Ich mag die taz! Gäbe es sie nicht, müsste man sie erfinden. Das meine ich ernst: Ich lese die Artikel der Redaktion und ihrer freien Mitarbeiter gern. Nicht, weil ich ihre Positionen teile, sondern weil ich gute Argumentationen und andere Sichtweisen schätze. Schließlich gibt es nichts Schlimmeres, als nur in der eigenen Blase zu bleiben. Das macht träge und blind.
Doch manchmal schießt die taz über das Ziel hinaus – vor allem, wenn sie sich moralisch echauffiert oder ihre Weltsicht nicht als eine Option, sondern als unumstößliche Wahrheit betrachtet. Jüngstes Beispiel: Ein Artikel des freien taz-Mitarbeiters Harff-Peter Schönherr, der den Chefredakteur der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ), Burkhard Ewert, in die Nähe der AfD rückt.
Der Vorwurf? Ewert habe sich kritisch zu sogenannten Recherchenetzwerken geäußert, anstatt deren Ergebnisse – etwa von Correctiv oder Volksverpetzer – kritiklos zu übernehmen. Außerdem habe er „Alternativmedien“ nicht pauschal verteufelt. Ironisch, wenn man bedenkt, dass die taz selbst einst ein Alternativmedium war.
Kritik ist nicht gleich Verschwörung
Schönherr übersieht dabei, dass etablierte Medien – nicht erst seit Corona – oft zu unkritisch berichten. Wer hinterfragt, gilt schnell als verdächtig. Doch seriöser Journalismus bedeutet nicht, Haltung zu zeigen, sondern Macht zu hinterfragen, unabhängig davon, wer sie ausübt. Dass ein erfahrener Journalist wie Ewert seine Arbeit genau so versteht, überrascht nicht.
Doch für Schönherr reicht das aus, um ihn als AfD-nah zu brandmarken. Sogar die von der NOZ beauftragte Forsa-Umfrage zu Impfnebenwirkungen ist ihm ein Dorn im Auge – nicht wegen der Ergebnisse, sondern weil das Thema von einem „verschwörungstheoretischen Alternativmedium“ vorgeschlagen wurde. Ändert das etwas an den Zahlen? Natürlich nicht. Forsa bleibt Forsa. Doch im neuen Medienspiel geht es nicht mehr um Fakten, sondern darum, wer etwas sagt.
Alberne Kronzeugen und falsche Zitate
Peinlich wird es, wenn Schönherr lokale Zeugen anführt. Er zitiert etwa den umstrittenen Ex-Stadtbaurat Frank Otte (Grüne), der für seine rigide Verkehrspolitik oft von der NOZ kritisiert wurde. Und als Beleg für die „NOZ-Kritik“ nennt er ein Mini-Portal, das einmal 12.000 Aufrufe für einen Beitrag feierte – eine Reichweite, die mancher Fußball-Bezirksligist mit einem dahingerotzten Spielbericht erreicht.
Übrigens: Wer Heinrich Heine zitiert, sollte ihn verstanden haben. Schönherr offenbar nicht. „Nachtgedanken“ handelt nicht von schlaflosen Nächten aus Sorge um Deutschland, sondern von Heines Exil und der Sehnsucht nach seiner Mutter. Doch für solche Details bleibt in der taz wohl kein Platz.