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In der Thüringer Kleinstaaterei (6) – Greiz

Nirgendwo in Deutschland währte die Kleinstaaterei so lange wie in Thüringen. Die Grafik unten (aus Wikipedia) zeigt die politischen Grenzen von 1910 auf. Erst mit dem (Reichs-)Gesetz vom 30. April 1920 wurde zum Folgetag das Land Thüringen aus 7 Einzelstaaten gebildet. Als „kleinthüringer Lösung“. Preußen war nicht bereit gewesen, auch nur einen Quadratzentimenter beizusteuern. Das geschah erst nach 1945. 7 plus 1 Sterne zieren deshalb heute das Thüringer Landeswappen. Thüringen – das Land mit den vielen Residenzen.

Greiz

Sie haben noch nie etwas gehört von der Residenzstadt des Fürstentums Reuß ältere Linie?

Kein Wunder, der Zwergstaat Greiz im Staatenbund Kaiser Wilhelms II. hatte 1910 stolze 70.603 Einwohner. Und sollten Sie bei „Greiz“ an einen Ort mit Motor-Rennen gedacht haben: Das wäre Schleiz.

1564 bis 1768 war die Herrschaft, damals noch nicht reichsunmittelbar, sondern der Prager Krone zugehörig, zu allem Überfluss auch noch zerteilt in (unter anderem)

Die Reußen waren (fast) alles Heinriche, wie der Stammvater, der im 13. Jahrhundert den Namen „Reuß“ verpasst bekam. Warum „Reuß“ ? Das können Sie hier nachlesen.

Der letzte Fürst in Greiz war Heinrich der Vierundzwanzigste , dessen Herrschaft aber von seinem Verwandten in Gera ausgeübt wurde, Heinrich dem Siebenundzwanzigsten. Die sollten Sie aber alle nicht verwechseln mit dem alten Herrn, der geplant haben soll, Gesundheitsminister Lauterbach zu entführen. Dieser wäre Prinz Heinrich der Vierzehnte.

Alles klar?

Gewirtschaftet wurde im Greizer Land hauptsächlich in der Textilindustrie. Davon erzählt das Museum im Unteren Schloss. Es ist wirklich nur für spezielle Liebhaber interessant, also für mich.

Ja, an einem solchen Jaquard-Webstuhl saß mein Vater (Bild unten).

Und gewiss war ich schon als 9- oder 10-jähriger Knabe in Greiz.

Mit Vater, neben ihm auf dem Beifahrersitz des Wartburg-Tourist platziert, den Hänger hinten angehängt. Weil wieder so ein alter Jugendfreund Vater angerufen hatte:

„Du Hermut, wir haben von unseren Planzuweisungen noch 650 kg Garn übrig. Kannste kaufen, wenn Du morgen früh um neun da bist.“

Dann fragte Vater mich manchmal: „Willste mit?“ Na und ob ich wollte!

Aber fragen Sie mich nicht, wie die Maschinen-Webstühle funktioniert haben. Wie diese Revolverwebmaschine aus Fürstenzeiten (Bild unten).

„Die kenne ich noch aus der Leipziger Tapisserie.“ Sagt mein Bruder. „Hab ich noch 1988 repariert, das Teil.“

Frühling wird es im fürstlichen Park mit dem ab 1770 errichteten Sommerpalais (Bild unten).

Das leisteten sich die Greizer Reußen schon, aber als einzige der Thüringer Zaunkönige leisteten sie sich kein Theater. Bis 1879 gab es im Fürstentum nicht einmal ein Gymnasium.

Und wenn Sie noch Zeit haben, dann besuchen Sie doch auch die Osterburg in Weida, 20 km nördlich von Greiz (Bild unten). Die Ur-Burg der Vögte des Vogtlandes, als welche sich die Reußen einst ihre ersten Sporen verdienten. Das ist dann aber schon Sachsen-Weimar.

 

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Über Bodo Walther

Bodo Walther, geboren 1960 in Weißenfels im heutigen Sachsen-Anhalt, studierte 1985 bis 1991 Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn. Er war aktiver Landes- und Kommunalbeamter in Sachsen-Anhalt, ist heute im Ruhestand und Anwalt in der Nähe von Leipzig.

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