimierter Bundestag darüberhinaus auch noch übereilt und ohne angemessene Prüfungen in den wichtigsten Rechtstext der Bundesrepublik, das Grundgesetz, eingegriffen werden soll, ist ein zutiefst undemokratisches Vorgehen. Letztlich wird so der Wählerwille mit Füßen getreten, der Souverän gnadenlos entmachtet. Mit Demokratie hat das nicht mehr viel zu tun.
Daniel Anderson: Berufsausbildung zum Flugzeugmechaniker. Regiestudium an HFF „Konrad Wolf“ in Babelsberg. Berufsverbot als Filmregisseur in der DDR. Oberspielleiter, Autor und Schauspieler am Theater Senftenberg. Verhaftung. Nach dem Mauerfall freier Regisseur, Autor (TV-Serie, Theater, Synchron), Schriftsteller und Musiker. Studium Vergleichende Religionswissenschaften in Bonn. Gründer und Leiter der „Theaterbrigade Berlin.“ Anderson lebt in Berlin und immer mal wieder in Tel Aviv.